Protokoll der Sitzung vom 05.03.2008

Herr Morlok, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf das Thema „Abschreiben“ an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Wenn wir die Debatte zu Ende führen, werden Sie sicherlich Gelegen

heit haben, darüber nachzudenken, wer in diesem Hause von wem abschreibt.

(Beifall bei der FDP)

Dass zum Thema „Sonntagsöffnung“ hier in Sachsen Regelungsbedarf besteht, hat sich über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg herumgesprochen. Wir haben in Sachsen die deutschlandweit einmalige Situation, dass am Totensonntag und am Volkstrauertag in Friedhofsgärtnereien kein Grabschmuck eingekauft werden darf. Das gibt es so in Deutschland nur in Sachsen. Wir haben in diesem Jahr auch die Situation, dass am Muttertag der Blumenverkauf verboten ist. Das ist wider die Lebensgewohnheiten der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sind nicht nur die Blumenhändler betroffen, sondern auch die Bäckereien, die Konditoreien und die Zeitungskioske. Wann hat denn eine Familie einmal Zeit, gemeinsam zu frühstücken, und das mit frischen Brötchen? Doch wohl am Sonntag oder am Feiertag. Wann trifft man sich mit Freunden und Bekannten auch einmal nachmittags im Café? Doch wohl am Sonntag oder am Feiertag.

Wir haben circa 60 Sonn- und Feiertage. An 15 davon – das entspricht 25 % aller Sonn- und Feiertage – müssen aber in Sachsen die Geschäfte – Konditoreien, Bäckereien, Blumengeschäfte – geschlossen bleiben. Das ist deutschlandweit ein trauriger Spitzenplatz. Was wir hier in Sachsen haben, ist kein Ladenöffnungsgesetz, sondern faktisch ein Ladenschlussgesetz.

Wir erhalten überwiegend positive Stellungnahmen aus der Öffentlichkeit. Die Kirchen sagen, dass eine Veränderung erforderlich ist. Sogar die Gewerkschaften meinen, dass der Gesetzgeber über das Ziel hinausgeschossen ist. Einzelhändler nehmen positiv zu einer Liberalisierung Stellung. Die Kammern tun es auch. Heute haben wir ein Schreiben der IHK Leipzig erhalten, in dem es heißt, die Ladenöffnung solle nur an drei Sonn- und Feiertagen untersagt werden, nämlich am Ostermontag, am Pfingstmontag und am 2. Weihnachtsfeiertag.

(Zuruf des Abg. Prof. Gunter Bolick, CDU)

Dieser Vorschlag der IHK, lieber Herr Kollege Bolick, ist deckungsgleich mit dem hier vorliegenden FDPGesetzentwurf. Auch wir beschränken uns genau auf diese drei Sonn- und Feiertage. Die Stellungnahme der IHK ist auch nicht überraschend, weil sich die Regelung, die wir Ihnen vorschlagen, bewährt hat. Sie galt nämlich bundesweit bis 2006, in Sachsen bis zum Inkrafttreten des Ladenöffnungsgesetzes im Jahr 2007.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beschwerden über diese Regelung, als die Ladenöffnung noch Bundeskompetenz war, sind mir nicht zu Ohren gekommen. Warum wurde in Sachsen durch den Gesetzgeber eine Regelung eingeschränkt, die über Jahrzehnte erfolgreich war? Ich kann das nicht verstehen.

Dieses Einschränken war auch kein Versehen, wie CDUVertreter im Wirtschaftsausschuss behauptet haben. Dort hieß es, man habe aus Versehen eine Regelung getroffen, die man nicht überblickt habe. Das stimmt nicht. Zur Wahrheit gehört, dass im Gesetzentwurf der Staatsregierung von drei Sonntagen mit Öffnungsverbot um sechs auf neun nach oben gegangen wurde. Liebe Kollegen von der Koalition, Sie haben sich das ganz bewusst angeschaut; Sie haben nämlich auf die zusätzlichen sechs der Staatsregierung noch einmal sechs draufgesattelt. Damit sind wir bei 15. Sie haben in diesem Punkt den Gesetzentwurf der Staatsregierung explizit geändert. Das war kein Versehen, sondern eine ganz bewusste Handlung.

(Beifall bei der FDP)

Wir werden es nicht zulassen – damit spreche ich insbesondere Sie an, liebe Kollegen von der Union –, dass Sie durch die Lande ziehen und Ihre Mär vom Versehen verbreiten. Sie täuschen die Öffentlichkeit. Sie predigen Liberalisierung, beschließen aber ein Verbot. Öffentlich gerieren Sie sich als Anwälte der Blumenhändler, aber im Wirtschaftsausschuss stimmen Sie gegen unseren Gesetzentwurf, der genau die gewünschte Liberalisierung schaffen sollte. Ihre Politik im Parlament ist das Gegenteil Ihrer öffentlichen Lippenbekenntnisse.

