Protokoll der Sitzung vom 06.03.2008

Aber, meine Damen und Herren, warum sitzen wir überhaupt hier?

(Stefan Brangs, SPD: Das frage ich mich auch! – Weitere Zurufe)

Vor allem Ihnen, Herr Porsch, sei gesagt: Was ist das Königsrecht des Parlaments? Was ist überhaupt seine

historische Rolle? Wir sollen das Geld des Steuerzahlers, meine Damen und Herren, verwalten und sorgfältig zusammenhalten, vor allem gegen die Begehrlichkeiten von Königen, Potentaten und vor allem von Populisten, von welcher politischen Seite auch immer.

(Caren Lay, Linksfraktion: Was ist mit den Beschäftigten?)

Obwohl wir uns hier nicht alle mit Cromwell, Jefferson oder August Bebel vergleichen können – Herr Tischendorf, Sie auf jeden Fall nicht –, lassen Sie mich bitte einige Argumente bringen.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Dr. Rößler?

Bitte, Herr Tischendorf, wenn es nicht von meiner Redezeit abgeht.

Weil Sie jetzt immer von Populismus gesprochen haben – können Sie mir dann einmal sagen, was an meinem Beispiel konkret – was der Vorschlag von Herrn Schäuble ist und was er für den Osten bedeutet – Populismus ist? Oder wollen Sie behaupten, dass dieser Vorschlag so nicht stimmt? Sie müssen schon konkret antworten.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Der Vorschlag stimmt. Aber Sie sind kein Tarifpartner. Wir machen hier im Hohen Haus keine Tarifverhandlung.

(Beifall bei der CDU)

Was wird uns hier in diesem Hohen Hause in den nächsten Jahren vor allem beschäftigen? Sachsens Landeshaushalt schrumpft. Unsere Einnahmen auch aus dem Solidarpakt II werden zurückgehen, und wir werden ganz genau darauf sehen müssen, worauf wir unsere Ausgaben- und Aufgabenschwerpunkte legen. Wenn wir Lohnsteigerungen haben werden, müssen wir das natürlich an anderer Stelle entsprechend ausgleichen.

Vielleicht noch eine Feststellung. Die Gehälter im öffentlichen Dienst, meine Damen und Herren, werden bis 2010 auf 100 % West angeglichen. Das wird uns im Haushalt 300 Millionen Euro kosten. Das werden wir auch tun. Aber die Gehälter in der freien Wirtschaft verharren weiter bei 80 % West. Auch das muss man sehen. Jedes zusätzliche Prozent im Haushalt, das wir ausgeben über das hinaus, was wir uns vorgenommen haben – Angleichung 100 % West –, wird uns 40 Millionen Euro zusätzlich kosten.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Und die Landesbank!)

Jedes Prozent Lohnsteigerung wird sich natürlich in einem beschleunigten Personalabbau ausdrücken.

Meine Damen und Herren! Vom Personalabbau betroffen sind natürlich nicht die Beschäftigten, die jetzt bei uns im öffentlichen Dienst sind. Faktisch jede frei werdende Stelle im Landeshaushalt wird dann wegfallen. Es gibt wenige Möglichkeiten für junge Menschen, in den öffentlichen Dienst hineinzukommen.

