Das ist über 15 Jahre her. Die Staatsregierung hat sich mit diesem Gesetzentwurf nicht nur sehr viel Zeit gelassen,
Die Sachverständigen benannten zahlreiche Mängel und Kritiken am Gesetzentwurf. Das nahezu einhellige Votum konnte man mit den Worten bezeichnen „inhaltlich und handwerklich unzureichend“. Auch die Koalition hat nach der Anhörung diesen Nachbesserungsbedarf erkannt.
Deshalb kam es auch zu der Verzögerung in der Ausschussarbeit. Es gab zahlreiche Änderungsanträge, auch von meiner Fraktion. Einige noch offene Probleme möchte ich ansprechen.
Zum Ersten: Der § 3 Abs. 7 des Sächsischen Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz sagt bezüglich anerkannter Beratungsstellen: „Die Anerkennung begründet keinen Anspruch auf staatliche Förderung.“ Das widerspricht unserer Auffassung. Der derzeitige Versorgungsgrad an Beratungsfachkräften in Sachsen entspricht den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Es ist also davon auszugehen, dass die Zahl der derzeit anerkannten Beratungsstellen den bundesgesetzlichen Anforderungen entspricht, weshalb eine staatliche Förderung zwingend notwendig ist.
Eine Ablehnung der Förderung wegen fehlender Erforderlichkeit ist zudem nur dann gerechtfertigt, wenn der Landesgesetzgeber die Kriterien für die Auswahl unter den Beratungsstellen festgelegt hat. Derartige Kriterien sind in Sachsen nicht vorhanden und gehen auch aus diesem vorliegenden Gesetzentwurf nicht hervor. Danach ist nach Anerkennung einer Beratungsstelle im Sinne des § 9 Schwangerschaftskonfliktgesetz der Anspruch auf eine Förderung rechtlich gegeben und somit einklagbar.
Zum Zweiten: Der § 6 Abs. 1 sagt aus, dass die Hin- und Rückreise für die Ratsuchenden mit einem öffentlichen Verkehrsmittel innerhalb eines Tages erfolgen soll. Unter diesen Bedingungen gilt die Beratungsstelle als wohnortnah. Die Zeitdauer von einem Tag, also von 24 Stunden, wurde von vielen Sachverständigen als wesentlich zu lang eingeschätzt, da sie in keiner Weise der besonderen psychosozialen Situation der Ratsuchenden Rechnung trägt.
Aus der schriftlich vorliegenden Äußerung der Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege geht hervor, dass ein Gesamtaufwand von über sechs Stunden keinesfalls vertretbar ist. Die im Gesetzentwurf enthaltene Regelung ist also unzumutbar.
Schließlich noch ein Problem zum Schluss; es betrifft den § 7 Abs. 2: Dieser Absatz wurde per Änderungsantrag der Koalition aus dem Gesetzentwurf genommen. Er wurde von den Sachverständigen und auch von meiner Fraktion stark kritisiert, denn er enthielt – mit Verlaub – schlechte Finanzierungsbedingungen.
Die Regierung wird nun im Rahmen ihrer Richtlinienkompetenz die Finanzierung der Beratungsstellen regeln. Deshalb möchte ich Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin, unsere Bedenken mit auf den Weg geben.
Erstens: Eine gesetzliche Pflichtaufgabe ist ein dauerhaft zu sicherndes Angebot und trägt in keiner Weise Projektcharakter. Demzufolge ist die Projektförderung ein ungeeignetes Förderinstrument.
Zweitens: Da es sich um eine gesetzliche Pflichtaufgabe handelt, sollte die Finanzierung zu 100 % erfolgen.
(Beifall bei der Linksfraktion – Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Genau! – Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)
Eine unterschiedliche Förderung von kommunalen und freien Trägern ist nicht gerechtfertigt. Die Förderung der Personalkosten muss der hoch qualifizierten und engagierten Arbeit der Mitarbeiterinnen tatsächlich Rechnung tragen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das vorliegende Ausführungsgesetz zum Schwangerschaftskonfliktgesetz hat uns im Ausschuss wirklich lange beschäftigt, inklusive einer Anhörung.
Ich denke, dass wir heute nach den geführten Debatten einem guten Ergebnis zustimmen können. Natürlich ist immer noch Anpassungs- und Verbesserungsbedarf gewünscht. Dass diese Forderungen aus der Opposition kommen, ist durchaus gerechtfertigt. Aber wir müssen natürlich auch immer mit den gegebenen Bedingungen arbeiten. Wir haben uns nach den Nachbesserungen, auf die auch meine Kollegin Nicolaus eingegangen ist, zu diesem Kompromiss zusammengefunden.