Wir waren bereit, im Ausschuss schnell eine Regelung zu finden. Frau Präsidentin, ich glaube, Sie geben mir recht – widersprechen Sie mir, wenn ich etwas Falsches sage –: Die Ausschüsse sind dafür da, die Fachkompetenz des Parlaments in gewissen Fragen zu bündeln. Es ist schwer, in einer großen Debatte im Plenum Änderungen an Gesetzentwürfen vorzunehmen. Eigentlich sind die Ausschüsse dafür da, um sachkompetent über einzelne Fragen Meinungen auszutauschen und auch Kompromisse zu finden.

Es wäre durchaus möglich gewesen, in diesen Gesetzentwurf den einen oder anderen Tag hinzuzufügen oder wegzunehmen, wenn man in einer Diskussion zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass dies sachgerechter ist. Gerade dafür sind die Ausschüsse in unserem Parlament da.

Aber, liebe Kollegen von der Koalition, dazu waren Sie entweder aus parteipolitischen Überlegungen nicht bereit oder intellektuell nicht in der Lage.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Koalitionspolitische Gründe! – Stefan Brangs, SPD: Ach so?)

Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Wenn die wirtschaftspolitische Kompetenz Ihrer Fraktion im Wirtschaftsausschuss sitzt, dann haben Sie keine. Bereits am 23. März ist Ostersonntag. Wenn ich mir den von der Koalition eingebrachten Gesetzentwurf ansehe, sollen am Ostersonntag auch nach Ihren Vorstellungen die Läden geöffnet sein.

Ostersonntag ist der 23. März. Was wir gemeinsam für richtig erachten, können wir nur dadurch erreichen, indem wir es heute beschließen, weil das nächste Plenum im

April und somit offensichtlich nach dem 23. März ist. Wir können eine gemeinsam gewollte Regelung nicht verabschieden, nur weil Sie aus parteitaktischen Gründen nicht mitmachen.

Der Muttertag ist am 4. Mai. Sie wissen genau, auch hier kann eine Öffnung nur erreicht werden, wenn wir im April-Plenum eine Regelung finden. Sie müssen sich Folgendes vor Augen führen: Wenn in diesem Jahr am Muttertag die Blumenläden geschlossen bleiben, tragen dafür allein CDU- und SPD-Fraktion die Verantwortung.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Das können wir ertragen!)

Noch ist es nicht zu spät. Wir können uns im Parlament verständigen. Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu!

(Beifall bei der FDP)

Für die CDUFraktion spricht Herr Abg. Bolick.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben viel gehört, aber es ist nicht alles wahr.

(Widerspruch bei der FDP)

Als wir vor circa einem Jahr, im März 2007, das Gesetz über die Ladenöffnungszeiten in Kraft gesetzt haben, entsprachen wir der Föderalismusreform und haben eine Länderregelung eingeführt. Zur Diskussion standen viele Vorschläge. Wir haben uns in der Koalition geeinigt und bei den Wochentagen flexiblere Regelungen eingeführt, die noch gar nicht voll in Anspruch genommen werden, und auch an den Sonntagen haben wir flexibilisiert, indem vier Stunden für bestimmte Warengruppen geöffnet werden kann. Im Gegenzug haben wir die Feiertage besser geschützt. Dort ist sicherlich unbeabsichtigt – –

(Schallendes Gelächter bei der FDP)

Sie tun jetzt so gescheit und haben es damals auch nicht angesprochen.

(Zurufe von der FDP)

Sie haben es nicht angesprochen. Es war damals auch in den Anhörungen kein spezielles Problem, dass insbesondere bei Blumen und Backwaren gegenüber der vorherigen Regelung eine Verschlechterung eingetreten ist. Nur an dieser Stelle. Das war eine Einschränkung zur jahrelang geübten Praxis. Die Briefe, die Sie bekommen haben, sind natürlich auch bei uns angekommen. Wir haben uns dazu Gedanken gemacht.

Ein besonderes Problem ist in diesem Jahr der Muttertag, der für lange Zeit relativ einmalig auf Pfingstsonntag fällt, weshalb wir auf die an uns herangetragenen Dinge reagieren wollen. Das würde dazu führen, dass am Muttertag keine Blumen verkauft werden können. Das wollen wir natürlich auch nicht, weil wir wissen, dass der Muttertag bei den Gärtnern der umsatzstärkste Tag im Jahr ist. Sie können damit rechnen, dass die CDU-Fraktion ganz sicher die Regelung bis zum Muttertag in Sack und Tüten

haben will. Wir wissen auch, dass es die Blumenbranche durch die Energiekostenentwicklung und durch den Blumenverkauf in Großmärkten und Tankstellen schwer hat. Wir stehen für die Unterstützung unserer kleinen und mittelständischen Betriebe. Wir haben Gespräche mit den Kammern, den Verbänden, den Branchenvertretern und den Kirchen geführt und nach Abstimmung einen gemeinsamen Standpunkt gefunden.

