Protokoll der Sitzung vom 16.12.2020

Deshalb ist heute erneut die Frage zu stellen, was jetzt zu tun ist. Ich glaube, wir sollten uns gemeinsam vornehmen, mehr und schneller zu testen. Ich denke, wir sollten damit fortfahren, die Gesundheits

(Abg. Dr. Jung (SPD) )

ämter personell und organisatorisch weiter zu stärken. Wir sollten alles tun, um die Intensivstationen so schnell wie möglich, ich will nicht sagen, leerzuräumen, aber auf das zu begrenzen, was unbedingt notwendig ist. Wir sollten Personal entlasten und Reserven für die Krankenhäuser aufbauen. Wir sollten vor allen Dingen die vulnerablen Gruppen in den Einrichtungen optimal schützen, ob es Altenheime oder Behinderteneinrichtungen sind.

(Beifall bei der SPD.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kommt aber besonders darauf an, dass es mit dem Impfen funktioniert. Ich will zunächst einmal einen großen Dank und ein Lob aussprechen an das Gesundheitsministerium, an die Landkreise, an die Kassenärztliche Vereinigung. Das, was dort in den letzten Wochen geleistet worden ist, um diese Impfzentren aus dem Boden zu stampfen und das Personal, die Räume und die Abläufe zu organisieren, ist eine hervorragende Leistung in kurzer Zeit und verdient hohen Respekt und herzlichen Dank aus diesem Haus.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Wir haben natürlich den Wunsch, und er darf an dieser Stelle nicht fehlen, dass neben den drei Impfzentren, die Land und Landkreise mit der KV gemeinsam organisieren, auch die Bundeswehr eines ihrer 25 Impfzentren im Saarland niederlässt, am besten im Norden des Saarlandes. Das haben wir nicht selbst zu entscheiden, aber wir sind guter Dinge, dass die Entscheidungen in Bonn und Berlin so getroffen werden, dass ein viertes Impfzentrum hinzukommt.

Meine Sorge ist aber, wie wir es schaffen, dass die Impfmöglichkeiten von Anfang an optimal genutzt werden. Ich habe mir immer die Frage gestellt, wie entschieden wird, welcher Bürger, welche Bürgerin an welchem Tag um soundsoviel Uhr geimpft wird. Es scheint wohl so zu sein, dass sich die Bürgerinnen und Bürger selbst melden und in einem EDVgestützten System einen Impftermin buchen müssen. Es könnte etwas schwierig sein bei den 80-Jährigen und Älteren, mit denen wir beginnen wollen, dass alle in der Lage sind, sich mit einem entsprechenden EDV-System selbst einen Impftermin zu buchen und in das Impfzentrum zu begeben.

Vielleicht bin ich etwas altmodisch, wenn ich Sorge habe, ob diese Selbstorganisation funktionieren wird. Es wäre schade, wenn der Impfstoff zur Verfügung steht, die Ärzte und das Personal in den Impfzentrum stehen, aber die Kapazitäten, die wir haben, in den ersten Tagen nicht zu 100 Prozent ausgenutzt werden. Deshalb muss man vor allen Dingen informieren, informieren und informieren! Man muss den Bürgerinnen und Bürgern aber auch helfen, dass die zur Verfügung stehenden Impfkapazitäten zu 100 Prozent ausgelastet werden. Das ist ei

ne wichtige Aufgabe, die in den nächsten Tagen mit großem Engagement angegangen werden muss.

(Beifall von der SPD.)

Was ist noch zu tun? Wir müssen an den Strategien weiterarbeiten, um auch in Zeiten des Lockdowns gute Bildungsangebote zu ermöglichen und Betreuung sicherzustellen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Betriebe die Hilfen, die sie erhalten sollen, auch tatsächlich erhalten. Eine Novemberhilfe, die im Januar ausgezahlt wird, hat ihren Namen nicht verdient. Man fragt sich schon, warum man sich im Bundeswirtschaftsministerium nicht früher darauf vorbereitet hat. Es war im August oder September vielleicht durchaus vorstellbar, dass es eine zweite Welle geben könnte und möglicherweise Novemberhilfen geben müsste.

