Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Solidarpakt II ist die finanzielle Grundlage für die zweite Hälfte des Aufbau Ost langfristig und verlässlich gesichert. Mit einer Gesamtsumme von 156 Milliarden Euro erhalten die ostdeutschen Bundesländer eine langfristige Planungssicherheit bis 2019. Damit tragen die Länder auch die Verantwortung für den bestimmungsgemäßen Einsatz der Gelder aus dem Solidarpakt. Mir sei in Anbetracht der vorangegangenen Debatte die Bemerkung gestattet: Das Geld in Bankenspekulationen zu versenken war mit Sicherheit nicht im Solidarpakt vorgesehen.
Wer nun glaubt, dass ich mich weiter in das allen Fraktionen vorliegende Zahlengrab vertiefe, den muss ich enttäuschen. Wir haben alle Solidarpaktmittel erneut vollständig zweckentsprechend verwendet. Das ist eine zentrale Botschaft, die wir an dieser Stelle verkünden können; denn das ist wichtig für diejenigen, die uns bei der Bewältigung der Schwierigkeiten in den vergangenen 18 Jahren geholfen haben. Wir dürfen stolz sein auf diese Solidarität in diesem Deutschland, was diese Wiedervereinigung geschafft hat.
Doch der Fortschrittsbericht und die mittelfristige Finanzplanung zeigen noch weitere Botschaften auf. Die Län
derberichte für die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass andere ostdeutsche Länder die vom Bund gewährten Solidarpaktzuweisungen nicht mehrheitlich – wie vereinbart – vollständig für investive Zwecke und zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft verwendet haben. Dies haben wir in Sachsen bis jetzt jedenfalls nicht getan. Das war auch gut so.
Es passiert nichts. Durchschnittlich haben wir eine Verwendungsquote von 130 % seit 1995. Das heißt nichts anderes als: Auch hier haben wir Vorsorge bei der Verwendung der Mittel getroffen. Will heißen: Wir können es uns durchaus – und werden es auch müssen – leisten, in den nächsten zehn Jahren etwas kürzer zu treten. Das wird uns auch nicht umhauen.
Natürlich sind wir hier in Sachsen in der Vergangenheit mit den uns anvertrauten Geldern immer sorgsam umgegangen. Die Ausnahme Landesbank möchte ich ausdrücklich erwähnen. Wir werden versuchen, dies nach Möglichkeit auch in Zukunft zu gewährleisten. Doch ich sage ganz deutlich: Für mich ist das kein Dogma.
Was zeigt uns der Fortschrittsbericht noch? Wir haben unsere Pensionsverpflichtungen im Griff. Durch den Pensionsfonds, neue Generationenfonds wurde sichergestellt, dass die Pensionslasten den Staatshaushalt perspektivisch nicht erschlagen. Es ist eine Planbarkeit eingetreten. Zurückgehende DDR-Zusatzversorgungsbelastungen werden die Steigerungen im Bereich unter Jahrgang ’97 im Wesentlichen auffangen.
Weiter zeigt uns der Bericht: Unsere Kreditlage ist überschaubar. Rund 12 Milliarden Euro Verschuldung ist ein Betrag, um den uns durchaus andere Länder beneiden.
Auch der SoBEZ-Rückgang, der immer wie ein Popanz vorangetragen wird, ist überschaubar. Einerseits trifft rund ein Viertel die Kommunen, und rund ein Viertel wird über den Länderfinanzausgleich wieder aufgefangen. Unsere Kommunen sind im Wesentlichen gut aufgestellt. Das jetzt im Entwurf vorliegende FAG ist eines der besten, das wir je hatten.
Mit der Funktionalreform haben wir dafür gesorgt, dass wir mit dem Ende des Auslaufens des Mehrbelastungsausgleiches ab 2017 eine Einsparung von rund 200 Millionen Euro generieren werden.
Im Jahre 2007 wurden durch den Freistaat und die Kommunen die Solidarpaktmittel des sogenannten Korbes I in Höhe von 2,7 Milliarden vollständig zweckentsprechend verwendet. Mit diesen Mitteln wurden Infrastrukturinvestitionen in Höhe von 2 500 Millionen Euro finanziert. Weitere 350 Millionen hat der Freistaat zum Ausgleich der unterdurchschnittlichen kommunalen Finanzkraft verwendet.
Wenn man genau hinsieht, wo investiert wurde, dann muss man feststellen: Investiert wurde vor allem in den Straßenbau mit 650 Millionen, in den ÖPNV mit rund 200 Millionen und mit 125 Millionen in den Ausbau des Eisenbahnnetzes. Also, rund eine Milliarde Euro floss und fließt noch in Bitumen, Beton und Stahl.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich in meinem zweiten Redebeitrag den Bogen nach vorn spannen, lassen Sie mich die Scheinwerfer auf Fernlicht stellen, wie wir in Zukunft damit umgehen wollen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe gern zu, dass es das Thema wert gewesen wäre, ein wenig mehr Auditorium vor sich zu haben.
(Jürgen Gansel, NPD: Da fehlen auch Ihre Genossen! – Volker Bandmann, CDU: Er meint seine Genossen!)
