Protokoll der Sitzung vom 09.03.2005

Wird von den Fraktionen noch weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung zu sprechen. Herr Minister Tillich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich bedanke mich bei Herrn Kollegen Schmidt, der eindeutig um Sachlichkeit und Redlichkeit in der Debatte geworben hat. Ich möchte es ganz deutlich machen: Ich bin der Auffassung, dass wir die Chancen der Gentechnologie auch in Sachsen nutzen sollten. Es geht dabei keineswegs um blinde Technologiegläubigkeit, sondern wir reden hier in Sachsen im Konkreten über Pflanzen, ganz konkret über Maispflanzen, deren Unbedenklichkeit für Mensch und Umwelt in jahrelanger Forschung nachgewiesen wurde. Diese Pflanzen besitzen eine EU-weite Zulassung und auch die des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft.

Ich halte den Erprobungsanbau für sinnvoll, weil er Erkenntnisse liefert, die das Nebeneinander von konventioneller Landwirtschaft, von Ökolandbau und Gentechnik sicherstellen.

Wenn in Sachsen Landwirte 2005 den Schritt wagen, auf insgesamt 175 Hektar gentechnisch veränderten Mais anzubauen, dann in Anbetracht der rechtlichen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland. Dazu bedarf es zugegebenermaßen für die Landwirte schon einigen Mutes. Denn das Gentechnikgesetz, welches von Sachsen im Bundesrat abgelehnt wurde, birgt einige wirtschaftliche Risiken für den Landwirt. Unter anderem wäre die verschuldungsunabhängige und gesamtschuldnerische Haftung zu nennen, die ein nicht kalkulierbares Risiko für den betroffenen Landwirt darstellt.

Des Weiteren fehlt vom Hause Künast die zu erarbeitende und angekündigte Verordnung zur guten fachlichen Praxis, die Sie, Herr Lichdi, gerade auch noch einmal angemahnt haben. Damit wären bindende Regelungen zur Koexistenz der verschiedenen Anbauformen geregelt. Darauf bezieht sich, Frau Lay, letztendlich das Zitat von Kollegen Flath aus dem letzten Jahr.

Insgesamt sind die rechtlichen Rahmenbedingungen seitens des Bundes so katastrophal, dass durch die Europäische Kommission die EU-Konformität des deutschen Rechts in diesem Sachgebiet bezweifelt wird.

Eine Abkopplung von der sich weiterentwickelnden grünen Gentechnik wäre für Sachsen als Wirtschaftsstandort schädlich. Es gibt, meine Damen und Herren, bereits genügend Beispiele dafür, dass infolge gesetzlicher oder bürokratischer Hindernisse innovative Unternehmen in das Ausland gedrängt wurden, die später ihre Produkte wieder hier auf dem deutschen Markt verkaufen.

Ich habe einige Zahlen über den Gentechnikeinsatz im Ausland. Dabei weichen meine Zahlen von den Ihrigen, Herr Günther, etwas ab. Im Jahr 2004 sind mittlerweile gentechnisch veränderte Pflanzen auf 81 Millionen Hektar angebaut worden. Selbst in Europa gibt es in Spanien mittlerweile 58 000 Hektar Anbauflächen für BT-Mais. In Rumänien werden zurzeit auf 100 000 Hektar gentechnisch veränderte Sojabohnen ausgebracht. Das heißt, wir haben eine weltweite Entwicklung, der wir uns in Sachsen nicht prinzipiell entgegenstellen sollten.

Jetzt zu dem Antrag der PDS „Standort, Umfang und Ergebnisse des Erprobungsanbaus von BT-Mais 2004 in Sachsen“. Es ist richtig, dass es im Jahr 2004 keine genauen gesetzlichen Vorgaben für die Lage der Standorte gegeben hat. Deswegen waren sie der Staatsregierung auch nicht bekannt. Aus den veröffentlichten Ergebnissen dieses Erprobungsanbaus im letzten Jahr ist ersichtlich, dass eine Abstandsfläche von 20 Meter die Sicherheit bei der Koexistenz gibt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Was denn nun?)

