Das sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDULandtagsfraktion von Mecklenburg-Vorpommern zum Abschluss einer in Schwerin abgehaltenen Tagung der familienpolitischen Sprecher der Unionsfraktionen in den Landtagen und im Bundestag. Bei der angestrebten Kindergelderhöhung dürfe es zudem keine zeitliche
Verzögerung geben. Er betonte, Familien seien von den zum Teil extremen Preissteigerungen, zum Beispiel bei Lebensmitteln und Energie, in besonderer Weise betroffen.
Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU! Ich unterstelle jetzt einmal, Sie meinen es mit dem Vorschlag ernst. Die Begründung ist durchaus zutreffend. Ich unterstelle weiter, die Bundesregierung würde diesen Vorschlag tatsächlich umsetzen. Das entspricht nicht unbedingt unseren Erfahrungen mit Ihnen, was Worte und Taten anbelangt, aber unterstellen wir es Ihnen einfach. Die Bundesregierung würde also das Kindergeld erhöhen. Was wäre die Folge? Familien, die von Hartz IV leben, würden keinen müden Cent mehr bekommen, egal, wie viele Kinder sie haben, weil das Kindergeld komplett der Hartz-IV-Leistung gegengerechnet wird. Es würde einen Aufschrei des Entsetzens geben. Dann werden die üblichen Verdächtigen wieder altklug die Systematik des bundesdeutschen Sozialrechts erklären, welches diese Gegenrechnung notwendig macht. Und vielleicht werden Sie auch wieder Bedauern darüber zum Ausdruck bringen. Alles das ändert nur nichts daran. Auch wenn die CDU aufgrund der Preissteigerungen eine Kindergelderhöhung für zwingend notwendig hält – die ärmsten Familien werden sie nie bekommen. So makaber ist die Wirklichkeit jenseits wohlklingender Erklärungen.
Sehr geehrte Damen und Herren, das Einzige, was diesen Kindern wirklich helfen kann, sind öffentliche Leistungen. Es sind all die Dinge, die Kindern kostenlos zur Verfügung gestellt werden und die ihnen niemand wegnehmen oder gegen den Familienetat gegenrechnen kann. Das wäre zunächst der kostenlose Besuch einer Kindertagesstätte. Dieser ist zwar für die Kinder aus einkommensschwachen Elternhäusern laut Sächsischem Kita-Gesetz gewährleistet, aber eben nur im Prinzip. Nach wie vor gibt es in 20 von 29 sächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten Zugangsbeschränkungen zu Kindertagesstätten für Kinder arbeitsloser Eltern. Nach der Kreisgebietsreform besteht die Gefahr, dass sie im schlechtesten Fall – mit Ausnahme von Dresden und Leipzig – flächendeckend sein werden. Da freue ich mich natürlich über die erneute verbale Unterstützung durch die SPD in der heutigen „Sächsischen Zeitung“. Wir werden bei der Abschaffung der Zugangskriterien an Ihrer Seite sein. Ich habe nur die Befürchtung, dass auch dieses wichtige Ziel wieder der Koalitionsdisziplin zum Opfer fallen wird.
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bestimmungen zum sächsischen Landeserziehungsgeld stellen Eltern vor die Wahl: Kita oder Erziehungsgeld? Keine Frage, wie sich Eltern entscheiden, die auf jeden Cent angewiesen sind. Welches verantwortungsbewusste Elternteil wird schließlich sein Kind in die Kita schicken im sicheren Wissen, dass es dort vom täglichen Mittagessen und der Vesper ausgeschlossen bleibt? Wohl keines.
Der Beitrag für das Essen liegt aber genau so hoch, zum Teil sogar noch höher als der täglich zur Verfügung stehende Betrag von 2,57 Euro für Nahrung, Getränke und Tabakwaren. Da hilft es dem Kind auch gar nichts, wenn der Tabakbedarf hoffentlich bei null liegt. Die Folge ist: Die Eltern kochen lieber zu Hause und schicken ihr Kind nicht in die Kita – nicht aus freier Entscheidung, sondern aus Armut. Übrigens hat eine ernährungswissenschaftliche Studie vor einem halben Jahr nachgewiesen, dass eine gesunde Ernährung für Kinder und Jugendliche mit dem Hartz-IV-Regelsatz nicht möglich ist.
Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade was den uneingeschränkten Zugang zur Kita anbelangt, hat insbesondere die SPD vor vier Jahren viel versprochen und bis zum Ende der Regierung Milbradt fast nichts eingelöst. Wir haben Ihnen mehrfach geeignete Gesetzesvorschläge unterbreitet. Sie haben diese nur abgelehnt. Aber vielleicht war dies nur Teil des schlechten Stils, den der neue Ministerpräsident jetzt ändern will. Den Kindern wäre es zu gönnen. Ich kann gerade wegen der Kreisreform die neue Regierung nur dringend zum Handeln auffordern. Insbesondere die neue Sozialministerin oder den neuen Sozialminister, die oder der hoffentlich das Problem der Kinderarmut löst, bei dem Frau Orosz versagt hat.
