Der zuständige Ausschuss hat dazu die acht anerkannten Naturschutzverbände – sieben davon, bis auf den BUND, haben geantwortet –, aber auch Nutzerverbände wie den Sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverband, den Landesbauernverband und die kommunalen Spitzenverbände schriftlich angehört. All jene Verbände, denen es um den Schutz des Wolfes und die Rechtssicherheit für die Öffentlichkeit geht, haben quasi unisono positiv und unterstützend geantwortet. Das findet verbal seinen Ausdruck in Formulierungen, wonach sie volle Zustimmung, voll umfängliche Befürwortung oder uneingeschränkte Zustimmung geben. Kritisch und ablehnend haben sich hingegen jene Interessenvertretungen geäußert, denen es weniger um den eigentlichen Gegenstand der Gesetzesnovelle als vielmehr um vordergründige Eigeninteressen ging.
Nicht, dass man für Vorstellungen dieser Art einer gewissen Lobby nicht auch Verständnis haben kann, zumindest, wenn man viel Gelassenheit entwickelt, denn ich finde,
dass man sich mit andersartigen Positionen durchaus auseinandersetzen muss. Im Moment zeigt die Erörterung der Skeptiker zwei Gesichter: Einerseits wird die Sorge thematisiert, was wohl passiert, wenn sich der Wolf nach und nach – das wird eintreten, meine Damen und Herren – wieder in Deutschland von der gegenwärtigen Lausitzer Keimzelle ausbreitet, ob da nicht doch eine Übersättigung
eintreten könnte und die Interessen, zum Beispiel von Jägern, zu stark beeinträchtigt werden. Hintergrund ist die Tatsache, dass der Wolf mit seiner Ernährung auf der Basis freilebender Wildtiere, hauptsächlich Schwarz-, Rot- und Rehwild, möglicherweise den Förster und den Waldbesitzer erfreut, weil nämlich dadurch der Wildverbiss zurückgeht; aber der Jagdrevierinhaber, der langfristige Pachtverträge mit Zinszahlungen zu erfüllen hat, ist natürlich gegen diesen natürlichen Konkurrenten. Diese Konstellation existiert durchaus objektiv. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren – das erkläre ich mit allem Nachdruck –, dieser Konflikt kann nur durch Modifizierung im Jagdrecht und keinesfalls im Naturschutzrecht geregelt werden.
Das sollten wir zu keiner Zeit vergessen. Vergisst man das, dann kommt nämlich das aggressive Gesicht der öffentlichen Debatte zum Vorschein, die in der ungeschminkten Aufforderung zum Bruch europäischen, deutschen und sächsischen Rechtes gipfelt, nämlich den Wolf umgehend zu bejagen oder, wie es ein Verband formulierte, den Wolf zu bewirtschaften. Da alle wildbiologischen und öffentlichkeitsrelevanten Aspekte in der Lausitz berücksichtigt werden und eine umfangreiche Information und Beratung der Bewohner gesichert sind, kann das sächsische Parlament mit gutem Gewissen und mit einem guten Gefühl einer Novelle zustimmen, die für Rechtsklarheit und Gleichbehandlung sorgt und zugleich dem Artenschutz dient.
Lassen Sie mich noch auf drei Aspekte aus den Stellungnahmen und der Ausschussberatung eingehen. Die mit dem Gesetz eröffnete Regelung ist eine freiwillige Leistung des Staates. Es besteht kein Rechtsanspruch, weshalb der Ausgleich auch eine Kannbestimmung bleibt und zugleich unter dem Vorbehalt der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel steht. Insofern erledigt sich später ein weiteres Eingehen auf die heute schon ausgeteilte Drucksache 4/12731, die aus der Kannbestimmung eine Istvorschrift machen möchte. Die juristischen Begründungen dazu sind im Ausschuss ausführlich dargelegt worden.
Die im Gesetzestext genannten zumutbaren Vorkehrungen seitens der Privathaushalte sind in der Förderrichtlinie „Natürliches Erbe“ beschrieben und somit transparent vorhanden. Eigene Managementpläne für die gegenwärtige Wolfsregion, wie vereinzelt angeregt, sind unserer Meinung nach überflüssig; denn erstens existiert in dem Gebiet die bereits erfolgreiche Abstimmung zwischen den
Interessengruppen, den Behörden, Verbänden und Bewohnern, besonders auch durch die zwei Kontaktbüros und die Beauftragten des SMUL, und zweitens geht es nicht um Management, sondern um Artenschutz. Auch die Streichung der bisherigen Bagatellgrenze ist mit der Gesetzesnovelle verbunden.
