entscheiden. Denn gerade hier ist absehbar, dass der Bedarf in Sachsen in naher Zukunft nicht mehr gedeckt werden kann. Hier hilft vielleicht auch der weniger dezente Hinweis auf die finanziellen Möglichkeiten und das Ansehen, womit ein solcher Beruf verknüpft sein kann.
Die Rückkehr zum dualen System, eine berufs- und betriebsnahe Ausbildung, Firmenpraktika, aber auch die bereits mehrmals angedachte Wiedereinführung des PAUnterrichts könnten dafür sorgen, dass die Schüler wieder mit klaren Berufsvorstellungen auf die Arbeitswelt losgelassen werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es stimmt: Die Situation auf dem sächsischen Ausbildungsmarkt hat sich gravierend verändert. Die schlimmen Zeiten der Lehrstellennot scheinen fast vorbei zu sein. Inzwischen sitzen tatsächlich die Bewerber oft am längeren Hebel, und die Unternehmer müssen sich zunehmend etwas einfallen lassen, um den dringend benötigten Nachwuchs zu gewinnen.
Aber, liebe Kollegen von CDU und SPD, ich muss mich meinen Vorrednern teilweise anschließen. Bevor Sie hier in Freudentaumel ausbrechen: Das ist natürlich nicht so sehr auf die Politik hier im Land zurückzuführen,
sondern vor allem dem Engagement der sächsischen Wirtschaft und leider auch dem demografischen Effekt zu danken. Das wurde vorhin schon gesagt. Es gibt inzwischen leider viel zu wenige junge Menschen. Das ist der entscheidende Grund für diese Entwicklung.
Lassen Sie mich ruhig noch einmal kurz zurückschauen auf schlechtere Zeiten und auf die Konzepte, die angewendet worden sind, um den Lehrstellenmangel in Sachsen zu beseitigen, und die sich in ihrer Wirkung noch heute entfalten.
Viele Initiativen waren sicherlich gut gemeint. Doch leider muss man feststellen, dass viele dieser Initiativen nicht immer gut gemacht waren, meine Damen und Herren.
In den Jahren des Mangels hat es beispielsweise die Politik zugelassen, dass das international hoch gelobte deutsche Erfolgsmodell, nämlich das duale System in der Berufsausbildung, in Sachsen sehr massiv aufgeweicht worden ist. Der Anteil der Auszubildenden, die ihren Beruf bei außerbetrieblichen Bildungsträgern erlernten und erlernen, ist erschreckend hoch. Es sind gerade einmal rund 50 % aller Auszubildenden, die jetzt im aktuellen Lehrjahr noch im klassischen dualen System
sind und den Beruf eigentlich so erlernen, wie wir es uns alle wünschen. Das hat mit Sicherheit der Qualität der Ausbildung nicht gut getan. Und es hat vor allem die Beschäftigungschancen unserer Jugendlichen in Sachsen nicht verbessert.
Ein Problem war aber – und das sage ich absichtlich auch als jemand, der in seinem eigenen Unternehmen selbst schon Lehrlinge ausgebildet hat – nicht nur diese außerbetriebliche Ausbildung. Ich bekomme zuweilen schon einen Schreck, wenn ich sehe, welche Betriebe in Sachsen sich als Ausbildungsbetrieb bezeichnen und welche Firmen hier das Recht haben, Lehrlinge auszubilden.
Wir sprechen alle von schlecht qualifizierten Bewerbern, die von den Schulen kommen. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass es verdammt schlecht qualifizierte Betriebe gibt. Denn nicht jeder Betrieb ist in der Lage, seine Ausbildertätigkeit tatsächlich verantwortungsvoll wahrzunehmen. Aufgrund der Lehrstellennot hat man, was ich für ein größeres Problem in Sachsen halte, in den letzten Jahren oft darauf verzichtet, genau hinzusehen und die Unternehmen exakt zu überprüfen. Es wurde in Sachsen nach dem Prinzip gehandelt: Hauptsache, man bekommt einen Lehrling vermittelt. Hauptsache, man hat eine Lehrstelle anzubieten. Man hat aber nicht hingeschaut, ob dieser Betrieb überhaupt die Fähigkeit besaß, diesem Lehrling eine vernünftige Ausbildung zu garantieren.
