Protokoll der Sitzung vom 11.07.2008

Die Staatsregierung hat in den letzten Monaten sicher massive Anstrengungen unternommen, um den Bearbeitungsstau abzuarbeiten. Welche finanziellen Folgen das für den Staatshaushalt hat, werden wir hoffentlich auch in der Beantwortung unserer Kleinen Anfragen erfahren.

Derzeit werden einfach Kisten gepackt und Anträge zum Teil nicht mehr entgegengenommen. Dass dabei Fristen für Auflagen verstreichen können, ist nicht nur eine theoretische Möglichkeit, sondern eine reale Befürchtung aus den Reihen der Verwaltung. Das Problem liegt darin, dass die Kommunen ab 1. August die Zuständigkeit zur Aufgabenerledigung bekommen und zum Teil einfach niemand da ist, der es kann. Herr Buttolo, ich frage Sie deshalb ganz konkret: Können Sie solche Fälle ausschließen?

Meine Damen und Herren! Die Probleme in der Umsetzung sind kein bedauerlicher Kollateralschaden, sondern sie sind mutwillig angelegt. Staatsregierung und Koalitionsfraktionen haben es nicht für nötig gehalten, fachliche Kriterien zum Maßstab ihrer Entscheidung zu machen. Diese Ignoranz werden wir nun alle teuer zu bezahlen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der FDP)

Der Antrag der FDP kann die Probleme zwar nicht lösen, aber auch wir halten Informationen für nötig, wie die Staatsregierung diese zu lösen gedenkt. Daher werden wir dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Meine Damen und Herren, gibt es noch weiteren Aussprachebedarf seitens der Koalition? – Das ist nicht der Fall. Herr Staatsminister Dr. Buttolo, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Unruhe im Saal)

Der Personalübergang auf die Landkreise und kreisfreien Städte und den Kommunalen Sozialverband Sachsen

(Glocke des Präsidenten)

wurde gut vorbereitet und geht nun in seine entscheidende Phase. Herr Lichdi, ich weiß nicht, welche Informationen Sie haben, aber offensichtlich sind es nicht jene, die der Wirklichkeit entsprechen.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Lassen Sie mich zunächst allen Beteiligten für das bisher Geleistete danken. Den Vertretern der kommunalen Familie und den Bediensteten aus den staatlichen Verwaltungen ist es zu danken, dass der Personalübergang weitestgehend reibungslos angelaufen ist.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Für den Übergang der staatlichen Bediensteten sorgt ein aufwendiges Verfahren. Dabei werden die sozialen Belange der Bediensteten so weit wie möglich berücksichtigt. Herr Brangs hatte bereits Kriterien für die Sozialauswahl vorgetragen.

Bis zum 16. Juni sind die entsprechenden Namenslisten den kommunalen Körperschaften übergeben worden. Zusätzlich erhielten die Kommunen die wichtigsten Beschäftigungsdaten, wie im Gesetz festgeschrieben, das heißt: nicht nur persönliche Angaben, sondern auch Angaben über den beruflichen Werdegang seit dem 03.10.1990. In den anschließenden Gesprächen mit der kommunalen Seite konnte in der überwiegenden Zahl der Fälle Einvernehmen erzielt werden.

Ich darf Ihnen berichten, dass die Schiedsstelle am Dienstag dieser Woche zu 16 Fällen beraten hat. 16 Fälle! Sie wird voraussichtlich noch über drei weitere Fälle aus einer Kommune zu beraten haben. Das wird dann aller Voraussicht nach nächste Woche geschehen.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich habe deswegen schon eine Pause eingelegt.

Herr Lichdi, bitte.

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Sie haben gerade ausgeführt, dass die Übergabe an die Kommunen korrekt erfolgt ist. Wie erklären Sie sich dann, dass Sie mir mit Datum von heute in der Kleinen Anfrage, Drucksache 4/12614, auf Frage 1 antworten: „Die Angabe der genauen Zahl tatsächlich übergehender Bediensteter ist derzeit noch nicht möglich, da das Auswahl- und Verteilungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist“ usw. usf. Der Duktus dieser beiden Kleinen Anfragen, die Sie mit heutigem Datum beantwortet haben, sagt ganz eindeutig, dass noch nichts klar ist. Sie sagen sogar: Ich kann Ihnen das als Abgeordneten nicht sagen, weil es zu viel Arbeitsaufwand ist. Sie informieren mich hier als Abgeordneten nicht korrekt.

Herr Lichdi, das muss ich zurückweisen. In der Tat sind die

Übergabeverfügungen noch nicht ausgehändigt, sodass ich Ihnen dies noch nicht sagen kann.