Meine Damen und Herren! Wenn wir diese Diskussion führen – ich werde sie dann noch fortsetzen, meine Damen und Herren von der Linksfraktion –, müssen wir natürlich überlegen, wie wir das an anderer Stelle vernünftig ausgleichen können. Ich werde auf jeden Fall meine Argumentation hier fortsetzen. Vielleicht lernen Sie es dann auch, Herr Porsch.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Brangs, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Überraschung gab es sicherlich nicht. Dass ich hier stehe, hat wohl niemanden überrascht. Aber wenn man schon diese Vorlage bekommt, soll man sie auch gern aufnehmen. Insofern freue ich mich natürlich über den Titel der Aktuellen Debatte und will auch ehrlicherweise sagen, dass wir in diesem Landtag schon über andere Dinge debattiert haben, die auch wenig mit diesem Landtag zu tun hatten. Insofern glaube ich auch, dass es Sinn macht, dass sich Politiker zu einer aktuellen Situation im Land äußern. Die aktuelle Situation ist eindeutig.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die Situation ist so, dass in den letzten Tagen über 200 000 Menschen bundesweit, auch in Sachsen, auf die Straße gegangen sind, dass sie klar gesagt haben, dass sie mit dem, was in der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes im Moment passiert, nicht einverstanden sind. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Man kann das natürlich alles abtun und sagen, dass das nicht unser Thema ist. Mein Thema und das Thema der SPD-Landtagsfraktion ist es allemal. Insofern ist es auch keine Überraschung und deshalb die Botschaft direkt am Anfang meiner Ausführungen: Die SPD-Landtagsfraktion hat sich auf ihrer Klausur einstimmig mit einer Resolution hinter die Forderung der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und des Beamtenbundes gestellt. Wir unterstützen ausdrücklich die Forderung in der aktuellen Tarifrunde dieser Gewerkschaften.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Und was ist mit der Koalition?)

Wir denken auch, dass es richtig und sinnvoll ist, das hier zu thematisieren, weil die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im Freistaat ein Garant dafür sind, dass die Infrastruktur und die Ansprache auch von potenziellen Investoren in diesem Land funktioniert. Das hat etwas mit Wettbewerbsvorteil zu tun, dass es in diesem Land so gut funktioniert. Das hat auch etwas mit dem öffentlichen Dienst zu tun, das hat etwas mit den Polizistinnen und Polizisten zu tun, mit den Krankenschwestern, mit den

Müllmännern – und es gibt auch dort Frauen. Das sind also die Menschen, die tagtäglich dafür sorgen, dass, wenn Sie morgens das Licht anmachen und abends das Licht wieder ausmachen, in diesem Land alles wunderbar funktioniert. Ich denke, dass es gerecht und an der Zeit ist, dass diese Beschäftigten, die seit Jahren Lohnverzicht geübt haben, auch einen Schluck aus der Pulle bekommen sollten.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Insofern geht es hier ganz klar darum, dass, wenn man über Gerechtigkeit redet, man auch Gerechtigkeit praktizieren muss. Es geht auch darum, dass wir – richtig, Kollege Rößler – ein Anwachsen von Unternehmergewinnen, ein Anwachsen von Managergehältern haben – eine seltsame Clique in diesem Land, die sich mehr Gedanken darüber macht, wie man nach Liechtenstein kommen kann, als für die Menschen, die für sie arbeiten, einen vernünftigen Lohn zu zahlen. Der öffentliche Dienst hat ein Anrecht darauf, an dieser Lohnentwicklung teilzuhaben.

