Protokoll der Sitzung vom 20.06.2008

Nach Artikel 2 § 2 Abs. 2 Sächsisches Verwaltungsneugliederungsgesetz (SächsVwNG) sollten die Staatsregierung und die Kommunen bis zum 15. Mai 2008 Einvernehmen über das auf die Kommunen und den Kommunalen Sozialverband Sachsen übergehende Personal erreichen. Bis zu diesem Termin hat die Staatsregierung einen Auswahl- und Verteilungsvorschlag nicht vorgelegt. Aufgrund einer Einigung zwischen Kommunen und Staatsregierung sollte dieser bis spätestens 16. Juni 2008 vorliegen.

Meine Fragen an die Staatsregierung:

1. Wann wurden den einzelnen Kommunen die Auswahl- und Verteilungsvorschläge jeweils für welche kommunalisierten Aufgaben durch die Staatsregierung bzw. die zuständigen Fachministerien vorgelegt?

2. Inwiefern haben welche Kommunen mit welchen Änderungen Einfluss auf den Vorschlag der Staatsregierung genommen?

Für die Staatsregierung Herr Staatsminister Mackenroth, bitte.

Frau Präsidentin! Frau Abgeordnete, am 29./30. Mai hat das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit für den Aufgabenbereich des Ausbildungszentrums Zwickau und für die Aufgabenbereiche Straßenmeister und Bauschreiber die Auswahl- und Verteilungsvorschläge an die Landkreise und kreisfreien Städte übergeben.

In der 23. Kalenderwoche hat das Kultusministerium die Auswahl- und Verteilungslisten für die aus seinem Bereich zu kommunalisierenden Aufgaben an die Kommunen versandt.

Die Auswahl- und Verteilungsvorschläge des Sozialministeriums betreffen den Aufgabenbereich des Kommunalen Sozialverbandes. Sie sind am 13. Juni übergeben worden. Am gleichen Tag erfolgte die Übergabe aller weiteren Auswahl- und Verteilungsvorschläge mit Ausnahme der Auswahl- und Verteilungsvorschläge für den Bereich der Vermessungsverwaltung und des sonstigen Geschäftsbereichs des Sozialministeriums. Die Vorschläge für diese ausgenommenen Bereiche folgten am 16. Juni.

Zu Frage 2: Die Staatsregierung und die Kommunen haben jetzt vereinbart, bis zum 30. Juni über die Auswahl- und Verteilungsvorschläge Einvernehmen zu erzielen. Dieses Einvernehmensverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Ich kann daher Ihre Frage insoweit nicht beantworten.

Danke.

Frau Abg. Herrmann, Sie haben die Chance, die letzte Frage der heutigen Fragestunde zu stellen, bitte; Frage Nr. 9.

Diese Frage beschäftigt sich mit dem nicht gewährten Haftaufschub für die Mutter des misshandelten Säuglings. Mittlerweile ist eine andere Situation eingetreten als zu dem Zeitpunkt, zu dem ich diese Frage eingereicht hatte. Dennoch will ich nicht darauf verzichten. Laut Berichten der dpa vom 11.06.2008 befindet sich der misshandelte Säugling nach der Inhaftnahme der Mutter weiterhin auf der Intensivstation. Die Mutter sei nach Leipzig verlegt worden.

Meine Fragen an die Staatsregierung lauten:

1. Aus welchen Gründen ist von einer Haftschonung bzw. einem Haftaufschub abgesehen worden, die es der Mutter ermöglicht hätten, rund um die Uhr bei ihrem Kind im Krankenhaus zu sein und so einen positiven Einfluss auf seine weitere Genesung zu nehmen?

2. Inwiefern und in welcher Regelmäßigkeit wurde – zumindest in der Zeit, als das Ihren Bereich betraf, Herr Staatsminister – die Mutter psychologisch betreut?

Herr Staatsminister Mackenroth, bitte.

