Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Lassen Sie mich noch einmal die aktuelle Lage darstellen. Der weltweit operierende islamistische Terrorismus hat sich in der Tat in den letzten Jahren zur großen Bedrohung für die innere Sicherheit entwickelt. Verbindet man die Orte, in denen seit dem 11. September 2001 Terroris

ten zugeschlagen haben, wird ein immer dichter werdendes Gewaltnetz deutlich. Auch Deutschland ist davor nicht gefeit. Ich erinnere an die Kölner Kofferbomber und an die Sauerland-Gruppe. Immer wieder werden Anschlagsdrohungen bekannt, in denen auch Deutschland genannt wird.

Auch die jüngste Videobotschaft eines abgetauchten deutschen Konvertiten, in der er Deutschland den Krieg erklärt, bestätigt, dass Deutschland weiterhin im Visier des islamistischen Terrorismus steht.

Hinweise auf mehrere Personen in Deutschland, die sich in Ausbildungslagern in Pakistan und Afghanistan aufhalten und dort im Umgang mit Waffen und Sprengstoff geschult wurden, gibt es zur Genüge. Die Zahl der gewaltbereiten Islamisten in Deutschland schätzen Experten auf einige Hundert. Eine zweistellige Zahl wird derzeit von den Ländern als gefährlich bezeichnet, die besonders intensiv zu beobachten sind. Strafverfolgungsbehörden bearbeiten bundesweit aktuell mehr als 230 Verfahren mit islamistisch-terroristischem Hintergrund.

Das sind Tatsachen. Das ist die gegenwärtige Situation, vor der wir stehen. Dem BKA wurde die neue Aufgabe der Abwehr von Gefahren des islamistischen Terrorismus mit diesem Gesetzentwurf übertragen. Es ist die Ergänzung der polizeilichen Gefahrenabwehrbefugnisse der Länder. Wir reden hier von Gefahrenabwehr. Wir reden davon, dass die frühzeitige Aufdeckung und Verhinderung terroristischer Anschläge allemal besser ist, als hinterher die Schäden zu beklagen. In Fällen mit diffuser Erkenntnislage muss der Bund tätig werden können.

Wie soll ein Land agieren, wenn eine zu erwartende Gefahr noch nicht örtlich zuordenbar ist? In solchen Fällen darf es keine Handlungslücke geben.

Auch aufgrund oftmals internationaler Bezüge ist eine erfolgreiche Terrorabwehr ohne das BKA künftig nicht möglich. Dessen Tätigwerden ist eben nur dann möglich, wenn es gefahrenabwehrrechtliche Kompetenzen und Befugnisse erhält. Weder der Freistaat Sachsen noch ein anderes Land der Bundesrepublik ist in der Lage, diese Herausforderungen im Alleingang zu bewältigen. Zur Schließung der Lücke braucht das BKA Befugnisse zur Gefahrenabwehr, die die Polizeigesetze der Länder bereits aufweisen.

Umfang und Reichweite der Befugnisse sind dabei im Kontext mit der Aufgabe des BKA – Abwehr von Gefahren des islamistischen Terrorismus – zu sehen. Vorgesehene Gefahrenabwehrbefugnisse entsprechen im Wesentlichen auch denen der Polizei.

Die fortschreitende technische Entwicklung, insbesondere auch im Bereich der Kommunikation, bedingt Regelungen zur Online-Durchsuchung sowie Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation. Die OnlineDurchsuchung kommt zur Anwendung, wenn andere polizeiliche Maßnahmen gegen terroristische Zellen, die über modernste Kommunikationsmittel verfügen, nicht mehr greifen.

Mit einer Quellen-TKÜ kann die Telekommunikation, die mittels Voice Over IP oder sonstigem Internetverkehr in verschlüsselter Form stattfindet, vor der Verschlüsselung bzw. der Empfänger nach der Entschlüsselung überwacht werden. Wegen zunehmender Anwendung dieser Kommunikationsformen sind entsprechende Instrumentarien erforderlich.

Das BKA-Gesetz beseitigt Schwachstellen, die bisher den Terrorabwehrkampf erschwert haben. Wenn terroristische Netzwerke die Anonymität des Internet und neue Kommunikationstechnologien nutzen, muss die Polizei auch diese Möglichkeiten nutzen dürfen. Wir sind schlichtweg nur dabei, die gleichen technischen Möglichkeiten zu nutzen. Eine normale TKÜ geht dann ins Leere.

