Protokoll der Sitzung vom 09.07.2008

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Wolf ist seit Ende der Neunzigerjahre auf natürlichem Wege wieder in die Lausitz eingewandert, also nicht illegal, Frau Kagelmann, sondern ganz normal. Ich wüsste nicht, wo der Einreisepapiere beantragen müsste.

Man geht in der offiziellen Sprachregelung davon aus, dass der Wolf seit etwa zehn Jahren wieder ein natürliches Vorkommen in der Lausitz hat. Der Frühjahrsbestand beträgt im Moment – so die Zahlen vom Rietschener Wolfsbüro – 20 Tiere. Der aktuelle Nachwuchs muss erst noch ermittelt werden. Damit ist die Dichte an Wölfen pro Quadratkilometer in der Lausitz schon jetzt größer als in Sibirien, wobei die sibirischen Zahlen geschätzt sind.

(Heiterkeit bei der FDP)

In Europa sind schätzungsweise 15 000 bis 20 000 Wölfe beheimatet, auch in dicht besiedelten Gebieten. Bis heute sind nach derzeit öffentlich zugänglichen Informationen im Wolfsgebiet seit 2002 nachweislich 269 Nutztiere gerissen worden. Die Tendenz ist steigend. In 34 Fällen konnte nicht hundertprozentig nachgewiesen werden, dass Wölfe die Ursache waren. Nur 40 Fälle werden wilden Hunden oder Füchsen zugeordnet. Entschädigungen wurden bisher nicht nur für Schafsrisse, sondern auch für Verluste bei Wildgattern und Ähnlichem gezahlt. Grundlage bildete die Härtefallausgleichsverordnung vom 25. August 1995. Sie stammt demnach aus einer Zeit, als

an Schäden, die durch Wölfe verursacht werden, noch nicht zu denken war, und kann folglich dem Problem nicht wirklich gerecht werden. Deshalb kam in Fällen, in denen die staatliche Härtefallausgleichsverordnung nicht anwendbar war, beispielsweise bei Hobbytierhaltern, bisher die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e. V. mit privaten Spendenmitteln auf, allerdings ohne Rechtsanspruch.

Die Wiederansiedlung der Wölfe war seinerzeit eine bewusste, naturschutzpolitische Entscheidung, die vom Freistaat gefördert wurde. Anknüpfend an die lange Tradition der Existenz von Wölfen in Sachsen, ist die Heimkehr der Wölfe vor allem als eine Chance zu verstehen. Natürlich müssen wir auch über die Probleme diskutieren, die entstehen können, wenn sich die Wölfe zum Beispiel verstädtern, was absehbar ist. Der Wolf ist in unserer Kulturlandschaft seit Langem kein heimisches Tier mehr, dessen Wiederkehr logischerweise Ängste auslöst, reale und abstrakte, bis hin zu den Urängsten. Wenn man sich heute in den betroffenen Regionen umhört, wird man feststellen, dass nicht alle Bewohner die Anwesenheit des Wolfes begrüßen. Nach den Rissen in jüngster Zeit ist eher das Gegenteil der Fall.

Hier muss wieder Vertrauen durch sinnvolle Maßnahmen aufgebaut werden. Es bedarf einer längeren Zeitspanne, um sich in den betroffenen Landkreisen auf die geänderten Bedingungen des Zusammenlebens mit Wölfen einzustellen und sie als natürliche Akteure in der Landschaft und zum Teil des Ökosystems zu verstehen. Auch die Jägerschaft muss sich aufgrund der Anwesenheit des Wolfes auf andere Jagdmethoden einstellen. Gerade durch die Jägerschaft ist zu beachten, dass wir den Wald in Sachsen nach dem Spruch „Wald vor Wild“ bewirtschaften wollen. Wenn in unseren sächsischen Wäldern zu viel Wildbesatz ist, kann damit gerechnet werden, dass sich die Wölfe ausbreiten, um dort ans Fressen zu kommen.

Die Wiederansiedlung des Wolfes in Sachsen ist ein absoluter Sonderfall. Die betroffenen Landwirte, Bauern oder Tierzüchter, ob hauptberuflich oder Hobbyzüchter, dürfen bei Schadensfällen mit der Situation nicht allein gelassen werden. Dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Entschädigungszahlungen auch an Private erfolgen sollen, begrüßen wir ausdrücklich.

(Beifall bei der FDP)

Unser Plenarantrag vom letzten Dezember hatte das gleiche Anliegen. Die Erweiterung der Arten Bär und Luchs ist in diesem Zusammenhang nur logisch und konsequent. Grundsätzlich muss gelten, dass Betroffene bei nachweislich durch Wildtiere verursachten Schäden an ihren Tierbeständen einen Rechtsanspruch auf Entschädigung haben, unabhängig davon, ob sie Profi- oder Hobbyzüchter sind. Es geht hier auch nicht um Millionenbeträge. Die Zahlungen sind eher als eine Geste zu verstehen, die beweist, dass man die Menschen in der Region mit ihren Sorgen nicht allein lässt. Die vorsichtigen Schätzungen belaufen sich auf circa 30 000 bis 40 000 Euro Entschädigung im Jahr.

