Wir können es nur immer wieder betonen: Hochschule lebt von ordentlich entlohnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darum muss man am Flächentarif festhalten, und sie lebt von Studierenden, die unabhängig von ihrer Herkunft an unseren Hochschulen studieren können. Sie lebt aber vor allem von der Kreativität, von den Kompetenzen und der Einsatzbereitschaft der gesamten Wissenschaftsgemeinschaft. Ein modernes Hochschulgesetz muss dies befördern. Dazu braucht es entsprechende Formen der Mitbestimmung. Sie aber, Herr Prof. Mannsfeld, schließen die größte und politisch aktivste Gruppe, die Studierenden, von den wichtigsten Entscheidungen aus.
An dieser Stelle noch einmal Dank von der Linksfraktion an alle für das Interesse, für die Einmischung, auch für den Druck, der in den letzten Jahren gemacht wurde und so half, den Prozess öffentlicher und transparenter zu gestalten. Hier konnten wir erleben, was gesellschaftliches Engagement bedeutet, und wir wollen die Gruppe der Studierenden Sachsens hervorheben, die in diesem Prozess unermüdlich war, die jedoch mit Ihrem Gesetz der Verlierer sein wird – wenn es um Mitbestimmung geht. Wir erleben es in den Anhörungen bei Hochschulfragen: Die Studierenden sind es, die oft den Finger auf die Wunden legen. Dieses Gesetz aber ist für sie eine Brüskierung.
Leider haben die Proteste in den letzten Jahren die Koalition wenig beeindruckt. Wenn Sie dieses Gesetz beschließen, formen Sie Hochschulen in marktorientierte, autokratische Dienstleistungsunternehmen um, in denen freiheitlich forschen, lehren und lernen sowie wissenschaftliche Kreativität kaum noch Platz haben werden.
Doch nicht nur aus inhaltlichen Gründen halten wir dieses Gesetz für nicht abstimmungsfähig. Es hat eklatante handwerkliche Mängel. Gravierende juristische und verfassungsrechtliche Bedenken wurden benannt. Sie wurden in den Ausschüssen nicht ausgeräumt, und es gab immer wieder die Hinweise vom Juristischen Dienst. Ich will Ihnen das anhand der außerordentlichen Situation am letzten Donnerstagnachmittag im Wissenschaftsausschuss verdeutlichen. Wir hatten über fast 40 inhaltliche Änderungsanträge zu beschließen. Mit zusätzlichen redaktionellen und mehreren mündlich eingebrachten Änderungen kamen wir auf über 50 Änderungsanträge! Das ist doch angesichts des Stellenwertes dieses Gesetzes für Sachsen unhaltbar, und ich danke all den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landtages, die so weit wie möglich Ordnung in diese komplizierte Situation bringen mussten. Ihre gestrige Kritik an uns, Herr Lehmann, wir hätten durch die Ablehnung der vorzeitigen Behandlung die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verprellt, geht ins Leere. Es war die Koalition, die auf die beizeiten angekündigten Mängel nicht reagierte und stattdessen den Juristischen Dienst im Ausschuss verunglimpfen wollte.
Wir meinen, es ist ein Armutszeugnis für Koalition und Regierung, uns heute mit diesem handwerklich schlechten Gesetz zu konfrontieren.
Zu den Kritiken. Zum einen – dies wurde bereits benannt – der Hochschulrat: Einem nicht demokratisch legitimierten Gremium werden die wichtigsten Entscheidungsbefugnisse in die Hand gegeben. Damit wird das Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen ausgehebelt. Dieses von der Staatsregierung berufene Gremium soll bis zu einem Viertel aus Mitgliedern der Hochschulen bestehen. Studierende können dem Senat einen Vertreter vorschlagen. Dieser ist dann jedoch, Herr Mannsfeld, noch lange nicht
Die Staatsregierung wiederum benennt mehr als die Hälfte dieser Mitglieder. Das heißt, der Hochschulrat ist kein demokratisch legitimiertes Organ der Hochschule, denn Demokratie vollzieht sich über Abstimmungen und Wahlen und nicht über Ernennungen durch die Regierung.