Kurzum, liebe Kolleginnen und Kollegen, geben wir einem vom Menschen vor rund 120 Jahren ausgerotteten Großraubtier eine Chance, angestammte Lebensräume wieder zu erobern, und sichern wir im Sinne der Grundsätze des Artenschutzes, dass diese besondere Tierart wieder ein Existenzrecht genießt. Es ist eine Bereicherung auch und gerade für unsere Kulturlandschaft. Deshalb bitte ich um Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Ausschusses.
Möchte die SPDFraktion das Wort ergreifen? – Das ist nicht der Fall. Also war dieser Vortrag von Prof. Mannsfeld für die Koalition. Ich frage die Linksfraktion. – Frau Abg. Kagelmann, bitte.
Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordneten! Die Oberlausitzer sind zugegeben ein eigenwilliges Völkchen.
Weil die Abwanderung vor allem junger Menschen problematisch betrachtet wird, sollte man annehmen, dass im umgekehrten Fall allenthalben eitel Freude herrscht – noch dazu, da die Zuwanderer der Region bereits einen spürbaren Imagegewinn gebracht haben.
Aber weit gefehlt. Schuld daran ist der allgemein schlechte Ruf, der der Sippe des aus Polen illegal eingewanderten ersten Neuankömmlings anhaftet.
Der Wolf, meine Damen und Herren, spaltet die Bevölkerungsmeinung vor Ort. Die Nachwirkungen dessen, was an unzähligen Kinderbettchen der vergangenen Jahrhunderte unter anderem durch grimmsche Erzählkunst für Schaden angerichtet wurde, konnte man besonders ab dem Jahr 2004 bei diversen Veranstaltungen im NOL oder auch im Kreistag live erleben. Es brauchte ganze acht Jahre vom Auftauchen des ersten Wolfes 1996 in der Lausitzer Heide bis zum ersten Antrag auf eine Abschussgenehmigung. Damals hatte sich gerade einmal ein kleines Rudel in der Muskauer Heide etabliert. Für mich kommen da keine Zweifel auf, wer der gefährlichste Prädator auf Erden ist.
Der Biologe Dr. Wolfgang Epple kommt denn auch in einem Beitrag des Südwestfernsehens unter dem Titel „Das Tier Mensch – ein Nutzungsprimat“ zu der Einschätzung: „Der Wolf findet keinen Frieden. Jede Beeinträchtigung menschlicher Interessen löst Verfolgungs- und Vernichtungsstrategien aus. Tierpopulationen werden nur in dem Maße geduldet, wie sie praktisch unauffällig
bleiben.“ Ich könnte ergänzen: Der Kormoran, der Fischotter, der Biber – das sind die Tierarten, die allein in den Stellungnahmen zum Gesetzentwurf als Problemarten genannt werden – sie alle finden keinen Frieden mehr. Deshalb sind sie geschützt – was allerdings in der Praxis aufgrund der Überlagerung verschiedenster schutzwürdiger Arten und Lebensräume, unterschiedlicher Schutzinteressen und -kategorien doch nicht immer einfach handelbar ist. Dafür habe ich sogar bedingtes Verständnis. Wir leben nun einmal in einer dicht besiedelten Kulturlandschaft – da bleiben Konflikte nicht aus.
zu der Forderung, dass – ich zitiere – „der Wolf umgehend zum jagdbaren Wild erklärt und alsbald bewirtschaftet werden muss“. – Herr Prof. Mannsfeld, Sie hatten die gleiche Stelle zitiert. Diese schnellen Rufe nach radikalen Lösungen entspringen einer egozentrischen KostenNutzen-Sichtweise auf unsere Mitwelt. Das ist eine Ursache für das bis in die Gegenwart anhaltende Artensterben.
In Europa muss der Mensch nach ihrer fast restlosen Ausrottung wieder lernen, mit großen Beutegreifern zu leben. Insbesondere der traditionellen Jägerschaft wird dabei eine regelrechte Katharsis abverlangt, die mit einer Abkehr von der althergebrachten Auffassung von Hege einhergehen muss. Das Argument des Landesjagdverbandes Sachsen zur Ausrottung des Muffelwildbestandes durch den Wolf zieht eben nicht; denn das Wildschaf wurde bekanntermaßen nur für den Jagdsport erst in den Siebzigerjahren bei uns angesiedelt – in einer Gegend, die nichts mit seinem natürlichen Lebensraum auf Korsika gemein hat. Ein solcher Prozess des Umdenkens braucht natürlich seine Zeit. Hitzige Debatten und Überreaktionen gehören wohl dazu. Sie sind auch zu ertragen, solange der herausragende Schutzstatus des Wolfes auch nachts auf dem letzten Hochsitz im Wald akzeptiert wird.
Im Rahmen eines internationalen Wolfssymposiums in Rietschen im Herbst 2007 berichtete beispielsweise Prof. Okarma von der Universität Krakow von Überlegungen über Regelungen für begrenzte Abschüsse, weil man damit der illegalen Wilderei zu begegnen hofft, die inzwischen für ein wirksames Wolfsmanagement in Polen zum Problem geworden ist. Eine solche Strategie ist selbstverständlich keine Option für unsere Jäger. Aber: Es darf nicht zum Problem der Gesellschaft erklärt werden, wenn die Jagdstrecken durch Wolf, Luchs oder Bär zurückgehen – wenn sie überhaupt zurückgehen.
Nach einer Studie „Wolf, Jagd und Wald in der Oberlausitz“ aus dem Jahr 2006 ist – Zitat – „ein quantitativer Einfluss der Wölfe auf die Schalenwildpopulationen nicht erkennbar“. Deutschlandweit vollzieht sich allerdings ein Rückgang der Wildstrecken unabhängig davon, ob es sich um ein Wolfsgebiet handelt oder nicht. Die Sorge der Jäger, die ihre Felle entschwinden sehen, rührt also von
einer Entwicklung her, deren Ursachen vielgestaltig sind. Unabhängig davon aber ist das Wildtier gerade deshalb ein Wildtier, weil eben kein Jagdpächter oder Waldbesitzer darauf einen Eigentums- und damit Entschädigungsanspruch erheben kann. Es ist allerdings schon das Problem der Gesellschaft, wenn der Schäfer, wenn andere Nutztierhalter durch den Wolf Tiere verlieren. Darauf reagiert der Gesetzentwurf, indem er Entschädigungsausgleiche nun auch für Private regelt. Das war längst überfällig und ist deshalb vorbehaltlos zu unterstützen.
Es wird in der Zukunft insbesondere mit dem Anwachsen der Wolfspopulation immer wieder zu Interessenskollisionen kommen. In der Oberlausitz wurde frühzeitig ein professionelles Wolfsmanagement eingerichtet, das die Bestandsentwicklung wissenschaftlich begleitet, Schadensfälle dokumentiert, eine vielschichtige Öffentlichkeitsarbeit betreibt und eng mit Tierhaltern, Naturschutzvereinen und Behörden zusammenarbeitet. In unbestimmter Zukunft, wenn sich die Wolfspopulation entsprechend entwickelt hat, werden innerhalb des Wolfsmanagements als Schutzmaßnahmen im Einzelfall vielleicht auch Vergrämungs- oder sogar letale Maßnahmen zu diskutieren sein.
Eine solche Entscheidung wird behördlich aufgrund sachlicher Erwägungen getroffen. Sie kann nie eine Reaktion auf Druck einer einzelnen Lobbygruppe sein. Dazu besteht allerdings bei uns gegenwärtig überhaupt kein Anlass; dazu ist die Wolfspopulation in Deutschland noch viel zu klein und instabil. Der Wolf steht gegenwärtig auf der Roten Liste und darf nicht bejagt werden. Punkt.
Das umstrittene Thema Wolf wird weiter die Gemüter der Menschen nicht nur in meiner Heimatregion bewegen. Es ist gut, dass das SMUL in Sachsen von Anfang an die natürliche Wiederansiedlung des Wolfes als positives Signal im Kampf um den Erhalt der Artenvielfalt unterstützt hat.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn es um den Schutz und die Wiederansiedlung bedrohter Arten in Sachsen geht, wird der Wolf vom zuständigen Ministerium gern als werbewirksames Beispiel ins Feld geführt, um sich die Launen der Natur als eigene Leistungen auf die Fahne zu schreiben. Besonders hier in Sachsen wird die Wolfsrückkehr gern zu einem politischen Vorzeigeobjekt umgebogen. Problematisch wird es aber wie so oft, wenn das Wappentier der Renaturierung dann plötzlich anfängt, Geld zu kosten.
Es liegt in der Natur des Wolfes, dass er sich nun einmal nicht nur die wild lebenden Tiere, sondern eben auch
leichtere Beutetiere – unsere Nutztiere nämlich – sucht und damit den Tierhaltern Schäden zufügt. Diese Schäden an Nutztieren waren es hauptsächlich, die in der Vergangenheit dazu geführt haben, dass der Wolf systematisch verfolgt und unbarmherzig ausgerottet wurde.
Wie die Koalitionsfraktionen in ihrem Gesetzentwurf richtig formuliert haben, ist der Ausgleich der vom Wolf verursachten Schäden von existenzieller Bedeutung für dessen Akzeptanz bei den Menschen.
