Protokoll der Sitzung vom 16.10.2008

(Staatsminister Thomas Jurk: Das ist eine bösartige Unterstellung!)

Darüber hinaus müssen die Mitglieder der Aufsichtsgremien ordentlich vorbereitet werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden die Gremienmitglieder vom Eigentümer, dem Freistaat Sachsen, allein gelassen. Das Finanzministerium hat in seiner Kurzstellungnahme zu unserem Antrag ausgeführt, dass alle Gremienmitglieder ihr Amt eigenverantwortlich wahrnehmen. Für die Vorbereitung aller Gremienmitglieder des Freistaates Sachsen gebe es keine finanziellen Ressourcen. Man könne sich aber überlegen, ein Merkblatt über die Rechte und Pflichten als Gremienmitglied zu erstellen.

Das sächsische Finanzministerium ist übrigens für die zentrale Steuerung des Beteiligungsbesitzes zuständig. Dort sitzt das Know-how. Insofern halten wir den Hinweis auf ein „Merkblatt“ für ziemlich dürftig.

(Beifall bei der FDP)

Drittens. Darüber hinaus müssen wir bereit sein, die Fachleute in den Aufsichtsgremien auch angemessen zu vergüten. Im Freistaat Sachsen, so das Finanzministerium, werden grundsätzlich keine Vergütungen gezahlt. Diese Vorgehensweise ist aus kameralistischer Sicht sehr löblich, springt aber viel zu kurz. Der FDP-Fraktion wäre es lieber gewesen, wir hätten für Fachleute im Verwaltungsrat der Landesbank Sachsen Geld in die Hand genommen, dann hätten wir mit größerer Wahrscheinlichkeit das finanzielle Desaster minimieren können.

(Beifall bei der FDP – Karl Nolle, SPD: Sehr wohl!)

Jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, sitzen wir auf einer milliardenschweren Bürgschaft und auf einem Verlust durch den Verkauf der Landesbank Sachsen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro. Die vorgenannten Verluste sowie die eingegangene Bürgschaft sind aus kameralistischer Sicht noch viel schlimmer.

Sehr geehrte Damen und Herren! Stimmen Sie deshalb dem Antrag der FDP-Fraktion zu. Die Staatsregierung steht nach eigenen Angaben schon zu einem weiteren Bericht bereit. In der Kurzstellungnahme des Finanzministeriums heißt es: „Eine Bearbeitung des Antrags sollte in der vorgesehenen Frist möglich sein.“

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Die CDUFraktion, bitte; Herr Abg. Patt.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag stammt noch aus der Zeit der Sachsen-LB-Krise. Das hält ja auch noch an, und ich kann auch verstehen, dass die Emotionen heute ähnlich sind, beinahe noch umfassender.

Auf wen haben wir uns eigentlich verlassen? Nun können wir vieles auflösen und regeln, aber auf wen haben wir uns verlassen? Auch auf welche Wirtschaftsprüfer haben wir uns verlassen, auf welche Ratingagenturen, auf welche Bankaufsicht, auf welche Berater haben wir uns eigentlich verlassen? Sind wir am Ende verlassen gewesen?

Konsequent wäre es auch im Sinne des Antrags von Kollegen Schmalfuß, wenn wir über die Besetzung auf der exekutiven Seite in diesem Unternehmen sprechen, also über die Vorstände und über die Geschäftsführung. Auf wen haben wir uns dort verlassen? Ist dort der richtige Sachverstand gewesen? Ich spreche noch eine ganz andere Ebene an. Es geht in Ihrem Antrag ja leider auch nicht darum, was auf der kommunalen Ebene ist, wo Ehrenamtler in Großbetrieben mehr oder weniger strategisch mehr oder weniger zufällig sitzen und mit entscheiden. Also in Aufsichtsgremien in den Landesbetrieben geht es der FDP darum, wen man da hinschickt – einfache Leute, die hartnäckig hinterfragen. Das hätte vielleicht dem Kreditausschuss der Sachsen LB manchmal ganz gut getan, ganz einfache Fragen bis zum Ende zu stellen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte.

Bitte, Herr Morlok.

Herr Kollege Patt, Sie haben gerade das Thema Wirtschaftsprüfer und Geschäftsführung angesprochen. Können Sie mir sagen, wer die Wirtschaftsprüfer und die Geschäftsführer der Sachsen LB, die Vorstände, ausgewählt hat?

Herr Kollege, ich glaube, wir haben dabei keinen Dissens, dass diese Funktionen im Verwaltungsrat, was die Sachsen LB betrifft, oder im Aufsichtsrat entsprechend bestellt werden, vorausgewählt und nominiert durch die Vorstellungen der Geschäftsführer. Ich glaube, wir liegen, was Ihren Antrag betrifft, auch nicht auseinander, wenn wir uns hier alle ansehen. Die Frage ist jetzt, wie wir vorgehen und was er beinhaltet. Darauf möchte ich eingehen.