Aus Sicht der Linken soll der Hochschulrat Beratungs- und Kontrollfunktion haben. Er könnte so als gesellschaftliches Regulativ wirken. Aber Sie geben diesem Rat die wichtigsten Entscheidungsbefugnisse in die Hand: die Genehmigung des Wirtschaftsplanes, die Genehmigung des Jahresabschlusses und die Entlastung des Rektors. Das steht im Gegensatz zum Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen. In der Anhörung wurden entsprechende verfassungsrechtliche Bedenken mehrfach erwähnt. Ich möchte hier aus der Stellungnahme des Rechnungshofes zitieren: „Unter Berücksichtigung des Demokratiegebotes des Grundgesetzes ist es darum mehr als zweifelhaft, dass diese Entscheidungen dem Hochschulrat übertragen werden.“
Zum Nächsten. Es gibt zu viele Rechtsverordnungen bzw. übergibt das Gesetz zu viele Ermächtigungen in die Hände der Staatsregierung oder formuliert diese zu unbestimmt. Dieses Gesetz soll zwar mehr Autonomie bringen, strotzt aber nur so vor Verordnungen. Verordnungen aber entziehen sich dem Zugriff des Gesetzgebers. Sie ermächtigen die Staatsregierung. Auch hier kamen Kritiken aus der Anhörung. Zitat: „Da sich der Sinn der geplanten Verordnungsermächtigung nicht erschließt, verstößt sie gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot und lässt eine ganzheitliche Betrachtung des Gesetzes nicht zu.“
Da hilft es auch nichts, Herr Mannsfeld, wenn Sie betonen, es gebe nun einen Vorbehalt für den Gesetzgeber. Die Formulierung lautet – heute haben Sie es richtig gesagt –: „Die Rechtsverordnung wird den entsprechenden Ausschüssen zur Kenntnis gegeben.“ Das ist eben kein Vorbehalt. Es wäre nach meinen Erfahrungen auch das erste Mal, dass eine Rechtsverordnung aufgrund von Kritiken in den Ausschüssen verändert würde.
Noch aus einem dritten Grund ist dieses Gesetz nicht abstimmungsfähig. Es ist nämlich ein unvollständiges Gesetz. Im Gutachten des Juristischen Dienstes wurde beizeiten darauf aufmerksam gemacht, dass Lücken durch das Gesetz existieren. In 21 Gesetzen und Verordnungen gibt es Verweise auf das Sächsische Hochschulgesetz in seiner jetzigen Form. Diese Verweise führen nun, würde das Gesetz beschlossen, ins Leere. Ein dringend notwendiges Artikelgesetz wurde jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass dies mit den entsprechenden Ressourcen noch abzustimmen sei und Anhörungsverfahren notwendig wären, das Verfahren aber zu viel Zeit in Anspruch nimmt und das Inkrafttreten des Gesetzes dann nicht abzusichern wäre.
Das bedeutet aber – und das wurde in den Ausschüssen auch so benannt –: Das Gesetz ist nicht komplett.
Aus all den genannten Gründen erwägt DIE LINKE eine Normenkontrollklage. Wie mein Kollege Klaus Bartl sagen würde, müssten wir ja mit dem Klammersack gepudert sein, wenn wir der vorzeitigen Behandlung eines fragwürdigen Gesetzes gestern zugestimmt hätten.
Verehrter Herr Dulig, sehen Sie das doch jetzt als Chance. Ziehen Sie das Gesetz zurück, überarbeiten Sie entsprechende Passagen – dazu gab es genügend Anregungen. Regeln Sie Gesetze und Verordnungen und schärfen Sie die Aussagen im Gesetz.
