Protokoll der Sitzung vom 11.07.2008

Jetzt kommt die Frage, ob das tarifvertraglich bedingt war oder aufgrund etwas anderem. Das ist die Entzauberung Ihres Argumentes, mit dem Sie die ganze Zeit während der Diskussion über Land gezogen sind. Ich habe Ihnen die Antwort schon gleich gegeben, weil ich sie weiß.

(Heiterkeit bei der SPD)

Das ist ein Standard von Herrn Brangs. Ja, so läuft das bei den Sozialdemokraten.

Das war aber taktisch unklug, Sie hätten sonst mehr Redezeit gehabt.

Die Argumente sind nicht wirklich neu, meine Damen und Herren.

Herr Staatsminister, Ihre Antwort – –

Jetzt möchte Herr Brangs doch fragen.

Ja. Jetzt lasse ich auch eine Frage zu.

Bitte jetzt, Herr Brangs.

Neue Frage, neues Glück!

Lieber Kollege, Sind Sie, nachdem Sie eingeräumt haben, dass die Regelungen in anderen vergleichbaren Bundesländern aufgrund des Tarifrechts nicht vergleichbar sind mit Sachsen, jetzt bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es mit Blick auf diese Regelung kein anderes Bundesland gibt, das einen solchen langen Kündigungsschutz vereinbart hat?

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Doch, Baden-Württemberg!)

Nein. Herr Lichdi, passen Sie doch mal auf!

Moment! Ob ich bereit bin, zur Kenntnis zu nehmen, dass es kein anderes Bundesland gibt, das drei Jahre – – Richtig, drei Jahre ist völlig

miserabel. Es gibt zehn Jahre in Baden-Württemberg. Da gebe ich Ihnen recht.

Meine Damen und Herren! Nein, die Übergabeverfügungen – – Herr Buttolo, Sie haben gesagt, es gebe 16 Fälle bei der Schiedsstelle. Gleichzeitig sagen Sie: Die Übergabeverfügungen sind noch nicht ausgehändigt. – Das heißt, es ist nicht klar, wie viele Rechtsmittel es hinterher noch gegen die Verfügungen gibt. Es gibt das Vorschaltverfahren, aber hinterher kann man immer noch mal ein Rechtsmittel einlegen. Auch das ist nicht klar.

Was mich erstaunt hat, ist Ihre Argumentation, Herr Staatsminister, dass die Frage nach der Ermittlung von Bearbeitungsrückständen zu schwierig sei, als dass man darauf eine Antwort geben könnte. Wir haben nicht nach Rückständen im Planfeststellungsverfahren gefragt. Dass das aufwendig ist, sieht jeder ein. Aber es geht doch um eine grobe Antwort auf die Zahlen. Wenn wir zum Beispiel 10 000 oder 20 000 Schwerbehindertenverfahren haben oder 1 000 Anträge oder Hunderte Anträge auf Landesblindengeld nicht bearbeitet werden, dann sollte es der Staatsregierung in der Tat möglich sein, darauf zumindest eine ungefähre größenmäßige Antwort zu geben. Stattdessen haben Sie uns lieber tausend Gründe genannt, warum Sie nichts wissen und die Staatsregierung auch nichts weiß.

Das heißt, im Moment befinden wir uns zwar in der Anflugphase der Verwaltungsreform, allerdings wird das Landeverfahren im Blindflug durchgeführt. Sie werden verstehen, dass das jedenfalls nicht unsere Billigung findet.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Danke schön. – Meine Damen und Herren! Das war das Schlusswort. Somit kommen wir zur Abstimmung.

Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt über den Antrag mit der Drucksachennummer 4/12724 abstimmen und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei keinen Enthaltungen und einer großen Anzahl Zustimmungen ist der Antrag dennoch mit überdeutlicher Mehrheit abgelehnt worden. Darüber herrscht Freude.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 6

Abschaffung der deutschen Handelsklassen und Überarbeitung der europäischen Qualitätsnomen

Drucksache 4/5844, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die einreichende Fraktion beginnt. Herr Kollege Weichert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist der letzte Tagesordnungspunkt für heute – aber nicht nur, sondern vielleicht gewis

sermaßen auch die Überleitung zum Büffet, jedenfalls inhaltlich.

Meine Damen und Herren! Brombeeren, Bohnen, Feldsalat, Himbeeren, diese Früchtchen gehören zu denen, die es geschafft haben, denn das Joch der deutschen Handelsklassen, unter dem sie jahrzehntelang gegängelt, in wertvolle, minderwertige, in gute und schlechte Exemplare unterschieden und dann entsprechend etikettiert wurden, ist Geschichte. Außer im Fall der Speisekartoffel wurde damit unsere Forderung nach Abschaffung der deutschen Handelsklassen schon mal erfüllt.

Stoff für Diskussionen haben wir dennoch genug, denn nach wie vor gibt es eine Fülle von Gesetzen, Verordnungen und Organisationen zur Überwachung der Qualität von Obst und Gemüse.