Wenn Sie über die Aufsichtsgremien in diesen Landesbetrieben gesprochen haben, wen man da schickt, so habe ich gesagt, wenn wir einfache Leute hinschicken, dass diese vermutlich hartnäckiger hinterfragen, um es zu verstehen. Schicken wir Leute mit Sachverstand hinein, wenn ja, mit welchem Sachverstand? Mit finanzierungswirtschaftlichem Sachverstand, mit gesellschaftsrechtlichem, mit inhaltlichem Sachverstand, was den Betriebszweck betrifft? Was für einen Sachverstand verlangen wir denn da? Oder formal qualifizierten Sachverstand? Dann sind da nur noch Juristen und Wirtschaftsprüfer, denn das sind diejenigen, die ex autorità de dignitate ihres Studiums diese Qualifikation mitbringen. Da bin ich manchmal

froh, dass es auch Ökonomen im Rechnungshof gibt. Es ist die Frage, welche dieser Sachwalter wir denn suchen, oder suchen wir gar Berufsaufsichtsräte, die möglicherweise nicht sonderlich in unserem Land verankert sind und wo es auch schon einmal systematische Interessenkollisionen geben kann?

Ich bin sicher, die Staatsregierung wird gleich einige der Bedingungen und auch die Beschränkung bei der Besetzung von Aufsichts- und Verwaltungsräten ansprechen. Damit dürfte schon eine ganze Menge Punkte aus Ihrem Antrag erledigt sein.

Aber es werden, egal wie, Strukturprobleme übrig bleiben, die wir auch lösen müssen und die wir nicht nur mit diesem Antrag lösen müssen. Die Strukturprobleme, die dahinterstecken, sind die Fragen, ob wir eine Beteiligungssteuerung oder eine Beteiligungsverwaltung im Freistaat brauchen. Brauchen wir eine Beteiligungssteuerung oder nur eine Rechtsaufsicht, so wie das bei der Sachsen LB gemacht wurde? Zu welchen Zwecken sitzt jemand im Aufsichtsgremium? Vertritt er die Interessen der Kapitalseite oder der Gesellschafter, vertritt er die Interessen der Gesellschaft? Das sind Strukturfragen, die wir so ohne Weiteres auch mit diesem Antrag nicht lösen können, aber die ich für sehr viel wichtiger halte. Da verselbstständigt sich manchmal schon, was nicht im Sinne des Parlaments wäre, wenn die Aufsichtsräte nur noch dem Gesellschaftszweck zu dienen haben. Wie kommen wir dann noch an Rundfunk- und Fernsehanstalten heran, denn da können wir schon kaum noch kontrollieren, und was verselbstständigt sich dort alles?

Wenn ich mir jetzt diese 18 Betriebe im Freistaat, bei denen wir eine Mehrheitsbeteiligung haben, ansehe und dann noch die zwei abziehe, die sich in Liquidation befinden, und die drei, die vielleicht nur Steuerungs- bzw. Komplementäraufgaben wahrnehmen, dann habe ich allerdings den Eindruck, dass der Freistaat ordentliche respektable Vertreter sowohl im Aufsichtsrat als auch in den Geschäftsleitungen hat. Die Sachsen LB haben wir nicht mehr. Aber Aufsichtsmitglieder müssen auch anwesend sein, und die Staatsregierung muss sich hier sehr genau überlegen, wie sie damit umgeht. Es kann nicht sein, dass die Vertreter, zumindest in diesem Fall, den Sie geschildert haben, so häufig fehlen. Ansonsten haben wir darüber hier wenig Übersicht.

Schulungen sind notwendig und sinnvoll. Es bedarf eines Erfahrungsaustausches. Aber Fachleute sollten wir je nach Bedarf heranziehen und nicht in diesen gering besetzten Aufsichtsräten, Verwaltungsräten vorab festzimmern. Wir brauchen für diese komplexen Strukturen jeweils Fachleute zu gegebener Zeit. Ansonsten haben diejenigen, die uns dort vertreten, zumindest mein ausreichendes Vertrauen und auch das meiner Fraktion.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Die Linksfraktion, bitte; Herr Scheel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die FDPFraktion einen Antrag stellt mit dem Thema „Mehr Sachverstand in den Kontrollgremien von Landesunternehmen“, hat man natürlich gleich erst einmal das dumpfe Gefühl, ob da vielleicht etwas Agitation dabei ist.

(Zuruf von der FDP: Niemals!)

