Protokoll der Sitzung vom 07.03.2008

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich rede gar nicht von jenen Fällen, in denen Leiharbeiter unter Tarif bezahlt werden.

Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Wir brauchen Leiharbeit. Leiharbeit ist ein Instrument von Flexibilität. Es ist gut für die Wirtschaft und für den Arbeitsmarkt, wenn es richtig eingesetzt wird.

(Beifall des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Wir müssen uns immer wieder fragen, ob es Fehlentwicklungen gibt und wie wir solcher Fehlentwicklungen Herr werden können. Es entspricht auch dem Sinn des Koalitionsvertrages von Sachsen, sich die Dinge genau anzusehen und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Deshalb müssen wir die Spielregeln der Leiharbeit dort ändern, wo die Grenzen deutlich werden. Wenn wir den Wirtschaftsstandort Sachsen weiter verbessern wollen, gibt es viele Wege. Die massive Nutzung der Leiharbeit als Instrument der Kostensenkung, gewissermaßen als Missbrauch, kann aber nicht dazu gehören. Im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz steht nichts über Kostensenkung durch Leiharbeit. Das Gesetz geht ganz im Gegenteil von dem Grundsatz aus, dass Leiharbeiter den gleichen Lohn erhalten sollen wie Festangestellte.

Die Abweichung von diesem Grundsatz durch Tarifverträge war eindeutig als Ausnahme gedacht. Faktisch ist der Gleichbehandlungsgrundsatz jedoch aufgehoben. Die Tarifvertragsparteien haben von ihrer Möglichkeit, eigene Tarifverträge für die Leiharbeit abzuschließen und darin auch niedrigere Löhne für Leiharbeiter zu vereinbaren, fast flächendeckend Gebrauch gemacht. Leiharbeit darf aber nicht mit Billigarbeit gleichgesetzt werden.

Im Gesetz steht auch nicht, dass Leiharbeit den Kündigungsschutz aushebeln soll. Deshalb müssen wir Regeln formulieren, die es Unternehmen untersagen, sich durch die Kündigung von Leiharbeitern in großem Stil ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für diese Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer zu entziehen. Es ist gut, wenn es für die vom Stellenabbau bei BMW betroffenen Arbeiter in Bayern gute Einsatzmöglichkeiten gibt. Aber was wäre, wenn der Arbeitsmarkt dort nicht so aufnahmefähig wäre?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich unterstütze deshalb die von der Bundesregierung bei ihrer Kabinettsklausur in Meseberg eingesetzte Arbeitsgruppe zur Analyse der Leiharbeit. Ich werde mich dafür einsetzen, dass Leiharbeit weiterhin ihren Beitrag zur Wirtschaftsentwicklung und zum Beschäftigungsaufbau leisten kann. Aber dies muss zu akzeptablen Bedingungen geschehen. Leiharbeiter sind nämlich keine Beschäftigten zweiter Klasse.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Abg. René Despang, NPD)

Wir brauchen für diese fleißigen und flexiblen Menschen gerechte Regeln. Wie diese Regeln konkret aussehen sollen, wird sich in der derzeit laufenden Diskussion sicherlich ergeben. Ich sehe zum einen die Tarifpartner in der Verantwortung. Sie können in ihren Tarifverträgen beispielsweise Obergrenzen für den Anteil der Leiharbeiter an einem Unternehmen festlegen. Hier kann ich mir durchaus kreative Lösungen vorstellen. Für kurzzeitige Auftragsspitzen könnte beispielsweise ein Anteil von bis zu 40 % Leiharbeitern durchaus sinnvoll und zulässig sein, längerfristig aber maximal ein Anteil von 15, vielleicht 20 %. Die Tarifpartner wissen aber selbst am

besten, was für ein atmendes Unternehmen gebraucht wird.

Zur Verbesserung der Lohnsituation der Leiharbeiter wäre andererseits die Aufnahme der Leiharbeit in das Arbeitnehmerentsendegesetz ein erster Schritt. Ein entsprechender Antrag liegt dem Bundesarbeitsminister bereits vor. Ich halte auch Regelungen, wonach Leiharbeitnehmer generell nach einer bestimmten Zeit so behandelt werden müssen wie andere Arbeitnehmer des gleichen Betriebes, für möglich.