- Ich beziehe mich auf die Ergebnisse, die wir seitens der Institute, also von Innoplanta e. V., mitgeteilt bekommen haben.

Lassen Sie mich auf Ihren zweiten Antrag „Initiativen zur Vereinbarung von Regionen gentechnikfreier Landwirtschaft in Sachsen“ eingehen.

Initiativen von regionalen Bündnissen zu einer gentechnikfreien Landwirtschaft können unter anderem ein freiwilliger Beitrag zur Sicherung der Koexistenz sein. Darüber besteht auch unsererseits kein Zweifel. Die Staatsregierung lehnt es aber ab, einseitig Initiativen zur gentechnikfreien Landwirtschaft in Sachsen zu unterstützen. Dies würde zwangsläufig zu einer Benachteiligung der einen oder der anderen Anbauform und damit letztendlich auch wirtschaftlichen Form führen.

Sie haben in Ihrem dritten Punkt gefordert, Saatgutunternehmen, die gentechnisch verändertes Saatgut anbieten, für den Verzicht auf einen Erprobungsanbau zu gewinnen. Die Staatsregierung sieht keinen Anlass, auf einen solchen Verzicht hinzuwirken.

Wie in Punkt 2 bereits ausgeführt, unterstützt die Staatsregierung eine Koexistenz der Anbauformen, die Wahlfreiheit der Landwirte und damit auch der Verbraucher. Ein Moratorium ist deswegen aus unserer Sicht nicht zweckdienlich. Es führt letztendlich nur zum Verzicht auf Innovationen, aber nicht nur das. Wir wissen mittlerweile, dass führende Saatzuchtfirmen wie Monsanto und Bayer ihre Forschung in die USA verlagern und dass deutsche Wissenschaftler so verunsichert sind, dass sie Deutschland den Rücken kehren und genau bei diesen Unternehmen anheuern.

Deswegen ist uns, der Sächsischen Staatsregierung und auch den Mehrheitsfraktionen, daran gelegen, die Inno

vationsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Sachsen zu erhalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Schlusswort hat die PDS-Fraktion, Frau Abg. Lay.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Abg. Altmann und Herr Lichdi haben die wesentlichen Argumente, die gegen unseren Antrag ins Feld geführt wurden, überzeugend widerlegt. Im Grunde kann ich mich hier kurz fassen.

Eine Bemerkung noch zu Ihnen, Herr Schmidt: Ich habe zumindest keine Ängste geschürt. Ich habe nur Herrn Flath zitiert. Ich weiß nicht, ob er jetzt im Raum ist. Herr Flath, haben Sie Ängste geschürt? Ich habe ihn nur zitiert und mich auf seine Bedenken und die Risiken, die er sah, bezogen.

Herr Schmidt, wir haben weder von Verboten noch von Verordnungen gesprochen. Es geht um eine Unterstützungs- und Anregungsfunktion. Ich denke sehr wohl, dass eine Landesregierung mit Auftrag des Landtages eine solche Unterstützungs- und Koordinierungsfunktion wahrnehmen kann. Das ist auch in anderen Bundesländern geschehen. In Schleswig-Holstein gab es eine ähnliche Debatte mit einem gleichartigen Anliegen. Mit Oberösterreich hat sich ein ganzes Bundesland dazu bekannt, sich für gentechnikfreie Regionen auszusprechen.

Ich möchte aus meinem Herzen keine Mördergrube machen. In der Tat wäre es mir am liebsten, ganz Sachsen würde sich als GVO-freie Region erklären. Aber den Vorwurf der Einseitigkeit möchte ich zurückweisen. Unser Anliegen war es hier nicht, die Ängste zu schüren, sondern auf die Gemeinsamkeiten hinzuweisen sowie gemeinsam für die Zukunft der gentechnikfreien konventionellen und ökologischen Landwirtschaft zu streiten.

Ich möchte Sie, Herr Staatsminister, bitten, der Parteinahme durch die Staatsregierung etwas deutlicher nachzugehen. Uns ist nämlich aus Kreisen des Aktionsbündnisses bekannt geworden, dass auf Workshops und Tagungen der Landesämter, in denen über Chancen und Risiken der grünen Gentechnik informiert werden sollte, nur Werber für die grüne Gentechnik als Lektoren und Diskutanten eingeladen wurden. Wenn Sie sich hier für Neutralität und Pluralität einsetzen könnten, wäre das gut.

