Protokoll der Sitzung vom 19.06.2008

Ausgehend von diesen Worten sollte sich jedes Mitglied des Petitionsausschusses fragen, ob denn wirklich immer im Sinne des Petenten entschieden worden ist oder ob es auch hie und da fraktions- oder parteitaktische Überlegungen gegeben hat;

(Beifall der Abg. Kerstin Lauterbach, Linksfraktion)

und an alle Mitglieder: Auch das Hinterfragen der Stellungnahmen der Staatsregierung ist noch keine Revolution, das sollte eigentlich Normalität sein. An alle gewandt: Der Petitionsausschuss ist nicht der politische Mülleimer des Freistaates, sondern ein reicher Kelch, aus dem der Freistaat neue Ideen schöpfen kann, mit dem er umgehen kann und der zum Nutzen der Sachsen eingesetzt werden sollte.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Schließlich spricht für die Fraktion GRÜNE Frau Abg. Herrmann; bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Tino Günther, ich glaube, an deine wunderbar blumigen Worte kann ich

nicht so ganz anschließen. Das Zitat von Cicero sollten wir uns sicher alle zu Herzen nehmen; aber was ich an dieser Stelle natürlich auch machen möchte: Ich möchte mich sehr herzlich bei den Mitarbeitern des Petitionsdienstes bedanken. Es wurde bereits gesagt: Es ist mit den Petenten nicht immer ganz leicht – aber mit uns eben auch nicht. Vielen Dank!

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und des Abg. Tino Günther, FDP)

Vieles ist von meinen Vorrednern zum bisherigen Bericht gesagt worden; deshalb erlaube ich mir an dieser Stelle, Ihre Aufmerksamkeit auf einen besonderen Aspekt und eine neue Herausforderung zu lenken: auf die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Kinder und Jugendliche können sich, genau wie alle anderen Menschen in Sachsen, mit Bitten, Beschwerden und Ideen an den Petitionsausschuss des Landtages wenden; denn das Petitionsrecht ist nicht an die Volljährigkeit gebunden.

Dass Kinder und Jugendliche von Gesetzen und politischen Entscheidungen betroffen sind, die wir in diesem Hohen Hause fällen bzw. die in den Ministerien beschlossen werden, wird niemand von uns bestreiten. Also ist es doch nur folgerichtig, dass sie Vorschläge machen können, wenn sie Veränderungen für notwendig erachten bzw. wenn sie sich durch diese Entscheidungen eingeschränkt oder ausgeschlossen fühlen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der manchmal überraschende Blick von Kindern und Jugendlichen auf ihren Alltag kann auch uns zu neuen Sichtweisen verhelfen. Kinder und Jugendliche können sich mit Ideen und Wünschen an den Petitionsausschuss wenden, tun dies jedoch in der Regel nicht. Fragen wir uns: Warum? Dass sich Kinder und Jugendliche für sich und ihre Freunde engagieren, wenn sie Entscheidungen als falsch und ungerecht ansehen, sehen wir immer wieder. Nicht zuletzt haben wir dies am Beispiel der Reichenbacher Familie Lee gesehen, die trotz positivem Votum der Härtefallkommission abgeschoben werden sollte. Freundinnen und Freunde der Kinder haben sich für diese Familie eingesetzt und sich an die Öffentlichkeit gewandt. In der vorigen Woche hat der Innenminister der Familie ein Bleiberecht in Sachsen eingeräumt.

Kinder und Jugendliche werden sich nur dann mit solchen Anliegen an den Petitionsausschuss wenden, wenn wir uns mehr für sie und ihre Belange öffnen. Aus unserer Sicht gäbe es dafür geeignete Möglichkeiten. Ich denke, wir brauchen zuerst ein gezieltes Informationsangebot, das sich an Kinder und Jugendliche wendet. Denkbar wäre dafür zum Beispiel eine geeignete Internetseite des Petitionsausschusses speziell für Kinder und Jugendliche. Außerdem müssten wir das Einreichen von Petitionen vereinfachen, indem wir auch E-Mail- oder Internetpetitionen zulassen.

(Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE, und bei der Linksfraktion)

Es ist bereits gesagt worden – nicht heute, aber bei der Diskussion zum letzten Bericht –, dass daran gearbeitet werde.

Ich denke jedoch, wir müssen auch andere Formen der Kommunikation finden. Es ist für die Erwachsenen bereits gesagt worden: Es muss unser Anspruch sein, Entscheidungen so zu vermitteln und zu formulieren, dass sie jeder verstehen kann und dass sie auch Kinder verstehen können – ohne die Hilfe von Eltern, Erzieher(inne)n oder Lehrer(inne)n.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das sind mit Sicherheit Herausforderungen für den Petitionsausschuss, keine Frage. Aber diese Herausforderungen anzunehmen ist aus verschiedenen Gründen notwendig. Zum einen ist es eine Form von gelebter Demokratie. Mädchen und Jungen müssen von Anfang an erfahren, dass wir auch für sie hier sitzen, dass sie uns Vorschläge machen können, dass wir zuhören, wenn sie uns Probleme vortragen, und dass wir auch handeln und versuchen, diese Probleme zu lösen. Damit stärken wir unsere Demokratie. Wir stärken sie, indem wir jungen Menschen vermitteln, was Mitbestimmung und Teilhabe bedeuten. Wir verstehen uns doch im Petitionsausschuss als Brücke zu den Menschen. Der Ausschuss ist eine Möglichkeit, die Auswirkungen von Gesetzen und Verordnungen zu erfahren. Dabei können wir nicht auf die Meinung von Kindern und Jugendlichen sowie auf ihre Erfahrungen verzichten. Es ist oft nicht leicht, uns tatsächlich auf diese Perspektive von Kindern und Jugendlichen einzulassen, also Politik auf „Kindernasenhöhe“ zu machen. Eine aktive Beteiligung von Kindern und Jugendlichen über den Petitionsausschuss ist,

denke ich, eine geeignete Möglichkeit, diesem Manko entgegenzuwirken.

Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es haben alle Fraktionen von ihrem Rederecht Gebrauch gemacht. Ich nehme an, dass sich die Staatsregierung zu dieser Thematik nicht äußern wird.

Ich schlage Ihnen vor, diese Unterrichtung zustimmend zur Kenntnis zu nehmen, und frage, ob sich dagegen Widerspruch erhebt. – Dies kann ich nicht erkennen. Damit wurde die Unterrichtung des Petitionsausschusses mit der Drucksachennummer 4/12437 zustimmend zur Kenntnis genommen. Meine Damen und Herren, für die geleistete Arbeit des Petitionsausschusses und seiner Geschäftsstelle darf ich mich, auch im Namen aller Abgeordneten des Sächsischen Landtages, recht herzlich bedanken.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion den GRÜNEN und der FDP)

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet. – Mit Blick auf die Uhr schlage ich vor, dass wir an dieser Stelle die Mittagspause einlegen. Wir treffen uns um 13:45 Uhr wieder.

(Unterbrechung von 12:48 bis 13:46 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 3

Zukunftsorientiertes Personalmanagement

Drucksache 4/12239, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnen die CDU- und die SPD-Fraktion; danach die gewohnte Reihenfolge. Herr Abg. Dr. Rößler, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wünschen uns die Verwaltung als Dienstleister für den mündigen Bürger, wie es so schön in der offenen Gesellschaft heißt.

Eine funktionierende Verwaltung ist Bestandteil jeder Gesellschaft, nicht nur der modernen. Es gibt böse Zungen, die behaupten, wenn sich eine Gesellschaft endgültig auflöst, existiert die Verwaltung bis ganz zuletzt. Jeder von uns hat sich schon einmal über die Verwaltung geärgert. Einmal war man zufrieden, man freut sich über das Finanzamt. Man ist unglücklich, wenn man in eine Geschwindigkeitskontrolle kommt, und ist dann sehr freundlich zu den Kolleginnen und Kollegen unserer Polizei.