Wir haben Ihnen einen Gesetzentwurf zum kostenlosen Mittagessen für arme Kinder vorgelegt. Sie erinnern sich sicherlich sehr gut, dass die Experten in der Anhörung die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme unterstrichen haben. Die Stimmen mehren sich auf allen Ebenen, vom Bund bis zu den Kommunen. Seit der vergangenen Woche liegt nunmehr eine Expertise von Prof. Ginzel von der Evangelischen Fachhochschule für soziale Arbeit Dresden vor, welche unter anderem das kostenlose Mittagessen anmahnt. Ich kann Ihnen die Lektüre nur empfehlen. An manchen Stellen sind Kommunen bereits tätig geworden. Es ist aber nicht hinnehmbar, den Kommunen dieses Problem, an dem sie keine Schuld tragen, allein zu überlassen. Wir brauchen bei der Bekämpfung von Kinderarmut endlich ein Zusammenwirken von Bund, Land und Kommunen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich Kollegen Dulig gestern richtig verstanden habe, will die SPD die schrittweise Einführung des kostenlosen Mittagessens zur Voraussetzung für den Fortbestand der Koalition machen. Das wäre schon ein Fortschritt. Ich will nur hoffen, dass das harmlose Wörtchen „schrittweise“ nicht wieder das Alibi dafür ist, dass sich die SPD mit etwas brüstet, was in zwei Jahren ein bisschen oder vielleicht passieren könnte. Dergleichen haben wir leider schon erlebt.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich erlaube mir, in dieser schnelllebigen Zeit an das zu erinnern, was uns Kollege Dulig vor einem halben Jahr wissen ließ – Zitat –: „Sachsens SPD-Landtagsfraktion will das Thema Kinderarmut stärker in den Blickpunkt ihrer Arbeit rücken.“
Das kündigte Fraktionschef Martin Dulig in Dresden an. Gut ein Viertel der Kinder bis 15 Jahre sei abhängig, sagt Dulig. Das will ich nicht akzeptieren. Unter anderem sollte über sogenannte anlassbezogene Leistungen im Unterschied zu pauschalierten Leistungen für sozial Schwache nachgedacht werden. Als Beispiel nannte Dulig gezielte Unterstützungen für arme Familien zum Schulanfang. Es müsse seiner Meinung nach stärker über eine tatsächliche Lernmittelfreiheit in Sachsen diskutiert werden. So weit Herr Dulig vor einem halben Jahr.
Aber nicht nur, dass seitdem nichts passiert ist. Nein, im Unterschied zu Herrn Dulig wollte Herr Staatsminister Flath noch nicht einmal über die Lernmittelfreiheit reden, die ja in Sachsen immerhin Verfassungsgebot ist, zumindest auf dem geduldigen Papier. Herr Flath, der ja – Gott sei Dank! – aus dem Kultusministerium ausscheiden wird,
behauptet stattdessen auf Anfrage allen Ernstes: Ein Kind benötige – hören Sie doch zu! – in der Schule außer den leihweise zur Verfügung stehenden Lehrbüchern keine weiteren Lernmittel. Alles andere, was Kinder in der Schule benötigen – und sie benötigen es, um überhaupt teilhaben zu können, zum Beispiel Kopien, Arbeitshefte oder Taschenrechner –, sind nach Flath keine Lernmittel. Das ist politischer Zynismus, an dem eine alleinerziehende, arbeitlose Mutter, die nicht weiß, wie sie das Geld für den Schulbedarf ihrer Kinder aufbringen soll, nur noch verzweifelt.
Heute kommentiert der CDU-Fraktionschef in spe die dringende Forderung nach einem kostenlosen Mittagessen launisch, dann wolle er ein kostenloses Frühstück. Herr Flath, Sie verstehen das Problem einfach nicht bzw. wollen es nicht verstehen.
Ich appelliere an den künftigen Ministerpräsidenten: Machen Sie Schluss mit dieser Problemverdrängung! Kämpfen Sie auf Bundesebene um jeden Cent für arme Kinder! Unterstützen Sie die Kommunen in dieser Frage! Werden Sie als Staatsregierung selbst aktiv!