Vielen Dank! – Frau Abgeordnete, zum besseren Verständnis meiner Antwort auf die Frage, warum der Mutter nach der schweren Verletzung ihres Kindes kein Haftaufschub bzw. keine Haftverschonung gewährt wurde, muss ich zunächst Ihren Blick auf unsere Strafprozessordnung lenken. Sie bestimmt als Bundesrecht, das die sächsischen Strafvollstreckungsbehörden bindet, abschließend, unter welchen Voraussetzungen die Strafvollstreckung aufzuschieben ist oder unterbrochen werden darf.

Ein Aufschub der noch nicht angetretenen Freiheitsstrafe ist nach dem Gesetz unter anderem zulässig, um erhebliche Nachteile für Familienangehörige zu vermeiden. Eine angetretene Haft, wie in unserem Fall, kann dagegen nur dann unterbrochen werden – wenn man von Urlaub oder Gnadenentscheidung absieht; ich komme darauf zurück –, wenn der Inhaftierte selbst so schwer erkrankt ist, dass er als vollzugsuntauglich angesehen werden muss. Nur für diesen Krankheitsfall lässt der Gesetzgeber die Unterbrechung einer angetretenen Haft zu. Soziale Belange, Krankheit oder Tod von Familienangehörigen, wirtschaftliche Notwendigkeiten oder sonstige Härtefälle – so gravierend sie auch immer sein mögen und so gravierend der Fall hier gewesen ist – rechtfertigen keine Unterbrechung der einmal angetretenen Strafe. In unserem Fall haben deshalb die Strafvollstreckungsbehörden nach Strafantritt keine Möglichkeit gesehen, die Strafe der jungen Mutter zu unterbrechen, damit sie sich rund um die Uhr um ihr verletztes Kind in der Klinik kümmern kann.

Helfen kann nicht die nach dem Gesetz unzulässige Vollstreckungsunterbrechung, sondern nur die Gestaltung des Strafvollzuges. Über Sinn und Zweck einer solchen strafvollstreckungsrechtlichen Regelung kann man streiten und mit guten Gründen gesetzgeberischen Handlungsbedarf – wie gesagt, des Bundesgesetzgebers – annehmen. Die Vollstreckungsbehörde hat sich jedoch an die gültigen Gesetze zu halten. Diese schreiben für den Leipziger Fall vor, dass die einmal angetretene Strafe nicht unterbrochen werden darf, damit sich die junge Mutter um ihr Kind kümmert.

Das bedeutet allerdings nicht, dass sie vom Kontakt zu ihrem Kind abgeschnitten war. Um der Mutter komplikationslose Besuche ihres Kindes zu ermöglichen, wurde sie am 9. Juni 2008 von der JVA Chemnitz in die JVA Leipzig mit Krankenhaus verlegt. Dort wurde zwischen der Anstalt und der Mutter einvernehmlich eine großzügige und flexible Besuchsregelung abgestimmt. Die Besuche fanden in Absprache mit der Uniklinik außerhalb der offiziellen Besuchszeiten statt. Darüber hinaus sicherte die Anstalt der Gefangenen kurzfristige Besuche ihres Kindes bei Veränderung von dessen Gesundheitszustand zu. Bei jedem Besuch ihres Kindes wurde die Mutter durch eine Sozialarbeiterin der Anstalt begleitet, zu der die Gefangene ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hatte. Zu den Einzelheiten der Besuchsmodalitäten möchte ich nichts weiter sagen, weil die Mutter großen Wert auf die Wahrung ihrer Privatsphäre legt.

Damit bin ich bei der Frage nach der psychologischen Betreuung. Diese war gewährleistet. Die junge Frau führte bislang zwei Gespräche mit einer Anstaltspsychologin; weitere Gespräche waren jederzeit möglich. Die Gefangene konnte sich bei Bedarf täglich an die Psychologin wenden. Zusätzlich wurde der jungen Frau seit ihrer Rückverlegung nach Leipzig eine Sozialarbeiterin als Bezugsbetreuerin zugeteilt. Sie leistete die notwendige soziale Hilfe zur Bewältigung persönlicher Probleme im Sinne einer sozialpädagogisch orientieren Lebenshilfe.