Letztlich müssen auch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates in den Entleihbetrieben gestärkt werden. Eine stärkere Kontrolle des ordnungsgemäßen Einsatzes der Leiharbeiter sowie des Umfangs und der Dauer der Leiharbeit durch den Betriebsrat kann Missbräuchen vorbeugen.

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Aber ich will auch gern – und das tue ich ausdrücklich bei Unternehmensbesuchen in Sachsen – die Rolle der Betriebsräte in den Unternehmen, die Leiharbeiter aufnehmen, stärken. Hier frage ich ständig nach, wie hoch der Anteil der Leiharbeiter in sächsischen Unternehmen ist. Ich stelle auch erfreut fest, dass die Betriebsräte aus unterschiedlicher Motivation heraus sehr interessiert daran sind, dass diese Leute angemessen bezahlt und entlohnt werden, weil sie natürlich wissen, dass auch über Leiharbeiter der Druck auf die Belegschaft erhöht werden kann, zu wie auch immer gearteten Zugeständnissen bereit zu sein. Deshalb ist es mir wichtig, dass auch von den Betriebsräten in den Unternehmen, die Leiharbeiter aufnehmen, das Problem entsprechend erkannt und beraten wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe einige Ansatzpunkte für Änderungen genannt. Ich wünsche mir, dass wir akzeptable Regelungen für die Leiharbeit finden, ohne dabei die Leiharbeit abzuschaffen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich rufe zum Schlusswort auf; Frau Abg. Lay.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Jurk, ich denke, es besteht Einigkeit bezüglich der Zahlen, die wir hier auch identisch zitiert haben. Allein uns unterscheidet die Bewertung der Zahlen. Soll ich denn darüber jubeln, dass ein Drittel des Beschäftigungszuwachses in Sachsen auf Leiharbeit basiert? – Nein, darüber kann ich in der Tat nicht jubeln. Vielmehr – ich habe es eingangs schon erwähnt und möchte auch hier auf die Antworten auf meine Kleine Anfrage aus Ihrem Haus verweisen – kann ich, wenn wir auf der einen Seite eine Situation haben, dass das Arbeitsvolumen so gut wie nicht angestiegen ist, sehr wohl aber ein Anstieg der Leiharbeit zu verzeichnen ist, keine andere Ursache erkennen, als dass es innerhalb der Beschäftigten zu massiven Verdrängungseffekten gekommen sein muss.

Herr Brangs hat sicherlich in der Analyse sehr viel Richtiges gesagt. Allein wir unterscheiden uns in den Konsequenzen in Bezug auf unseren Antrag. Ich kann verstehen, dass Sie bei diesem Koalitionspartner unserem Antrag nicht zustimmen können. Ich freue mich aber immer, wenn die Kritik von SPD und GRÜNEN an den von der rot-grünen Bundesregierung einst selbst initiierten HartzReformen wächst. Da kann ich nur sagen: DIE LINKE wirkt und DIE LINKE wirkt auch hier im Sächsischen Landtag. Denn wenn die Koalition nun einen Antrag in dieser Sache nachlegen sollte, dann hat sich unser Engagement schon gelohnt. Ich frage mich nur, wie Sie, Herr Jurk, und wie die SPD Herrn Rasch und die CDUFraktion vom Inhalt Ihres Änderungsantrages überzeugen können und überzeugen wollen. Daraus dürfen wir noch gespannt sein.

Zur Wahrheit – das will ich hier nicht verschweigen – gehört allerdings auch, dass der erste Anlauf der Europäischen Kommission, Zeitarbeit in Deutschland zu begrenzen und für Leiharbeitnehmer gleichen Lohn für gleiche

Arbeit durchzusetzen, im Jahr 2003 gescheitert ist. Es ist in der Bundesregierung blockiert worden, unter der Beteiligung der SPD.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal versuchen, Sie zur Zustimmung zu unserem Antrag zur sozialen Regulierung der Leiharbeit zu bewegen, denn der unbefristete Einsatz von Leiharbeitnehmern führt zu einem deutlichen Druck und auch zu einem Erpressungspotenzial gegenüber der Stammbelegschaft. Anstatt also Lobeshymnen auf das vorgetäuschte Beschäftigungswunder zu singen, erwarten wir Engagement für die Beendigung dieser ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 4/10296 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte! – Die Stimmenthaltungen? – Eine Stimmenthaltung und eine Reihe von Stimmen dafür. Dennoch ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden.