(Karl Nolle, SPD: Jawohl!)

Wir wollen eine kompetente, schnelle und flexible Verwaltung. In Landratsämtern und Gemeindeverwaltungen soll sie wie ein Uhrwerk funktionieren, übrigens auch noch im Jahr 2020.

Nun haben wir alle möglichen Kommissionen über Demografie und demografische Entwicklung. Wir wissen, die Bevölkerung – nicht nur in Sachsen, sondern überall in Europa – wird älter, wird weniger, sie altert und schrumpft. Wenn der Durchschnittssachse 1990 40 Jahre alt war, heute 45 Jahre alt ist und 2020 50 Jahre alt sein wird, dann wird das sicher in unseren Verwaltungen nicht anders sein. Ganz im Gegenteil: Die Verwaltung wird mit der Bevölkerungszahl schrumpfen. Ich befürchte – ich will den Ergebnissen unserer Bestandsaufnahme nicht vorgreifen –, das Durchschnittsalter unserer Angestellten und Beamten in der öffentlichen Verwaltung in Sachsen wird deutlich über dem Durchschnittsalter der Sächsinnen und Sachsen liegen.

Wir hatten bisher nur einzelne Abgeordnetenanfragen zu diesem Thema und wollen mit unserem Antrag zuallererst

die Situation analysieren. Wir wollen wissen, wie sich das Durchschnittsalter der Angestellten und Beamten der verschiedenen Laufbahnen und Ressorts im Freistaat Sachsen entwickeln wird. Dabei möchten wir es aber nicht belassen.

Welche Maßnahmen ergreift nun die Staatsregierung, um sich der demografischen Entwicklung zu stellen? Ich vermute, wir werden dann sehr Detailliertes über den Einstellungskorridor erfahren, der in vielen Ressorts existiert und mit dem man versucht, den Mangel an Neueinstellungen auszugleichen. Wenn unsere Verwaltungen schrumpfen, passiert das folgendermaßen: Wir stellen Stellen „kw“ und egal, wo unsere Mitarbeiter in den Ruhestand gehen und die Stellen frei werden, fallen die Stellen dann weg. Deshalb brauchen wir zumindest einen dünnen Einstellungskorridor, um dringend benötigte Fachleute in den öffentlichen Dienst in Sachsen zu bringen. Darüber, denke ich, werden wir etwas erfahren.

Was unternimmt der Freistaat Sachsen ferner, um seine Angestellten und Beamten weiterhin motiviert, flexibel und engagiert zu halten? Dieser Anpassungsprozess geht nicht ohne Belastung ab. Wenn ich von Belastung spreche, dann meine ich auch das, was wir momentan erfahren. Im Zuge der Verwaltungs- und Funktionalreform sind Tausende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betroffen, die in neue Verwaltungen eingegliedert werden müssen; das gewohnte Umfeld verändert sich usw. Hohe Belastung kann manchmal zu einem Mangel an Motivation und Flexibilität führen, zu Transformationsstress, wie man sagt, gerade bei der Modernisierung im Verwaltungsbereich. Wir möchten gern wissen: Wie kümmert sich der Arbeitgeber Freistaat um sein Personal?

Meine Damen und Herren! Wir diskutieren im Zuge der demografischen Veränderungen darüber, dass es in vielen Bereichen der Gesellschaft zu Fachkräftemangel kommen wird. Wir haben viele Jahre in diesem Haus darüber gesprochen, wie wir fehlende Lehrstellen ausgleichen. Wir hatten mal einen großen Überschuss an jungen Menschen und einen Mangel an Lehrstellen. Inzwischen kehrt sich das in vielen Bereichen um. Aus dem Mangel an Lehrstellen in der Wirtschaft wird ein Mangel an Lehrlingen – wenn ich dieses alte, gute Wort benutzen darf.