Ganz wichtig ist es auch, dass wir uns in einer solchen Tarifauseinandersetzung Gedanken über die Zukunft des Landes machen. Zukunft heißt in diesem Fall, sich Gedanken über die Jugend zu machen. Es ist richtig, dass die Tarifpartner im öffentlichen Dienst auch darüber sprechen, dass Ausbildungsplätze in Ostdeutschland Mangelware sind. Es ist richtig, dass der öffentliche Dienst dort mit einer Vorbildfunktion vorangehen und Ausbildungsplätze schaffen muss. Es kann nicht sein, dass wir als Politik immer wieder fordern, dass die freie Wirtschaft über den Bedarf ausbildet und wir selbst als öffentlicher Dienst und als Arbeitgeber da genau ein falsches Signal setzen. Der Abbau von Ausbildungsplätzen, die Nichtübernahme von Auszubildenden nach der Ausbildung ist das falsche Signal. Auch da ist es richtig, dass die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst klar sagen: Wir müssen jungen Menschen eine Perspektive geben. Deshalb ist das Thema Übernahme und Ausbildungsvergütung ein richtiges Signal.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Kommen wir zum letzten Punkt. Es geht um die Situation der Finanzen des Bundes. Wir wissen, dass die Finanzsituation des Bundes und auch der Kommunen schwierig ist. Aber sie ist nicht ausweglos. Es ist auch nicht so, als hätte es in den letzten Jahren keine Steuermehreinnahmen gegeben. Es geht einfach darum, wie man mit diesen Steuermehreinnahmen umgeht. Es geht vor allem auch darum, dass man überlegen muss, wenn wir ein Gemeinwesen haben wollen, wenn dieser Staat bestimmte Aufgaben für die Menschen vorhalten will, wie man die Beschäftigten, die diese Arbeiten vorhalten, entsprechend entlohnt. Ich verstehe, dass viele, die gerade auf der Straße stehen und demonstrieren, sagen: Wir fühlen uns abgehängt, wir fühlen uns nicht wertgeschätzt, wir sind der Auffassung, dass wir als Beschäftigte des öffentlichen Dienstes immer die Zeche bezahlen müssen.

Es ist richtig und sinnvoll, dass wir als Landtag sagen – zumindest Teile dieses Landtages –, dass wir die Botschaft verstanden haben und höhere Löhne für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Sachsen brauchen. Die SPD-Landtagsfraktion unterstützt diese Forderung. Ich hoffe, dass bei den anstehenden Verhandlungen heute und morgen ein akzeptables Ergebnis herauskommt, damit weitere Streiks abgewendet werden können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Ich erteile das Wort der Fraktion der NPD. Herr Delle, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte ist in der Tat sehr aktuell, da besagte Aktualität durch die fünfte Verhandlungsrunde über den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst gegeben ist.

Warnstreiks beeinträchtigen bereits den Betrieb in Kindertagesstätten, Kliniken, Müll- und Nahverkehrsbetrieben. Es wäre wünschenswert, wenn weitere Streiks aufgrund eines Verhandlungsergebnisses und nicht nur aufgrund der Friedenspflicht, weil zum Beispiel die Arbeitgeber die Schlichtung einberufen, hinfällig würden. Ich denke aber, dass dies nur ein frommer Wunsch bleiben wird.

Die Gewerkschaften ver.di, DBB, GEW und GdP stehen mit der Bundesregierung und dem VKA einer Arbeitgeberseite gegenüber, deren Credo einer neuen Marktwirtschaft Deregulierung, Privatisierung und Rückzug des Staates bedeutet. Unter diesen Vorzeichen ist kaum ein anderes Angebot als das vorgebrachte Alibiangebot seitens der öffentlichen Arbeitgeber zu erwarten. Nachdem auch im öffentlichen Dienst die Arbeitnehmenden in der jüngeren Vergangenheit nicht gerade Grund zum Jubeln hatten – abgesehen von der schrittweisen Westanpassung liegt die letzte echte Tariferhöhung von gerade einmal 1,5 % vier Jahre zurück –, ist nach Ansicht der NPD-Fraktion in der Tat das Angebot von nur 5 % in drei Schritten, verteilt auf zwei Jahre, verbunden mit einer Arbeitszeitverlängerung, für die Gewerkschaften nicht annehmbar. Eine Gewerkschaft, die sich darauf einließe, verlöre ihre Existenzberechtigung.

Das Angebot der öffentlichen Hand gewährleistet nicht einmal einen Inflationsausgleich. Ich glaube auch nicht, dass sich das Arbeitgeberangebot beispielsweise für eine Erzieherin mit 1 875 Euro brutto im Monat auf einer angemessenen Wertschätzungsebene befindet.

