Ich glaube aber, selbst nach 19 Jahren ist vieles noch zu frisch, haben sich die Gefühle noch nicht gesetzt – gerade in Leipzig. Am 25. September waren es 5 000, am 2. Oktober schon 20 000, die die montäglichen Friedensandachten vor der Kirche unterstützten, und am 9. Oktober war der Bann gebrochen. Es war ein Tag, an dem viele Zehntausende von uns ihre Angst besiegten und den Ring entlanggingen, und ab diesem Zeitpunkt in Leipzig jeden Montag.
Rückblickend gibt es in diesem Herbst zwei Daten, die weltweit Beachtung fanden und finden und die Welt grundlegend verändern sollten: den 9. Oktober in Leipzig und den 9. November, den Fall der Mauer. Doch niemand von uns vergisst all jene, die über Ungarn oder Prag ihren persönlichen Weg in die Demokratie und Freiheit gesucht und gefunden haben. Niemand von uns vergisst all die anderen Menschen in Dresden, Chemnitz oder Plauen, die sich in ihrer Stadt und ihrer Region den aufrechten Gang nicht haben nehmen lassen. Niemand von uns vergisst die Friedensgebete und die Kerzen – die Kerzen, die einen friedlichen Protest deutlich machten.
Heute, 19 Jahre später, müssen wir nun die Frage beantworten, wie wir diese Erinnerung an die Wende und die Wiedervereinigung auch gerade bei kommenden Generationen wachhalten wollen. Eine breit angelegte gesellschaftliche Debatte ist wichtig, weil das Bewusstsein,
in Teilen unserer Gesellschaft deutlich nachgelassen hat und das Geschichtsbild der DDR zunehmend verklärt wird.
Die DDR lässt sich nicht auf ihre sozialen Sicherungssysteme reduzieren. Ich bin daher froh, dass immer mehr junge Menschen ein großes Interesse an den Ereignissen der Wendezeit haben. Viele von ihnen besitzen zwar nur wenige Grundkenntnisse über die friedliche Revolution 1989. In der Mehrzahl wissen sie aber, dass die Zeit, zu der sie geboren wurden, dieses Land grundlegend verändert hat. Nur wer das ungeschminkte Bild der DDR kennt, weiß um die historische Dimension der friedlichen Revolution 1989.
Deshalb bin ich dankbar, dass die demokratischen Parteien gerade diese Initiative von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN aufgegriffen haben, dass wir gemeinsam im Rahmen der Koalition noch einmal dieses Gesetz soweit vervollständigt haben, dass wir – unterschiedlich selbstverständlich, jeder aus seiner Erinnerung heraus – aber eine Möglichkeit geben, regional zu gedenken.
Die Diskussion, wohin ein zentrales Denkmal für die friedliche Revolution 1989 und die deutsche Einheit gehört, hat diese Tatsache sicher wieder ins Bewusstsein gerufen, dass es zur Wende nicht nur einen historischen zentralen Ort oder ein zentrales historisches Datum gibt, sondern viele regionale Ereignisse,
die für den Veränderungsprozess in der DDR bedeutsam waren. Dies trifft insbesondere für unsere Sachsen zu.
Der vorliegende Gesetzentwurf eröffnet den Gemeinden jetzt die Möglichkeit, kommunale Gedenktage zu begehen, die aus der jeweiligen örtlichen Sicht für die friedliche Revolution wichtig waren.
Die friedliche Revolution 1989 war kein Einzelereignis, sondern es gab viele örtliche Akteure. Ich hoffe, dass wir diese später auch einmal in unseren Geschichtsbüchern wiederfinden werden.
Die Stadt Leipzig hat in den letzten Jahren durch ihr Bürgerfest am 9. Oktober die Erinnerung an diesen Tag immer wachgehalten und gewürdigt. Nun besteht die Möglichkeit, auch durch einen kommunalen Gedenktag die Erinnerung wachzuhalten.
