Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

Wir werden diesen Antrag aus Fairness gegenüber den anderen Fraktionen nicht unterstützen. In Vorbereitung der Redner, denke ich, sollte man sich darauf verlassen können, dass die Tagesordnung vom Präsidium festgestellt ist. Danach gilt: Nur wenn es technische Probleme gibt, kann man selbstverständlich Änderungen vornehmen. Aber ich glaube, wie gesagt, aus Fairness gegenüber den Rednern, die sich zum Teil noch nicht vorbereitet haben, sollte man ihnen die Chance geben, auch die Vorbereitung bis morgen zu machen.

Wird dazu weiter das Wort gewünscht? – Das ist der Fall; bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linksfraktion kann sich dieser Argumentation anschließen. Es geht hier nicht nur um die Vorbereitung der Abgeordneten, sondern es geht auch darum, dass die Feststellung der Tagesordnung auch für die Öffentlichkeit gedacht ist, damit man die Debatte verfolgen kann. Wir sehen deshalb keine Grundlage, die Aktuelle Stunde vorzuziehen.

(Beifall bei der Linksfraktion und der FDP)

Denkbar wäre aus meiner Sicht allerdings, ein Verständigungsverfahren der Parlamentarischen Geschäftsführer einzuberufen, was die Behandlung dieser Anträge anbelangt. Dieses Angebot möchte ich hier formulieren. Aber auf diesem Wege heute über die Tagesordnung von morgen zu verhandeln geht aus meiner Sicht nicht.

(Beifall bei der Linksfraktion und der FDP)

Wird noch das Wort gewünscht? – Herr Bartl, bitte.

Herr Präsident! Hilfsweise wird von uns beantragt, für den Fall, dass der Präsident den Antrag zulassen will, zu prüfen, inwiefern der Tagesordnungspunkt 1 der morgigen Tagesordnung bereits festgestellt ist, um diesen vorzuziehen. Dieses muss doch erst morgen geschehen. Insofern heute darüber zu entscheiden, dürfte überhaupt nicht gehen.

(Unruhe im Saal)

Ein solcher Antrag ist doch gar nicht gestellt worden. Ich habe das anders aufgefasst.

(Unruhe im Saal)

Meine Damen und Herren! Ich muss trotzdem über den Antrag abstimmen lassen. Ich weise darauf hin, dass nach den Streichungen von 2. und 3. Lesungen unsere heutige Sitzung wahrscheinlich schon um 16:30 Uhr beendet ist. Das ist nur ein Hinweis.

(Beifall bei der CDU)

Bitte, Frau Lay.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir halten es für politisch fragwürdig und rechtlich nicht zulässig, auf diese Art und Weise über die Tagesordnung von morgen abzustimmen. Deswegen möchten wir eine Sitzung des Präsidiums beantragen, die über die Tagesordnung debattiert.

Ich möchte noch einmal klarstellen, dass es um eine Vorziehung des Tagesordnungspunktes ging. Insofern gebe ich Ihrem Ansinnen statt, dass wir das Präsidium einberufen und uns darüber noch einmal unterhalten.

Dann bitte ich jetzt das Präsidium in den Saal 3. Wir setzen unsere Beratung um 10:40 Uhr fort.

(Unterbrechung von 10:23 bis 10:45 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen das Ergebnis der Präsidiumssitzung bekannt geben. Es ging um den Antrag der Koalition, den Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde von der morgigen Sitzung aufgrund der doch erheblichen Verkleinerung der heutigen Tagesordnung vorzuziehen.

Das Präsidium hat eine mehrheitliche Entscheidung gefasst, dem Plenum vorzuschlagen, den Antrag der Koalition zur Abstimmung zu bringen. Der Antrag lautet, dass die morgige Aktuelle Stunde heute nach den 2. und 3. Lesungen sowie den 1. Lesungen behandelt wird.

Wird dazu aus dem Plenum noch einmal das Wort gewünscht? – Wenn das nicht der Fall ist, bringe ich diesen Antrag zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist das mit großer Mehrheit so beschlossen. Wir werden ihn heute nach dem Tagesordnungspunkt 10 der ausgewiesenen Tagesordnung behandeln.