Zu meiner Vorrednerin, die noch einmal auf diesen einen Tag der Erreichbarkeit einging, muss ich sagen, dass man da schon mal in die Praxis schauen muss. Ein Tag bedeutet ja nicht eine Nacht. Die Erreichbarkeit bedeutet auch, dass dies mit den Öffnungszeiten der Schwangerschafts
Sie sagten selbst, die Finanzierung sei geregelt und es würde eine entsprechende Richtlinie kommen. Was die Frage der freien Träger und der kommunalen Träger angeht, ist es ja immer so, dass sich ein freier Träger einer solchen Aufgabe immer unter dem besonderen Dach seines Inhaltes widmet. Insofern kann man schon sagen, dass eine gewisse finanzielle Beteiligung unbedingt dazugehört, zumal diese nicht in einer Höhe ist, dass es nicht erträglich wäre. Wenn freie Träger sich dazu bekennen, dann sollten sie etwas dafür tun.
Die Änderungen, die wir als Koalition vorgenommen haben, sind damit verbunden, dass wir für die neuen Aufgaben mehr Geld eingestellt haben und davon auch unsere Finanzfachleute überzeugen konnten; denn es handelt sich wirklich um eine wichtige Aufgabe. Die beiden besonderen Aspekte hat meine Kollegin Nicolaus schon erläutert.
Zur Frage der Vernetzung der Beratungsstellen mit dem Frühwarnsystem und der Pränataldiagnostik. Ich möchte noch einmal, um es zu verdeutlichen, darauf reflektieren, dass das Thema Schwangerschaft und speziell Schwangerschaftskonflikt heißt und es erforderlich ist, sich mit gesamtgesellschaftlichen Problemen und Bedingungen für Familien und Kinder auseinanderzusetzen und darüber nachzudenken. Gerade in den letzten Wochen gab es Anlass zur Sorge in diesem Bereich. Schwangerschaft und Kinder bedeuten nicht in allen Fällen ungetrübte Freude. Schwangerschaft kann auch Konflikt bedeuten. Vor diesem Konflikt kann man nicht die Augen verschließen. Die Frage nach dem Kindeswohl darf nach meiner Überzeugung deshalb nicht erst nach der Geburt gestellt werden. Deswegen ist die Vernetzung der Beratungsstellen mit dem Frühwarnsystem so wichtig.
Die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen haben sich bereits als gute Ansprechpartner, die mit Fachkenntnis nicht nur die medizinischen, sondern auch die psychologischen und sozialen Fakten begleiten, herausgestellt. Ich freue mich, dass wir mit diesem Gesetz die entsprechende Grundlage legen.
Zum Schluss möchte ich den Mitarbeiterinnen der Beratungsstellen noch einmal danken. Sie leisten mit ihrem großen Engagement für schwangere Frauen eine wichtige Arbeit. Es ist ihrer Gesprächsbereitschaft und Fachkenntnis zu verdanken, dass viele Mädchen und Frauen, die sich aufgrund ihrer Schwangerschaft in einer schwierigen Situation befinden, Rat und Hilfe erhalten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir erleben heute einen der seltenen Momente, in denen die Koalition, zumindest in Teilen, den Ergebnissen der öffentlichen Anhörung Folge leistet. Auch wenn man den vorliegenden Gesetzentwurf nicht als das ultimative Ergebnis betrachten kann, so gibt es doch gewisse Verbesserungen.
Gerade die Begleiterscheinungen der Globalisierung sind es, die viele Familien, besonders die Frauen, in Konflikte mit einer Schwangerschaft bringen. Wirtschaftliche Perspektivlosigkeit bringt viele Paare oder künftig Alleinerziehende in den Gewissenskonflikt: pro oder kontra Kind. Der Beratungsbedarf nimmt mit einer Verschlechterung der gesellschaftlichen Zustände zu. Die Möglichkeit, sich auch zu allgemeinen Fragen der Schwangerschaft beraten zu lassen, wurde nun mit der Formulierung „und der Bewältigung aller eine Schwangerschaft mittelbar und unmittelbar betreffenden Fragen“ festgeschrieben. – So weit, so gut.
Es gibt allerdings einige Kritikpunkte, die ich kurz ansprechen möchte. Vor allem die demografische Ausdünnung ist es, die im Gesetzentwurf keine nachhaltige Berücksichtigung erfuhr. So widersprechen sich die §§ 1 und 6 bzw. der § 6 sogar in seinen Absätzen.
Während im § 1 von einem ausreichenden pluralen Angebot an Beratungsstellen die Rede ist, wird dies später wieder aufgehoben. Im § 6 Satz 1 wird auf die Angebotsstruktur verwiesen, die plural und wohnortnah zu sein hat. Dieses „wohnortnah“ wird anschließend mit der Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln für die Hilfesuchenden innerhalb eines Tages definiert. Wie die betroffene Familie und vor allem alleinerziehende Frauen solche Angebote wahrnehmen und dabei die Wahlfreiheit für die eine oder andere Beratungsstelle behalten sollen, will sich mir nicht so recht erschließen. Erreichbarkeit innerhalb eines Tages heißt laut diesem Gesetz, dass Ratsuchende es in Kauf nehmen müssen, acht Stunden mit einem öffentlichen Verkehrsmittel unterwegs zu sein, gegebenenfalls sogar noch länger.