Lassen Sie mich aber noch einmal auf die besondere Tatsache hinweisen, dass wir als Koalition heute einem Gesetzentwurf der Opposition zustimmen. Das ist gut so
Soviel ich weiß, beabsichtigt der Ministerpräsident, im nächsten Jahr an 20 Personen einen Verdienstorden zu vergeben, an jene, die regional und überregional besonders mit diesem Ereignis verbunden sind. Ich hoffe, dass es gelingt, auch die weniger bekannten Aufrechten zu ehren, diejenigen, die da oder dort noch nicht erwähnt wurden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im nächsten Jahr begehen wir den 20. Jahrestag der friedlichen Volkserhebung gegen die Altherrenclique der SED, die den Freiheits- und Einheitswillen der Mitteldeutschen mit roher Gewalt unterdrückte, wie der 17. Juni 1953 der ganzen Welt bewiesen hatte. Deshalb ist es hoch an der Zeit, darüber nachzudenken, wie ein würdevolles und die innere Anteilnahme beförderndes Gedenken aussehen kann.
Es hat dabei etwas Verlockendes, dieses Gedenken authentisch dort abzuhalten, wo im Herbst 1989 die Menschen unter Inkaufnahme schwerster staatlicher Repression für die Freiheit und Einheit ihres widernatürlich geteilten Vaterlandes auf die Straße gingen.
Es ist deshalb nur richtig, die Städte und Gemeinden, etwa Leipzig, Dresden und Plauen, mit einem Gesetz darin zu bestärken, lokale Gedenktage an den Wendeherbst 1989 abzuhalten und diese Gedenktage auch nach eigenen Vorstellungen auszugestalten. Die NPD-Fraktion wird dem vorliegenden Antrag deshalb zustimmen.
Wir stimmen aber nicht zu, weil der Antrag von den GRÜNEN kommt, sondern obwohl er von den GRÜNEN kommt. Wir wollen hier nämlich keine Geschichtsklitterung betreiben und so tun, als wenn die Westgrünen, die sich das Bündnis 90 einverleibten, 1989 und 1990 auch nur eine Freudenträne über die wiedererlangte Einheit der Deutschen vergossen hätten. Nein, ich kann mich noch genau an 1990 erinnern. Ich kann mich erinnern an die Berichterstattung über eine linksradikale Großdemonstration 1990 in Berlin, die unter dem perversen und von Selbsthass zerfressenen Motto „Nie wieder Deutschland!“ stand. Getragen wurde dieses „Nie wieder Deutschland!“Transparent von den damaligen Frontfrauen der GRÜNEN, Jutta Dittfurth und Angelika Beer.
Dass Sie da applaudieren, spricht für Ihren, wie soll ich mich zurückhaltend ausdrücken, zweifelhaften Geisteszustand.
Im Sächsischen Landtag wollen hier und heute ausgerechnet die grünen Nationalmasochisten den Anschein erwecken, ihnen liege das Gedenken an die mitteldeutsche Volkserhebung irgendwie am Herzen. Das ist grotesk und ein Ausbund politischer Verlogenheit, wenn man weiß, dass die Grünen-Abgeordneten Lichdi und GüntherSchmidt das Wort „Deutschland“ doch kaum über ihre Lippen bringen.
Aber auch die anderen Fraktionen in diesem Haus sollten bei den Vereinnahmungsversuchen des Wendeherbstes etwas Zurückhaltung walten lassen. Bei der SED/PDS/Linkspartei ist der Fall klar: Ihre Kader, die heute auch noch diesen Landtag bevölkern, kämpften bis zuletzt um den Erhalt des maroden SED-Staates. Als dieser nicht mehr zu retten war, fabulierten sie von einem „demokratischen Sozialismus“ als angeblich drittem Weg.
Erst jüngst erklärte eine Steinzeitkommunistin, die auf dem Ticket der Linken in den Niedersächsischen Landtag gelangte, dass der Bau der mit Stacheldraht und Selbstschussanlagen versehenen Mauer richtig gewesen sei. Außerdem forderte die geistig wohl etwas angekränkelte Frau Wegner die Wiedereinführung einer neuen Staatssicherheit gegen sogenannte reaktionäre Kräfte.