Meine Damen und Herren! Ich frage, ob es weitere Anträge zur Tagesordnung gibt. – Wenn das nicht der Fall ist, dann gilt die vorliegende Tagesordnung mit den Ihnen bekannt gemachten bzw. beschlossenen Veränderungen für die heutige Beratung als verbindlich.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1

2. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Einführung eines Neuverschuldungsverbots

Drucksache 4/8110, Gesetzentwurf der Fraktion der FDP

Drucksache 4/13728, Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses

Den Fraktionen wird zu einer allgemeinen Aussprache das Wort erteilt. Die Reihenfolge: FDP, CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, GRÜNE. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte, dass die Fraktion der FDP das Wort nimmt. Herr Zastrow, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der heute hier zur Beschlussfassung vorliegende Gesetzentwurf zur Verankerung eines Neuverschuldungsverbots in der Sächsischen Verfassung ist – wie Sie alle wissen – keine ganz junge Initiative der FDP-Fraktion. Wir haben den Entwurf dieses Gesetzes bereits im März 2007 eingebracht. Die große Expertenanhörung zu unserem Gesetzentwurf fand vor etwa einem Jahr im November 2007 statt.

Der Grund dafür, dass wir den Gesetzentwurf erst heute zur Abstimmung bringen, findet sich in einem Irrtum. Und zwar findet er sich in dem Irrtum, dass wir gedacht haben, dass man vielleicht einmal ein Thema – noch dazu ein Thema, mit dem sich ganz gewiss die kommenden Wahlen auch hier in Sachsen nicht gewinnen lassen – über Fraktionsgrenzen hinweg diskutieren und behandeln kann und am Ende gemeinsam zu einer Lösung kommen könnte, die gut für den Freistaat Sachsen ist.

Deshalb haben wir in den vergangenen anderthalb Jahren immer wieder die vielen Wünsche gerade aus der Unionsfraktion berücksichtigt und den Gesetzentwurf hintangestellt, damit auch andere Fraktionen in diesem Hause mehr Beratungszeit haben. Leider hat sich dieses Entgegenkommen unsererseits nicht gelohnt; denn es ist gekommen, wie es eigentlich leider immer in diesem Sächsischen Landtag kommt: Am Ende sind alle Sprüche von fraktionsübergreifenden Initiativen, von gemeinsamen Initiativen nichts anderes als leere Worthülsen, zumindest dann, wenn sie aus den Regierungsfraktionen kommen.

Ich hatte gehofft, dass es bei diesem einen Thema, das ein fachliches und auch ein wenig ein technisches Thema ist, vielleicht gelingen könnte, die Grenzen zwischen Koalition und Opposition einmal ein bisschen verschwimmen zu lassen. Das ist leider nicht gelungen. Das spricht nicht gerade für die Debattenkultur. Es spricht auch nicht für die Kompromissfähigkeit in diesem Haus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Zum Inhalt unseres Gesetzes:

Es geht in unserem Gesetzentwurf um Generationengerechtigkeit. Es geht in unserem Gesetzentwurf um Zukunftsfähigkeit, um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Und es geht auch darum, sich als Politik selbst harten Regeln zu unterwerfen, um dem Reiz, den die Tagespolitik manchmal bietet, oder der Versuchung eines kurzfristigen Wahlerfolges besser widerstehen zu können.

Wie wichtig das ist, sehen wir – und das schon seit vielen, vielen Jahren – auf allen politischen Ebenen. Trotz rasant steigender Steuereinnahmen – es waren auch in diesem Jahr bundesweit Rekordeinnahmen zu verzeichnen – steigt die Staatsverschuldung auf allen politischen Ebenen an. Trotz einer enorm hohen Steuerlast für alle Bürger und alle Unternehmen in diesem Land ist der Staat vielerorts nicht in der Lage, solide zu planen und ausgeglichene Haushalte vorzulegen.

Der Schuldenstand des Bundes liegt im Moment bei sagenhaften 938 Milliarden Euro. Die Länder leisten sich noch einmal 483 Milliarden Euro und der Freistaat Sachsen steckt mit 12 Milliarden Euro darin. Bei den Kommunen sieht es, wie Sie alle wissen, auch nicht besser aus. Meine Damen und Herren, so kann es beim besten Willen nicht weitergehen!

(Beifall bei der FDP)

Das alles ist Politik auf Kosten kommender Generationen. Es sind unsere Kinder, unsere Enkel, sogar unsere Urenkel, die die von uns angehäuften Schulden einmal abtragen müssen. Ich glaube, dass im normalen Leben alle Eltern und Großeltern ein Ziel haben, nämlich ihren Kindern, ihren Nachfahren möglichst keinen Schuldenberg zu hinterlassen. Aber was ist beim Staat schon normal? Der Staat hat da weit weniger Skrupel. Er hinterlässt der jungen Generation ein Erbe, das für die jungen Menschen in diesem Land irgendwann einmal zu einer sehr großen Last werden wird. Es ist noch dazu ein Erbe, das keiner der jungen Menschen in diesem Land ausschlagen kann; er muss es annehmen.

