Protokoll der Sitzung vom 16.10.2008

Das andere ist: Wir können aber auch etwas machen, ohne die westdeutschen Länder vorher um Erlaubnis zu fragen. Es liegt an uns, ob es uns endlich gelingt, eine raumübergreifende Kooperation zwischen den Hochschulen der einzelnen Bundesländer zu erreichen. Das ist immer noch ein hausgemachtes Problem. Wir haben es in der eigenen Verantwortung. Diesbezüglich könnte man einiges verbessern. Von der Universität Leipzig habe ich gehört, dass Interesse besteht, sich dahingehend zu bewegen.

Wir haben eine Reihe von Handlungsoptionen. Diese sollten wir nicht ein paar Jahre schleifen lassen, damit wir mustergültig, aber „falsch“ abrechnen können, sondern wir sollten sehen, dass wir im letzten Drittel einen ordentlichen Endspurt hinlegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das kann ich nicht erkennen. Dann beenden wir die 1. Aktuelle Debatte.

Wir kommen zu

2. Aktuelle Debatte

Finanzmarktkrise/Sachsen-Finanzgruppe vor dem Aus – finanzieller Scherbenhaufen für Land und Kommunen, Belastungen für die Bürger

Antrag der Linksfraktion

Als Antragstellerin hat zunächst die Linksfraktion das Wort, danach die gewohnte Reihenfolge. Herr Abg. Scheel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe gern zu, dass der erste Teil unserer Aktuellen Debatte heute früh schon abgehandelt wurde. Insofern werde ich mich jetzt auf ein Kernproblem, das vielleicht noch nicht allen ins Bewusstsein gedrungen ist, nämlich die SachsenFinanzgruppe, beziehen.

„Die Sächsische Verbundlösung“ war ein Buch, das ich vor Jahren hier vorgestellt habe. Georg Milbradt und Herr Thode sind die Autoren. Sie haben beschrieben, wie der Freistaat Sachsen sich dachte, die Sparkassenorganisation und die Landesbank miteinander zu vernetzen. Ich komme zum Problemkreis Osten, der damit irgendwie geregelt werden sollte. Der Problemkreis Osten ist kurz und einfach zusammengefasst: Wir haben zu viel Geld in den Sparkassen als Einlagen und wir haben zu viele Risiken bei den Kreditvergaben an Privatleute und Unternehmen. Dieses Problem hatte auch unsere Sächsische Landesbank, und sie hat aus diesem Grund mit dem Wegfall der Gewährträgerhaftung und der Anstaltslast einen Weg gesucht, ein neues Geschäftsmodell für sich zu entwickeln. Dieser Weg ist gefunden worden mit dieser Verbundlösung.

Es gab damals große Auseinandersetzungen. Es gab einen Volksantrag. Damit ist das abgelehnt worden. Es ist mit viel Druck und Kraft – bei Georg Milbradt mit persönlichem Engagement, kann man schon fast sagen – in diesem Landtag durchgedrückt worden. Die Sparkassen haben sich wiedergefunden in einem Haftungsverbund mit der Sächsischen Landesbank mit dem bekannten Ende. Die Sachsen-Finanzgruppe war nichts anderes als ein Haftungsverbund und Risikoschirm für die Sächsische Landesbank. Nur mit diesem Risikoschirm war es überhaupt möglich, vom Kreditgeschäft in das Kapitalmarktgeschäft einzusteigen. Diese strategische Entscheidung, im zweiten Halbjahr 2001 vom Kreditgeschäft ins Kapitalmarktgeschäft mit ungeahnten Folgen einzusteigen, war das Grundübel, das uns heute zu schaffen macht.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Dass sich die Kommunen und die Sparkassen überhaupt darauf eingelassen haben, liegt an einem einfach Lock- und Schmierstoff: 35 Millionen Euro Mindestausschüt

tung jährlich. Das war das Lockmittel, das dazu geführt hat, dass die Sparkassen überhaupt bereit waren, sich mit der Sachsen LB in ein Bett zu legen. Dieses Grundübel und auch die Kosten sind bekannt. Ich zähle sie trotzdem noch einmal auf: 2,75 Milliarden Euro Bürgschaft in unserem Landeshaushalt, die auf uns lasten, 500 Millionen Euro Kaufpreisabschlag beim Verkauf der Landesbank an die LBBW, die, wie ich gerade der Zeitung entnehmen konnte, einer der ersten Kandidaten ist, die bei dem Fonds vorstellig werden. Wir müssen aufpassen, dass wir am Ende nicht doppelt zahlen: einmal 500 Millionen Euro an die LBBW und dann noch einmal über den Fonds. Das könnte auch noch passieren. – Aber das nur nebenbei.