Ein Treppenwitz der Nationalgeschichte ist es aber, dass sich mit Oskar Lafontaine als Lautsprecher der Linken ausgerechnet derjenige als Vertreter der Mitteldeutschen aufspielt, der den Status quo der deutschen Teilung bis zuletzt verteidigte und die einheitswilligen Mitteldeutschen nach Strich und Faden verhöhnte. Von Lafontaine sind Aussagen aus der Zeit 1989/90 überliefert, nach denen ihm Asylanten in der BRD viel lieber wären als DDR-Bürger, die er nämlich für furchtbar provinziell, rückständig und potenziell nationalismusanfällig hielt. Wenn also die Lafontaine-Linke heute die friedliche Revolution von 1989 so besingt, wie Frau Ernst es getan hat, ist das etwa so glaubwürdig wie das Bekenntnis von Klaus Zumwinkel zu Sozialstaat oder Steuergerechtigkeit oder so glaubwürdig wie das Bekenntnis von George W. Bush zu Demokratie und Weltfrieden. Das nimmt Ihnen alles niemand ab.
Dass sich auch führende SPD- und CDU-Politiker in den 1980er Jahren vom Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes verabschiedet hatten, ist ebenfalls durch zahlreiche Aussagen und auch durch praktisches Politikhandeln belegt. Die Herrschenden in BRD und DDR – die einen Vasallen der Amerikaner, die anderen Vasallen der Sowjets – verabschiedeten sich schon früh vom Gedanken der staatlichen Einheit ihres Volkes. Im Westen fand diese Vergessenheit, diese Verdrängung des Wiedervereinigungsgebotes Ausdruck in den besinnungslosen Wirtschaftswunderjahren, in der Adenauer-Ignoranz gegenüber den Stalin-Noten und in der nationalen Selbstverachtung der 68er. In der DDR standen der niedergeschlagene
Volksaufstand von 1953 und der Mauerbau 1961 für das Desinteresse der Machthaber an der Überwindung der Teilung.
Deshalb sollte das Gedenken an die friedliche Volkserhebung den Vereinnahmungsversuchen der Blockparteien entzogen und in die Hände derjenigen gelegt werden, die ehrlichen Herzens an die Überwindung der Teilung Deutschlands erinnern wollen.
Die NPD wird dem vorliegenden Antrag deshalb zustimmen, obwohl er verlogenerweise von einer Partei kommt, die die Einheit damals aus nationalem Selbsthass ablehnte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im November des vergangenen Jahres hat der Deutsche Bundestag entschieden, dass ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zum Gedenken an die friedliche Revolution von 1989 in Berlin und nicht in Leipzig errichtet werden soll.
Daraufhin haben CDU und SPD im Sächsischen Landtag angeregt, die Staatsregierung solle versuchen, trotz der eindeutigen Entscheidung des Bundestages die Bundesregierung doch noch von einem Freiheitsdenkmal in Leipzig zu überzeugen.
Darüber hinaus hat sich die FDP-Fraktion in ihrem Änderungsantrag dafür ausgesprochen, dass es dem Freistaat Sachsen selbst obliegen soll, ohne Zutun des Bundes in eigener Verantwortung für den Bau eines solchen Denkmals zu sorgen.
Bisher scheint jedoch nichts geschehen zu sein. Auch dem aktuellen Bericht der Staatskanzlei zum Stand des Verfahrens lassen sich keine konkreten Schritte entnehmen.
Vor diesem Hintergrund begrüßt die FDP-Fraktion die parlamentarische Initiative der GRÜNEN und wird dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen.
Aus der Begründung zum Gesetzentwurf geht hervor, dass insbesondere dem Ansinnen der Stadt Leipzig, am 9. Oktober eines jeden Jahres an die Ereignisse vom Herbst ’89 zu erinnern, entsprochen werden soll. Die friedliche Revolution ging nicht zuletzt von Sachsen aus. Die sächsischen Bürger sind daher mit den Ereignissen in ganz besondere Weise persönlich verbunden.
Mit den Friedensgebeten in der Leipziger Nikolaikirche, den Montagsdemonstrationen in Leipzig, den Protesten am Dresdner Hauptbahnhof, der „Gruppe der 20“ in Dresden, der Großdemonstration in Plauen und Aktionen in vielen anderen sächsischen Städten begann der Anfang vom Ende der ehemaligen DDR. Diese Ereignisse waren die Initialzündung für die friedliche Revolution in allen anderen Regionen Ostdeutschlands. Ohne den Mut der
Menschen in Sachsen, die im Herbst 1989 hohe persönliche Risiken in Kauf nahmen und sich dem DDR-Regime und seinem übermächtigen Sicherheitsapparat entgegengestellt haben, wäre die Wiedervereinigung Deutschlands nicht möglich gewesen.