Noch etwas zum Thema Innovation. Nein, wir befürworten nicht die Verhinderung von Innovationen. Aber wir sehen die grüne Gentechnik nicht als entscheidende Innovation an. Es gäbe eine Reihe von sinnvollen Innovationen in der Landwirtschaft. Wir haben gleich eine Debatte zu nachwachsenden Rohstoffen. Ökologischer Landbau wäre dabei auch ein Stichwort.

Nicht die Einrichtung GVO-freier Zonen ist ein Innovationskiller, sondern der von der Staatsregierung vorgelegte Haushaltsentwurf, der zu einer Verringerung der Absatzförderung des ökologischen Landbaus führen

wird. Ökologischer Landbau ist für uns eine Zukunftschance, die Sie hier aufs Spiel setzen.

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Ein letztes Wort an die FDP-Fraktion: Die Landwirtschaft ist inzwischen in Sachsen zum zweitwichtigsten Wirtschaftszweig aufgestiegen. Wir denken, dass auch Sie sich vielleicht an der Mehrheit der Landwirte orientieren sollten. Tun Sie der Wirtschaft einen Gefallen und stimmen Sie unserem Antrag zu. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Mit liegt ein Änderungsantrag der FDP in der Drucksache 4/0967 vor. Wird Einbringung gewünscht? – Herr Günther, bitte.

Ich werde mich kurz fassen. Wir möchten den Punkt 2 ersetzen, damit die Flächen nach den neuesten Erkenntnissen geschützt werden können. Den 3. Punkt möchten wir gern ersetzen, weil wir davon ausgehen, dass eine Verhinderung der grünen Gentechnik eine Verhinderung von neuen Arbeitsplätzen in Sachsen ist. – Danke schön.

Wer möchte noch zum Änderungsantrag sprechen? – Bitte, Frau Lay.

Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich kurz fassen. Wir werden dem Änderungsantrag der FDP-Fraktion selbstverständlich nicht zustimmen, weil er komplett in die andere Richtung zielt. Wir denken, dass durch den unkontrollierten Einsatz von grüner Gentechnik Arbeitsplätze in der Landwirtschaft abgebaut werden. Wir lehnen diesen Antrag deswegen ab.

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Zu unserem Antrag möchte ich sagen, dass wir – wie ich in meiner Rede schon erwähnt habe – Punkt 1 als erledigt betrachten.

Meine Damen und Herren! Wenn jetzt kein Diskussionsbedarf mehr besteht, möchte ich zur Abstimmung kommen. Ich rufe auf den Änderungsantrag der FDP-Fraktion. Wer möchte diesem die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen wenigen Stimmen dafür und bei einer großen Mehrheit dagegen ist dieser Antrag abgelehnt. Ich rufe jetzt den PDS-Antrag in der Drucksache 4/0590, die Punkte 2 und 3, auf. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag jedoch mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Meine Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt ist damit beendet. Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

Zukunftsperspektive „Nachwachsende Rohstoffe“ im Freistaat Sachsen

Drucksache 4/0522, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, SPD, PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile den Fraktionen der CDU und der SPD das Wort. Herr Abg. Kupfer, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie der Zufall manchmal so spielt, konnte man gestern Abend bei dpa folgende Meldung lesen: „Ein riesiges Energiepotenzial sehen Experten wie auch Industrie indes vor allem in der Energiegewinnung durch Biogasanlagen. ‚Auf bis zu 50 % der Ackerfläche können Biomassen angebaut werden, ohne Einbußen bei der Lebensmittelproduktion befürchten zu müssen‘, sagte der Projektleiter für Umwelttechnik des österreichischen Anlagenbauers Thöni, Gert Wagner. Vor allem für ostdeutsche Agrarbetriebe, die über große Flächen verfügen, biete sich hier ein lukrativer Markt. Volker Petersen von der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe warnt lediglich noch vor Kinderkrankheiten bei der Technik großer Biogasanlagen. Auch dürfe die Logistik nicht unterschätzt werden. Ansonsten – so ist er sich sicher – ist die Energiewirtschaft ein lohnendes weiteres Standbein für die Bauern vor allem im Osten.“ Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was soll ich dazu noch sagen? Diese Meldung von der Terratec bestätigt unsere Position und macht diesen Antrag eigentlich zum Selbstläufer. Die Politik ist selten so aktuell. Deshalb freue ich mich umso mehr über die heute hier zu führende Debatte.