Ich finde, wir müssen gemeinsam darauf achten, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen und zu unterstützen in dieser Zeit der Krise, die für viele auch eine Zeit der Arbeitslosigkeit ist. Deshalb sollten wir zum Beispiel auch sehr schnell mit dem Bund darüber reden, dass wir Qualifizierungsmaßnahmen sofort zu Verfügung stellen für Leute, die wegen Corona arbeitslos werden. Eine solche Qualifizierungsoffensive sollte schon in wenigen Wochen losgehen. Wir müssen auch diejenigen in besonderer Weise unterstützen und ihnen helfen, die wegen Corona in Armut geraten. Ich danke unserem Verbraucherschutzminister Reinhold Jost, der das Thema Stromsperren schon mehrmals öffentlich genannt hat. Er hat deutlich gemacht, dass die Unternehmen denjenigen, die zahlungsunfähig sind, nicht auch noch den Strom abdrehen dürfen, dass diejenigen, die jetzt obdachlos werden, nicht ohne Hilfe dastehen sollen. Dafür müssen wir sorgen.

Ich glaube, am Ende brauchen wir einen echten Nothilfekatalog für die Unternehmer, die jetzt von einem auf den anderen Tag kurz vor der Insolvenz stehen, für diejenigen, die wirklich von einem auf den anderen Tag durch den Lockdown kein Geld mehr auf dem Konto haben und nicht mehr weiterwissen. Hier brauchen wir, glaube ich, auch als Land, sowohl was Geld betrifft als auch die Beratungsangebote für die Bürgerinnen und Bürger, Instrumentarien, mit denen wir im Januar den Menschen tatsächlich helfen können.

Viele Bürgerinnen und Bürger fragen uns natürlich und wir fragen uns das selbst -, wie es jetzt weitergeht. Ich glaube nicht daran, dass dieser Lockdown am 10. Januar beendet werden kann. Ich kenne eigentlich niemanden, der daran glaubt. Ich glaube auch nicht, dass wir zum 01. Februar eine Inzidenz von 50 erreichen oder unterschreiten werden. Auch wenn wir natürlich weiterhin auf Sicht fahren müssen, ist aber die Wahrscheinlichkeit groß, dass harte Maßnahmen und Einschränkungen uns wahrscheinlich eher bis Ostern begleiten werden, als dass sie in

(Abg. Dr. Jung (SPD) )

wenigen Wochen wieder zurückgenommen werden können. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass wir Schulen und Kindergärten bis Ostern dichtmachen werden. Ich glaube auch nicht, dass wir es uns leisten können, viele Betriebe über Monate dichtzumachen. Deshalb sind kluge Debatten und kluge Fragestellungen auch in den nächsten Wochen noch notwendig, um zu schauen, wie wir uns in den nächsten Wochen und Monaten verhalten werden und was die Bürgerinnen und Bürger zu erwarten haben. Auf jeden Fall wird mit dem Frühling nicht nur die Sonne, sondern auch die Hoffnung kommen.

Doch jetzt steht uns - auch das ist eine bittere Wahrheit - sicherlich ein harter Winter bevor. Was wir deshalb brauchen, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen und auch liebe Bürgerinnen und Bürger, das ist vor allen Dingen Solidarität. Hier gibt es Vorbilder in unserer Gesellschaft. Da nenne ich vor allen Dingen die Menschen im Gesundheitswesen, die Krankenschwestern und Krankenpfleger, die Ärztinnen und Ärzte und viele, die in der Pflege arbeiten. Das ist jeden Tag gelebte Solidarität. Das ist Dienst an den Mitmenschen. Diese Menschen sollten wir uns zum Vorbild nehmen. Solidarität ist das, was wir in dieser Krise brauchen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Vizeprä- sidentin Ries übernimmt den Vorsitz.)