Wir haben in Sachsen ganz andere Problemfelder, für die richtig Geld ausgegeben werden muss, beispielsweise die massenhaften Kormoranschäden, die wir mit 800 000 Euro im Jahr ausgleichen müssen. Des Weiteren denke ich an die 1,5 Millionen Euro, die für die vollkommen nutzlosen und völlig überflüssigen Fledermausbrücken über die A 17 ausgegeben werden. Hinsichtlich der im Gesetzestext geforderten zumutbaren Vorkehrungen fordern wir die Staatsregierung auf, im Wolfsgebiet Klarheit zu schaffen. Jeder Tierhalter muss Kenntnis davon haben, ob seine Schutzmaßnahmen ausreichen, um Schadensersatz zu erhalten.

Insgesamt ist diese Regelung überfällig. Wir werden dem Gesetzentwurf daher zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich rufe die Fraktion GRÜNE auf; Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt habe ich mich die ganze Zeit geärgert, dass Kollege Günther so lange redet und nichts sagt, was wir nicht alles schon tausendmal gehört haben. Dann hat er es am Schluss doch noch geschafft, Blödsinn zu erzählen. Die Fledermausnistkästen an Autobahnbrücken sind natürlich sinnvoll. Ich weiß nicht, was Sie da kritisieren, aber vielleicht ist Ihnen nicht bekannt, dass es einige Jahre in Anspruch nimmt, bis sich dort Fledermäuse ansiedeln.

Aber, meine Damen und Herren, ich freue mich einfach, dass wir mal Einigkeit in einer Sache haben. Das möchte ich positiv hervorheben. Der Gesetzentwurf findet unsere freudige Zustimmung, und ich sehe es als ein Bekenntnis zum Wolf und ein Symbol an, dass wir im Sächsischen Landtag mit übergroßer Mehrheit gewillt sind, uns als Menschen in unseren Ansprüchen zurückzunehmen und Mitgeschöpfen, die über Jahrhunderte hinweg dämonisiert worden sind, wieder etwas mehr Raum einzuräumen und sie zu respektieren. Ich finde, das ist ein positives und auch so zu würdigendes Ereignis. Dass der Gesetzentwurf der Koalition auch noch den Bär und den Luchs mit hineinnimmt, finde ich ja schön. Nach meiner Kenntnis zieht der Luchs durch, der Bär, glaube ich, noch nicht. Ich weiß nicht, wo in nächster Zukunft ein Bär herkommen soll, aber wir freuen uns auch.

Ich möchte im Hohen Haus die Gelegenheit nutzen, den Akteuren herzlichen Dank zu sagen, die sich in der Lausitz fachgerecht und sensibel um das Management aller Dinge, die mit dem Wolf zusammenhängen, kümmern.

Ich möchte sie auch ausdrücklich nennen, die Vorredner haben es noch nicht getan: das Kontaktbüro Wolfregion Lausitz, das wildbiologische Büro Lupus, die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe und der Wolfsmanager des Nabu Sachsen. Durch deren Engagement war es möglich, dass der Wolf die Lausitz als seinen Lebensraum zurückge

winnen konnte und dabei auch zunehmend auf gesellschaftliche Akzeptanz stößt. Es ist sogar gelungen, den Wolf als touristischen Standortfaktor zu entwickeln. Menschen aus nah und fern kommen auf Wolfsspurensuche in die Lausitz und lernen sie mit anderen Augen kennen. Gerade für eine solche Region wie die Lausitz ist dieses Alleinstellungsmerkmal Gold wert

(Zuruf des Abg. Volker Bandmann, CDU)

und überhaupt nicht durch irgendwelche anderen Dinge – –

Herr Bandmann, jetzt rufen Sie doch nicht immer so unqualifiziert dazwischen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Ich möchte an dieser Stelle meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass das dann nicht nur der Kollege Bandmann versteht, sondern dass auch die lokale Jägerschaft alsbald Burgfrieden mit Isegrim schließt und ihn als Jagdkonkurrenten akzeptiert. Kollege Günther, da hatten Sie wieder recht, es gilt: Wald vor Wild. Deshalb begrüßen wir auch die Funktion des Wolfes als Konkurrenten des Jägers. Das sage ich ganz offen.

Wir wissen, dass sich der Wolf zum Glück in der Ausbreitung befindet. Es sind auch weiter südlich der bisherigen Wolfszone im Biosphärenreservat Wölfe gesichtet worden. Wir müssen damit rechnen, dass er sich weiter ausdehnt, vielleicht bis in die Dübener oder Dresdner Heide, obwohl die sehr eng ist. Wir müssen uns darauf einstellen, dass diese Probleme, die wir jetzt paradigmatisch in der Lausitz zu bewältigen haben, auch in anderen Regionen Sachsens auftreten werden. Deswegen ist es von zentraler Bedeutung, dass das sächsische Wolfsmanagement mit seiner Expertise sehr schnell auch auf diese Regionen ausgedehnt und schnell informiert werden kann, sodass tatsächlich die Erfolgsgeschichte „Wolf“ in Sachsen und vielleicht auch über Sachsen hinaus in ganz Deutschland weitergehen kann.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Von den Fraktionen liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Deshalb Herr Staatsminister Kupfer, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordneten! Nicht jeder Besuch ist willkommen. Das werden auf jeden Fall die Bewohner der Lausitz bestätigen, deren Grundstück schon einmal von einem Wolf heimgesucht wurde. Inzwischen gibt es vier Rudel mit 20 erwachsenen Tieren und einer unbekannten Anzahl von Welpen. Ich freue mich natürlich als Naturliebhaber, aber auch als zuständiger Minister darüber.