Nachwachsende Rohstoffe waren vor einigen Jahren lediglich das Holz, das heißt die Wälder. Heute verstehen wir aber viel mehr darunter. Neben Holz und Holzpellets gehören auch hochenergetisches Getreide, Stroh oder aus derartigen Grundstoffen hergestelltes Biogas zu den Energieträgern der Zukunft. Dazu muss auch die Gülle gezählt werden, die nicht direkt zu den nachwachsenden Rohstoffen zählt, aber sie soll hier mit erwähnt werden. Der Vielfalt sind in jedem Fall keine Grenzen gesetzt. Neben der Biomasse, auf die ich im Weiteren noch eingehen werde, sind die Faserpflanzen wie Flachs oder Hanf – Hanf meine ich hier wirklich nur als Faserpflanze –, sind Ölpflanzen wie Raps, Sonnenblume oder Senf, sind Stärke und Zucker wie Mais, Zuckerrübe, Kartoffeln oder Weizen, sind Pharmazeutika wie Kamille, Pfefferminze, Kümmel und Salbei

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Was meinst du bei Kümmel: Schnaps, oder?)

genauso zu nennen wie tierische Produkte von Rind, Schwein, Schaf, Geflügel usw. Alle diese finden wir im täglichen Gebrauch wieder, ob als Schmierstoffe, Kraftstoffe, Baumaterial, Arznei, Kosmetika, Medikamente oder Bekleidung.

Die Nutzung der nachwachsenden Rohstoffe in Form von Biomasse kann in Zukunft einen steigenden Anteil

am Primärenergieverbrauch wetterunabhängig zur Energie- und Stromversorgung beitragen. Obwohl auch in den kommenden Jahrzehnten die heutige Struktur der Stromversorgung mit Großkraftwerken Organisationsprinzip der Stromwirtschaft im Freistaat Sachsen bleiben wird, ist der weitere Ausbau dezentraler Versorgungsstrukturen auf der Grundlage von Biomasse nach unserer Auffassung voranzutreiben.

Nachwachsende Rohstoffe zeichnen sich insbesondere durch ihre Unendlichkeit und einen weitgehend geschlossenen CO2-Kreislauf aus. Sie liefern dadurch einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige und umweltgerechte Energiewirtschaft. Dabei gilt es jedoch, die Effizienz der Nutzung der heimischen nachwachsenden Rohstoffe weiter zu steigern. Insoweit sind neben der Koordinierung und Vernetzung der betroffenen Politikbereiche vor allem die förderpolitischen Instrumente für die Forschung zu überprüfen. Dies fordert der Antrag der CDU, den wir heute besprechen. Vor allem geht es uns dabei um die intensive Anwendung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung für weitere Einsatzmöglichkeiten nachwachsender Rohstoffe. Damit kann zugleich eine künstliche Verknappung von Strom oder anderer Energieformen mit der einhergehenden Verteuerung des Stromes auf den einheimischen Märkten verhindert werden.

Da ich gerade von wissenschaftlicher Forschung spreche, meine Damen und Herren: Sachsen als Standort für ein Bioenergiezentrum – das wäre doch hervorragend! Das wäre nicht nur hervorragend, das würde auch die Bemühungen unserer sächsischen Landwirte und der sächsischen Landwirtschaftspolitik belohnen. Wir haben die Initiative dazu ergriffen und freuen uns auf einen Zuschlag für den Freistaat Sachsen. Ich möchte von dieser Stelle aus ausdrücklich die Sächsische Staatsregierung ermutigen und bitten, sich weiterhin stark zu machen, dass die Entscheidung für den Freistaat Sachsen fällt.

Herzlichen Dank.