Wir von der NPD-Fraktion fordern deshalb eine stärkere Verantwortung des Staates und schließen uns klar der Forderung nach einem Rechtsanspruch auf Entschädigung für die von den Wölfen verursachten Schäden an.
Der vorliegende Gesetzentwurf kann dieser Verantwortung aber nur bedingt gerecht werden. Für unsere Fraktion ist es unhaltbar, dass der Schadensausgleich nicht als staatliche Pflicht in das Gesetz aufgenommen wird. Stattdessen soll den Betroffenen nach Maßgabe der Haushaltsmittel ein Schadensausgleich gewährt werden können – sozusagen Artenschutz nach Kassenlage. Diese Formulierung ist unhaltbar und muss durch einen eindeutigen Rechtsanspruch auf Schadensregulierung ersetzt werden.
Wir haben deshalb einen Änderungsantrag mit einer Formulierung eingebracht, die den Ausgleich der Schäden bei den Betroffenen in voller Höhe und vorbehaltlos der Haushaltsmittel sicherstellt. Natürlich ist es auch notwendig, die Übergriffe von Wölfen auf Nutztiere durch entsprechende Schutzmaßnahmen weitestgehend zu minimieren. Dies darf aber nicht allein die Voraussetzung dafür sein, ob die Schäden reguliert werden oder nicht. Ein Versagen der Ausgleichsansprüche darf aus unserer Sicht nur dann erfolgen, wenn der Betroffene fahrlässig gehandelt hat.
In unserem Änderungsantrag fordern wir deshalb eine Klarstellung der zum Schutz notwendigen Vorkehrungen und wollen dies auf dem Weg einer Rechtsverordnung für alle Beteiligten klarer definiert wissen. Andernfalls sehen wir von der NPD-Fraktion die Gefahr, dass mit der geplanten Fassung des Gesetzes unbemerkt die Hürden für die Schadensregulierung weiter angehoben werden. Man muss schließlich kein Hellseher sein, um vorauszusehen, dass die Auffassung der Behörden über die Grenzen der Zumutbarkeit von Schutzmaßnahmen eine andere sein dürfte als die der betroffenen Tierhalter.
Mit dem vorliegenden Gesetz könnte es ohne eine Klarstellung dazu kommen, dass eine Reihe von Schutzmaßnahmen gefordert wird, die gerade für Tierhalter mit kleinem Bestand mit erheblichem Kostenaufwand verbunden sind und deren Wirkung nicht immer garantiert ist. Gerade die jüngsten Risse haben gezeigt, dass selbst ein höherer Elektrozaun keinen Schutz für Nutztiere darstellt, weil der Wolf auch diese Hürden mühelos nimmt. Der vorliegende Gesetzentwurf weist also eine Reihe von Mängeln auf, die wir in unserem Änderungsantrag nachgebessert haben.
Die Einstellung zum Wolf und zu anderen Großraubtieren wird aber nicht nur durch Risse von Haus- und Nutztieren geprägt. Problematisch ist das Vorkommen von Wölfen natürlich auch in Bezug auf wildlebende Tiere, denn der Wolf schaut bei der Wahl seiner Beutetiere nicht darauf, ob diese im Anhang eines Gesetzes oder einer EURichtlinie als schützenswert aufgeführt sind. Auch schert er sich wenig um die Belange der Jäger und Grundeigentümer, deren Eigentumsrechte beschnitten werden.
Aus unserer Sicht ist es deshalb umso wichtiger, endlich die Grundlagen für ein umfassendes Wolfsmanagement zu schaffen, das sich nicht nur auf das Erfassen und Beobachten der Tiere erstreckt, sondern bereits jetzt sinnvolle Handlungsmöglichkeiten für alle weiteren Entwicklungsszenarien der Wolfspopulation erarbeitet. Dabei müssen alle Interessen einbezogen werden, um ein dauerhaftes, problemreduziertes Zusammenleben von Menschen und Großraubtieren zu gewährleisten. Die Fehler, die in der Vergangenheit zur Ausrottung des Wolfes geführt haben, sollen und dürfen sich bei einer neuen Population nicht wiederholen. Wir werden uns dem Grundanliegen des Gesetzentwurfes nicht verschließen, bitten aber aufgrund der Unzulänglichkeiten im Gesetzestext um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Wolf ist seit Ende der Neunzigerjahre auf natürlichem Wege wieder in die Lausitz eingewandert, also nicht illegal, Frau Kagelmann, sondern ganz normal. Ich wüsste nicht, wo der Einreisepapiere beantragen müsste.