Daher ist die Behauptung, mit diesen Regelungen sollen Bürger durchleuchtet und ausspioniert werden, schlichtweg falsch.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Es bleibt bei klaren Zuständigkeitsabgrenzungen zwischen Bundeskriminalamt und Landespolizei. Dies wird als Folge des in der letzten Woche gefundenen Kompromisses zwischen der CDU, der CSU und der SPD nochmalig präzisiert werden. Ich gehe davon aus, dass die Änderungen im VA beschlossen werden und so noch ein entsprechendes Votum des Bundesrates in diesem Jahr erfolgen wird.

Der Gesetzentwurf enthält somit alle erforderlichen Ergänzungen des BKA-Gesetzes, um dem BKA für seine neue Aufgabe das notwendige Rüstzeug zu geben.

In diesem Zusammenhang von einer Bundesgeheimpolizei zu sprechen ist nicht zutreffend.

Durch den internationalen Terrorismus haben wir heute eine deutlich schärfere Sicherheitslage als noch vor wenigen Jahren. Die Situation verlangt nach neuen Wegen. Ich möchte aus diesem Grund nochmals betonen: Das Gesetzesvorhaben ist nicht Selbstzweck. Es trägt zur weiteren Sicherheit unserer Bevölkerung bei.

Herr Dr. Martens, gestatten Sie mir an dieser Stelle, noch einmal den Hinweis zum Abzug der Bundespolizei aufzugreifen. Wenn sich die bundespolizeilichen Aufgaben nach Wegfall der Personenkontrollen verändern, ist es klar, dass der Bundesinnenminister einen Teil dieser Polizei an anderen Schwerpunktstellen, wie Flughäfen und Bahnhöfe, vorhalten wird. Damit den Eindruck zu erwecken, wenn die Bundespolizei in voller Stärke in Sachsen bliebe, bräuchte man nichts mehr für die Terrorismusabwehr zu tun, ist schlichtweg unzutreffend.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich frage, ob von den Fraktionen noch das Wort gewünscht wird. – Herr Bartl, bitte. Noch ein Redebeitrag oder das Schlusswort? – Das Schlusswort, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister Dr. Buttolo, ich fange jetzt in der Reihenfolge mal umgekehrt an. Es ist einfach unredlich, bei der Frage, die wir in den Raum gestellt haben, im Maßstab des Artikel 83 Abs. 3 unserer eigenen Verfassung – das Land unterhält keinen Geheimdienst mit polizeilichen Befugnissen – die Stimmen zu ignorieren, die in der Bundestagsdebatte ihr persönliches Votum, nicht von der Linken – das sowieso – und nicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – das sowieso –, sondern aus anderen Parteien klipp und klar gegen das Gesetz mit der Vermischung von geheimdienstlichen und polizeilichen Befugnissen begründet haben.

Ich zitiere aus der Anlage 24 die Erklärung einer Reihe von Abgeordneten der SPD-Fraktion, darunter Frau Dr. Herta Däubler-Gmelin, immerhin mal Bundesjustizministerin gewesen, die unter anderem ihre Ablehnung so begründet: „Das BKA soll im Zuge der Novellierung des BKA-Gesetzes ein umfassendes Spektrum geheimer Ermittlungsinstrumentarien erhalten. Diese Möglichkeiten sollen auch explizit Nichtbeteiligte treffen, die der Gesetzentwurf vage Kontaktpersonen nennt. Als Kontaktperson kann nach den Buchstaben des Gesetzes jeder Mensch gelten, der auch nur entfernt in einem verdächtigen Kontakt steht. Viele Kritiker und auch Sachverständige bei der öffentlichen Anhörung des BKA-Gesetzentwurfes im Innenausschuss monierten daher zu Recht, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf dem grundsätzlichen Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdienst nicht mehr hinreichend Rechnung getragen wird bzw. dass dieses Trennungsgebot quasi aufgehoben wird.“ Das ist der Standpunkt der ehemaligen Bundesjustizministerin.

Das müssen Sie doch, bitte schön, abhandeln. Wie wollen Sie das im Lande im Maßstab des Artikels 83 Abs. 3, auf den Sie vereidigt sind, verantworten?

Herr Bandmann, es ist maximal unwissend zu behaupten, dass das Instrumentarium, dass das BKA bekommt, bereits in den Landespolizeigesetzen enthalten wäre. Haben wir im Landespolizeigesetz eine Berechtigung zur Online-Durchsuchung und -Überwachung? Haben wir im Landespolizeigesetz das Recht des großen Spähangriffs, sprich: Kameras in Wohnungen zu installieren? Geben Sie mir recht, dass das eine völlig neue Dimension ist, wenn jetzt nicht nur mit dem Mikrofon abgehört werden kann, sondern dass ich im Prinzip in meiner eigenen Wohnung noch gefilmt werde, und das sogar im vermeintlichen Eilfall, ohne vorher einen Richter zu befragen? Geben Sie mir recht, dass der Sprecher des Datenschutzbeauftragten von Sachsen, Herr Schneider, darauf aufmerksam gemacht hat, welche Inflation die Einholung von Richterzustimmungen generell hat und in wie vielen Fällen die Richter nicht einmal ein Minimum der entsprechenden Unterlagen haben, um mit Sachverstand zu entscheiden, ob sie die Genehmigung erteilen oder nicht? Im Prinzip wird mit der großen Keule Terrorismus – oder wie auch immer – jeder damit konfrontierte Ermittlungsrichter sich kaum zu sagen wagen: Das mache ich nicht. Wie soll er es denn verantworten, wenn es mal schiefgeht?

