Protokoll der Sitzung vom 09.03.2005

Die FDP-Fraktion, bitte. Herr Abg. Günther.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Potenziale der grünen Gentechnik sind vielfältig und sie werden weltweit – seit 10 Jahren auf inzwischen mehr als 60 Millionen Hektar – genutzt. Die grüne Gentechnik vergrößert die Auswahl an Genen, die für die Züchtung von Kulturpflanzen zur Verfügung stehen. Dadurch können die Kulturpflanzen für verschiedene Verwendung optimiert werden und es ergeben sich für verschiedene Lebensbereiche große Vorteile: für Verbraucherinnen und Verbraucher durch Verbesserung der Nahrungsmittel und geringere Kosten bei der Nahrungsmittelproduktion,

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

für die Umwelt durch Minderung von Umweltbelastungen, für die weitere Entwicklung nachhaltiger Produktion durch die Optimierung nachwachsender Rohstoffe für die industrielle Produktion.

Die Grundlagenforschung an deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen und die anwendungsbezogene Forschung in Unternehmen haben bedeutende Beiträge zur Weiterentwicklung gentechnischer Methoden und zur Entwicklung wichtiger, bei der Züchtung verwendbarer Konstrukte erbracht. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen deswegen so gestaltet werden, dass die Vorteile gentechnischer Züchtungen in Deutschland angewendet und das vorhandene Wissen von Unternehmen genutzt und weiterentwickelt werden können, – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

damit neue Arbeitsplätze entstehen. – Ich erteile Herrn Lichdi das Visum, mir eine Frage zu stellen.

(Allgemeine Heiterkeit)

Das mache ich jetzt gern. Bitte, Herr Lichdi.

Ist Ihnen bekannt, dass Sambia, als es unter einer Hungersnot litt, die Spende der USA von genveränderten Pflanzen zurückgewiesen hat, weil es seiner Bevölkerung nicht zumuten wollte, trotz Hungersnot genveränderte Organismen und Pflanzen zu essen?

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Hört, hört!)

– Das ist mir allerdings nicht bekannt. – Über die Einführung neuer Techniken und Methoden und den daraus entwickelten Produkten entscheidet immer und grundsätzlich der Markt. Das gilt selbstverständlich auch für Produkte der grünen Gentechnik. Daher sind die Umfragen zur Akzeptanz der grünen Gentechnik keine Leitlinie für die Politik, sondern für Produzenten, das heißt, für die Land- und Ernährungswirtschaft. In Umfragen werden Vorbehalte gegen die grüne Gentechnik zum Ausdruck gebracht. Doch niemand weiß, wie sich die Menschen tatsächlich verhalten werden, wenn echte Wahlfreiheit gegeben ist.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Deshalb war die Untersuchung der Martin-Luther-Universität in Halle/Wittenberg so wichtig, um die Ängste zu nehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der PDS geht in die falsche Richtung. Fakt ist: 2004 gab es vier Standorte in Sachsen mit BT-Mais Sorte Mon810. Ziel des Anbaues war, zu prüfen, wie der Schutz der angrenzenden Felder ohne gentechnischen Anbau erfolgen kann. Ergebnis war: 10 Meter Zwischenraum zwischen den mit grüner Gentechnik bepflanzten Feldern und den ohne grüne Gentechnik bepflanzten Feldern genügen, um den Schutz der anderen Felder zu gewährleisten. Es gibt also keinerlei Anlass zu Hysterie, im Gegenteil: Durch den Einsatz von BT-Mais kann der Kampf gegen den MaisZünsler ohne Chemie, zum Beispiel Baythroid oder Steward, geführt werden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen Änderungsantrag gestellt – richtig ist: aus technischen Gründen konnten wir das Thema nicht verändern –, damit auch Sachsen auf dem Gebiet der Gentechnik weltoffen und tolerant ist.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das neue Gentechnikgesetz versucht das Ende des Freisetzungsmoratoriums durch neue Schutzregelungen für den konventionellen und den Ökolandbau abzufangen. Es geht damit von der Möglichkeit der Koexistenz aus. Dies bedauern wir, da wir keinerlei Nutzen in der Gen-Agrarwirtschaft erkennen können, dafür aber große Gefahren.

Wir begrüßen gleichwohl die Kennzeichnung genveränderter Produkte, die jetzt erstmals möglich geworden ist. Sie ist ein großer Fortschritt. Jetzt haben die Verbraucherinnen und Verbraucher eine größere Chance, Genfood im Laden zu erkennen und den Kauf zu vermeiden. Wir wissen es alle, dass niemand in Deutschland Genfood essen möchte. Dennoch verwirklicht die derzeitige Regelung leider nicht die Wahlfreiheit der Verbraucher. Leider werden 70 % aller genveränderten Lebensmittel nicht erfasst. So sind Lebensmittel von Tieren, die mit genveränderten Pflanzen gefüttert worden sind, wie Eier, Milch oder Fleisch, nicht kennzeichnungspflichtig.