Zur Solidarität gehört aber auch, dass die Menschen sich impfen lassen. Impfen wird freiwillig bleiben. Es wird keine Impfpflicht geben. Aber derjenige, der sich impft, der schützt möglicherweise auch andere. Deshalb, Herr Kollege Lafontaine, hätte ich mir gewünscht, dass Sie nicht die Zweifel am Impfen unterstützt hätten, sondern dass Sie sich hier klar zur großen Bedeutung von Impfen zum Schutz der Bevölkerung, jedes einzelnen, bekannt hätten.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Solidarität betrifft aber auch die vielen staatlichen Hilfen, die im Moment geleistet werden, und Solidarität ist dann erforderlich, wenn entschieden wird, wie diese Hilfen organisiert und finanziert werden, dass tatsächlich die starken Schultern mehr tragen als die schwachen. Darauf werden wir Sozialdemokraten achten. Solidarität ist am Ende nicht nur die Hilfe des Staates, sondern das ist auch das Handeln des Einzelnen, der sich an die Regeln hält und damit seine Mitmenschen schützt. Auch daran will ich appellieren, auch an diejenigen, die die Maßnahmen nicht akzeptieren. Denen will ich sagen, seid solidarisch, schützt nicht nur euch, sondern schützt auch eure Mitbürgerinnen und Mitbürger.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Am Ende, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Solidarität auch das beste Mittel gegen Panik, gegen Angst und auch gegen die Einsamkeit, die viele Menschen in den nächsten Tagen und Wochen erle

ben werden. Einer der bewegendsten Termine im Sozialausschuss war der Besuch der Telefonseelsorge, die uns berichtet hat, wie viele Tausend Menschen, im Übrigen auch viele jungen Menschen, sich an die Telefonseelsorge wenden, weil sie einsam sind, weil sie die Einsamkeit nicht mehr ertragen können, manche auch mit dem Gedanken, sich etwas anzutun. Ich bin mir sicher, dass Weihnachtstage in einem Corona-Lockdown die Einsamkeit bei den Menschen in unserem Land noch verstärken werden. Wir alle sind deshalb aufgerufen, etwas gegen diese Einsamkeit zu tun und auf diejenigen zuzugehen, von denen wir die Sorge haben, dass sie unter Einsamkeit in besonderer Weise leiden.

Ich hatte vor einer Woche gesagt, Weihnachten muss auch in Corona-Zeiten Weihnachten bleiben. Ich habe mir dabei ein anderes Weihnachten vorgestellt als das, das wir jetzt begehen werden. Aber auch so kann Weihnachten etwas Besonderes für uns sein, wenn wir nämlich diejenigen, die wir an Weihnachten vermissen, wenn wir das, was wir nicht tun können, vermissen, dann wird uns vielleicht auch wieder klar, wie wichtig uns vieles ist. Insofern kann Weihnachten auch wieder ein besonders schönes Weihnachten sein. - In diesem Sinne herzlichen Dank und Glück auf!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank. - Der nächste Redner ist der fraktionslose Abgeordnete Lutz Hecker.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Der Kollege Oskar Lafontaine hat sich sehr differenziert mit vielen Aspekten dieser Pandemie auseinandergesetzt. Ich kann mich mit vielen seiner Aussagen anfreunden. Allein, es ist mir nicht möglich, alle Aspekte zu beleuchten. Ich möchte mich daher auf einige wenige Aspekte beschränken, die mir wichtig sind, und bitte, das aber als - gleichwohl kritische - Ergänzung zu diesen bisherigen Debattenbeiträgen zu betrachten.

Vorab Folgendes. Ja, auch mir machen die aktuellen Zahlen erhebliche Sorgen. Der Ministerpräsident hat mir gerade letzte Woche erst wieder gesagt, man dürfe eine Corona-Pandemie nicht mit einer Grippewelle vergleichen, wobei er selbst im weiteren Verlauf natürlich genau das getan hat. Warum sollte man das auch nicht dürfen? - Nein, man muss natürlich genau das tun. Eine Analyse wäre ohne einen solchen Vergleich unvollständig.