Erstens. Im Lebensmittelgesetz ist die Verordnung über tolerierbare Pflanzenschutzmittelrückstände, über Hygiene, Fremdstoffe usw. festgeschrieben. Das soll dem Verbraucher garantieren, dass er einwandfreie Nahrungsmittel erhält.

Zweitens. Das Düngemittelgesetz regelt die Zulassung von Düngemitteln und das Pflanzenschutzgesetz die Prüfung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln unter Berücksichtigung ihrer toxikologischen Wirkung.

Drittens. Neben den Lebensmittel-, Pflanzenschutz- und Düngemittelgesetzen gibt es noch verschiedene Qualitätsnormen für Gemüse, die die äußere Beschaffenheit gesetzlich festlegen. Gerade heute war das über die Tomate zu lesen.

Diese EG-Qualitätsnormen zur Sortierung von Obst und Gemüse wurden geschaffen, um Grundlagen für die einheitliche Vermarktung im gesamten europäischen Raum zu sichern. Fast alle im Handel befindlichen Gemüsearten sind durch EG-Normen erfasst. Sie sind obligatorisch, das heißt, sie werden wie Gesetze behandelt und müssen befolgt werden.

Doch solange die Verordnungen zuerst auf den Marktwert abzielen, muss der Sinn für den Verbraucher hinterfragt werden. Dieser greift sich vielleicht angesichts der europäischen Verordnung 1677/88 zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Gurken an den Kopf. Dieses Meisterstück menschlicher Regelungswut erlangte zweifelhaften Ruhm, als dessen Inhalt mit bissigem Spott in der Presse kommentiert wurde. Im Papier steht nämlich, dass ein 30 cm langes Gemüse der Gattung Cucurbita von einer gedachten Gerade höchstens um 3 cm abweichen darf.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Sonst darf es nicht als Handelsklasse 1 verkauft werden.

(Stefan Brangs, SPD: Skandal!)

Ähnlich lächerlich sind diverse Verordnungen zu anderen Lebensmitteln, und es wundert mich überhaupt nicht, dass der Bestand an EU-Richtlinien und Verordnungen mittlerweile auf 120 000 Seiten angewachsen ist.

Während der Krümmungsgrad einer Gurke, der Umfang eines Apfels oder die Länge einer Banane für die Nahrungsmittelindustrie und den Handel von Bedeutung sein mögen, sind für den Verbraucher der Genusswert und der Gesundheitswert viel wichtiger. Der Genusswert verbindet sich eng mit den Geschmacks- und Aromasubstanzen in Obst und Gemüse, der Gesundheitswert umfasst die Inhaltsstoffe, die für die Aufrechterhaltung der Körperfunktion des Menschen und für sein Wohlbefinden verantwortlich sind.

EU-Normen für Größe und Gewicht haben für eine Gleichschaltung von Obst und Gemüse gesorgt. Das meiste Obst und Gemüse, das man im Markt kaufen kann, sieht aus wie industriell gefertigt, und wenn man genau hinschaut, dann ist es das auch. Bewertet werden nur Äußerlichkeiten der Früchte, nicht aber der Vitamingehalt oder eine umweltschonende Erzeugung.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Mehr Schein als Sein!)

Auch Schadstoffreste müssen nicht deklariert werden, obwohl die Chemikalien gerade bei Obst durch die Schale bis ins Innenleben vordringen können. Meine Damen und Herren, es stimmt mich schon nachdenklich, wenn Ernährungswissenschaftler empfehlen, sich nach dem Schälen von Obst stets die Hände zu waschen.

Die Kernfrage nach der Qualität von Lebensmitteln kann mittels der aktuellen EU-Qualitätsnormen nicht beantwortet werden. Darum fordern wir mit unserem Antrag die Staatsregierung auf, sich für die verbraucherfreundliche Überarbeitung der EU-Qualitätsnormen einzusetzen. Dem zugrunde liegen muss ein Qualitätsbegriff, der sich an aktuellen Erkenntnissen der Ernährungsphysiologie orientiert. Sollte sich dabei das EU-Regelwerk ein wenig lichten, würde das Ansehen der Brüsseler MegaVerwaltung sicherlich nicht darunter leiden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, warum ist die Banane krumm?

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Horch zu! – Sobald die Blütenblätter abgefallen sind, strecken sich die Bananenfinger nach oben und wachsen dem Licht entgegen. Dadurch erhält die Banane ihre charakteristische leicht gebogene Form.

(Oh! bei allen Fraktionen)

Solche von Mutter Natur sehr sinnvoll eingerichteten Details regten in der Vergangenheit immer wieder die Fantasie der Regelungsfanatiker an. – Wir haben es bezüglich der Gurke schon besprochen. – Von ganz allein sind diese aber wohl nicht darauf gekommen, bestimmte Merkmale von Nahrungsmitteln zum Anlass zu nehmen, sie als limitierenden Zugangsfaktor zum europäischen Markt zu nutzen. Vielmehr dürfte das Interesse diverser Produzenten und Verarbeiter auch an der Abwehr von Konkurrenz eine entscheidende Rolle gespielt haben.