Genauso sieht das natürlich in der öffentlichen Verwaltung des Freistaates aus. Was wird in den nächsten Jahren passieren? Auch wir in der öffentlichen Verwaltung werden uns um die weniger werdenden jungen Menschen bemühen. Gerade ausgezeichnete Fachkräfte werden in diesem Bereich knapp werden.

In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 11. Juni 2008 stand ein interessanter Bericht über die Stadtverwaltung Frankfurt, der mich überrascht hat. Ich zitiere: „Der öffentliche Dienst ist nicht mehr attraktiv für Juristen, zumindest nicht für die besten.“ Wir sind ja Juristenschwemmen gewöhnt, sodass viele Juristen in den öffentlichen Dienst drängen. Ein Berliner Institut weist in diesem Artikel aus, dass die besten 10 % der Juraabsol

venten – das sind die jungen Menschen mit neun Punkten und mehr – ihre Berufswünsche zunehmend anders ausrichten. Für nur noch 15 % dieser erstklassigen Juristen ist der Staatsdienst eine Option, und dabei ist noch zu beachten, dass die meisten der Befragten nicht den Staatsdienst in unseren Landratsämtern, Gemeindeverwaltungen oder anderswo meinten, sondern die Arbeit im Auswärtigen Amt. Bei vielen dieser ausgezeichneten Juristen ist die einfache Verwaltung längst nicht mehr so gefragt wie in den Jahren 2002 bis 2006. Es wurde da von Einstiegsgehältern in der freien Wirtschaft für diese ausgezeichneten Bewerber gesprochen, die um die 100 000 Euro liegen. Das übersteigt natürlich bei Weitem die Möglichkeiten des öffentlichen Dienstes.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, deshalb fragen wir unter den Nrn. 4 und 5 unseres Antrages nach ganz konkreten Maßnahmen, die in der Lage sind, Mitarbeiter zum Engagement zu bewegen, ihre Motivation zu fördern und zu steigern, und vor allem nach Maßnahmen, wie wir zum Beispiel für ganz bestimmte Berufsgruppen eine Erleichterung bei bestimmten Aufstiegen nach Befähigung und Qualifikation bringen. Beispielhaft wird das in Bundesländern wie Bayern praktiziert. Auch hier sollten wir sehen, wie Quereinsteiger in den öffentlichen Dienst ganz gezielt gefördert werden können.

Ein weiteres Feld, das uns sehr interessiert, ist die enge und personenbezogene Personalführung, die zum Beispiel jungen und engagierten Beamten Zukunftsperspektiven ermöglicht und Potenzial entfaltet, das vielleicht zügiger entwickelt wird als bei den ganz normalen Schrittfolgen in den üblichen Laufbahnen.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, uns bewegt diese Problematik sehr und nicht nur im Zuge der Diskussion über Demografie, sondern auch im Zuge des Personalkonzepts der Staatsregierung für die nächsten Jahre, das für uns in gewisser Weise ein Personalentwicklungskonzept sein muss. Wir wollen die Potenziale unserer Mitarbeiter entwickeln. Deshalb freuen wir uns, wenn wir jetzt diesen Antrag mit Ihrer aller Unterstützung verabschieden können. Ich merke, dass das auch andere Fraktionen bewegt, auch wenn sich die Fraktion der GRÜNEN jetzt nicht artikulieren kann.

Ich schlage vor, dass wir diesen ergänzenden Punkt 6, den uns die GRÜNEN vorschlagen, mit annehmen; denn wenn man Information will, muss man immer, bei allem Vertrauen, das wir in unsere ausgezeichnete Landesverwaltung setzen, Herr Innenminister, am besten ein Datum angeben, einen Termin. Deshalb würden wir gern diesen Änderungsantrag der GRÜNEN annehmen, der besagt, dass die Information, die wir gern möchten, bis zum 1. Oktober vorzulegen ist.

Meine Damen und Herren! Unterstützen Sie den Antrag der Koalitionsfraktionen. Ich denke, dass das im Interesse der Mitarbeiter im Landesdienst im Freistaat Sachsen ist.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Bitte, Herr Abg. Brangs.