Herr Dulig, zu Ihrem kleinen Wortspiel vom Montag, wir seien nicht links, sondern link, möchte ich nur anmerken, dass dafür Ihr Verhalten äußerst linkisch war. Wegen Ihres Agierens stehen wir nun vor einem Scherbenhaufen. Den werden andere, zum Beispiel die Hochschulen, wegtragen müssen. Nun versuchen Sie noch, die Schuld anderen in die Schuhe zu schieben. Aber, Herr Dulig, am Ende ist es Ihr Gesetz und die Verantwortung dafür liegt bei Ihnen und natürlich auch bei Herrn Flath.
Es wäre nicht das erste Gesetz, zu dem die Sachverständigen juristische und verfassungsrechtliche Bedenken äußerten und bei dem Sie sich selbstherrlich darüber hinweggesetzt haben. Allein DIE LINKE hat in den letzten Jahren 16-mal vor dem Verfassungsgerichtshof Recht bekommen, während Sie verloren haben und nachbessern mussten. Ihre Weisheit, Herr Flath, „Alle unzufrieden, dann muss es gut sein“, wird Ihnen vor dem Verfassungsgerichtshof auch nicht weiterhelfen.
Ersparen Sie den Hochschulen diese Tortur und legen Sie uns ein vernünftiges und zeitgemäßes Gesetz vor!
Auch wir sehen, dass ein neues Gesetz zwingend notwendig ist. Deshalb haben wir am 1. September 2006 ein eigenes Gesetz eingebracht. Es existieren offensichtlich hochschulpolitische Probleme in Sachsen, die einer Antwort bedürfen. Herausgegriffen seien die extrem hohen Studienabbrecherzahlen. Es kann doch nicht sein, dass Hochschulen ihre Seminare ausdünnen, indem sie systematisch Durchfaller produzieren. Wir haben in Sachsen eine besonders niedrige Promovierendenquote. Es ließe sich Weiteres aufzählen.
Ein weiterer Grund, warum wir ein neues Hochschulgesetz brauchen, ist die Erfüllung der langjährigen hochschulpolitischen Forderungen der Linken für eine Demokratisierung der Hochschulen sowie der Forderung nach Durchlässigkeit im Bildungssystem und nach dem lebenslangen Zugang zu den Hochschulen, unabhängig vom sozialen Status.
Wir haben deswegen ein Gesetz eingebracht, dessen Grundzüge sich an vier Punkten orientierten: eine möglichst weitgehende Organisations-, Finanz- und Personalautonomie für die Hochschulen, eine modernisierte Mitbestimmung, eine radikale Beschränkung der ministerialbürokratischen Regulierungsgegenstände und die Stärkung der Steuerungskompetenzen des Landtages. Hervorheben möchte ich nur kurz die Studienreform als kontinuierlichen Bestandteil der Hochschulentwicklung.
Herr Mannsfeld, Sie haben gesagt, die Studierenden hätten nie darüber gesprochen, dass sie in der Regelstudienzeit studieren wollen. Sie wollen das schon gern, aber sie können nicht, weil die Hochschulen zum Teil so schlecht ausgestattet sind, dass es gar nicht möglich ist, in der Regelstudienzeit das Studium abzuschließen.
(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sehr richtig!)
Weitere Forderungen von uns sind ein Teilzeitstudium für alle Studiengänge, denn mehr als die Hälfte der Studierenden muss neben dem Studium arbeiten. Wir wollen auch ein einsemestriges Orientierungsstudium, damit sich die jungen Menschen gut für ein Studium entscheiden können und wir nicht weiterhin so hohe Studienabbrecherquoten haben. Alle Bachelorabsolventen erhielten bei unserem Gesetz die Möglichkeit, auch einen Masterstudiengang zu absolvieren.
Ein zweiter Aspekt ist die Modernisierung der hochschuleigenen Mitbestimmung. Die Hochschulen können nach dem Hochschulreformgesetz der Linken ihre Organisationsstruktur weitgehend eigenständig regeln. Es wären im Wesentlichen zwei Grundsätze getroffen, nämlich dass das grundordnungs-, also satzungsgebende Gremium die Entscheidung über die Grundordnung förderparitätisch trifft. Das heißt, Professorinnen und Professoren, akademischer Mittelbau, sonstige Beschäftigte und Studierende sitzen gleichberechtigt in diesen Gremien. Dieser Grundsatz der gleichberechtigten Vertretung dieser vier genannten Gruppen muss für alle anderen relevanten Entscheidungsgremien auch zutreffen. Autonomie verknüpft sich so für uns zwingend mit der Mitbestimmungsmöglichkeit für alle Hochschulmitglieder.
Zu den Änderungen beim Personal nur so viel: Der Flächentarifvertrag für den öffentlichen Dienst Sachsens würde für alle Hochschulangehörigen beibehalten werden. Unsere Forderung wäre außerdem, dass zukünftig alle nur noch im Angestellten- und nicht mehr im Beamtenstatus eingestellt werden.
Im Gegensatz zu Ihnen will DIE LINKE auch die stiefmütterliche Behandlung der Fachhochschulen aufheben. Mit dem Gesetzentwurf hätten die Fachhochschulen das Promotionsrecht erhalten und die immer wieder auftretende Benachteiligung beim Übergang der Studierenden von der Fachhochschule zur Universität wäre beendet worden.
So weit kurz zu unserem Gesetzentwurf. Leider wurde dieser bereits abgelehnt, sonst hätten die Hochschulen schon lange in Ruhe arbeiten können. Aber mit dem Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN liegt heute ein Entwurf vor, in dem wir unsere Schwerpunkte im Wesentlichen wiederfinden.
Lieber Kollege Gerstenberg, es war sicherlich nicht einfach, dieses gute Gesetz so lange liegen lassen zu müssen. Jetzt bedanke ich mich aber bei Ihnen dafür, denn so ist es uns möglich, heute einem abstimmungsreifen Gesetz zuzustimmen.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Es geht heute um das neue Hochschulgesetz. Leider haben die Fraktionen der GRÜNEN und der Linken – das wurde gerade noch einmal deutlich – bevorzugt über ein Gesetz gesprochen, das schon lange abgelehnt wurde, und zwar hier im Plenum. Ich weiß nicht, warum wir heute über die Vergangenheit sprechen. Ich denke, wir sollten über das sprechen, was auf dem Tisch liegt.
Herr Dr. Gerstenberg, ich frage mich: Haben Sie die aktuellen Ereignisse nicht mitbekommen? Haben Sie nicht mitbekommen, was aktuell auf dem Tisch liegt? Ich gebe zu, es gab viele Gesetzentwürfe. Vielleicht haben Sie und auch Frau Werner noch den Entwurf von 2006 vorliegen. Ich verstehe nicht, worüber hier geredet wurde.
Das war eine Jammerorgie. Hier alles als Dauerdrama darzustellen finde ich wirklich unangemessen. Mein Kollege Mannsfeld hat das bereits deutlich gemacht.
Liebe geschätzte Kollegin! Haben Sie eigentlich mitbekommen, dass ich in meiner kurzen Redezeit versucht habe, eine vergleichende Darstellung beider Gesetzentwürfe vorzunehmen und dabei sehr wohl auf die kleinen Verbesserungen im Detail in Ihrem Gesetz einzugehen? Können Sie trotzdem zugestehen, dass Sie mit diesen Änderungen im Detail aus einem schlechten Gesetz noch lange kein gutes machen?
Lieber Kollege Dr. Gerstenberg, ich muss ehrlich sagen, dass ich diesen vorsichtigen Versuch des Vergleichs wenig wahrgenommen habe. Ich habe vor allen Dingen wahrgenommen – –