Damit, meine Damen und Herren, würde es theoretisch sogar ausreichen, wenn in Dresden zwei Beratungsstellen installiert würden, um ein nach Ihrer Ansicht plurales Angebot zu schaffen. Auch wenn Sie es momentan vielleicht nicht so meinen, so lassen Sie sich mit dem Festhalten an dieser Formulierung eine Hintertür offen, um das Beratungssystem schleichend auszudünnen. Dass Sie daran festhalten, überrascht wenig, da Sie weiterhin alles an den Finanzen und nicht am Bedarf der Bürgerinnen und Bürger festmachen. Das ergibt sich deutlich aus § 7 der Verordnungsermächtigung. Nicht die Frühschwangere oder das ungeborene Leben stehen im Vordergrund; es geht um Zahlen wie Auslastungen, Statistiken und nicht zuletzt Kosteneinsparungen. Anders ist diese Verordnungsermächtigung nicht zu interpretieren.
Sie schreibt für die Beratungsstellen einerseits einen unwahrscheinlichen Verwaltungsaufwand vor und setzt andererseits mit der Förderung von lediglich 80 % fort. Erwartet wird eine hundertprozentige Beratungsleistung und Auslastung. Im Gegenzug wird jedoch deutlich weniger an Vergütung und Aufwandsentschädigung zur Verfügung gestellt, als tatsächlich notwendig ist.
Meine Damen und Herren! Aufgrund meiner begrenzten Redezeit kann ich heute nicht auf jeden Punkt eingehen, der veränderungswürdig ist. Meine Fraktion wird sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf, der in seiner Zielrichtung durchaus richtig ist, der Stimme enthalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Schwangerschaftsberatungsstellen haben viele und sehr wichtige Aufgaben. Zu ihnen kommen Menschen, in der Regel Frauen, die für sich selbst empfinden, in einer Ausnahmesituation zu sein, in einer Situation, in der sie Hilfe und Beratung suchen. Dabei geht es um das ungeborene Leben, das Meistern eines Lebens mit Kind oder einen Schwangerschaftsabbruch. Oft benötigen diese Frauen einfache Hilfe, die Möglichkeit, über ihre Situation reden und sie dabei für sich selbst analysieren zu können.
Auch das oft diskutierte Thema Kinderschutz spielt dabei eine große Rolle, denn oft sind die Beratungsstellen unter den Ersten, die überhaupt von der Schwangerschaft der Klientin erfahren. Um diesen Bereich neu zu gestalten, hat die Staatsregierung im September vorigen Jahres diesen Gesetzentwurf eingebracht.
Nun, es gibt Gesetzentwürfe, über die man politisch streiten kann. Es gibt Gesetzentwürfe, die hier einstimmig durchgewinkt werden, und es gibt Gesetzentwürfe, die fachlich so schlecht sind, dass sie monatelang in den Ausschüssen überarbeitet werden müssen. Der vorliegende Gesetzentwurf der Staatsregierung aus dem Hause von Frau Staatsministerin Orosz war solch ein fachlich unausgewogener Entwurf. Wenn ich mir die letzten Gesetzentwürfe aus dem Bereich Soziales anschaue, war es nicht der Einzige. Deshalb gab es für diesen Entwurf bei der Anhörung vor allem eines: schlechte Noten.
Als wohnortnah gilt weiterhin, dass man die Beratungsstellen innerhalb eines Tages mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann. Frau Dr. Schwarz, wenn das so gemeint ist, dass diese entsprechend den Öffnungszeiten der Beratungsstellen erreichbar sein sollen, dann sage ich Ihnen: Hätten Sie das doch so ins Gesetz geschrieben! Für mich ist wohnortnah etwas ganz anderes, zumal die mobilen Angebote und Hausbesuche in diesem Falle gar nicht berücksichtigt wurden.
Die Vernetzung als eine der wichtigen Aufgaben der Beratungsstellen fand sich im Entwurf der Staatsregierung erst gar nicht wieder, obwohl die Staatsregierung genau das von den Trägern verlangt. Doch bezahlen wollte man es offensichtlich nicht.
Als dritten Punkt möchte ich die Finanzierung nennen. Diese wollte man offenbar zurückfahren, wenn die Auslastung nicht mehr gegeben ist. Zum einen ist die Errechnung der Auslastung höchst zweifelhaft und zum anderen kann gerade in gering besiedelten Gebieten die geringe Auslastung aufgrund eines weiten Weges oder aus der konfessionellen Bindung heraus bestehen.
Die Sachverständigen hatten noch viele Kritikpunkte genannt. Diese hier aufzuzählen würde tatsächlich den zeitlichen Rahmen sprengen. Für mich blieb nur der Eindruck zurück: Die Staatsregierung versucht mit diesem Entwurf, an allen Ecken und Enden zu sparen. Nicht der Schutz des ungeborenen Lebens, der Kinder und Schwangeren, sondern die Sicherung des Haushaltes standen bei der Staatsregierung anscheinend im Vordergrund. Doch das konnten der Sächsische Landtag und die Abgeordneten im Sozialausschuss so nicht durchgehen lassen. Deshalb bin ich sehr froh, dass zumindest die schwierigsten Punkte durch CDU und SPD selbst noch einmal als Änderungsanträge eingebracht wurden.