Ich gebe auch zu, dass das Thema schon mehrfach in diesem Hause behandelt wurde. Ich möchte ganz kurz wenigstens noch einmal aus dem § 11 Abs. 3 FAG zitieren: Es geht um die Mittel zur Deckung von teilungsbedingten Sonderlasten aus dem bestehenden infrastrukturellen Nachholbedarf und zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft. – Damit alle wissen, worüber wir hier reden.
Zum Zweiten möchte ich sagen: Dass ein solcher Bericht hier vorliegt, ist nicht Ausweis der guten Arbeit der ostdeutschen Bundesländer, sondern Ausweis der nicht regelgerechten Verwendung aus dem Solidarpakt I in den ostdeutschen Bundesländern. Das hat nämlich dazu geführt, dass die Westländer darauf gedrungen haben, dass sie bitte wissen möchten, was wir mit dem Geld machen. Dass der Freistaat hier vielleicht besser ist als der Rest der Truppe, heißt noch lange nicht, dass er deshalb besonders gut ist. Ich halte auch nicht viel davon, immer den anderen Bundesländern vorzuwerfen, dass sie irgendetwas falsch machen würden. Wir müssen vor der eigenen Tür kehren. Der Kollege Pecher hat das ja gerade ansatzweise getan.
Worum geht es beim Fortschritt? Beim Fortschritt müsste es eigentlich darum gehen zu schauen, dass sich unser Standort Sachsen aufbaut, dass wir Industriearbeitsplätze schaffen, dass wir den Handel unterstützen, dass sich der Mittelstand entwickeln kann. Wir dürfen alle zusammen feststellen: Die Wirtschaftskraft Sachsens entwickelt sich nicht ausreichend zufriedenstellend.
Es ist vielleicht ein bisschen zu viel Wenn und Aber und nicht deutlich genug, aber ganz klar ist: Die Lücke der Wirtschaftskraft zu den westdeutschen Ländern wird
größer. Das erst einmal festzuhalten ist auch eine der Lehren, die wir daraus ziehen können. Vor allen Dingen müssen wir eine Debatte wieder führen: Was sagt dieser Bericht eigentlich aus?
Wenn ich als Fazit feststellen muss, dass wir 105 % von den Mitteln, die wir bekommen haben, verausgabt haben, da geht irgendetwas bei mir logisch nicht zusammen. Entweder haben wir das Geld, das wir bekommen haben, zweckgerecht ausgegeben – dann sind das immer 100 % – oder wir haben etwas falsch gemacht. Vielleicht liegt das aber daran, dass in die hier beschriebenen Investitionen zur Schließung der Infrastrukturlücke so gut wie alles hineingerechnet wird. Hauptsache eine Investition – das wird schon alles irgendwie teilungsbedingt sein, es wird uns schon alles irgendwie voranbringen.
das machen wir ja immer noch, Interkontinentallandebahn –, da wurden hier von diesem Pult aus großartige Reden geschwungen. Wir würden Mitte 2005 Interkontinentalverbindungen haben.
Aber eine Interkontinentallandebahn macht noch lange keine Fluglinie und macht noch lange keine Flugverbindung.
Ich glaube nicht, dass es bei den großen, dreistelligen Millionenbeträgen, die wir dort in die Hand genommen haben, das Ziel war, am Ende einen Frachtflughafen oder einen Militärstützpunkt daraus zu bauen. Das Ziel war, Leipzig zu einem attraktiven Messestandort zu machen. Dazu gehört eben auch der geschäftliche Rückhalt. Dazu gehören die Geschäftsleute. Dazu gehört die Industrie. Die haben wir bis heute nicht hier. Der Kampf um die VNG ist doch ein weiteres Indiz dafür, wie dreckig es dem Osten geht, dass er es eben nicht auf die Reihe bekommt, ordentliche Unternehmenssitze herzubekommen, dass er es nicht auf die Reihe bekommt, das Interesse von europaweiten Flugverbindungen zum Beispiel nach Leipzig zu generieren.
Insofern stehen wir weiterhin vor einer großen Aufbauproblematik, und die heißt vor allem Wirtschaftsaufbau. Den bekommen wir auch durch Beton nicht geregelt. Deshalb ist dieser Fortschrittsbericht mangelhaft aussagekräftig.
Wir müssen endlich einmal darüber reden: Was heißt denn nachhaltige Investition? Was ist denn der Wirkungsgrad einer Investition? Was ist denn eine sinnvolle Investition, wenn wir wirklich diesen Standort voranbringen wollen und nicht nur einfach schauen, ob wir genügend Steine gekauft haben? Das kann doch nicht die Wahrheit sein.