Die Wiederkehr des Wolfes nach Sachsen ist für den Natur- und den Artenschutz in Sachsen, Deutschland und Europa von unschätzbarem Wert.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Allerdings, meine Damen und Herren, kommt es auch zu erheblichen Konflikten, wenn sich ein Raubtier in einem von Menschen relativ dicht besiedelten Gebiet ansiedelt. In den letzten Jahren wurden immer wieder Nutz- und Haustiere von Wölfen gerissen oder verletzt, und dies zum Teil trotz präventiver Vorkehrungen bei der Haltung der Tiere.

Um zu erreichen, dass die nach europäischem Recht streng geschützte Tierart von der Bevölkerung vor Ort akzeptiert wird, haben wir ein Wolfsmanagement etabliert. Dies verfolgt drei Hauptziele:

Erstens. Priorität hat die Sicherheit der Bevölkerung. Hierzu haben wir einen Vorsorgeplan mit allen zuständigen Stellen – dem SMI, dem SMS und den nachgeordneten Bereichen sowie Landratsämtern – abgestimmt.

Zweites Ziel ist die Verbesserung der Akzeptanz in der Bevölkerung durch sachliche Information und Öffentlichkeitsarbeit. Nur dann ist ein Miteinander dieser sicherlich nicht konfliktfreien Tierart mit der Bevölkerung möglich.

Drittes Ziel ist die Prävention gegen Wolfsübergriffe auf Haus- und Nutztiere und ein zügiger Schadensausgleich.

Meine Damen und Herren! Der Freistaat fördert im Wolfsgebiet Präventionsmaßnahmen gegen Wolfsrisse, wie spezielle Zäune oder Herdenschutzhunde. Darüber hinaus sollen die Tierhalter – sowohl die gewerblichen als auch die Hobbytierhalter – nicht auf dem Schaden sitzen bleiben, auf dem Schaden, der ihnen trotz ergriffener Präventionsmaßnahmen an Nutztieren durch den streng geschützten Wolf entstanden ist.

Meine Damen und Herren! Hier setzt der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Gesetzentwurf an. Ich freue mich, dass mit der neu aufgenommenen Regelung in § 38 Abs. 7 des Sächsischen Naturschutzgesetzes nun Schäden ab dem ersten Euro durch den Freistaat in voller Höhe ersetzt werden können.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Zur bisherigen Praxis sind Ausführungen gemacht worden. Das möchte ich nicht wiederholen.

Ich darf mich an dieser Stelle ganz besonders bei der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe für ihren großartigen Einsatz bedanken. Mitglieder dieser Gesellschaft kommen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus dem Ausland. Ihr Engagement ist außerordentlich lobenswert, aber eben nicht unerschöpflich. Hier steht der Freistaat Sachsen in der Pflicht. Artenschutz ist eine staatliche Aufgabe und wir kommen dieser Aufgabe gern nach.

Seit 2002 wurden, unabhängig von den Finanzierungsquellen, bisher 35 000 Euro für den Ausgleich von Wolfsschäden aufgewendet. Dies ist ein moderater Beitrag im Verhältnis zum Nutzen für den Artenschutz. Noch ist die

Wolfspopulation nicht stabil. Vergrämungs- und Lenkungsmaßnahmen sind daher nicht zulässig. Ich hoffe, sie werden auch nicht notwendig sein. Ich wünsche mir vielmehr, wir finden ein gemeinsames Miteinander von Mensch und Wolf.

Meine Damen und Herren! Seltener Besuch vermehrt die Freundschaft, sagt ein arabisches Sprichwort. Inwieweit sich die Wölfe daran halten, kann niemand so genau abschätzen. Für einen eventuellen Besuch sind wir jedoch mit der Ergänzung des Sächsischen Naturschutzgesetzes gut gerüstet. Ich bitte Sie daher um Ihre Unterstützung.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Beenden wir die Aussprache zum Gesetzentwurf. Ich frage, ob wir vor der Einzelberatung noch die Berichterstatterin hören. – Das ist nicht der Fall.

Ich rufe das Zweite Gesetz zur Änderung des Sächsischen Naturschutzgesetzes, Drucksache 4/12247, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD, auf. Wir stimmen auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt und Landwirtschaft, Drucksache 4/12731, ab.

Wir stimmen über die Überschrift ab. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Überschrift bestätigt.

Ich rufe Artikel 1 auf. Dazu gibt es den Änderungsantrag der NPD-Fraktion. Herr Despang hat ihn bereits eingebracht. Er liegt Ihnen in der Drucksache 4/12832 vor.

Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Stimmen dafür ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt.