Protokoll der Sitzung vom 10.03.2005

(Dr. Gisela Schwarz, SPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber klar!

Frau Kollegin Höll, geben Sie zu, dass Sie diese Anträge einzig und allein deshalb gestellt haben, um den Versuch zu machen, uns nachzuweisen, dass wir von unserer Strategie abgewichen wären, was nicht der Fall ist? Denn gerade das, was jetzt in die Praxis umgesetzt wird, entspricht unseren Strategien.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Nein. Erstens, Frau Schwarz, entspricht das, was umgesetzt wird, nicht Ihrer Strategie; denn Sie sind noch im vergangenen Jahr davon ausgegangen, dass ein eigenständiges Zentrum zur Bündelung notwendig ist, um eine wirklich kontinuierliche Arbeit leisten zu können, und Sie sind auch im vergangenen Jahr noch davon ausgegangen, dass die Handlungsempfehlungen tatsächlich umgesetzt werden sollen, und das ist ein anderer, weil umfassenderer Ansatz als das, was jetzt versucht wird. Ich negiere nicht, dass von der Frau Ministerin etwas versucht wird und dass es Anfänge gibt. Diese werden auch von uns unterstützt. Aber das ist nicht das, was Sie im vergangenen Jahr noch wollten und was wir immer noch wollen.

(Zuruf der Abg. Dr. Gisela Schwarz, SPD)

Es geht hier nicht darum, jemanden vorzuführen, sondern es geht darum, auf dieser Strecke wirklich voranzugehen. (Beifall bei der PDS)

Es wird sich für mich nicht erschließen, liebe Frau Kollegin, wenn Sie sich einerseits hier hinstellen und betonen, dass das GISA in Sachsen-Anhalt eine gute Arbeit macht, dass man mit ihnen zusammen arbeitet und ihre Erfahrungen nutzt, und gleichzeitig sagen, dass ein Gender

Report prinzipiell Stückwerk bleibt. Der jährliche Gender-Report des GISA ist ein wesentlicher Bestandteil Ihrer Arbeit. Einerseits loben Sie das Institut und nun sagen Sie: Die machen doch sowieso nur Stückwerk,

(Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)

weil sie sich im Wesentlichen auf den Gender-Report, auf die jährliche Fortschreibung des Gender-Reports konzentrieren. Das kann man doch eigentlich im Kopf nicht ganz zusammenkriegen.

Gerade in der Woche, in der wir hier einen Jahrestag begehen, den 140. Jahrestag der Gründung des Allgemeinen Bildungsvereins in Leipzig, in der wir den 8. März, den Internationalen Frauentag, gefeiert haben, sind wir hier mit unserem Darauf-Dringen, den Gender-Ansatz tatsächlich auch durchzusetzen und anders anzustoßen, sehr aktuell, weil Frauen sich hier bemühen, ihre Situation zu ändern, indem sie die Situation beider Geschlechter verbessern. Dafür brauchen wir eine Datenerhebung, dafür brauchen wir eine Bündelung der Kräfte, und deshalb haben wir diese Anträge gestellt und werben um Unterstützung.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung über die beiden Drucksachen. Ich lasse zuerst über die Drucksache 4/0093 abstimmen. Wer dieser Drucksache die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Anzahl von Stimmen dafür ist die Drucksache mehrheitlich abgelehnt.

Ich lasse abstimmen über die Drucksache 4/0588, Antrag der Fraktion der PDS. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Anzahl von Stimmen dafür ist auch diese Drucksache mehrheitlich abgelehnt. Der Tagesordnungspunkt 7 ist damit beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Generelle Genehmigung des Sächsischen Landtages zur Strafverfolgung gemäß § 76 Abs. 2 GO

Drucksache 4/0838, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Die Fraktionen können wie immer zu dem Antrag Stellung nehmen. Es beginnt die CDU, danach SPD, PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Fraktion der CDU, das Wort zu nehmen. Herr Steinbach, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mitglieder des Sächsischen Landtages genießen nach § 55 der Sächsischen Verfassung Immunität. Dabei dient die Garantie der Immunität weniger dem Schutz des einzelnen Abgeordneten vor einer strafrechtlichen Verfolgung, das Ziel der

Regelung ist vielmehr, ausgehend von den historischen Erfahrungen, die Arbeitsfähigkeit des Landtages sicherzustellen.

Demgemäß entzieht Artikel 55 der Sächsischen Verfassung die Abgeordneten auch nicht vollständig einer strafrechtlichen Verfolgung, sondern verlangt, dass diese nur mit einer ausdrücklichen vorherigen Genehmigung des Landtages erfolgen darf. Das Erfordernis dieser Genehmigung gilt für alle Strafverfolgungsmaßnahmen, angefangen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens über gegebenenfalls erforderliche Durchsuchungen und Beschlagnahmen bis hin zu der Erhebung einer Anklage oder dem Erlass eines Strafbefehls.

Den Strafverfolgungsorganen sind bei der strafrechtlichen Verfolgung von Abgeordneten also hohe Hürden gesetzt. Das Verfahren der Immunitätsaufhebung durch den Landtag ist kompliziert und Zeit raubend: Es bedarf eines entsprechenden Antrags der Staatsanwaltschaft, einer Befassung des Geschäftsordnungsausschusses und einer anschließenden Entscheidung des Landtages über die Aufhebung der Immunität. Von der Antragstellung bis zu der endgültigen Entscheidung des Landtages werden regelmäßig einige Wochen verstreichen. Dies liegt nicht unbedingt immer im Interesse einer effizienten Strafverfolgung, an der wir doch hoffentlich alle interessiert sind.

Andererseits erscheint es im Interesse der Arbeitsfähigkeit des Landtages auch nicht geboten, für Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Landtagsabgeordnete im jedem Einzelfall eine ausdrückliche Genehmigung des Landtages zu verlangen. Dies gilt vor allem für die Einleitung von Ermittlungsverfahren; denn durch ein bloßes Ermittlungsverfahren gegen einen Abgeordneten wird die Arbeitsfähigkeit des Landtages mit Sicherheit noch nicht eingeschränkt. Dies gilt aber im Interesse einer effizienteren Strafverfolgung beispielsweise auch für Durchsuchungen oder Beschlagnahmen, soweit der sofortige Vollzug zur Sicherung von Beweisen unbedingt erforderlich ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage.

(Uwe Leichsenring, NPD: Das ist aber bedauerlich!)

Nach acht Uhr gibt es keine Zwischenfragen mehr.

(Heiterkeit)

Mit anderen Worten: Eine Genehmigung in jedem Einzelfall wäre in vielen Fällen weder sachgerecht noch hilfreich. Wer zu Unrecht angezeigt worden ist und an einer schnellen und geräuschlosen Klärung der Vorwürfe interessiert ist, sähe sich mit einem langwierigen Verfahren konfrontiert, in dem erst einmal alle Vorwürfe – und seien sie auch noch so haltlos – öffentlich breitgetreten würden, und wer wirklich Dreck am Stecken hat, der könnte in aller Ruhe Belastungsmaterial verschwinden lassen. Das kann nicht sein.

Aus diesem Grunde haben sich der Bundestag und die Landtage entschlossen, die genannten Strafverfolgungsmaßnahmen generell zu genehmigen und auf eine Befassung des Parlaments in jedem Einzelfall zu verzichten. Auch die Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages eröffnet in § 76 Abs. 2 diese Möglichkeit. Mit unserem Antrag wollen wir – wie in den vergangenen Wahlperioden auch – von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Danach sollen Ermittlungsverfahren, Straftaten, Dienstvergehen und Verletzungen von Berufs- und Standespflichten bis zum Ablauf dieser Wahlperiode generell als genehmigt gelten. Gleiches gilt für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und den Vollzug von Durchsuchungen oder Beschlagnahmen, soweit diese zur Beweissicherung unbedingt notwendig sind.

Mit den Einschränkungen unter Punkt I Nummern 2 bis 4 wird sichergestellt, dass die Rechte des Landtages dabei jederzeit gewahrt bleiben. Wir haben uns mit unserem Antrag wörtlich an dem Beschluss orientiert, den der Landtag für die 3. Wahlperiode gefasst hat. Ergänzend hinzugekommen ist lediglich die Klarstellung unter Punkt I Nr. 3, dass Wochenenden und gesetzliche Feiertage bei der Berechnung der Wartefrist, die die Staatsanwaltschaft nach Anzeige der beabsichtigten Maßnahmen beim Landtagspräsidenten und dem betroffenen Abgeordneten zu beachten hat, unberücksichtigt bleiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sicher, dass wir mit unserem Vorschlag eine gute Lösung gefunden haben, die den praktischen Bedürfnissen der Strafverfolgungsbehörden und den Interessen des Landtages gleichermaßen Rechnung trägt.

(Beifall der Abg. Iris Schöne-Firmenich, CDU)

Lassen Sie mich an dieser Stelle abschließend deutlich sagen, dass ich einen Beschluss des Landtages über die generelle Genehmigung zur Strafverfolgung im Interesse einer effizienten Arbeit der Strafverfolgungsbehörden gerade in dieser Wahlperiode für besonders wichtig halte.

Ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Ich erteile das Wort der SPD. Herr Bräunig, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Hinblick auf die fortgeschrittene Stunde

(Beifall des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

und auch im Hinblick darauf, dass es meiner Meinung nach keiner ausschweifenden Begründung für diesen Antrag bedarf, versuche ich, mich kurz zu fassen. Kollege Steinbach hat im Prinzip bereits die wesentlichen Argumente für diesen Antrag geliefert.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Lassen Sie mich dennoch vielleicht zwei, drei Ausführungen machen:

Die Geschäftsordnung, die sich dieses Haus gegeben hat, sieht in § 76 Abs. 2 die Möglichkeit vor, eine generelle Genehmigung zur Strafverfolgung zu erteilen. Genau von dieser Möglichkeit wollen wir Gebrauch machen.

Warum ist diese generelle Genehmigung sinnvoll, ausgehend von der Immunität der Abgeordneten, die verfassungsrechtlich garantiert ist? Wie wir wissen, besteht gemäß Artikel 55 der Sächsischen Verfassung im Prinzip grundsätzlich gegenüber den Abgeordneten dieses Hauses ein Strafverfolgungshindernis – kein Strafverfolgungsverbot, sondern ein Hindernis – und Herr Steinbach hat hier schon dargelegt, was passiert, wenn die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren einleiten will. Ein komplizierter Prozess wird in Gang gesetzt: Die Staatsanwaltschaft muss einen Antrag stellen – über den

Dienstweg, wohlgemerkt –, der dann irgendwann dem Staatsminister der Justiz vorliegt und über den Landtagspräsidenten in den Immunitätsausschuss kommt.

Wenn wir das in jedem Einzelfall zelebrieren wollen, dann ändert das trotzdem nichts daran, dass die Beschlussempfehlung des Immunitätsausschusses regelmäßig beinhalten würde, dem Antrag zuzustimmen. Das würde aus dem einfachen Grund dann der Fall sein, weil in einem Ermittlungsverfahren der maßgebliche Zweck des Immunitätsrechts, nämlich die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes als Ganzes zu erhalten, regelmäßig nicht tangiert würde. Somit kann man unter diesem Gesichtspunkt eine generelle Genehmigung zur Strafverfolgung erteilen. Das halte ich in Anbetracht einer effektiven Strafrechtspflege und vor dem Hintergrund, dass wir als Parlament das Bestreben haben sollten, die Mitglieder des Landtages im Falle eines Strafverfahrens nicht anders zu behandeln als alle anderen Bürger, für geboten.