Ich will es ganz klar sagen: Ein Auszubildender hat das Recht darauf, dass ihm sowohl die Berufsschule als auch sein Betrieb eine Ausbildung garantieren, mit der er gut und qualifiziert in sein Berufsleben starten kann, meine Damen und Herren.
Ein weiterer Fehler besteht aus meiner Sicht darin, dass – Herr Petzold hat es vorhin angesprochen – der Bedarf in sehr vielen Fällen völlig außer Acht gelassen worden ist. Wir haben in Sachsen Ergotherapeuten en masse ausgebildet, ohne dass es dafür ansatzweise
Wir haben – da kann ich auch gern meine eigene Branche, die Werbebranche, nennen – in Sachsen außerbetrieblich Mediengestalter, vor allem Mediengestalterinnen ausgebildet, ohne hier auch nur ansatzweise über eine entsprechende Zahl an Werbeagenturen, Verlagen, Druckereien, Typo-Studios oder anderes zu verfügen.
Diese Frauen haben, nachdem sie diese außerbetriebliche Ausbildung gemacht haben, eben nur zwei Chancen:
Entweder erlernen sie einen neuen Beruf, einen zweiten Beruf, was leider zu einem Trend in Sachsen geworden ist, oder aber sie versuchen ihr Glück woanders, vor allem in einem westlichen Bundesland, um eine Stelle zu finden.
Wenn wir immer wieder beklagen, dass wir in Sachsen gerade die Abwanderung von jungen Frauen zu verzeichnen haben, dann müssen wir ganz klar sagen, dass das eben auch damit zusammenhängt, dass wir eine Fehlentwicklung haben. Diese Fehlentwicklung ist von der Politik mit provoziert worden.
Wenn wir in Zukunft, meine Damen und Herren, überhaupt über die finanzielle Förderung von Ausbildungsverhältnissen sprechen aufgrund dessen, dass wir in Kürze mehr Plätze anbieten können, als wir Bewerber haben, ist es aus meiner Sicht durchaus einmal angebracht, darüber zu sprechen, was dann zu tun ist. Wenn wir überhaupt darüber sprechen, dann muss diese finanzielle Förderung den Fachkräftebedarf in Sachsen –
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen haben mit der heutigen Aktuellen Debatte zweifellos ein wichtiges Thema auf die Tagesordnung gesetzt.
Da ich mich darauf verlassen habe, dass meine Vorredner gewissenhaft die Statistiken referieren und interpretieren werden, möchte ich nun einen neuen Akzent in die Diskussion einbringen.
Unter dem Druck der gesellschaftlichen Veränderungen, vor allem der demografischen Entwicklung, gilt es nunmehr auch für die berufliche Bildung, neue Konzepte zu entwickeln. Wir haben in der Vergangenheit viele Diskussionen um die schulische Bildung geführt. Ich denke, dass man die verschiedenen Stufen der Bildung nicht voneinander trennen sollte. Über die Zukunft der beruflichen Bildung wurde in diesem Hause leider noch viel zu wenig gesprochen. Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass wir ein ganzes Bündel von Problemen haben, für dessen Bewältigung es offenbar noch keine endgültigen Konzepte gibt.
Viele nehmen zwar den Begriff der Wissensgesellschaft in den Mund, aber gleichzeitig wird so getan, als ob wir mit der Berufsausbildung weiter verfahren könnten wie im
vergangenen Jahrhundert. Die Wissensgesellschaft ist auch dadurch charakterisiert, dass die Industrie für die Beschäftigung an Bedeutung verliert, während die des Dienstleistungssektors steigt. Die gesamte Gesellschaft ist um die Erlangung und Verwertung von theoretischem Wissen organisiert. Die Veränderung der Wirtschaftsstrukturen basiert auf einem Wechsel von bisherigen materiellen Produktionsfaktoren zu wissensbasierten.