Im Geschäftsbericht 2007 weisen die Sparkassen der Sachsen-Finanzgruppe ein um 900 Millionen Euro geringeres Eigenkapital auf. Das sind die Kostenblöcke, die wir schon kennen. Alles andere werden wir wahrscheinlich irgendwann sehen.

Wir hatten Anfang dieses Jahres eine Anhörung zur Sachsen-Finanzgruppe. Es war schon einigermaßen traurig und erschütternd zugleich, dass selbst die Gutachter hier an diesen Tischen festgestellt haben, dass das Geschäftsmodell der SFG nicht mehr vorhanden ist, außer vielleicht ein paar Verträgen für den Alt-Landrat Schramm. Ansonsten gibt es keine Geschäftsgrundlage für diese SFG mehr. Viel schlimmer ist, dass sich in der ganzen Zeit seit 2001 kein zusätzlicher Nutzen für die beteiligten Sparkassen eingestellt hat. Dann durften wir uns im Februar erzählen lassen, dass wir abwarten sollten, was der Geschäftsbericht bringt. Dieser liegt seit Juni 2008 vor. Die Anteilseigner haben sich dazu verständigt und vom Freistaat die Auflösung der SachsenFinanzgruppe verlangt.

Heute muss sich der Freistaat bekennen. Wir haben keine Lust, längere Zeit zu warten. Deshalb, Herr Staatsminister Unland, erwarte ich heute von Ihnen ein deutliches Wort, wie Sie dem Interesse der kommunalen Anteilseigner entgegenkommen wollen; denn das war es, worauf sich Stanislaw Tillich als damaliger Finanzminister noch bezogen hat. Er wollte das Bekenntnis der kommunalen Anteilseigner abwarten. Wir erwarten heute ein Bekenntnis Ihrerseits. Wie gesagt, die sächsische Verbundlösung ist tot. Sie ist nicht fertig geworden. Sie ist am Ende. Dieses Haus muss die Baustelle beräumen, die dort verblieben ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wer reagiert von der CDU-Fraktion? – Herr Patt, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eine andere Wahrnehmung als der Kollege von der Linksfraktion, wie es zur Gründung der Sachsen-Finanzgruppe gekommen ist.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das wissen wir schon lange!)

Das Ziel der Sachsen-Finanzgruppe war zunächst eine Vereinheitlichung der Sparkassenlandschaft in Sachsen. Dazu hatte man acht regionale Sparkassen unter eine Holding genommen und wurde so der führende Anbieter von Bank- und Versicherungsprodukten. Dieses Ereignis werden Sie kaum mit Ihren Nebelkerzen verhindern können, die Sie immer nur auf die Sachsen LB werfen. Die SFG ist der führende Anbieter für Bank- und Versicherungsprodukte sowie Finanzdienstleistungen in Sachsen.

(Sebastian Scheel, Linksfraktion, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Die Sachsen LB ist auch kein Spekulationsinstrument gewesen, sondern hatte zunächst eine Clearingfunktion in diesem Konzern und mit Sonderaufgaben für Großkunden und mit Außenhandelsprodukten zu tun.

Herr Patt, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Er hat ja noch Redezeit, aber bitte.

Ist denn die von Ihnen beschworene einheitliche Sparkassenlandschaft in Sachsen von 2001 bis heute entstanden?