Nicht umsonst – und ich bin sehr glücklich, dass dieses Thema auch erkannt worden ist – findet sich im Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Demografischer Wandel“ auch die Passage, wonach die Aufnahme eines Neuverschuldungsverbotes in Sachsen infrage kommen soll. Gutes Zureden, meine Damen und Herren, hilft aus der Sicht der FDP schon lange nicht mehr. Es hilft ausschließlich ein strenges Korsett, das die Politik in ihren Begehrlichkeiten begrenzt.

Mit unserem Gesetz wollen wir die Weichen dafür stellen. Wir wollen ein generelles Neuverschuldungsverbot, allerdings mit einer Ausnahme: In besonderen Krisenfällen und in nationalen Notlagen kann es mit einer Zweidrittelmehrheit vom Parlament außer Kraft gesetzt werden. Solche Krisenfälle hatten wir schon. Wir denken alle an die Hochwasserkatastrophe zurück. Auch die aktuelle Finanzkrise ist sicherlich solch ein Krisenfall. Es ist eine hohe Hürde, die wir auferlegen. Aber es ist keine unüberwindliche Hürde, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen mit dem Verschuldungsverbot und einer konsequenten Schuldentilgungspolitik die Staatsverschuldung besser in den Griff bekommen und den jungen Menschen von heute, morgen und übermorgen endlich und erstmals eine echte Chance geben, über die Rahmenbedingungen ihres eigenen Lebens in der Zukunft selbst zu entscheiden. Wir wollen unseren Kindern und Enkeln echte Gestaltungs- und Handlungsspielräume vererben und keine Schulden, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Wir wissen, dass wir mit unserem Anliegen als FDPFraktion nicht allein sind. Denn – das haben wir in den letzten anderthalb Jahren überall feststellen können – es gibt auf allen Ebenen immer mehr Politiker, die verbindliche Regelungen für die Aufnahme neuer Schulden fordern oder diese Schulden gar wie wir verbieten wollen. Ich denke dabei nicht nur an Georg Milbradt, ich denke auch nicht nur an Jürgen Rüttgers, den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, oder an Prof. Seitz hier in Dresden. Ich habe mit einigem Interesse auch die Äußerungen meines Fraktionsvorsitzendenkollegen Steffen Flath zu diesem Thema zur Kenntnis genommen, und ich habe auch die Position von Matthias Rößler in den letzten Monaten – auch bei Debatten hier im Sächsischen Landtag – vernommen. Ich bin auch sehr glücklich darüber, dass sich unser Ministerpräsident Stanislaw Tillich zuletzt in einem Bericht in der „Wirtschaftswoche“ im September ganz klar für eine Verfassungsänderung in dieser Sache ausgesprochen hat.

Richtig – wenn Sie zugehört haben, haben Sie es bemerkt –, es ist kein SPD-Politiker darunter. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass wir hier in der Angelegenheit „Neuverschuldungsverbot in der Verfassung“ in Sachsen nicht weiterkommen.

Gestern sprach sich im Übrigen auch der Sächsische Steuerzahlerbund vehement für ein Neuverschuldungsverbot in der Sächsischen Verfassung aus.

Ich freue mich ganz besonders, wenn ich bei der Lektüre des aktuellen Grundsatzprogramms der Bundes-CDU eine Passage finde, wie – ich zitiere –: „Staatsverschuldung ist unsozial. Spätestens bis Mitte des nächsten Jahrzehnts wollen wir auf allen Ebenen ein grundsätzliches Neuverschuldungsverbot einführen, das die Möglichkeiten der Neuverschuldung auf unabweisbare Ausnahmetatbestände

begrenzt. Es soll im Grundgesetz, in allen Landesverfassungen und für die kommunale Ebene verankert werden.“

Ich will Ihnen ganz klar sagen, meine Damen und Herren: In der Stadt Dresden haben wir als FDP genau das schon gemacht, übrigens gemeinsam mit der Union und gemeinsam mit Ronald Weckesser, Christine Ostrowski und anderen Persönlichkeiten. Was hindert Sie also, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU, heute, hier und jetzt, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen?

(Beifall bei der FDP)