Protokoll der Sitzung vom 12.09.2008

Wir werden diesem Antrag zustimmen, weil Langzeitarbeitslosigkeit ein Problem ist und wir die Belastungen der Kommunen verringern wollen.

Wir hatten im Jahr 2006 etwa 9 000 Grundsicherungsempfänger. Das Statistische Landesamt hat festgestellt, dass diese Zahl pro Jahr um etwa 1 000 steigt. Die Spitze des Berges haben wir dabei noch nicht erreicht. Die Zahl derer, die in Zukunft von Altersarmut betroffen sein werden, wird noch erheblich steigen. Die Belastungen, die damit auf die Kommunen zukommen, werden sich weiter erhöhen. Das bezahlen wir schließlich dann auch alle aus Steuermitteln. Die Kommunen, denen heute schon das Wasser bis zum Hals steht, werden Mühe haben, dafür aufzukommen. Auch aus dem Grund sollten wir diesem Antrag zustimmen.

Ich finde es zynisch zu behaupten, dass, wenn wir dem zustimmen würden, dies ein Grund wäre für diejenigen, die heute arbeitslos sind, sich nicht um Arbeit zu bemühen. Das ist doch kompletter Quatsch, entschuldigen Sie.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion – Caren Lay, Linksfraktion: So ist es!)

Die geringe Erhöhung, die das im Alter ausmacht, wird niemanden davon abhalten, sich heute und hier um Arbeit zu bemühen.

Verantwortlich dafür, dass diese Menschen in Arbeit kommen, ist unter anderem die Bundesagentur.

Herr Krauß hat angeführt, dass das Rentensystem insgesamt in einer Schieflage ist und die Menschen, die heute als Geringverdiener bezeichnet werden, nicht in gleicher Weise von dem hier vorgeschlagenen Vorgehen profitieren würden. Wir müssen also überlegen, ob es eine Änderung geben kann, die auch für Geringverdiener attraktiv ist. Sie haben davon gesprochen, dass man überlegen muss, ob die Rentenanpassungsformel auf Geringverdiener ausgedehnt werden muss und wie das passieren könnte.

Derzeit ist es so – und davon redet DIE LINKE tatsächlich nie –, dass es eine Rentenanpassungsformel gibt, die dafür sorgt, dass die Unterschiede im Lohnniveau zwischen Ost und West, die es vor 1989 gab und die es eben immer noch gibt, annähernd ausgeglichen werden. Das gilt für alle Einkommensbezieher, unabhängig davon, ob sie viel verdienen oder wenig, ob sie derzeit schon 100 % des Westniveaus erreicht haben oder nicht. Diese Lohn

anpassungsformel gilt für alle. Wir müssen uns fragen, ob das gerecht ist oder wir nicht eine andere Lösung finden müssen. Sie sprechen immer von der Angleichung der Rentenwerte; aber davon, dass es diesen anderen Mechanismus gibt, der eine Aufwertung der ostdeutschen Renten zur Folge hat, sprechen Sie im Allgemeinen nicht. Wir müssen überlegen, ob wir an dieser Stelle eine andere Lösung finden können, die auch Geringverdiener stärker im Alter profitieren lässt.

Aber wir stimmen heute diesem Antrag zu. Ich habe erklärt, warum. Wir haben Langzeitarbeitslose, die von Armut im Alter bedroht sind. Das ist eine Möglichkeit, dort etwas entgegenzusteuern, bis uns irgendwann der große Wurf gelingt.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Gibt es in der allgemeinen Aussprache von den Fraktionen noch Redebedarf? – Das kann ich nicht erkennen. Ich erteile der Frau Staatsministerin Clauß das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Drohende Altersarmut beschäftigt seit geraumer Zeit gleichermaßen Gesellschaft und Politik. Mit ihrem Antrag auf Anhebung des Beitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II versucht die Linksfraktion zu vermitteln, dass drohende Altersarmut dadurch vermieden werden könnte.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Vermindert!)

Dieses Ziel ist wünschenswert und sowohl für die Staatsregierung als auch für mich ein besonders wichtiges Anliegen. Wir brauchen eine armutsfeste Alterssicherung aus der gesetzlichen Rentenversicherung,

(Beifall des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion)

denn sie ist eine Grundbedingung für die Akzeptanz des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Altersarmut ist gegenwärtig noch kein dringendes sozialpolitisches Problem: Wer in den Neunzigerjahren oder davor in Rente gegangen ist, weist in der Regel eine kontinuierliche Erwerbsbiografie auf. Dies spiegelt sich in der Höhe der beitragsbezogenen gesetzlichen Rente wider. Allerdings kann sich das für künftige Rentnerinnen und Rentner anders gestalten, sofern sie lange Phasen von Arbeitslosigkeit oder Selbstständigkeit ohne Absicherung durchlaufen haben. Die Vermeidung von Altersarmut ist daher eine große Herausforderung.

Die Anhebung des Beitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslo

sengeld II ist einer von mehreren möglichen Schritten zur Vermeidung von Altersarmut. Ich weise jedoch darauf hin, dass ein solches Vorgehen eine beschäftigungspolitische Resignation offenbart und die mit langfristigem Bezug von Arbeitslosengeld II verbundene Arbeitslosigkeit als verfestigt und politisch nicht zu gestaltende Tatsache anerkennt. Zudem sieht das Jahresgutachten 2007/2008 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in einer solchen Beitragsanhebung – diese wäre vom Bundeshaushalt zu tragen – sehr große und kaum zu kalkulierende fiskalische Risiken.