Wir haben einen sehr großen Verbund an Sparkassen. Acht Sparkassen gehören diesem Konzern an. Das war ein guter Zusammenschluss. Wenn andere das nicht getan haben, war das die freie Entscheidung der kommunalen Anteilseigner. Es war eine Erfolgsgeschichte. Wir haben hier die kräftigen und auch schwächeren Sparkassen zusammengenommen. Der von Ihnen dargestellte Wertverlust in den Bilanzen und dem Eigenkapital ist eben nicht nur auf die Sachsen LB zurückzuführen, sondern hat etwas damit zu tun, dass Einzelwertberichtigungen auf einzelne Sparkasseninstitute notwendig waren.

(Widerspruch des Abg. Sebastian Scheel, Linksfraktion)

Erinnern wir uns doch an das Ende der Neunzigerjahre, als sich die Privatbanken aus der Fläche zurückgezogen haben. Die demografischen Probleme wurden so langsam diskutiert. Nach den Boomjahren stiegen auch die Risiken

aus den Unternehmensfinanzierungen. Da war es für eine regionale Wirtschaftsentwicklung in Sachsen notwendig, die Sparkassen zusammenzuführen und zu größeren, schlagkräftigeren Einheiten zu machen. Das ist unter dem Dach der Sachsen-Finanzgruppe entstanden. Es war eine freie Entscheidung der verschiedenen kommunalen Gewährträger, sich mit der Sachsen LB zusammenzufinden.

Heute hat die Sachsen-Finanzgruppe 66 % Marktanteil im Privatkundengeschäft, 50 % Marktanteil im Firmenkundengeschäft. Sie ist der größte Bausparanbieter und hat erhebliche Erfolge im Versicherungsbereich. Das kann man doch nicht abstreiten. Dies ist auch eine Überlegung wert, wenn wir über den weiteren Weg der SachsenFinanzgruppe entscheiden. Ich erinnere an die Arbeitsteilung in dem Konzern zwischen den Verbundsparkassen und der Sachsen LB als Großeinrichtung. Hier ist doch der innere Wert dieses Systems gewesen, auch wenn das Konzept einer Kreditfabrik oder einer Zahlungsverkehrsfabrik, wie man das damals nannte, nicht umgesetzt wurde.

Ich möchte noch einmal betonen, dass der Zweck der Sachsen-Finanzgruppe nicht das Halten von Beteiligungen an der Sachsen LB war, sondern es war vielmehr das Bild einer einheitlichen Sparkasse für Sachsen. Dass diese noch nicht ganz erreicht wurde, liegt daran, dass man noch auf dem Weg war. Das braucht manchmal länger. Ob wir es heute noch machen wollen, ist ein anderes Thema. Darüber müssen zunächst die Anteilseigner entscheiden.

Ich gebe zu, dass die Kollateralschäden aus der SachsenLB-Pleite Gedanken behindern und zu dieser von Ihnen zitierten Entscheidung der Sparkassen geführt haben, den Sachsenfinanzverbund aufzulösen und möglicherweise in ein paar Jahren wieder zusammenzuführen. Das wissen wir alles nicht. Vielleicht werden wir andere Formen finden, denn ein Verbund der Sparkassen ist wohl dringend notwendig, um eine Stabilität zu erreichen, die manche Sparkasse nicht hat. Das ist eine gewisse Solidaraufgabe in der Sparkassenbranche. Wenn wir die ganze Zeit darüber nachgedacht haben, wie wir die Landesbanken als staatliche Banken ablösen und ob es überhaupt solch kleine Landesbanken geben darf, dann müssen wir uns auch fragen, ob jede Kommune solch eine kleine Sparkasse benötigt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Wollen Sie die auch noch ruinieren?)

Wenn wir heute aus eher emotionalen denn sachlichen Erwägungen über diese Auflösung des Sachsenfinanzverbundes räsonieren, dann müssen wir über die finanziellen Konsequenzen nachdenken. Was geschieht mit dem Anteil am Sachsen-LB-Verkaufserlös, der in der SachsenFinanzgruppe liegt? Das sind 107 Millionen Euro. Und wie dividieren sich die Anteilseigner wieder auseinander?