Natürlich bringt ein solcher Vergleich auch einen erheblichen Erkenntnisgewinn. Diesen Vergleich also per Dekret zu verbieten, ist in höchstem Maße unwissenschaftlich. Stattdessen verlässt sich unser Mi

(Abg. Dr. Jung (SPD) )

nisterpräsident lieber auf die Erklärungen der Leopoldina, wie zuletzt letzte Woche, oder auch auf den COVID-Simulator der Uni. Auf den unsäglichen Blödsinn, den die versammelte Presse des Saarlandes im Mai verbreitet hatte, als sie unter Berufung auf genau dieses Cosim-Projekt der UdS behauptete, die Landesregierung habe bis August 60.000 Tote im Saarland verhindert, hatte ich hier schon mehrfach hingewiesen.

Zurück aber zur Leopoldina, der Deutschen Akademie der Naturforscher. Selbst „Welt online“ hat letzte Woche das Papier der Leopoldina, das von Bundeswie Landesregierungen zur Grundlage ihrer letzten Entscheidungen gemacht wurde, verrissen und ihm weitgehend jeden wissenschaftlichen Anspruch abgesprochen. Ich habe dazu auch einen aktuellen Artikel von Professor Michael Esfeld gefunden. Er ist selbst Mitglied der Leopoldina und Professor für Wissenschaftsphilosophie an der Universität in Lausanne. Er schreibt - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis -: „Kurz, die Evidenz und das Argument fehlen, wieso bei der jetzigen Ausbreitung des Coronavirus alles anders sein sollte als in früheren ähnlichen Fällen (wie zum Beispiel die Hongkong-Grippe von 1968 bis 1970) , die allein medizinisch bekämpft wurden und durch spontane, freiwillige Verhaltensanpassung in der Bevölkerung. An all diesem zeigt sich wiederum, dass Wissenschaft stets ein Prozess der Erkenntnissuche ist, in dem es eine Pluralität von mit Vernunft vorgetragenen Stimmen gibt. Folglich kann es keine wissenschaftliche Politikberatung geben, die zentrale staatliche Planung des Lebens von Menschen mit dem damit verbundenen Zwang als ‚aus wissenschaftlicher Sicht unbedingt notwendig‘ erweist. Eine solche Behauptung ist ein eklatanter Missbrauch von Wissenschaft, und zwar durch Wissenschaftler selbst (…). Die Alternativen bestehen nicht darin, entweder nichts zu tun oder zu Notrecht zu greifen. Wenn eine Infektionswelle anrollt, die eine bestimmte Gruppe von Personen bedroht, dann passen diese und alle anderen Personen spontan ihr Verhalten an, und dann ist es Aufgabe des Staates, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen für Solidarität mit der gefährdeten Personengruppe, um diese vor Infektion zu schützen. Aber aus deontologischer Sicht, aus Respekt vor der Freiheit und der Würde auch gerade dieser Personen muss man jedem die Freiheit lassen, selbst abzuwägen, welche Risiken sie oder er einzugehen bereit ist für ein Leben, das sie oder er als lebenswert erachtet. Niemand hat das Recht, hier Zwang zu ergreifen, seinen persönlichen Schutz absolut zu setzen und sich über die Lebensperspektiven anderer hinwegzusetzen.“

Eine effektive Kontaktnachverfolgung ist vielleicht nicht mehr möglich, sagt die Leopoldina. Auch das ist natürlich Unfug, denn eine effektive Kontaktnachverfolgung und der damit verbundene Anspruch, das Infektionsgeschehen kontrollieren zu können, war

noch nie möglich. Das liegt daran, dass zum einen nur bei einem Bruchteil der positiv Getesteten tatsächlich die Quelle der Übertragung ermittelt wird und zum anderen natürlich an der Dunkelziffer, die so dunkel ist, dass man nicht weiß, ob sie bei 3 oder bei 100 liegt. Das heißt, selbst wenn die Gesundheitsämter bei allen positiv Getesteten die Infektionskette unterbrechen könnten, würde immer noch der übergroße Anteil von infektiösen Menschen herumlaufen, die gar nicht wissen, dass sie infektiös sind und von denen es die Gesundheitsämter natürlicherweise auch nicht wissen können.

Hinzu kommt natürlich die beschränkte Aussagefähigkeit des PCR-Tests. Ein positiver PCR-Test weist das Vorhandensein gewisser RNA-Segmente eines SARS-COV-Virus nach. Ob die Person jedoch infiziert, infektiös oder krank ist, dazu kann ein PCRTest keinerlei Aussage treffen. In der Beurteilung dieser Tatsache sind andere Landesregierungen möglicherweise schon weiter. Meine grundsätzliche Kritik an der Diskussion, die wir hier betreiben, nachdem die Verordnung eben schon in Kraft ist, erhalte ich aufrecht. Wir führen hier eine Scheindebatte, die ausschließlich dazu dient, den Menschen zu suggerieren, der Landtag hätte irgendein Mitspracherecht, was die Maßnahmen betrifft. Das ist natürlich nach wie vor nicht der Fall.

(Abg. Thielen (CDU) : Quatsch!)

Ich muss hier noch anmerken, dass ich erhebliche Ungereimtheiten und Widersprüche zwischen den Zahlen des Gesundheitsministeriums zur Belegung und Verfügbarkeit der Intensivbetten und denen des DIVI-Intensivregisters gefunden habe. Das macht eine Beurteilung der Situation auf den Intensivstationen nicht leichter. Vielleicht kann die Ministerin da etwas zur Aufklärung beitragen. Als Quintessenz aus den Überlegungen verbleibt mir, die altbekannten Forderungen zu wiederholen. Erstens: Schützen Sie effektiv die Risikogruppen. Zweitens: Klären Sie die Saarländer umfassend und vor allem evidenzbasiert auf und setzen Sie auf Eigenverantwortung. Drittens: Gastronomie und Hotellerie, Einzelhandel mit Hygienekonzepten umgehend wieder öffnen! Vielen Dank.

Die nächste Rednerin ist die Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr Anke Rehlinger. ‑ Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Saarländerinnen und Saarländer! Wir stehen erneut schweren Herzens an dieser Stelle, auch gestern nach der Ministerratssitzung, nachdem das, was wir vorbesprochen haben, und in Umsetzung dessen, was die Ministerpräsidentinnen und die Mi

(Abg. Hecker (fraktionslos) )

nisterpräsidenten mit der Bundesregierung vereinbart haben, in Rechtsverordnungsform gegeben worden ist, weil wir vor nicht allzu langer Zeit auch hier gestanden haben und mit Ihnen über ein Maßnahmenpaket diskutiert haben, von dem wir geglaubt haben, dass es ausreichend sein könnte, um das Infektionsgeschehen ganz maßgeblich einzudämmen. Wir müssen mit Blick auf die ganz konkreten Zahlen feststellen, dass das, was wir angenommen haben - im Übrigen auch mit breiter Zustimmung hier im Haus bis auf wenige einzelne Stimmen ‑, was damals für richtig und notwendig erachtet worden ist, bisweilen sogar von der einen oder anderen Stimme vielleicht als zu weitgehend infrage gestellt worden ist, nicht ausgereicht hat.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, warum wir alle miteinander das geglaubt haben und warum es dann nicht eingetreten ist. Das kann daran liegen, dass wir vielleicht in wesentlichen Punkten geirrt haben, dass wir zwar die richtigen Annahmen hatten, aber die falschen Maßnahmen, oder es kann daran liegen, dass wir sowohl die richtige Analyse als auch die richtigen Maßnahmen hatten, aber sich nicht alle und nicht in ausreichendem Maße daran gehalten haben. Ich meine, wir können diese Frage nicht abschließend aufklären. Wir haben aber auch nicht die Zeit, sie abschließend zu diskutieren, sondern müssen jetzt schon wieder erneut handeln. Das ist auch für diejenigen, die das zu tun haben und die Verantwortung dafür tragen, nicht sehr befriedigend.