Unser Antrag ist sehr kurz und sehr verdichtet. Aber wenn Sie ihn beschließen würden, wäre das ein sehr gutes Programm für die neue Regierung. Daran werden wir Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, künftig messen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir anfangen, möchte ich als Erstes über die Armutsdefinition sprechen,
ob es richtig ist, dass der Satz für Kinder bei 60 % des ALG-II-Regelsatzes liegt oder ob es vielleicht 70 % sein müssen oder irgendeine andere Zahl. Darüber haben wir schon gesprochen und einen Beschluss gefasst. Auch die Sozialministerkonferenz hat sich mit diesem Thema befasst und gefragt: Ist dieser Satz – 60 % – richtig oder sollte man einen anderen nehmen? Wir haben meinetwegen auch im Unterhaltsrecht eine stärkere Ausrichtung am Lebensalter des Kindes. Auch das ist eine Überlegung, der man sich gern nähern kann. An dieser Stelle können wir auch über familienpolitische Leistungen sprechen. Herr Neubert hat netterweise schon zitiert, dass wir der Ansicht sind, dass eine Kindergelderhöhung richtig und wichtig ist. Wir werden den Existenzminimumbericht vom Bundesfinanzminister vorgelegt bekommen, nach dem das in diesem Jahr einfach geboten sein wird.
Landeserziehungsgeld wäre auch ein Thema, das die Linkspartei eher bekämpft hat. Das Landeserziehungsgeld ist eine Unterstützungsmaßnahme vor allem für Familien, die nicht so viel Geld haben.
Wie gesagt, über diese Fragen können wir gern diskutieren. Wir können aber nicht sagen: Jeder, der Hartz IV bezieht, ist ein armer Mensch. Denn Hartz IV ist genau deshalb eingeführt worden, weil wir gesagt haben, wir wollen, dass in unserer Gesellschaft niemand durchs Rost fällt und dass es eine Grundsicherung gibt. Das ist Hartz IV. Hartz IV ist eingeführt worden, damit Armut verhindert wird! Das ist der Grund.
Bei Ihrer Definition gibt es bestimmte Probleme. Sie definieren jeden, egal wie hoch Hartz IV ist, immer als arm. Wenn wir Ihrer Meinung folgen und die Hartz-IVRegelsätze erhöhen würden, würde das dazu führen, dass wesentlich mehr Menschen nach Ihrer Definition in Armut leben würden. Das ist Ihre Forderung nach einer Erhöhung von Hartz IV. Wenn ich Ihren Begriff für Armut verwenden würde, würde das dazu führen, dass Menschen verarmen.
Ein weiterer Punkt. Bei Ihrem Armutsbegriff verengen Sie alles auf finanzielle Fragen. Das ist falsch. Wir müssen das Themenfeld weiten, wenn wir über Armut sprechen.
Dabei müssen wir ein Thema ansprechen, das Sie zum Großteil ausgeblendet haben, und zwar die Bildungsarmut, die wir haben.
Wenn Kinder dauerhaft den sozialen Aufstieg schaffen wollen, dann geht das nur über Bildung. Dort haben wir in den letzten Jahren eine ganze Menge gemacht. Bei der UNICEF-Studie zur Lage der Kinder in Deutschland vom vergangenen Jahr ist Sachsen, was den Bereich Bildung betrifft, auf Platz eins. Hier in Sachsen haben wir gerade im frühkindlichen Bereich eine ganze Menge Geld investiert – allein in dieser Legislaturperiode im dreistelligen Millionenbereich. Für uns ist klar: Jeder Betrag, den wir dort investieren, zahlt sich aus. Dort ist das Geld am besten angelegt; denn wir wissen, alles, was in den frühen Jahren verpasst wird, kann später nicht aufgeholt werden. Der Volksmund sagt dazu: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.
Herr Krauß, stimmen Sie mir zu, dass es etwas schwierig ist, die Erhöhung des Bildungsanspruches vor sich herzutragen, aber gleichzeitig Kinder von dieser Bildung auszuschließen? Genau das sind jene Kinder, über die wir heute sprechen.
Wir schließen keine Kinder von Bildung aus. Darauf werden wir noch zu sprechen kommen. Bei uns sind keine Kinder von Bildung ausgeschlossen. Jedes Kind hat die Möglichkeit, an frühkindlichen Bildungsmaßnahmen teilzunehmen, und erst recht in der Schule. Ich darf daran erinnern, dass wir allein für fast jedes vierte Kind die Beiträge in Kindertagesstätten vollständig oder teilweise übernehmen, damit sie eben in den Kindergarten gehen können.
Die frühe Bildung setzt sich ja in der schulischen Bildung fort. Auch in Sachsen gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen armem Elternhaus und Besuch der Förderschule. Können Sie mir erklären, warum in Sachsen ein solch hoher Förderschulanteil zu verzeichnen ist, warum der Anteil der Förderschüler, die ohne Abschluss die Schule verlassen, nach wie vor unerträglich hoch ist, und vor allem, warum überwiegend arme Kinder auf Förderschulen kommen?
Ich würde gern ausholen und das Thema mit Ihnen diskutieren, da ich es für wichtig halte. Aber es hat mit dem Thema meines Redebeitrages leider relativ wenig zu tun. Deshalb schlage ich Ihnen vor, dass wir uns gern zehn Minuten am Rande unterhalten können.