Angesichts der Anzahl des übergehenden Personals – über 4100 Beschäftigte sind es – ist diese Verfahrensweise mit 16 Fällen bei der Schiedsstelle durchaus beachtlich. Die Beschäftigten wurden Mitte Mai zum Personalübergang angehört. Seither kennen Sie die aufnehmende Kommune und den jeweiligen Dienstort. Wenn sich im Einzelfall im Ergebnis der Anhörung daran etwas geändert hat, wurden die Betroffenen unverzüglich erneut informiert. Parallel dazu wurde eine Tauschbörse eingerichtet. Hier wurden Tauschwünsche der betroffenen Beschäftigten gesammelt und Listen von Tauschpartnern erstellt, denen die Kommunen im Rahmen der eingangs genannten Gespräche überwiegend zugestimmt haben. Die betroffenen Beschäftigten sind informiert, ob ihre Tauschwünsche umgesetzt werden konnten oder nicht.

Gegenwärtig wird in allen Ressorts das personalvertretungsrechtliche Mitbestimmungsverfahren durchgeführt. In den Fällen, in denen die Personalvertretungen zugestimmt haben, werden die Beschäftigten zeitnah die Abordnungs- oder Übergabeverfügungen erhalten. Die Kommunen werden Mehrfertigungen dieser Verfügungen erhalten. Sollten die Personalvertretungen im Einzelfall nicht zustimmen, ist die Einigungsstelle anzurufen. Die Einigungsstelle spricht eine Empfehlung aus. Die Ressorts werden sich mit dieser Empfehlung auseinandersetzen und dann abschließend, so wie es das Gesetz vorsieht, entscheiden.

Nach meiner Kenntnis beteiligen zurzeit auch die kreisfreien Städte und der Kommunale Sozialverband Sachsen ihre Personalvertretungen. In Landkreisen, die zum 01.08. neu gegründet werden, ist dies natürlich noch nicht möglich.

Leider werden sich soziale Härten nicht in jedem Falle vermeiden lassen. Zur Milderung werden gegenwärtig in einigen Ressorts in Zusammenarbeit mit den Personalvertretungen Sozialpläne erarbeitet. Formal sind das Dienstvereinbarungen. Im Wesentlichen geht es darum, Nachteile zu mildern. Das betrifft zum Beispiel lange Fahrtzeiten zum neuen Dienstort. Denkbar sind hier beschäftigungsfreundliche Arbeitszeitregelungen oder verstärkte Angebote zur Telearbeit.

Meine Damen und Herren, zum Bearbeitungsrückstand. Die Suche und Erfassung vermeintlicher Bearbeitungsrückstände wäre kontraproduktiv und würde in etlichen Bereichen erste Bearbeitungsrückstände verursachen. Was von der FDP-Fraktion gut gemeint ist, würde Bürgern, Beschäftigten und Kommunen einen Bärendienst erweisen. Weshalb, werde ich gleich erläutern.

Wollten wir Bearbeitungsrückstände identifizieren und erfassen lassen, müssten alle von der Kommunalisierung betroffenen Aufgabenbereiche und Behörden sämtliche laufenden Vorgänge überprüfen, ob ein Bearbeitungsrückstand vorliegt oder nicht. In dieses Prüfverfahren müssten das Landesamt, die zwölf staatlichen Vermessungsämter, die drei Regierungspräsidien, die sieben Straßenbauämter,

das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales, die drei Ämter für Familie und Soziales, die Sächsische Bildungsagentur, die elf staatlichen Ämter für Landwirtschaft, die drei staatlichen Ämter für ländliche Entwicklung sowie der Sachsenforst einsteigen, also insgesamt 43 Behörden mit ihrem gesamten Aktenbestand. Hinzu kommt, dass für eine umfassende Beantwortung der Frage nicht nur die Anzahl der offenen Vorgänge, also der noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren, entscheidend ist, sondern auch der Bearbeitungsstand in jedem Einzelfall und die Gründe für diesen Bearbeitungsstand.

Was ist ein Bearbeitungsrückstand? Ein Bearbeitungsrückstand liegt dann vor, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes oder über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Das ist eine Frage der jeweiligen Verfahrensart und des Standes der einzelnen Verwaltungsverfahren.

(Unruhe im Saal – Glocke des Präsidenten)

Meine Herrschaften! Man kann hier vorn zum Teil die Stimmen Einzelner erkennen, wer spricht. Das ist ein bisschen viel. – Bitte.