Hier darf ich sagen, dass Sie mit Recht ein Problem aufgegriffen haben, das sich in der Bearbeitung des Landesbankthemas unumstritten geradezu aufdrängt. Es wäre, glaube ich, falsch, bei diesen durchaus wichtigen Fragen nach den fragwürdigen Kriterien, die wir bei der Auswahl an den Tag legen sollten, bei der Qualifikation, bei der Sicherstellung von Teilnahme und sonstigen Fragen auf eine formale Antwort zu verweisen, dass jeder eigentlich für sich selbst verantwortlich ist.

Ich glaube, wir haben in der Debatte um die Landesbank sehr gut feststellen dürfen, dass es eben nicht sein kann, dass eine Staatssekretärin, also die rechte Hand eines Ministers, die Amtschefin, wenn man so will, für sich selbst entscheidet, ob es richtig oder falsch ist, an Sitzungen teilzunehmen, und es für richtig hält, nur an acht von 24 Sitzungen eines doch wichtigen Gremiums wie des Kreditausschusses teilzunehmen. Man kann es ja hier sagen – es war eine öffentliche Sitzung, und es ist auch durch die Medien gegangen –, dass Frau Andrea Fischer dort kein Problembewusstsein hatte. Das ist ein deutliches Indiz dafür, dass auch einiges an Problembewusstsein innerhalb der Staatsregierung scheinbar abhanden gekommen ist. Dieses Problembewusstsein gilt es mit der heutigen Debatte und diesem Antrag wieder einmal in die Hinterköpfe zu rücken.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Karl Nolle, SPD)

Ich gebe gern zu, dass das öffentliche Eigentum und die öffentliche Steuerung von Unternehmen genau durch solche Beispiele in Verruf geraten sind. Solche Beispiele sind meines Erachtens Ausdruck für eine Einstellung, die sich breitgemacht hat, dass solche Gremienvertretungen von Unternehmen in öffentlicher Hand zu einer Art lästiger Pflicht geworden sind. Dass eine solche Einstellung Raum gegriffen hat, hat etwas damit zu tun, dass sie, mit Parteiproporz besetzt, eben qua Amt hineingebracht wurde und damit nichts weiter an innerer Verantwortung verbunden war.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Gerade solche Teilhabesachen dürfen nicht passieren. Es darf auch nicht passieren – diesen Eindruck musste man gewinnen –, dass die Vorbereitung auf solche Sitzungen – auch da wieder der Kreditausschuss – scheinbar ebenfalls eine lästige Pflicht war. So musste man den Eindruck gewinnen, dass die Vorlagen nicht gelesen wurden, sich nicht damit auseinandergesetzt wurde und dass überhaupt keine Abstimmung – allein unter den Ministerien –

stattfand. Man saß im gleichen Ausschuss und wusste überhaupt nicht, worüber man eigentlich redet und welche Position die Staatsregierung hat. Stattdessen wurde es den einzelnen Personen überlassen, ihre Position nach eigenem Gutdünken beliebig auszufüllen.

(Karl Nolle, SPD: Das ist doch eine Legende!)

Das ist eine Legende, mit Sicherheit; Herr Nolle weiß es genau. Wir haben das ja lange genug auseinandernehmen dürfen. Genau das hat stattgefunden und das darf nicht weiterhin stattfinden. Wir haben es mit einer Einstellungsfrage der handelnden Personen zu tun.

(Zuruf des Staatsministers Thomas Jurk)

Ich sage doch nichts zu Ihnen, Herr Wirtschaftsminister; glauben Sie mir. Sie werden in großer Verantwortung Ihrer Aufgabe gerecht werden. Sie müssen sich hier gar nicht angesprochen fühlen.

(Beifall bei der FDP)

Ich spreche aus Erfahrung, die ich bei den Zeugenbefragungen im Untersuchungsausschuss zur Landesbank machte. Das war wirklich traurig, was wir da hören mussten. Aber eines sei für die FDP gleich mit erwähnt: Dort waren externe Berater mit Finanzfachverstand dabei und sie haben leider auch versagt. Das muss man mit dazusagen.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Interesse an der Entwicklung ist meines Erachtens die wirkliche Frage, die vor uns steht. Wen schicken wir dorthin? Haben Sie ein Interesse daran zu schauen, wie sich dieses Unternehmen aufstellt und dem öffentlichen Zweck dient, und zu fragen und zu kontrollieren, was die handelnden Akteure in den Vorständen treiben? Das wird wohl die Grund- und Kernfrage sein. Es gilt, gut zu überlegen, wen die Staatsregierung in Zukunft in diverse Gremien schickt. Ansonsten können wir diesem Antrag unsere vollumfängliche Zustimmung zuteil werden lassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion und der FDP)

Die SPD-Fraktion; Herr Abg. Pecher.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag lautet „Mehr Sachverstand in den Kontrollgremien von Landesunternehmen“. Ich denke, das nur auf die Landesbank zu beziehen ist zu kurz gegriffen. Ich komme darauf noch einmal zurück.

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: Ja!)