Und welch ein Zufall, Herr Morlok, kurze Zeit, nachdem die Einladungen an die Kammer- und Branchenvertreter verschickt waren, kommt der FDP-Gesetzentwurf auf den Tisch. Diese Termingleiche ist schon eigenartig. Sie haben dort in anderthalb Zeilen unter dem populistischen Namen „Bürokratieabbau“ die Freigabe aller Feiertage bis auf die Montage, wie Pfingstmontag, Ostermontag, und Weihnachten hineingeschrieben. Diesen Weg wollen wir nicht gehen und ich glaube, das wollen die Sachsen auch nicht. Das geht viel zu weit.

Trotzdem waren wir aus Zeitgründen bereit, mit einem Änderungsantrag Ihrem Gesetz sozusagen den notwendigen Schliff zu verleihen, um damit bis Pfingsten die Regelung herbeizuführen. Leider war unser Koalitionspartner nicht bereit, diesen Änderungsantrag mitzutragen. Wir haben dann die Entscheidung getroffen, ein eigenes Gesetz einzubringen. Das werden wir heute im Laufe des Tages noch machen. Ich hoffe, dass wir noch so viel Zeit haben.

Herr Morlok, ich finde es überhaupt nicht in Ordnung, dass in der Regionalpresse, speziell in Ihrer Region Leipzig, meine Kollegin Jutta Schmidt der Lüge bezichtigt wurde. Ich möchte wissen, wo wir gelogen haben! Wir gehen einen anderen Weg. Viele Wege führen nach Rom. Der jetzt eingeschlagene Weg dauert vielleicht vier Wochen länger, aber wir kommen zu dem Ziel, das wir von Anfang an versprochen haben, und das ist das Entscheidende. Wir werden sichern, dass die Blumenhändler zum Muttertag und auch an den anderen angedachten Feiertagen offen haben können. Wir lehnen den Gesetzentwurf der FDP-Fraktion ab.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich rufe die Linksfraktion; Herr Zais, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Morlok, die Begehrlichkeiten der FDP-Fraktion, insbesondere beim Ladenöffnungsgesetz, sind groß, sehr groß. Warum Sie deshalb meinen, dass die IHKs, von denen alle eingeladen waren, die höchste Wirtschaftskompetenz haben, sodass Sie alles von dort abschreiben müssen, bleibt Ihr Geheimnis. Ich kenne viele Mitglieder in der IHK oder in der Handwerkskammer, die für gesetzlichen Mindestlohn sind, deren Fürsten in Sachsen sind es aber immer noch nicht. Damit will ich erst einmal Ihre Behauptung ad absurdum führen.

Wenn ich Ihren Gesetzentwurf lese und auch den der IHK, Herr Morlok, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie glauben, fehlende Kaufkraft durch längere Ladenöffnungszeiten ersetzen zu können. So viele Stunden hat kein Tag und so viele Tage hat kein Jahr, um die fehlende Kaufkraft durch längere Ladenöffnungszeiten wettmachen zu können. Da müssen Sie uns doch recht geben. Genauso ist es bei der Mehrwertsteuererhöhung. Jetzt tragen insbesondere die Händler die Mehrwertsteuererhöhung. Wo keine Kaufkraft ist, braucht man auch keine längeren Ladenöffnungszeiten.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Was bedeutet denn die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten? Mehrarbeit und geringere Bezahlung der Beschäftigten wäre die Folge, so wie wir es seit der Idee von Graf Lambsdorff vor über 20 Jahren in der BRD kennen. Ihr Gesetzentwurf ist für DIE LINKE nicht annehmbar, weil Ihr Angriff auf die gesetzlichen Feiertage einfach unverschämt ist. Herr Morlok, Sie haben es hier vorgerechnet. Sie gehen von 15 auf drei Feiertage herunter, an denen Sie noch die Läden geschlossen haben wollen. Das ist einfach horrend, einfach unverschämt.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Nachdem die Ladenschlusszeiten gegen jeglichen Bedarf an sechs Tagen in der Woche bis 22 Uhr und an Sonntagen auf sechs Stunden erweitert wurden und damit ein schlechtes Ladenöffnungsgesetz verabschiedet wurde, wollen Sie nunmehr auch noch die Feiertage erobern. Diese sollen Ihren liberalen Wunschvorstellungen zum Opfer fallen. Das ist mit der Linken nicht zu machen.

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: Die wollen das Gesetz abschaffen, das ist alles!)

Da können sich die Sachsen – die Bemerkung sei mir gestattet – sehr freuen, wenn zukünftig das Tandem Herr Zastrow und Herr Flath angeblich die Macht ergreift. Jetzt können sich alle Sachsen für die Zukunft einen Reim darauf machen.