Die Fraktion DIE LINKE steht damit im Widerspruch zu dem ebenfalls angestrebten zentralen Ziel der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Außerdem bestätigt das Gutachten, dass eine wirksame Arbeitsmarktpolitik, die nachhaltig auch die Beschäftigungsmaßnahmen – auch von gering Qualifizierten – erhöht und das Ausmaß der Langzeitarbeitslosigkeit verringert, die bessere Strategie zur Verhinderung von Altersarmut ist.

Beschäftigungspolitik allein ersetzt Rentenpolitik nicht. Aber gute Rentenpolitik kann nur gelingen, wenn sie auf beschäftigungspolitischen Erfolgen beruht. Auch das sagt das Gutachten. Altersarmut ist ein komplexes Problem. Sie bedroht insbesondere Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, Menschen mit Lücken in der Erwerbsbiografie, geringfügig Beschäftigte und Selbstständige mit geringem Einkommen und ohne eigene Angestellte. Für diese besonders gefährdeten Gruppen gilt es, wirksame Maßnahmen zur Verringerung des Risikos der Altersarmut zu finden.

Die Koalitionsfraktionen haben deshalb bereits im Juli 2008 den Antrag „Programm für eine zukunftsfähige Rente“ in den Landtag eingebracht. Dieser Antrag beinhaltet unter anderem, sich auf Bundesebene – gemeinsam mit anderen neuen Bundesländern – dafür einzusetzen, dass die gesetzliche Rente für langjährige Beitragszahler auch künftig eine ausreichende Lebensgrundlage bildet. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist ein aufeinander abgestimmtes Maßnahmenbündel zu prüfen. Diesem Zweck dient der genannte Antrag – es war die Drucksache 4/12868.

Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE ist verfrüht. Derzeit befinden sich mögliche Handlungsoptionen in der Prüfung. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Zielgenauigkeit der Optionen sowie den sich daraus ergebenden Konsequenzen, um diesem sehr wichtigen Anliegen gerecht werden zu können.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das Schlusswort hat die Linksfraktion. Ich erteile Herrn Dr. Pellmann das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden

Nachsicht mit mir haben müssen, dass ich nicht auf alle angesprochenen Probleme eingehen kann.

Herr Krauß, Ihnen muss ich vorwerfen – nicht erst seit heute –, dass Sie zum wiederholten Male Arbeitslosigkeit in einer Weise individualisieren, dass die Leute Schuldgefühle entwickeln könnten. Ich sage Ihnen deutlich, die Position meiner Fraktion ist: Arbeitslosigkeit ist ein gesellschaftliches Gesamtproblem.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Dort müssen wir ansetzen und diese insgesamt bekämpfen. Herr Krauß, das muss ich Ihnen ins Stammbuch schreiben: Sie spielen hier in unzulässiger – vielleicht auch unverantwortlicher – Weise auf prekäre Jobs an, zu denen Hartz-IV-Betroffene nicht freiwillig hingehen; sie werden gezwungen. Das nehme ich Ihnen persönlich übel. Das geht nicht.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Eines ist klar: Hartz IV hat zu einer Absenkung oder zumindest zu einem Stillstand des Durchschnittslohnniveaus geführt. Es liegt nicht nur an den Betroffenen, dass sie in eine problematische Lage geraten sind. Insofern erfüllt Hartz IV auch einen völlig anderen Zweck.

Sie sagen, dass wir keine eigenen Vorschläge machen. Ich muss Sie wirklich bitten, aufmerksam die gesamten Plenardebatten im Sächsischen Landtag zu verfolgen. Wir werden Ihnen nicht den Gefallen tun, bei jedem Antrag unser gesamtes Vorschlagspaket zu wiederholen, damit Sie es endlich zur Kenntnis nehmen. Es gibt keine Fraktion in diesem Hause, die so viele konstruktive arbeitsmarktpolitische Vorschläge wie die Linksfraktion gemacht hat.

(Beifall bei der Linksfraktion – Gelächter bei der CDU – Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Frau Staatsministerin Clauß, wir kennen uns sehr lange. Ich möchte deshalb das Problem nur kurz ansprechen: Sie gehen wie viele andere in der Literatur – in der liberalen Literatur – davon aus, dass wir es heute mit dem Problem der Altersarmut noch nicht richtig zu tun hätten. Ich sage Ihnen eines – das haben wir immer wieder in Ausschüssen diskutiert –: Wir können uns nicht eine Armutsgrenze ausdenken, die sich an dem sogenannten Existenzminimum, das Sie jeden Tag anders definieren, bemisst. Das geht nicht. Wir haben bereits heute mit Altersarmut in Sachsen zu tun, und das nicht zu knapp.

(Caren Lay, Linksfraktion: So ist es!)

Sie wird steigen. Darin stimmen wir überein. Aber so zu tun, als ob es heute noch keine Altersarmut gäbe, geht nicht.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wir wollten keine generelle Rentendebatte führen. Insofern werde ich darauf aus Zeitgründen nicht mehr gesondert eingehen.

Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Eines möchte ich Ihnen noch sagen: Wir werden in Zukunft sehr wohl Rentendebatten führen. Ich kann Ihnen jetzt schon voraussagen: Es werden keine Debatten sein, in denen wir über zu wenig Kinder jammern, sondern in denen wir Ihnen sagen, wie in diesem Lande die gesellschaftlichen Reichtümer umverteilt werden müssen, damit endlich alle eine existenzsichernde Rente erhalten können. Das ist möglich.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Dr. Pellmann, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Schließlich möchte ich ein letztes Wort an die NPD richten: Bei Ihnen

scheint der so oft gepriesene Widerstand gegen Hartz IV davon abzuhängen, ob jemand krank ist oder nicht. Mehr muss ich dazu nicht sagen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Im Übrigen bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Wir können nicht warten, bis irgendjemand entschieden hat, wo es langgehen soll.