(Volker Bandmann, CDU: Welche Richter meinen Sie denn?)

Ich meine die Richter, die tagtäglich an der Sache arbeiten und ihre Vorbehalte über den Richterbund und Ähnliches mehr genauso angemeldet haben. Das müssen Sie bloß lesen! Sie nehmen ja nur das zur Kenntnis, was Sie wollen und was in Ihr Bild passt. Die Berufsverbände der Richter und der Rechtsanwälte haben auch gesagt, dass es so nicht geht.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Staatsminister Jurk! Es war ein gescheiter Beitrag. Ich habe im Prinzip durchaus Respekt davor, dass Sie versucht haben, den Zwiespalt, in dem die SPD-Fraktion ist, zu reflektieren. Das sehe ich völlig. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass das in den Koalitionszusammenhängen schwer zu entscheiden ist. Es gibt dennoch, wie man so schön sagt, Scheidepunkte, wo man sich zu irgendeinem Prinzip bekennen muss. Dieser BKAGesetzentwurf verändert – und das ist das Problem – die Bundesrepublik Deutschland. Das hat mein Kollege Dr. Martens in einer Prägnanz dargestellt, die kaum wiederholbar ist. Er verändert insgesamt das Sicherheitsgefüge in der Bundesrepublik Deutschland in der Balance zwischen Freiheits- und Eingriffsrechten des Staates elementar. Wir haben danach in dieser Frage eine andere Bundesrepublik Deutschland.

Was die SPD betrifft, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein wenig Nötigung im Spiel gewesen ist. Ich weiß nicht, ob es Zufall ist, dass auf der Tagesordnung des Vermittlungsausschusses am 17. Dezember 2008 neben dem BKA-Gesetzentwurf im Bundesrat auch das Gesetz von familien- und haushaltsnahen Dienstleistungen, das Familienleistungsgesetz, steht.

(Staatsminister Thomas Jurk: Das hat damit nichts zu tun!)

Bitte zum Schluss kommen.

Das weiß ich nicht. Wird die Zustimmung der Länder zum BKA-Gesetz mit der Zustimmung des Bundes zur strittigen Lastenverteilung aufgewogen?

(Staatsminister Thomas Jurk: Nein!)

Ist das die Verhandlungsmasse gewesen? Werden sozialdemokratische Wohltaten im Bereich der Familienpolitik, in diesem Fall zum Beispiel die Erhöhung des Kindergeldes und Kinderfreibetrages, aufgewogen mit der Zustimmung zum BKA-Gesetz? Auch die Frage steht im Raum.

(Staatsminister Thomas Jurk: Nein, nein!)

Wir meinen, dass es jedes andere Bundesland leichter hat als der Freistaat Sachsen, weil wir den § 88 Abs. 3 haben. Hier führen Sie eine Gesellschaft herbei, in der nachrichtendienstliche Tätigkeit und Tätigkeit der Polizei vermischt werden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ein weiteres Schlusswort hat die Fraktion GRÜNE. Wird es gewünscht? – Nicht.

Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zur Abstimmung. Wir stimmen zuerst ab über die Drucksache 4/13 – –

(Widerspruch bei der Linksfraktion – Caren Lay, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Worum geht es denn jetzt?

Ich möchte für unsere Fraktion eine namentliche Abstimmung beantragen.

Ich war jetzt mitten in der Abstimmung. Ich habe zur Abstimmung aufgerufen.

(Widerspruch bei der Linksfraktion)

Das nützt jetzt alles nichts. Sie können vielleicht bei der zweiten Abstimmung den Antrag stellen.

(Empörung bei der Linksfraktion – Caren Lay, Linksfraktion: So geht es nicht, Herr Präsident!)

Also, meine Damen und Herren, wir waren mitten in der Abstimmung. Ich habe die Frage gestellt und dabei bleibt es jetzt auch.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der NPD und des Staatsministers Geert Mackenroth)

Meine Damen und Herren! Ich stelle die Drucksache 4/13832 zur Abstimmung