Dies alles, Frau Abgeordnete, berichte ich im Imperfekt – Sie haben es angesprochen –, weil ich am 15. Juni 2008 im Wege der Gnade den nicht erledigten Teil der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Leipzig erlassen habe. Zugleich wurde dafür Sorge getragen, dass die junge Mutter in ihrer schwierigen Situation die erforderliche Betreuung und Unterstützung erhält. Sie haben das in den Medien als „Notbremse“ bezeichnet. Jede Gnadenentscheidung ist irgendwo eine Notbremse.

Ich habe Ihnen – auch das haben Sie in Ihrer Einleitung angesprochen – die Rechtslage kurz dargestellt und verdeutlicht, dass die Gründe für eine Unterbrechung der Strafe nach Strafantritt nicht vorlagen.

Anders war es dagegen natürlich vor Antritt der Strafe. Ein Strafaufschub wegen erheblicher familiärer Nachteile hätte zumindest nahegelegen. Ich meine deshalb, dass unser Fall nicht so sehr Anlass sein sollte zum Ruf nach Änderungen an gesetzlichen Regelungen, die sich teilwei

se über Jahrzehnte bewährt haben. Vielmehr möchte ich sichergestellt wissen, dass die bereits vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten zum Schutz familiärer Belange, speziell zum Schutz Schwangerer und Neugeborener, umfassend genutzt werden. Die im Einzelfall vor Strafantritt ergangenen oder unterlassenen Entscheidungen werden deshalb durch den Dienstvorgesetzten dienstaufsichtsrechtlich überprüft. Der Oberlandesgerichtspräsident ist mit seiner Prüfung mehr oder weniger fertig und wird diese Ergebnisse auch zeitnah kommunizieren.

Unabhängig davon habe ich die Fachabteilung meines Hauses mit der Erarbeitung einer Verwaltungsvorschrift beauftragt, die verbindlich für alle sächsischen Vollstreckungsbehörden festschreiben soll, wie im Vorfeld einer beabsichtigten Strafvollstreckung auf vergleichbare Fälle zu reagieren ist. Besonders möchte ich geregelt wissen, wie mit schwangeren Verurteilten oder mit Kleinkindern umgegangen werden soll. Ohne jetzt schon auf Einzelheiten eingehen zu können: Die Grundgedanken des Mutterschutzes sollen und werden in diese Verwaltungsvorschrift Eingang finden. Wir werden damit sicherstellen, dass die gesetzlichen Möglichkeiten für eine rechtzeitige Berücksichtigung besonderer Härten in diesen Fällen künftig angemessen genutzt werden.

Danke. – Ich habe noch eine kleine Nachfrage, wenn Sie gestatten. Ist Ihnen bekannt oder ist ins Auge gefasst, dass an den Verfahrensabläufen in Justiz und Jugendamt vielleicht Änderungen vorgenommen werden? Können Sie zu diesem Zeitpunkt schon etwas dazu sagen?

Frau Abgeordnete, ich habe eben versucht zu erklären, was im Einzelfall passiert ist. Der Justizminister hat das nicht zu kommentieren, weil er nicht der Dienstvorgesetzte ist. Dienstvorgesetzter ist der Oberlandesgerichtspräsident. Er wird zeitnah mitteilen, ob er der Auffassung ist, dass da etwas falsch gelaufen ist.

Wir haben die politischen Lehren aus diesem Fall zu ziehen und wir werden sicherstellen, dass sich ein solcher Fall in diesem Ausmaß schlicht und ergreifend nicht wiederholt. Wir werden sicherstellen, dass die Mutterschutzfristen künftig auch im Bereich der Strafvollstreckung angemessen beachtet werden.

Danke.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit sind alle vorliegenden Fragen zur Fragestunde beantwortet. Ich kann den Tagesordnungspunkt 3 beenden.

Ich schlage vor, dass wir jetzt in die Mittagspause eintreten und unsere Beratung 14:30 Uhr fortsetzen.