Eine weitere Lücke in der Kennzeichnung ergibt sich daraus, dass ein Produkt erst dann als genverändert gekennzeichnet werden muss, wenn der Genanteil größer als 0,9 % ist. Ich empfehle hierzu die Lektüre des Einkaufsführers von Greenpeace. Greenpeace stellt dar, welche Firmen die Verwendung genveränderter Organismen ablehnen oder sich wenigstens darum bemühen. Leider weigern sich auch sächsische Unternehmen, wie etwa Sachsenmilch, auf die Verwendung gentechnikfreier Organismen zu verzichten.

In Sachsen bestehen nach dem Anbauregister derzeit zwölf Flächen mit einem Anbau von genverändertem Mais, vor allem im Landkreis Riesa-Großenhain und im Landkreis Kamenz. Diese sind durch das Standortregister nach dem neuen Gentechnikgesetz erstmals bekannt geworden. Der damalige Umweltminister Flath hat sich noch im letzten Jahr zu der Aussage verstiegen, dass sich niemand in Sachsen für den Ort der Freisetzung interessieren würde. Ich hoffe, Herr Tillich, dass Sie den Interessen der Landwirtschaft und der Verbraucher mehr Wert zumessen.

Der Genanbau birgt die letztlich nicht beherrschbare Gefahr eines Gentransfers auf nicht genveränderte Pflanzen. Dies ist eine Gefahr für den konventionellen und den Ökolandbau. Die Weiterverbreitung genveränderter Organismen ist durch Pollenflug oder Wind auch über mehrere hundert Meter möglich. Hier irrt die FDP, wenn sie davon spricht, dass ein Austrag nur in einem Zehnmeterstreifen zu erwarten ist. Dies ist schlicht und ergreifend nicht richtig. Wenn Sie hier Halle-Wittenberg zitieren, dann wissen wir ja, dass Halle-Wittenberg führend ist bei der Durchsetzung des Gentechnikanbaus in Sachsen-Anhalt. Das Institut Halle-Wittenberg ist für uns kein glaubwürdiges Institut.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bitte, Herr Günther.

Herr Günther, bitte.

Also, Sie würden die Erkenntnisse aus dem Erprobungsanbau von Halle-Wittenberg ablehnen?

Das tue ich, ja. Für mich ist es keine von der Gentechnikindustrie unabhängige Forschung, die Sie hier anführen. Wenn Sie jetzt weiter zuhören würden, dann würde ich noch zwei, drei Argumente zu der Frage bringen. – Danke.

Der Durchwuchs genveränderter Pflanzen, etwa durch nach der Ernte auf dem Acker zurückbleibenden Rapssamen, ist sehr wahrscheinlich, so der Umweltrat der Bundesregierung. Ich zitiere als Schlaglicht eine dpa-Meldung vom Januar dieses Jahres: „Die Pollen von gentechnisch veränderten Weinreben können die Eizellen normaler Weinreben befruchten und die Bildung von genveränderten Samenkörnern verursachen. Das wurde beim bundesweit ersten Freilandversuch im südpfälzischen Siebeldingen festgestellt.“

Auch der so genannte horizontale Gentransfer über Mikroorganismen des Bodens ist noch lange nach dem Anbau genveränderter Pflanzen möglich. Der Gentransfer birgt daher riesige wirtschaftliche Gefahren für den Ökolandbau in sich. Der Ökolandbau ist verpflichtet, keine genveränderten Organismen zu verwenden. Wenn es aber zu einem Gentransfer kommt, kann der Ökobauer seine Produkte nicht mehr verkaufen. Der Ökobauer wird schon ohne Gentransfer auf seine Pflanzen gezwungen, seine Produkte mit hohen Kosten zu testen, um eine Verunreinigung durch GVO auszuschließen.

Meine Damen und Herren! Der Genanbau ist eine allgemein nicht nachhaltige Technik. Sie ist nicht reversibel. Das heißt, schädliche Folgen sind nicht rückgängig zu machen. Ist eine veränderte Genpflanze erst freigesetzt, ist sie nicht mehr aus der Natur zu entfernen. Eine Technik, deren potenzielle Schäden nicht rückholbar sind, ist nicht verantwortbar. Das entspricht nicht dem Grundsatz der Generationengerechtigkeit.