Tagesordnungspunkt 5

Kooperatives Promotionsverfahren

Drucksache 4/10729, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Der Tagesordnungspunkt zum Thema „Kooperatives Promotionsverfahren“ ist von der Koalition für heute von der Tagesordnung abgesetzt worden.

Daher komme ich jetzt zu

Tagesordnungspunkt 6

Zukunftschancen für Sachsen nutzen – Bodenschätze frühzeitig neu bewerten

Drucksache 4/7912, Antrag der Fraktion der NPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die NPD beginnt. Danach folgen CDU, Linksfraktion, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht. – Bitte, Frau Abg. Schüßler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion hatte den Ihnen vorliegenden Antrag auf Neubewertung der sächsischen Rohstofflagerstätten bereits vor einem Jahr in den Geschäftsgang des Landtages eingebracht, weil wir erhebliche Defizite in der Bewertung gesehen haben. Der Antrag zielte darauf ab, das Wertschöpfungspotenzial dieser Rohstoffe für Sachsen zu erschließen und Arbeitsplätze zu schaffen. Angesichts der rasanten Entwicklung der Weltmarktpreise für die in Sachsen vorkommenden Rohstoffe und der damit für die Zukunft zu erwartenden Chancen für eine Renaissance des technischen Bergbaus hatten wir es als vorrangige Aufgabe der Staatsregierung angesehen, die Bodenschätze neu zu bewerten. Wir wollten damals die Initiative ergreifen, um daraus den maximalen Vorteil für Sachsen und die Menschen in unseren Regionen zu erzielen.

Seitdem ist ein Jahr vergangen und eine Reihe von bergrechtlichen Entscheidungen ist bereits getroffen worden. Aus diesem Grund hat unsere Fraktion noch einen Änderungsantrag eingereicht, der unseren eigenen Antrag, den Ursprungsantrag, erweitern soll, zu dem ich aber später noch einmal komme.

Die Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt sind in den letzten Jahren derart rapide angestiegen, dass sich gänzlich neue Rahmenbedingungen für einen möglichen Abbau ergeben haben, und die Tendenz ist weiter steigend. Beispielsweise ging die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag – vor einem Jahr, wie gesagt – noch von einem durchschnittlichen Preis für Kupfer von 6 750 USDollar pro Tonne aus. Inzwischen hat der Weltmarktpreis die Marke von 8 000 Dollar pro Tonne weit hinter sich gelassen und liegt bei der Notierung der Londoner Rohstoffbörse aktuell bei fast 8 600 Dollar.

Aber nicht nur bei Kupfer, sondern bei nahezu allen Rohstoffen sind immense Preissteigerungen zu beobach

ten. Deshalb hat meine Fraktion eine umfassende Neubewertung der sächsischen Lagerstätten beantragt. Wir sehen es dabei als zwingend notwendig an, auch die Abbauwürdigkeit der Lagerstätten zu untersuchen. Der Aussage der Staatsregierung aus der Stellungnahme, wonach die Einschätzung der Abbaumöglichkeit einer Lagerstätte eine unternehmerische Entscheidung sei, kann die NPD-Fraktion nicht folgen. Wir sehen es sehr wohl als notwendig an, auch die Abbauwürdigkeit der Lagerstätten zu bewerten, weil nur dann die von interessierten Bergbauunternehmen vorgelegten Konzepte richtig beurteilt werden können.

Zudem ist es für unsere Fraktion völlig inakzeptabel, dass der Abbau von Bodenschätzen in Sachsen nicht durch ein Konsortium deutscher und sächsischer Unternehmen erfolgt. Stattdessen reißen sich mehrere ausländische Konzerne um die Rechte an den Bodenschätzen, deren Erlöse langfristig im Milliardenbereich liegen. Auch dazu ist eine umfassende Bewertung notwendig. Es ist die Aufgabe des Staates, ein derartiges Konsortium zu unterstützen, um die Gewinnung der Bodenschätze durch deutsche Unternehmen sicherzustellen und dadurch die Gewinne in Deutschland zu behalten.