Ich will Ihnen meine Meinung und Analyse kurz darstellen und auch noch auf meinen zweiten Redeteil vertagen. Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen – wenn die

Sachsen-Finanzgruppe ein 63-prozentiger Partner an der SLB war, muss man darüber nachdenken, wie man damit umgeht, dass nur einseitig ein Partner, nämlich der Minderheitspartner, die Finanzierung und die Bürgschaft übernimmt. Wir werden im zweiten Teil darüber nachdenken, wie wir das lösen, aber ich bitte Sie, nach vorn zu sehen und nicht rückwärtsgewandt wieder draufschlagen zu wollen. Das hat das Problem in einer Vertrauenssituation noch nie gelöst.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Die SPD-Fraktion erhält das Wort; Herr Pecher, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen, aus meiner Sicht war die Entstehung der Sachsen-Finanzgruppe Zwang, denn es war von Anfang an per Gesetz vorgesehen, alle Sparkassen zu vereinen. Ein Volksentscheid hat hier das Schlimmste verhindert, und aus heutiger Sicht muss man sagen, Gott sei Dank das Schlimmste verhindert. Als Zwickauer muss ich sagen, Gott sei Dank ist das Schlimmste verhindert worden.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Mein Fraktionskollege und jetziger stellvertretender Ministerpräsident hat zum damaligen Zeitpunkt gesagt: „Wir alle wissen, dass sich die gesamte Bankenlandschaft in Bewegung befindet. Wir alle sehen aber auch, dass diejenigen zurzeit die größten Schwierigkeiten haben, die uns vor noch nicht allzu langer Zeit als leuchtende Vorbilder und als Hauptkonkurrenten für unsere öffentlichen Banken präsentiert wurden und denen wir hätten bedingungslos nacheifern müssen, wenn wir nicht untergehen wollen.“ Diese Zeilen haben heute an Aktualität nichts eingebüßt. Man kann sie heute mit gutem Gewissen eins zu eins vorlesen. Die Sparkassen sind der solide Pfeiler der Finanzwirtschaft in Sachsen, der zurzeit unangefochten alle Krisen übersteht. In der „Freien Presse“ in Zwickau stand, das Vertrauen in die Sparkassen ist ungebrochen. Das ist gut so.

Eine Lehre aus diesem Vorgehen ist doch – und das ist schon mehrfach diskutiert worden –, dass wir einen funktionsfähigen Staat brauchen, der in der Lage ist, die entsprechenden Leitbanken einzubeziehen.

Hier muss ich auch noch einmal auf die FDP eingehen. Ich fand es faszinierend, dass erstmals das Wort „sozial“ in der Marktwirtschaft vorkam und dass man sich natürlich jetzt bei der FDP des starken Staates bedient. Ich finde, Sie müssten jetzt losmarschieren und einen Großteil Ihrer Programmatik auf die Toilette mitnehmen, denn dort ist es noch einer sinnvollen Verwendung zuzuführen.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Einen Beitrag müssen wir hier noch diskutieren. Das will ich in diesem Punkt machen. Die Diskussion der Kom

munen, die SFG aufzulösen, ist aus meiner Sicht richtig. Sie hat die in sie gesteckten Erwartungen nicht erfüllt. Das Landesbankdesaster hat diesen Prozess beschleunigt. Aber jetzt zu diskutieren, dass man Anspruch auf diesen „politischen Kaufpreis“ erhebt, und diese 300 Millionen Euro jetzt aufteilen zu wollen, das halte ich auch in Anbetracht der jetzigen Situation für unseriös und unsolidarisch. Ich begründe das. Herr Scheel hat es schon angesprochen. Es gab schon einen Abschlag von 500 Millionen Euro, der vom „gebildeten Kaufpreis“ einbehalten wurde. Dann wurde die Bürgschaft gestellt. Man hätte auch 600 Millionen oder 800 Millionen Euro nehmen können. Warum wollte man denn diesen „politischen Kaufpreis“ bilden? Wir kennen doch den Hintergrund. Fakt ist doch, dass es gar keinen Kaufpreis für diese Bank gab, sondern wir haben es durch die Bürgschaft aufgefangen. Etwas zu verlangen, was es gar nicht gab, das ist unseriös. Denjenigen, die in die SFG gegangen sind, war auch wirklich nichts angezeigt, ansonsten müsste man darüber nachdenken.