Worüber wir uns aber nicht einig sind, das ist die Lösung des Problems. Die Linksfraktion will die Anhebung des Einzahlungsbeitrages zur gesetzlichen Rentenversicherung der ALG-II-Bezieher.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diesem Antrag können und werden wir nicht zustimmen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens. Wem würde diese Anhebung helfen? Sie hilft zumindest nicht denjenigen, die in den letzten Jahren arbeitslos waren. Oder man legt ein teures Programm auf und erhöht nachträglich auch noch die Beiträge für sie. Wollen Sie das wirklich und, wenn ja, was kostet das?
Zweitens. Was die heutigen und zukünftigen Arbeitslosen betrifft, stellt sich ebenfalls die Frage: Was kostet das? Ich sehe in dem Antrag der Linken nicht eine einzige Zahl hierzu, geschweige denn eine Anleitung. Die entscheidende Frage ist doch auch: Wer soll denn die höheren Beiträge, bitte sehr, bezahlen? Sollen das die Beitragszahler sein, sollen das die Steuerzahler sein, also diejenigen, die in den letzten Jahren mit der größten Steuererhöhungsorgie seit Bestehen der Bundesrepublik belastet worden sind? Wollen wir insbesondere die Mittelschicht noch
weiter belasten? Dazu fehlt bei Ihnen eine eindeutige Aussage. Was Sie vorhaben, ist im Antragstitel dezent verschwiegen. Es ist ein neues Abgabenerhöhungsprogramm, und das lehnen wir definitiv ab.
Die Rentenversicherung ist keine Lebensversicherung. Damit wird kein individueller Kapitalstock aufgebaut, auf den man in späteren Jahren zurückgreifen kann. Darin widerspreche ich auch ausdrücklich Herrn Krauß, der hier den Eindruck vermittelt hat, man müsste jetzt nur einzahlen und dann hätte man in der Zukunft etwas sicher.
Wir haben das Umlageverfahren. Die Leistungserhöhungen, die wir jetzt auf Wunsch der Linksfraktion beschließen sollen, müssen wir also in späteren Jahren aus den dann vorhandenen Beiträgen unserer Kinder oder, soweit schon vorhanden, Enkel finanzieren. Da haben wir jetzt schon mit der bestehenden Generation genug Finanzierungsprobleme in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dort sollten wir – das dürfte hinlänglich bekannt sein – nicht noch eins draufsetzen.
Frau Schütz, ist es Ihnen dann lieber, wenn die Kommunen die Zeche zahlen und damit wir alle? Ist Ihnen das lieber? Nämlich über die Altersgrundsicherung, deren Ansprüche ja dann steigen, wenn man nicht genügend Rentenanwartschaften erwirbt.
Auf diese Problematik, Herr Kollege Pellmann, werde ich in meinem weiteren Beitrag noch eingehen, aber es wird die Frage sein, wen wir damit belasten.
Viertens. Wo wollen wir denn eigentlich die Prioritäten in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik setzen? Bei der Bekämpfung der Altersarmut gibt es unserer Meinung nach zwei Wege. Erstens, Menschen in Arbeit zu bringen, um selbst in die Rentenversicherung einzuzahlen und private Vorsorge zu treffen. Oder zweitens, Arbeitslosigkeit weiterhin zu finanzieren, damit Langzeitarbeitslosigkeit zu fördern und die Wiedereingliederung zu erschweren.
Ich sage Ihnen ganz klar: Die FDP will Ersteres, das ist auch schon ganz klar zum Ausdruck gekommen.
Sie wollen weiterhin Arbeitslosigkeit finanzieren und damit die öffentlichen Kassen als Verteilungsinstitut benutzen.
(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Ich lach’ mich doch kaputt! – Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)
(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Hat Ihnen das Herr Westerwelle eingeblasen, was Sie hier sagen?)
Wenn das eine Zwischenfrage ist, würde ich um das Stoppen der Zeit bitten; kommen Sie doch ans Mikro.
Geld, welches Sie im öffentlichen Verteilungssektor weiterhin mit vollen Händen ausgeben wollen, Geld, welches Arbeitnehmer und Arbeitgeber bereitstellen und das ihnen dann zur Eigenvorsorge fehlt. Zudem werden unserer Meinung nach damit falsche Anreize zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt geschaffen. Das kann niemand wollen. Wir wollen mehr Arbeit und nicht mehr Arbeitslosigkeit.