Nun werden Sie, Herr Günther – Sie stehen noch gar nicht vorn –, die Sie zu den Jüngern der vorbehaltlosen Technikgläubigkeit gehören, einwenden, dass die GRÜNEN wieder einmal eine Zukunftstechnologie madig machen würden. Aber Sie sind irrational. Ihr naiver Fortschrittsglaube ist ein beherzter Schritt ins Ungewisse – und dies in der vagen Hoffnung, es werde sich schon irgendwie eine Lösung für die jetzt schon absehbaren Probleme ergeben.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Die Vertreter der CDU möchte ich daran erinnern, Herr Hähle, dass sich die evangelische Kirche in Sachsen zu Recht gegen den Anbau von genveränderten Pflanzen ausgesprochen hat.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Die Synode der evangelischen Landeskirchen Sachsen hat schon im Jahr 2000 ihren Kirchgemeinden empfohlen, eine Klausel in die Pachtverträge für Kirchenland

aufzunehmen, die gentechnisch verändertes Saat- und Pflanzgut verbietet.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Denen fehlt offenbar Gottvertrauen! – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Nein, die sind gut informiert. Reden Sie mal mit Herrn Krause!

Einen oft versprochenen Nutzen für den Landwirt gibt es nicht. Genverändertes Saatgut unterliegt dem Patentschutz; für den Anbau werden Lizenzgebühren verlangt. Bauern werden tendenziell gezwungen, das Gensaatgut zu verwenden. Der Anbau von GVO fördert Monokulturen und führt zu einem Verlust der Sortenvielfalt. Die Gentechnik ist eine Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher, für die biologische Vielfalt und die Existenz der gentechnikfreien Landwirtschaft, egal ob es sich um konventionellen oder um Ökolandbau handelt.

Wir sind der Ansicht, dass der Anbau von GVO generell unterbleiben sollte. Wir fordern mindestens eine Kennzeichnung auch von Tierprodukten, bei denen GVO gefüttert wurde, eine Kennzeichnung für genverändertes Saatgut schon ab der Nachweisgrenze von 0,1 % Verunreinigung und nicht erst bei 0,3 bis 0,5 %, wie die EU plant, die Festlegung einer anspruchsvollen, guten fachlichen Praxis für den GVO-Anbau, die Entwicklung und verbindliche Festlegung von Abbruchkriterien für den Genanbau, die Sicherstellung gentechnikfreier Flächen als Referenzflächen für ein Monitoring der in der Umwelt durch den GVO-Anbau verursachten Veränderungen. Dafür brauchen wir gentechnikfreie Regionen und deswegen werden wir dem Antrag zustimmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

Jetzt rufe ich noch einmal die PDS-Fraktion auf. Frau Abg. Altmann bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz nur auf drei Bemerkungen aus anderen Fraktionen eingehen. Zuerst zu Ihnen, Herr Günther, von der FDP: Davon abgesehen, dass auch wir – ähnlich wie Herr Lichdi – das vorliegenden Gutachten, das als Ergebnis des Erprobungsanbaus im vorigen Jahr in Sachsen vorliegt bzw. vorliegen wird, nicht als unabhängiges Gutachten bzw. als unabhängiges Ergebnis ansehen, weiß ich nicht, wie Sie verhindern wollen, dass Bienen zum Beispiel irgendwelche Pollen mehr als zehn Meter weit tragen.

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Die Kollegin von der SPD hat vorhin behauptet, Sachsen sei praktisch gentechnikfrei. Ich denke, dazu muss ich jetzt gar nicht mehr allzu viel sagen, denn das haben auch schon ihre Nachredner gesagt. In Sachsen haben im vorigen Jahr sogar auf, glaube ich, fünf Feldern Versuche stattgefunden, die aber der damalige Landwirtschaftsminister Flath zu ignorieren versucht hat, indem er nicht nur gesagt hat, es interessiere niemanden, sondern er hat gesagt, dass er gar nicht wissen wolle, wo es sei. Es war noch viel schlimmer, als Herr Lichdi es dargestellt hat.

Wir haben das in der letzten Legislaturperiode mit einen Dringlichen Antrag zu thematisieren versucht. Es ist uns beim besten Willen nicht gelungen, Minister Flath auch nur dazu zu bewegen, sich einmal danach zu erkundigen und die angrenzenden Landwirte zumindest zu informieren. Es ging uns dabei nicht um uns selber; es ging uns dabei um die Landwirte, die angrenzend ihre Landwirtschaft betreiben, verunsichert waren und nicht wussten, wo in ihrer Nähe vielleicht genveränderte Pflanzen angebaut werden.

So viel nur als kurze Erwiderung auf einiges, was bisher auf unseren Antrag gesagt worden ist; im Schlusswort nachher von meiner Kollegin mehr.

Wird von den Fraktionen noch weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung zu sprechen. Herr Minister Tillich.