Wegen der unterschiedlichen gesetzlichen formellen Anforderungen gibt es auch keine generellen Maßstäbe für die angemessene Dauer eines Verwaltungsverfahrens. Zunächst beginnt der Lauf der Bearbeitungsphase häufig erst mit der Vollständigkeit der Unterlagen, die ein Antragsteller beibringen muss. Weiterhin können Verfahren lange Bearbeitungszeiten in Anspruch nehmen, weil sie besonders komplex sind. Bestimmte Verfahrensarten setzen nicht nur die Beteiligungen der Träger öffentlicher Belange, sondern auch Öffentlichkeitsbeteiligung und gegebenenfalls Umweltverträglichkeitsprüfung voraus. Denken Sie zum Beispiel an Datenfeststellungsverfahren. Planfeststellungsverfahren können über Monate, zum Teil auch über Jahre andauern. Bei komplizierten Verwaltungsverfahren kann es auch ein ordnungsgemäßes Verfahren sein, ein Gutachten eines Dritten herbeizuziehen. Ich wollte damit nur ausführen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass dies ein sehr differenziertes Feld ist.

Wer eine derartige Auflistung verlangt, legt die zu kommunalisierenden Bereiche lahm und gefährdet die Übergabe der Vorgänge zum 01.08. dieses Jahres an die Kommunen.

(Beifall bei der CDU)

Das kann keiner wollen, dem am Erfolg dieser Reform gelegen ist. Selbstverständlich können wir bis zum 01.08. nicht alle Verwaltungsverfahren bei den übergehenden Aufgaben abgeschlossen haben, schließlich gehen bis Ende Juli auch fortlaufend neue Anträge ein. Die Staatsregierung und die kommunale Seite arbeiten daran, den Übergang des Personals, der notwendigen Sachausstattung sowie der IT-Verfahren auf die kommunale Ebene

sicherzustellen. Die dazu notwendigen Gespräche und Abstimmungen finden fortlaufend statt.

Meine sehr verehrten Vertreter der FDP-Fraktion! Über die Verwaltungsreform wurde bereits viel Pessimismus verbreitet. Anfangs haben Sie uns diese Reform nicht zugetraut und schon vom Scheitern der Koalition gesprochen. Dann wurde orakelt, wir könnten uns mit den Kommunen nicht über Termine einigen, wir bekämen keinen Mehrbelastungsausgleich hin. Herr Martens, ich möchte noch an die Diskussion zu Plauen erinnern. Dazu war Ihr Ansatz folgender: Alles soll so bleiben wie es ist; wir reden später darüber. Es war kein konstruktiver Beitrag.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich habe nach wie vor den Optimismus, dass wir zum 01.08. die Reform so umgesetzt haben, dass tatsächlich das, was wir als Ziel hatten, erreicht ist.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Danke schön. – Meine Damen und Herren! Gibt es aufgrund der Ausführungen des Herrn Ministers noch einmal einen Redebedarf? – Das sehe ich nicht. Dr. Martens, Sie haben das Schlusswort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da können Sie einmal aus den Antworten von Herrn Bandmann wie auch von Herrn Brangs sehen, was man mit einem einfachen Berichtsantrag so alles anrichten kann. Ich wusste nicht, dass es so einfach ist, wieder einmal hervorzuzaubern, wie uneinig sich die Koalition doch ist, wenn es speziell um das Personalvertretungsrecht geht. Das ist schon toll. Aber das ist nicht der Kern unseres Berichtswunsches gewesen. Es ist ja in der Vergangenheit öfter zutage getreten, dass sich die Koalition nicht einig ist.

Nein, hier geht es um einen anderen Punkt, obwohl ich allerdings nach den letzten Ausführungen glaube, dass dieser Berichtsantrag doch seine Berechtigung hat. Wenn Herr Brangs sagt, gut, es gibt einige Punkte, die nicht zufriedenstellend laufen, dann kann ich ihm nur entgegnen: Und welche Punkte sind das? Genau das wollen wir wissen. Wenn Sie stattdessen nur sagen, ich glaube, im Großen und Ganzen läuft es, dann drücke ich Ihnen die Daumen. Aber glauben allein – da ist die Opposition eben doch etwas genauer – reicht nicht. Wir wollen dazu auch etwas wissen.

Herr Brangs, wenn Sie sagen, Sie hätten so ganz toll, also ohne Beispiel, ohnegleichen einen Kündigungsschutz, dann stimmt das nicht. Nein, drei Jahre Schutz – überhaupt nicht. Davon ist kein Wort wahr. Sie haben triumphierend hier angeführt, dass zehn Jahre Kündigungsschutz eine völlig normale Forderung ist. In BadenWürttemberg sind zehn Jahre Kündigungsschutz hinein

geschrieben worden. Das haben Sie ja groß als Beispiel erwähnt.

Gestatten sie eine Zwischenfrage, Herr Dr. Martens?