– und die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung, das, meine Damen und Herren, wäre eine Gesundheitsmodernisierung gewesen, die ihren Namen verdient. Herzlichen Dank.
Es gibt weiteren Redebedarf bei den Fraktionen. Für die SPD-Fraktion spricht Herr Gerlach, aber nur 21 Sekunden.
Werte Frau Präsidentin! – Es wäre unhöflich, die Anrede einzusparen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da Sie keine Fragen beantworten, versuche ich es hier in aller Kürze. Die Idee der Positivliste gab es. Sie sollten sich genau erkundigen, warum sie nicht gekommen ist. Was Sie gesagt haben, ist falsch.
Die Patientenbeauftragte ist nicht deshalb nicht unabhängig, weil sie nicht aus der SPD ausgetreten ist oder wie der Bundespräsident ihre Mitgliedschaft ruhen lässt. Das ist auch eine Behauptung, die Sie einfach so in die Welt setzen und überhaupt nicht beweisen können.
Wenn Sie sagen, die Bürgerversicherung müsse jetzt eingeführt werden, dann bitte ich Sie auch darüber nachzudenken, was rechtlich alles dazugehört, damit das Ding sicher ist. Sie werden mit Sicherheit die Erste sein, die uns Verfassungsbruch und irgendwelches Zeug nachredet. (Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)
Ich sehe aus den Fraktionen keine Wortmeldungen mehr. Ich frage die Staatsministerin. Frau Orosz? – Ja.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das deutsche Gesundheitssystem steht, wie wir heute schon mehrfach gehört haben, nach wie vor weltweit an der Spitze, aber beim Vergleich der Erkrankungshäufigkeit und bei dem Erreichen des Lebensalters finden wir uns leider nicht im Spitzenfeld. Genau diese Widersprüche galt es zu analysieren und ihnen mit adäquaten Maßnahmen zu begegnen. Die Analysen der Probleme des deutschen Gesundheitswesens sind inzwischen, wie wir auch heute gehört haben, unzählig, lassen sich aber kurz zusammenfassen auf die Punkte demografische Entwicklung, medizinisch
technischer Fortschritt und mangelndes Steuerungssystem. Und das, Frau Kollegin Lay, ist ein Problem mit einer hohen Komplexität. Die Dinge, die Sie angesprochen haben, sind nur ein geringer Teil dessen, was man berücksichtigen muss. Es besteht bis heute keine ausreichende effektive Kontrolle über Angebotsmenge und Qualität. Zu lange wurde darauf vertraut, dass wirklich jeder verordnende und behandelnde Arzt in jedem Bereich diese Erfordernisse grundsätzlich berücksichtigt, dass nur notwendige Leistungen in Anspruch genommen werden, dass nur Kranke die Leistungen der Krankenversicherung erhalten und dass darüber hinaus jeder Einzelne auch die Verantwortung hat, sich zu bemühen, seine Gesundheit durch eine entsprechende Lebensweise lange zu erhalten.
Mit dem GMG wurden am 01.01.2004 die entsprechenden Weichen gestellt, zunächst die drängendsten Probleme zu lösen, zum einen die Beiträge zu senken, die Ausgaben zu bremsen und natürlich auch die Einnahmenpotenziale zu evaluieren sowie den Wettbewerb im Gesundheitswesen zu fördern.
Wir verkennen nicht, dass mit dem ersten vollzogenen Reformschritt auf alle finanzielle Mehrbelastungen zugekommen sind. Aber ich denke, es gilt dabei die Belastungen dahin gehend zu justieren, dass sie sich gerecht und sozialverträglich auswirken. Diesen Weg sollten wir auch nicht verlassen.
Ich möchte noch einmal erinnern: Ziel des GMG war die Stabilisierung und darüber hinaus die Senkung der Beitragssätze für die gesetzlichen Krankenkassen. Festzustellen ist, dass das GMG wesentlich zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen beigetragen hat und die beabsichtigten Spareffekte, die heute schon von vielen Vorrednern angesprochen worden sind, auch eingetreten sind.
Im Freistaat – um das noch einmal zu unterstreichen – berichtet die AOK Sachsen für das Jahr 2004 von einer Entlastung von 84 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Hier ging es nicht nur darum, die Beitragssenkung sofort durchzuführen – wie heute hier angesprochen –, sondern eben auch darum, den Schuldenabbau zu realisieren. Auch das ist zum Vorteil der Mitglieder.
Frau Staatsministerin, geben Sie mir Recht, dass es also für den Versicherten eigentlich egal ist, ob er einen gleich hohen oder vielleicht sogar höheren Versicherungsbeitrag zu zahlen hat oder ob er die Summe, die als Differenz da ist, als Praxisgebühr oder als erhöhte Zuzahlung zu Arzneimitteln oder als anderweitige Zuzahlung zu leisten hat? Aus meiner Sicht ist es zumindest so, dass es für den Versicherten völlig gleich ist, ob das Beitragssatz oder Zuzahlung ist.
Ihrer Auffassung kann ich nicht folgen. Das ist nicht gleich. Sich jetzt dazu auseinander zu setzen würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen.
Ich möchte noch ein paar Zahlen nennen. Nach den Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung gab es im ersten Dreivierteljahr 2004 über 9 % weniger Arztbesuche. Das ist eine Thematik, die heute von vielen Rednern aufgegriffen worden ist. Ich kann die Behauptung, die von den Vertretern der PDS und der NPD aufgestellt worden ist, dass es sich Leute sozial und finanziell nicht mehr leisten können, zum Arzt zu gehen, nur zurückweisen. Es gibt dafür keine validen Untersuchungen und Fakten. Ich denke, es ist für jeden, der diesen Anspruch notwendig hat, möglich. Ich sage dann auch noch etwas zu den Härtefallregelungen.
Auf der anderen Seite müssen wir uns ganz einfach auch der Argumentation und dem Nachweis stellen, dass in Deutschland ein Vielfaches mehr an Arztbesuchen pro Kopf stattfindet als in allen anderen europäischen Ländern. Ich glaube, hierzu muss es auch noch gesicherte Untersuchungen geben, warum der Deutsche, der am Ende – das hatte ich schon gesagt – nicht viel länger lebt als andere in anderen Staaten und auf keinen Fall gesünder ist, trotzdem um ein Vielfaches mehr zum Arzt geht.
Von daher ist die Wirkungsweise, die mit den Strukturen des GMG auf den Weg gebracht worden ist, auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.
Die Arzneimittelausgaben sanken 2004 im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen im Vergleich zum Vorjahr um fast 11 %. Ich glaube, das ist zumindest auch ein Beweis dafür, dass sich die Menschen bemühen, gerade den von Ihnen angesprochenen Schnupfen und die so genannten leichten Infekte selbst zu behandeln. Ich sehe darin auch kein Problem, sondern ich denke, wir können an vielen Stellen durch eigene Maßnahmen, gelingende Maßnahmen, zu einer gesunden Lebensweise beitragen. Dazu gehört auch die eigene Behandlung eines Schnupfens durch Hausmittel und anderes.
Weitere Einsparungen nur kurz skizziert. Die AOK Sachsen hat als größte Krankenkasse im Vergleich zum Vorjahr zirka 10 Millionen Euro weniger Erstattung an Fahrtkosten ausgegeben. Auch das sind Einsparungen, die letztendlich zum einen der Schuldentilgung, aber auch – ich hoffe in Bälde – der Beitragskürzung zugute kommen.
Dass die Einsparungen auch finanzielle Belastungen für die sächsischen Bürgerinnen und Bürger gebracht haben, ist unumstritten. Das wurde heute schon vielfach festgestellt. Ich möchte in dem Zusammenhang aber auch darauf hinweisen, dass die finanziellen Belastungen der Versicherten durch Belastungsobergrenzen abgefedert und für deren Erreichen künftig alle Zuzahlungen berücksichtigt werden.
Eine jährliche Eigenbeteiligung – wie bekannt – der Versicherten von 2 % der Bruttoeinnahmen und bei chronisch Kranken von 1 % ist jedem Patienten nach wie vor zuzumuten.
Lassen Sie mich an der Stelle noch einige Ergänzungen zu den heute auch schon angesprochenen chronisch kranken Menschen geben. Hierzu gab es anfangs richtigerweise viele Diskussionen. Zum einen, weil der Begriff neu definiert wurde, zum anderen, weil chronisch kranke Menschen nicht mehr automatisch von der Zuzahlung befreit worden sind. Letzteres wurde zu Beginn dieses Jahres erleichtert. Patientinnen und Patienten, die in einer Dauerbehandlung sind und bei denen eine Verbesserung der Krankheitssituation nicht zu erwarten ist, müssen seit dem 1. Januar 2005 nicht mehr jährlich einen ärztlichen Nachweis über das Vorliegen einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung vorlegen.
Das gilt insbesondere für Pflegebedürftige der Stufen 2 und 3. Die Krankenkassen haben aber auch weiterhin die Möglichkeit, in Zweifelsfällen einen erneuten Nachweis zu verlangen. Auch damit wird die Chronikerregelung entbürokratisiert und pflegebedürftige Menschen und ihre Familien werden entlastet.
Wie Sie wissen, werden Menschen, die die Belastungsgrenze von 2 % oder bei chronisch kranken Menschen von 1 % des Jahresbruttoeinkommens überschritten haben, von Zuzahlungen befreit. Nach den jetzt vorliegenden Zahlen sind das allein bei der AOK Sachsen zurzeit 379 978 Bürgerinnen und Bürger, davon zirka 90 % chronisch kranke Menschen.
Aber, meine Damen und Herren, neben den finanziellen Veränderungen, die heute eigentlich im Focus der Diskussion standen, gibt es auch eine Vielzahl von Verbesserungen im Rahmen der Mitsprache der Patienten, mehr Qualität und Effizienz, die durch das GMG auf den Weg gebracht worden sind, und das sind die Gestaltungsmöglichkeiten im medizinischen Versorgungsbereich, so die integrierte Versorgung und die Schaffung von medizinischen Versorgungszentren.
Ich gebe Ihnen insoweit Recht, als die integrierte Versorgung in Sachsen noch nicht so Fuß gefasst hat. Aber das ist nicht nur in Sachsen so, sondern überall in Deutschland. Man tut sich schwer zwischen den Partnern, eine adäquate Lösung zu finden.
Was ist das Hauptziel der integrierten Versorgung? Im Focus dieser Diskussion steht natürlich die verbesserte Qualität, aber auch die Effizienz bei der Versorgung der Patienten. Wir haben 47 Anträge in Sachsen vorliegen, die in der Diskussion sind. Aber bis jetzt gibt es zwei abgeschlossene Integrationsverträge von anderen Kassen hier in Sachsen, die sich schon sehr gut bewährt haben.
Und wir haben, um die Frage noch einmal zu beantworten, auch bereits zwei bestätigte – auf diese Formulierung lege ich Wert – medizinische Versorgungszentren; durch die KVS. Beide befinden sich im Regierungsbezirk Leipzig.
Darüber hinaus liegen mehrere Anträge vor, und ich gehe davon aus, dass wir in der nächsten Zeit weitere medizinische Versorgungszentren haben wollen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, den ich auch gern noch einmal erwähnen möchte, sind die durch das GMG ge
schaffenen Rahmenbedingungen für das Präventionsgesetz. Es ist richtig und auch für uns bedauerlich, dass dieses Präventionsgesetz leider hinausgeschoben worden ist. Es sollte bereits zum 01.01.2005 in Kraft treten. Es wird ein großer Beitrag in diesem Präventionsgesetz für die Stärkung der Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger erwartet, um mit gesunder Lebensweise und anderen Möglichkeiten auch einen erheblichen Einfluss darauf zu nehmen, dass die Kosten im Gesundheitswesen minimiert werden.
Wir haben bekannterweise ein großes Problem in Deutschland und damit auch in Sachsen mit dem Übergewicht, und ich kann an dieser Stelle deutlich machen, dass durch das Übergewicht der Bürgerinnen und Bürger und deren Konsequenzen was die Erkrankungshäufigkeit betrifft, pro Jahr in Deutschland über 40 Milliarden Euro ausgegeben werden. Wenn wir uns vor Augen führen, dass diese Problematik von uns allen zu beeinflussen ist, dann, denke ich, haben wir schon mit Recht Grund zu sagen, dass die Eigenverantwortung im GMG eine große Rolle spielen sollte.
Ein ähnliches Problem stellen die Bewegungsarmut und der Bewegungsmangel dar, was sich natürlich vor allen Dingen auf Rückenbeschwerden und Rückenschäden auswirkt. Auch hier haben wir jährlich Kosten in Höhe von 26 Milliarden Euro in Deutschland zu tragen – Konsequenzen, die sich nur aus einem akuten Bewegungsmangel heraus ergeben.
Diese Zahlen sollen helfen deutlich zu machen, wie die Problematik des Gesundheitswesens in Deutschland und damit auch in Sachsen aussieht, und ich glaube, es ist mit Recht zu fordern, dass sich alle Beteiligten – Krankenkassen, Krankenhäuser, Ärzteschaft, aber auch die Bürgerinnen und Bürger – an einer entsprechenden Umsetzung dieses ersten Reformschrittes beteiligen müssen.