Gerade in Sachsen, aber auch in anderen Bundesländern gibt es eine Reihe von ehemaligen Bergleuten, die gern wieder in ihrem Beruf arbeiten würden, und es gibt auch genug Unternehmen aus dem Bereich des Bergwesens, die sich daran beteiligen würden. Natürlich hätte die Finanzierung eines solchen Vorhabens ein erhebliches Volumen, das steht völlig außer Frage. Aber dies wäre eine volkswirtschaftliche Aufgabe mit hohen Ertragsaussichten, die trotz anfänglich hoher Kosten schnell zu Erträgen führen würde.

Aus diesem Grunde möchte ich das Unverständnis, ja die Ablehnung meiner Fraktion zum Ausdruck bringen, was die Aussagen der Staatsregierung dazu in der Stellungnahme betrifft. Aus der Sicht unserer Fraktion ist es eben nicht Ihre Aufgabe, Unternehmen aus aller Herren Länder bei der Erschließung des sächsischen Rohstoffpotenzials zu unterstützen, sondern vorrangig sächsische und deutsche Unternehmen.

(Beifall bei der NPD)

Und wenn Sie beurteilen wollen, welche Konzepte am sinnvollsten sind, dann, bitte schön, muss auch dort die Wertschöpfung für Deutschland im Vordergrund stehen. Konzepte, bei denen die Gewinne aus den Bodenschätzen an ausländische Konzerne fließen, können dabei wohl kaum von vorrangigem Interesse sein.

Aufgrund der Tatsache, dass im Laufe des vergangenen Jahres bereits eine Reihe bergrechtlicher Genehmigungen erteilt wurde, haben wir zu unserem Antrag noch einen Änderungsantrag gestellt, der den Ursprungsantrag um einige Punkte erweitert:

Wir wollen insbesondere, dass der Landtag in die Rohstoffpolitik der Staatsregierung einbezogen wird. Dabei soll über den Fortschritt und die Ergebnisse der Neube

wertung der sächsischen Rohstofflagerstätten in diesem Hause Bericht erstattet werden.

Des Weiteren erwarten wir detaillierte Auskünfte über die bereits erteilten bergrechtlichen Genehmigungen und Erlaubnisse in Bezug auf die sächsischen Lagerstätten. Dabei soll natürlich besonders auf die Buntmetalllagerstätten des Lausitzer Kupferschiefers eingegangen werden, weil diese in ihrer Ausdehnung und Gewinnerwartung von besonderer Bedeutung sind. Gerade die Tatsache, dass diese Lagerstätten bereits seit den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts bekannt sind und in den Sechzigerjahren bereits untersucht wurden, lässt die Frage offen, warum sich die Staatsregierung nicht schon früher um deren Erschließung durch einheimische Unternehmen bemüht hat. Dass die Lagerstätten in der Vergangenheit schlechtgeredet wurden, kann dabei nur als Indiz für den dringenden Bedarf einer neuen Überprüfung gelten.

Zudem ist es völlig unzutreffend, dass der Abbau des Kupfers in der DDR-Zeit wegen der angeblich zu hohen Kosten nicht vorgenommen worden sein soll. Tatsache ist, dass seinerzeit erhebliche Kupfermengen aus Minenanteilen in Chile bezogen wurden und somit eine Notwendigkeit zum Abbau eigener Vorkommen gar nicht bestand. Heute kann Deutschland aber nicht mehr auf preiswertes Kupfer aus Chile zählen und der Weltmarktpreis – ich sagte es schon – spricht eine deutliche Sprache.

Deshalb ist es umso unverständlicher, dass die vorhandenen Ressourcen nicht für unser eigenes Land verfügbar gemacht wurden. Der Vorgang, dass mit den nun erteilten Genehmigungen zur Erkundung der Lagerstätten fast schon vollendete Tatsachen geschaffen wurden, weil den Konzernen daraus auch ein vorrangiges Recht zur Gewinnung der Bodenschätze erwächst, ist aus unserer Sicht skandalös und ein glänzendes Beispiel für den Ausverkauf wertvollen sächsischen Tafelsilbers.