Aber der Blick in den Rückspiegel hilft nur bedingt, wenngleich ich sagen will, es ist trotzdem auch notwendig. Ich will das nicht in Abrede stellen. Aber man darf eben nicht bei diesem Blick verharren. Da wir ja eben schon viele Auto-Beispiele hatten und ich auch Verkehrsministerin bin, will ich sagen: Wer allzu lange in den Rückspiegel blickt, der hat das Verkehrsgeschehen vor sich nicht mehr im Blick und ist auch in der Gefahr, einen Totalschaden zu verursachen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich finde, es gibt einen weiteren Punkt, der zur Differenzierung anrät, nämlich die Frage von Selbstkritik und auch die Frage, wer sie zu üben hat, in welchem Zusammenhang, mit welchem Zwecke und bezogen auf was. Denn ich finde, es macht einen Unterschied, ob ich in meiner Selbstkritik zur Erkenntnis komme, dass ich falsch gehandelt habe trotz richtiger Erkenntnisse, die vorgelegen haben, oder ob sich im Nachhinein etwas als nicht zutreffend herausstellt, weil man es zu diesem Zeitpunkt nicht anders oder besser hätte wissen können. Letzteres trifft nach meiner Einschätzung sehr oft auf den gesamten Prozess zu, den wir miteinander durchlaufen, denn es ist auch ein Prozess des ständigen Erkenntnisgewinns. Wir haben es mit einer völlig neuen Situation zu tun. Es gibt keine Blaupau

se, es gibt nichts Vergleichbares, das man heranziehen muss.

Ich rate uns auch sehr dazu, die Vielstimmigkeit der Wissenschaft zur Kenntnis zu nehmen, denn auch sie hat keinen Absolutheitsanspruch. Auch Wissenschaft ist eine Profession des ständigen Erkenntnisgewinns über die Länge der Zeit und manchmal auch innerhalb kürzester Zeit. Ohne, dass das als Kritik zu verstehen ist, gehört zur Erklärung der letzten Wochen und Monate dazu, dass es hier nicht nach dem einfachen Muster geht, die Politik hätte nur auf die Wissenschaft hören müssen und dann wäre alles gut geworden. Denn es ist ja heute deutlich geworden, es gibt nicht d i e Wissenschaft und auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer unterschiedlichen Positionierung haben Erkenntnisgewinne. Einiges, was heute an Entscheidungen der Vergangenheit kritisch diskutiert wird, ist damals auch auf Empfehlung von einigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit auf den Weg gebracht worden. Insofern ist es ein gemeinsamer Erkenntnisgewinn, an vielen Zahlen ausgedrückt allerdings ein sehr trauriger Erkenntnisgewinn.

Das Infektionsgeschehen kann uns nicht kaltlassen, insbesondere die Zahl der Toten kann und darf uns nicht kaltlassen. 952 Tote an einem Tag in Deutschland! Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, das gibt einem schon ein bisschen Gänsehaut mit auf den Weg und fordert uns alle miteinander, noch einmal gut nachzudenken, was zu tun ist und worauf wir uns konzentrieren müssen. Sehen Sie sich die Gesamtzahl an - vorgestern 18 Tote alleine im Saarland -, nicht als statistische Größe, sondern als Saarländerinnen und Saarländer mit Namen, Geburtsort, mit Familie und Freunden, Tote, die sich nicht mehr die Frage stellen, mit wie vielen sie Silvester feiern dürfen!

Ich finde, an dieser Stelle gilt allen Familien und Freunden derer, die mit oder wegen COVID-19 jetzt gestorben sind, unser Mitgefühl. Ich hoffe, dass sie mit uns zumindest das Gefühl haben, dass wir alles versucht haben, das zu verhindern. Es gehört aber auch zur bitteren Wahrheit dieser Tage, dass es nicht überall gelungen ist - für 18 Saarländerinnen und Saarländer vorgestern ‑, in der Gesamtschau ist es noch für mehr nicht gelungen. Aber ich hoffe, dass die Familien, die Angehörigen mit uns der Auffassung sind, dass wir alles versucht haben. In diesen Fällen ist es leider nicht gelungen. Wenigstens unser Mitgefühl ist bei den Familien und bei den Freunden.