Insofern nehmen wir ihn zur Kenntnis. Hier sind übrigens auch 25 Millionen noch ein weiteres Beispiel, das ich Ihnen gern mit auf den Weg gebe. Dass in diesem Fortschrittsbericht allen Ernstes der Abriss von Wohnungen als Fortschritt gekennzeichnet wird, ist wirklich traurig. Das heißt dann wohl, dass der Aufbau Ost ein Rückbau Ost ist. Ich meine, es ist traurig genug, dass uns so viele Menschen verlassen. Aber an diese Frage müssen wir noch einmal deutlich ran. Ich glaube, das wird auch mit einem zweiten Redebeitrag nicht zu regeln sein. Wir sollten uns etwas langfristiger darüber Gedanken machen, inwieweit der Investitionsbegriff einer Überarbeitung bedarf.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit dem Jahr 2002 weisen die mitteldeutschen Länder jährlich ihre Verwendung der Solidarpaktmittel für den Aufbau Ost nach, oder sie versuchen es zumindest.
Am 16. September stellte Finanzminister Unland nun für Sachsen den Fortschrittsbericht 2007 vor. Darin beglückwünschen sich der Freistaat und die Kommunen dazu, im vergangenen Jahr alle Solidarpaktmittel für den Aufbau Ost zweckgerecht eingesetzt zu haben. Nach Angaben des Ministers wurden im Berichtszeitraum 2,84 Milliarden Euro für die Stärkung der kommunalen Finanzkraft und für Infrastrukturinvestitionen verwendet. Weil der Freistaat vom Bund aber nur 2,71 Milliarden Euro Solidarpaktmittel erhalten habe, sei damit eine Nachweisquote von 105 % gegeben. Das ist im Vergleich zu 2006 aber ein deutlicher Rückgang der Verwendungsquote – eine Tendenz, die sich fortsetzen wird. Gemäß dem vorliegenden Haushaltsentwurf wird die Investitionsquote in Sachsen im Jahr 2001 erstmals seit Jahren unter 20 % liegen.
Um die bisherige finanzpolitische Solidität im Freistaat wird es in den nächsten Jahren nicht sonderlich gut bestellt sein, was viele finanzschwache Kommunen und wichtige Infrastrukturprojekte hart treffen wird. Die noch sprudelnden Finanzquellen Sachsens, von denen trotz der verfehlten Leuchtturmpolitik der Staatsregierung auch die strukturschwachen Regionen im Freistaat etwas hatten, werden versiegen, und das keineswegs nur wegen der internationalen Finanzmarktkrise im Allgemeinen und dem Desaster der Sächsischen Landesbank im Besonde
ren. Selbst wenn man die milliardenschwere Steuergeldvernichtung durch den Bankencrash beiseite lässt, ziehen am Förder- und damit am Fortschrittshimmel Sachsens dunkle Wolken auf. Im Jahr 2019 läuft nämlich der Solidarpakt II aus. Die dann dem Freistaat Sachsen zur Verfügung stehende Summe wird sich schrittweise auf unter 550 Millionen Euro reduzieren – und das ausgehend von 2,71 Milliarden Euro Solidarpaktmitteln im Jahr 2007. Gleichzeitig werden in den nächsten Jahren auch die Mittelzuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich spürbar sinken, weil es immer weniger Geberländer gibt und auch diese im kommenden Jahr von der Rezession, etwa im Auto- und Maschinenbau, voll erfasst werden.
Die innerdeutsche Ausgleichspolitik zwischen finanz- und wirtschaftstarken Geberländern einerseits und strukturschwächeren Nehmerländern andererseits steht vor einem Umbruch, der auch an Sachsen nicht spurlos vorübergehen wird. Hinzu kommt, dass in den nächsten Jahren die Fördermittel der Europäischen Union als Umverteilungsagentur deutschen Steuergeldes spürbar sinken werden, weil die Eurokraten die östlichen EU-Neumitglieder für wesentlich förderungswürdiger als Mitteldeutschland und damit auch als den Freistaat Sachsen halten.
Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ im Frühjahr dieses Jahres im Zusammenhang mit dem Abbau des Nokia-Werkes in Bochum und dem Wiederaufbau desselben in Rumänien darauf hinwies, dass allein Rumänien bis zum Jahr 2013 Anspruch auf 13 Milliarden Euro an EU-Geldern für Infrastrukturmaßnahmen und allgemeine Wirtschaftsförderung hat.
Was die Europäische Union hier ganz gezielt fördert – und das vor allem mit dem Geld des deutschen Steuerzahlers, weil Deutschland bekanntermaßen der größte Nettozahler der Europäischen Union ist –, ist für Mitteldeutschland und damit auch für Sachsen ein verheerender Standortwettbewerb, der Arbeit, Kapital und Wissen hier abzieht und in andere EU-Räume lenkt. Der Wirtschaftsaufschwung dort bringt den Wirtschaftsabschwung hier. Der Wirtschaftsaufbau dort geht einher mit dem Wirtschaftsabbau hier.
Mitglieder der NPD-Landtagsfraktion haben vor Kurzem für einige Tage die Slowakei besucht, um sich dort ein Bild von der EU-geförderten Standortkonkurrenz zu machen. Wir konnten dort selbst in Augenschein nehmen, wie in der Slowakei mit EU-Milliarden, die in den nächsten Jahren auch in Sachsen fehlen werden, leistungsstarke Industrie- und Gewerbeparks mit modernster Infrastruktur und massiver lokaler Wirtschaftsförderung entstehen.