Allerdings darf uns natürlich das Schicksal von Langzeitarbeitslosen nicht egal sein. Die Lösung Grundsicherung im Alter ist ein Anfang. Über die Höhe und die Verteilung der Last auf die Schultern von Kommunen, Steuerzahlern und Bund muss man sprechen. Arbeitsmarkt- und rentenpolitisches Versagen des Bundes darf aber auch nicht zulasten der Senioren und Kommunen allein gehen.
Wir müssen auch im Niedriglohnbereich schauen, wie wir die Rentenanwartschaften auf ein vernünftiges Niveau bringen. Wer arbeitet, soll schließlich mehr haben als jemand, der nicht arbeitet. Das Gleiche soll natürlich für die Renten gelten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch etwas zum Nachdenken am Ende meines Redebeitrages. Glauben Sie, die Rente ist sicher auf dem heutigen Niveau? Glauben Sie wirklich, die gesetzliche Rente wird für jetzt 20- oder 30-Jährige in Zukunft annähernd ausreichen? Sie kennen selbst das Niveau. Wir werden im Jahr 2030 bei ungefähr 42 % des heutigen Nettolohnes landen.
Im Jahr 2030 bin ich 55 Jahre alt, das heißt, weder im Rentenalter noch im Bereich derer, die diese Lasten vollständig mitzutragen haben. Ich denke, wir sollten die Frage wirklich ehrlich beantworten und damit zu dem Schluss kommen, dass der Antrag der Linken völlig an der traurigen Realität vorbeigeht.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf die letzte Frage von Kollegin Schütz möchte ich antworten: Nein, ich glaube nicht, dass die Renten in der heutigen Höhe für die Zukunft gesichert sein werden. Sie haben die Antwort selbst schon gegeben. Aber ich glaube genauso wenig daran, dass der Vorschlag, den die Linksfraktion heute vorlegt – unabhängig davon, ob wir ihm zustimmen oder nicht –, etwas an dieser Tatsache ändert. Auch wenn wir diesem Antrag heute zustimmen, wird es die Situation nur im marginalen Maße verbessern oder verschlechtern.
Das Signal, das aber heute von uns kommen könnte, wäre, dass wir ernst nehmen, dass es in diesem Land Langzeitarbeitslosigkeit gibt und es uns bisher nicht gelungen ist, in entscheidendem Maße Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen. Wenn ich mir die Überschüsse der BA anschaue, dann sehe ich schon noch Spielraum, um auf die ursprüngliche Beitragshöhe für Hartz-IV-Empfänger zurückzukehren.
Die Frage, die Sie gestellt haben, verweist auf etwas ganz anderes. Sie verweist darauf, dass wir grundsätzlich über unser Rentensystem nachdenken müssen, und zwar aufgrund der demografischen Entwicklung. Das hat aber weniger mit dem heute hier gestellten Antrag zu tun.
Ich möchte auch auf den Kollegen Krauß eingehen, der sich hier immer nur auf Erwerbsarbeit bezogen und davon gesprochen hat, dass diejenigen, die nicht in Erwerbsarbeit sind, schließlich auch nichts beitragen und deshalb am Ende nichts bekommen würden. Das halte ich einfach auch in Hinsicht auf Frauen in Familienarbeit, von der Sie immer sagen, dass das eine wichtige Arbeit in der Gesellschaft ist, für einen großen Widerspruch. Diese Arbeit wird bisher in der Rente nicht entscheidend berücksichtigt. Insofern setzen Sie sich damit selbst in Widerspruch zu dem, was Sie sonst immer sagen.
Frau Kollegin Herrmann, ist Ihnen bekannt, dass seit geraumer Zeit auch für die Zeit, die Sie angesprochen haben, in der eine Frau zu Hause bleibt und sich um die Kindererziehung kümmert
oder ein Mann, danke für den Hinweis –, Einzahlungen in die Rentenversicherung in Höhe des statistischen Durchschnittseinkommens erfolgen?
Ja, das ist mir bekannt. Es ist aber doch so, dass eine Lücke zwischen dem Erwerbseinkommen, das erzielt werden könnte, und diesem Beitrag besteht.
Wir werden diesem Antrag zustimmen, weil Langzeitarbeitslosigkeit ein Problem ist und wir die Belastungen der Kommunen verringern wollen.