Auch die NPD-Fraktion kann folglich die Arbeitgeberseite nur dazu aufrufen, den Arbeitnehmervertretern entgegenzukommen. Meine Damen und Herren, wir sprechen hier immerhin über etwa 1,3 Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen; das heißt, wir sprechen auch über die Möglichkeit eines Konjunkturimpulses für die Binnennachfrage. Der private Konsum trug in den letzten Jahren so gut wie nichts zum wirtschaftlichen Wachstum

in Deutschland bei, weil sich Deutschland vorwiegend einer einseitigen Exportorientierung verschrieben hat.

Aber eben deshalb wurde die viel zu schwache Konsumnachfrage zur Achillesferse der binnenwirtschaftlichen Entwicklung, und genau hier sind wir beim Thema Löhne und Gehälter. Mit einer Nachfragestärkung für 1,3 Millionen Beschäftigte wäre es allerdings möglich, die gespaltene Konjunkturentwicklung ein Stück weit zu normalisieren. Der Zuwachs der Arbeitnehmerentgelte seit 2000 betrug 4,1 % bei einem gleichzeitigen Verbraucherpreisanstieg von circa 10 %. Doch der Anstieg bei den Gewinnen und Vermögenseinkommen liegt im gleichen Zeitraum bei satten 38 %. Folglich lässt sich anhand der Lohnquotentiefstände der letzten Jahre hieraus ein Handlungsbedarf ableiten.

Die Unternehmensteuern wurden gesenkt, während die Verbraucher über die Erhöhung der Mehrwertsteuer belastet wurden. Gleichzeitig profitieren die Kommunen von der Umsatzsteuererhöhung. Das, meine Damen und Herren, sollte man dem VKA bei den Tarifverhandlungen auch einmal vorrechnen. Nicht zu vergessen, dass speziell in Sachsen die Gewerbesteuerhebesätze nicht gerade niedrig liegen. Außerdem liegt – mitunter bedingt durch den rapiden Personalabbau – die Personalkostenquote in den neuen Ländern mittlerweile niedriger als in den alten Ländern.

Es muss aus Sicht der NPD-Fraktion auch einmal festgehalten werden, dass das Entstehen sogenannter Wettbewerbsmärkte für öffentliche Dienstleistungen – nicht zuletzt durch europarechtliche Vorgaben forciert – dazu führte, einseitig Kostensenkungen zu realisieren, anstatt die Wettbewerbsfähigkeit in erster Linie über Qualitätssteigerungen zu gewährleisten.

Ich glaube nicht, dass die Qualität des öffentlichen Dienstes mit niedriger Entlohnung und Personalabbau auf Dauer zu gewährleisten ist. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes war auch von 2005 bis 2006 die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst weiter rückläufig. So sank die Zahl der Bundes- und Landesbeschäftigten um 1 %; die Beschäftigtenzahl bei den Gemeinden und Gemeindeeinrichtungen ging um 2 % zurück. Im öffentlichen Dienst arbeiten heute weniger Beschäftigte als 1991 allein in der alten BRD. Hinzu kommt der Trend zur Ausweitung der Teilzeitarbeit.

Meine Damen und Herren, bei steigenden Steuereinnahmen beim Bund und steigenden Einnahmen durch die Gewerbesteuer muss dem Grundsatz der Entgeltgleichheit endlich Rechnung getragen und gleichwertige Arbeit auch gleich bezahlt werden – egal, ob sie in West- oder in Ostdeutschland erbracht wird.

Ebenso muss es zu einer Arbeitszeitangleichung des Tarifgebietes Ost an das Tarifgebiet West kommen, so wie es Erhöhungen der regulären Wochenarbeitszeit nur bei entsprechendem Lohnausgleich geben darf. Die Teilzeitvereinbarungen zur sozialen Absicherung im Tarifgebiet Ost bei geringerem Entgelt müssen in reguläre Tarifverhältnisse zurückgeführt werden.

Insofern, meine Damen und Herren, erklärt sich die NPDFraktion bezüglich der aktuellen Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften solidarisch – nicht um derentwillen, sondern um der Beschäftigten im öffentlichen Dienst willen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)