Bereits im Jahr 2000 formulierte der Europäische Rat das Ziel: Die Europäische Union muss die wettbewerbsfähigste und dynamischste Wissensgesellschaft der Welt werden. Dabei kommt der Modernisierung der Bildungs- und Berufsbildungssysteme eine bedeutende Rolle zu.
Tatsache ist: Viele Berufe befinden sich heute auf einem Niveau, für das man früher eine Hochschulausbildung gebraucht hätte. Die Qualifikationsanforderungen wandeln sich also. Handwerkliche Arbeitsprozesse verändern sich, einfache Tätigkeiten reduzieren sich und komplexe anspruchsvolle Aufgaben nehmen zu. Die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien gewinnen ebenso eine stärkere Bedeutung wie eine erhöhte Dienstleistungs- und Kundenorientierung oder – auch vor dem Hintergrund der globalen Wirtschaftssysteme – beispielsweise auch Fremdsprachenkenntnisse.
Je komplexer die Anforderungen an neue berufliche Handlungsfelder werden, umso bedeutsamer werden Bildung und ihre Anpassung an die Herausforderungen auch des Arbeitsmarktes. All dies trifft auf eine demografische Entwicklung, die zur Folge hat, dass es künftig, wie es der Titel der Debatte suggeriert, einen Bedarfsüberschuss in der Berufsbildung geben wird und dass dadurch die Probleme vieler Betriebe bei der Versorgung mit Auszubildenden verschärft werden.
Ich möchte noch einmal betonen, dass wir mit einer rein quantitativen Betrachtung hier nicht weiterkommen werden. Deshalb greift es auch zu kurz, wenn gelegentlich in bildungspolitischen Debatten versucht wird, die Notwendigkeit einer höheren Hochschulzugangsberechtigtenquote gegen die Wünsche der sogenannten Praxiselite auszuspielen. Das ist wenig zielführend. Wir brauchen eine höhere Studierendenquote ebenso wie qualifizierten Nachwuchs in diversen Wirtschaftsbereichen. Wenn man allerdings versucht, die entsprechenden Weichen bereits in der 4. Klasse zu stellen, wird man zwangsläufig Ressourcen verschwenden.
Nein, das sehe nicht nur ich so. Wenn wir hier einmal durchzählen würden, Herr Hähle, hätten wir glatt eine Mehrheit für das längere gemeinsame Lernen. Nehmen Sie es einfach zur Kenntnis. –
(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und des Abg. Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD – Widerspruch bei der CDU – Zuruf von der CDU)
Wir brauchen also ein ganzes Maßnahmenbündel. Ich denke sogar, dass wir unser gesamtes System der beruflichen Bildung auf den Prüfstand stellen müssen. Es nützt nichts, das hoch gelobte System der dualen Berufsausbildung immer wieder zu beschwören, wenn man gleichzeitig erkennen muss, dass es auf die heute angesprochenen Defizite nicht flexibel genug reagieren kann. Das duale System wird nur begrenzt die Voraussetzungen und Bedürfnisse der Auszubildenden erfüllen können.
Es nützt auch nichts, wenn die Wirtschaft mit dem Finger auf die Schule zeigt und sich darüber beklagt, dass diese ihr zu wenige ausbildungsfähige Absolventen liefert. Gründe für die Schwierigkeiten, wie zum Beispiel mangelnde Ausbildungsreife, fehlende Motivation und Flexibilität von Schulabgängern, sind ein ganzes Problemgebiet, das die Schule allein nicht lösen kann. Es wirft allerdings ein Schlaglicht auf sächsische Schulen.
Ich denke, wir sollten dazu übergehen, dass Berufspraktika zum Standard werden, auch in niedrigeren, früheren Klassen. Vorhin wurde es bereits angesprochen. Und wir sollten auch die Lehrer im Blick haben. Warum sollen Lehrer nicht verpflichtet werden, in Unternehmen regelmäßig Praxiseinsätze durchzuführen, damit sie Berufsorientierung auch glaubwürdig durchführen können?