(Unterbrechung von 13:33 bis 14:30 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

Schutz für Kreditnehmer

Drucksache 4/12240, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Hierzu können die Fraktionen wie immer Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, SPD, Linksfraktion, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht.

Ich erteile nun der Fraktion der CDU das Wort; Herr Abg. Dr. Rößler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Hausbauer können es nicht glauben: Aufgrund einer Klausel im Kreditvertrag ist es nicht ausgeschlossen, dass ihre Bank die Forderungen ihres Immobilienkredits verkauft. Manche fürchten eine Zwangsversteigerung.

Seit 2003 verkaufen immer mehr Geldinstitute ihre Kredite. Eine Studie des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen hat ergeben, dass nicht nur Kredite, die zum Teil nicht rechtzeitig bedient wurden, veräußert worden sein sollen. Zu einem Drittel seien auch Darlehensnehmer betroffen, die ihre Schuld immer und überall pünktlich erbracht haben. Der Umfang der Kredite wird insgesamt mit 15 Milliarden Euro seit 2003 beziffert.

Verbände von Banken, Sparkassen und Bausparkassen wehren sich jetzt erneut und immer wieder gegen Vorwürfe, Kredite ohne Zustimmung verkauft zu haben. Außerdem sei die Sicherungsabrede bei der Bank über die Grundschuld, die das Darlehen sichert, auch beim Übergang des Darlehens auf einen Finanzinvestor weiter gültig.

Das Wirtschaftsmagazin „Capital“ berichtete, dass lediglich fünf deutsche Baufinanzierer in ihren Verträgen einen Kredithandel im Darlehensvertrag bisher ausdrücklich ausschließen. Drei davon verlangen danach einen Zinsaufschlag für solche Garantien. Alle anderen Kreditinstitute böten keinen verbindlichen Kredithandelsverzicht oder lieferten lediglich unverbindliche Absichtserklärungen.

Experten schätzen, dass in den Büchern der deutschen Banken noch Not leidende Kredite im Wert von etwa 250 Milliarden Euro stecken. Früher haben die Geldhäuser – Sie wissen das alle – solche Darlehen selbst abgearbeitet. Nun werden sie von ihren Anteilseignern verstärkt gedrängt, sich von ihren Risikodarlehen schnell zu verabschieden. Die anderen Kredite werden dann als Paket gebündelt – wir kennen das ja schon in diesem Haus – und häufig an angelsächsische Finanzinvestoren verkauft.

Seit Monaten kursieren in den Medien Berichte über Hausbesitzer und Gewerbetreibende, deren Immobiliendarlehen von ihren Hausbanken verkauft und die anschließend vom Kreditaufkäufer durch skrupellose Methoden in den Ruin getrieben werden. Im Mittelpunkt steht dabei der amerikanische Finanzinvestor Lone Star,

der seit 2003 in Deutschland Kredite im Wert von 12 Milliarden Euro erworben hat. Lone Star gehört damit hierzulande zu den größten Abnehmern von Krediten, die die Geschäftsbanken aber eben vorher loswerden wollten.

Die Regierungskoalition aus Union und SPD will die Bauherren besser vor Missbräuchen durch den Verkauf ihrer Kredite durch die Banken schützen. Meine Damen und Herren! Das war der eigentliche Anlass unseres Antrages. Wir wollten von Sachsen aus Druck in Richtung Berlin aufmachen, damit sich dieses Problem nach Möglichkeit schnell lösen lässt.

Seit gestern wissen wir es: Die Fachpolitiker aus CDU und SPD in den beiden Bundestagsfraktionen haben sich auf eine Regelung verständigt. Es wird noch am 27.06.2008 ein Gesetz in den Deutschen Bundestag eingebracht und wir hoffen, dass dieses Gesetz dann schon am 19.09.2008 im Bundesrat behandelt wird.

(Beifall bei der CDU)

Nun wäre es einfach – das macht sich populistisch gut –, Kreditverkäufe zu verbieten. Es spricht für die Qualität der Fachpolitiker aus beiden großen Volksparteien, dass sie dieser Versuchung widerstanden haben.

(Alexander Delle, NPD: Warum?)