(Beifall bei der CDU – Stefan Brangs, SPD: Jetzt haben Sie mich aber vom Sessel gehauen! – Weitere Zurufe von der SPD)
Meine Damen und Herren! Wir sind in der zweiten Runde der Fraktionen. Wer möchte von den Fraktionen noch sprechen? – Das kann ich nicht sehen. Dann hat Staatsminister Prof. Wöller das Wort.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ganztagsangebote dienen der Leistungsorientierung und der Chancengerechtigkeit an unseren Schulen. In Sachsen sehen wir uns in der komfortablen Situation, dass die Schülerinnen und Schüler nahezu flächendeckend Ganztagsangebote belegen können, und damit nehmen wir im Bundesvergleich eine Spitzenrolle ein. Ich habe von den Abgeordneten der Opposition den Hinweis darauf vermisst, wo wir im deutschlandweiten Vergleich stehen. Wir stehen nämlich ganz oben.
Unser Ziel ist es, die Ganztagsangebote qualitativ auf hohem Niveau weiterzuentwickeln. Sie unterstützen die Bildungsziele unserer Lehrpläne, die Vermittlung von anwendungsfähigem Wissen, die Methodenkompetenz, die Lernkompetenz und die Sozialkompetenz. Außerdem gewinnen unsere Kinder und Jugendlichen Werteorientierung, die ich für ganz besonders wichtig halte. Die Ganztagsangebote präsentieren sich an den einzelnen Schulen sehr unterschiedlich. Sie verleihen ihnen gewissermaßen ein unverwechselbares Profil, und das ist durchaus gewollt.
Ich bin überzeugt, dass die Schulleitung, dass die Lehrerinnen und Lehrer, dass die Hortbetreuer und die Eltern am besten das optimale Angebot für ihre eigene Schule erarbeiten können. Das gilt auch für die Einbindung außerschulischer Partner. Deshalb verordnen wir die Ganztagsangebote nicht zentral, sondern lassen sie vor Ort entwickeln.
Wir haben uns ganz bewusst für diesen Weg entschieden, in Sachsen keine Ganztagsschulen zu etablieren. Wir haben uns für Schulen mit Ganztagsangeboten entschieden. Das grundlegende Prinzip – darin unterscheiden wir uns – ist ein sehr wesentliches für unser schulpolitisches Verständnis, nämlich das Prinzip der Eigenverantwortung.
Ob eine Ganztagskonzeption an einer Schule gestaltet und umgesetzt werden soll, entscheiden die Lehrerinnen und Lehrer, die Schülerinnen und Schüler und die Eltern gemeinsam. Sie stimmen sich eng mit dem Schulträger und den außerschulischen Partnern ab. Darüber hinaus entscheidet jede Schule selbst, welche Organisationsform von Ganztagsangeboten sie umsetzen möchte. Das ist für uns gelebte Bürgergesellschaft, das ist gelebte Demokratie.
Ein komplexes Bildungssystem muss offen sein und auf neue Ideen und Rahmenbedingungen reagieren. Bei diesem ständigen Reformprozess spielen auch Modellversuche eine Rolle. Für sie gelten zeitlich begrenzte Sonderbedingungen, um den beteiligten Schulen innovatives Arbeiten zu ermöglichen, aber auch um Fehlentwicklungen zu korrigieren. Der Schulversuch „Sächsische Schulen mit Ganztagsangeboten“ wurde von 2003 bis Sommer 2004 durchgeführt. Daran waren zehn Modellschulen beteiligt, drei Gymnasien und sieben Mittelschulen. Die Teilnahme am Modellversuch verlangte von den Schulen ein hohes Maß an Anstrengung und Einsatzbereitschaft. Referenten meines Hauses und des Sächsischen Bildungsinstituts betreuten den Modellversuch, Experten der TU Dresden begleiteten ihn wissenschaftlich. Herr Herbst, eine wissenschaftliche Begleitung war also durchaus gewährleistet.
Nach einhelliger Meinung der Beteiligten zeigte der Modellversuch für die Schulen eine Reihe positiver Aspekte, so empfanden es die Lehrerinnen und Lehrern als Bereicherung, ebenso die passgenauen Fortbildungsangebote und Informationen durch die Projektleitung. Die zusätzlichen personellen und finanziellen Ressourcen boten die Möglichkeit, Neues auszuprobieren und die Schulentwicklung zu befördern. Jede Schule hat dabei eigene Erfahrungen unter eigenen Bedingungen gemacht. Alle diese Erfahrungen flossen in die Änderung der Richtlinie des SMK zur Förderung des Ausbaus von Ganztagsangeboten vom 22. Mai 2007 ein.
Nun kritisiert die Linksfraktion den Wegfall der Sonderbedingungen, die eigens für den Modellversuch geschaffen wurden. Hierzu möchte ich eines klarstellen: Es ist doch Sinn und Zweck eines Modellversuches, Erkenntnisse unter Einsatz zusätzlicher Ressourcen zu gewinnen. Sie sollen allgemeine Aussagen für das Kultusministerium und damit für alle Schulen erbringen. Aber es entspricht auch der Logik eines Modellversuches, dass nach dessen Beendigung die Sonderbedingungen wieder wegfallen.
Das bedeutet ja nicht das Ende der Ganztagsangebote. Im Gegenteil – darauf hat Kollege Colditz bereits hingewiesen – konnten über den Modellversuch ausreichend Erkenntnisse gewonnen werden, um für alle Schulen geltende Rahmenbedingungen zu schaffen. Es hat sich gezeigt, dass der Übergang in die Regelförderung über die Förderrichtlinie GTA keinen erkennbaren Qualitätsverlust bei den Ganztagsangeboten nach sich zog.
Schon im Verlauf des Modellversuches wurden die Schulen darauf vorbereitet. Sie haben mit Unterstützung der Regionalkoordinatoren ihre Konzepte und Anträge überarbeitet. So ist es acht von zehn Schulen gelungen, auch unter den Bedingungen der Förderrichtlinie ihre Angebotsstruktur aufrechtzuerhalten. In aller Regel bleibt die Qualität der Ganztagsangebote an den Schulen des Modellversuches auch mit dem vorhandenen Lehrpersonal und den externen GTA-Kräften erhalten. Deshalb sieht das Kultusministerium keine Notwendigkeit, für diese und andere Schulen zusätzliche Personalstellen bereitzustellen. Übrigens wurden nicht nur die Modellschulen wissenschaftlich begleitet, sondern auch die Förderrichtlinie GTA.
Auf dieser Grundlage – ich betone es noch einmal – sind sehr tragfähige und erfolgreiche Modelle entstanden.
Im Dezember 2008 befassten sich Experten mit den Ergebnissen des Modellversuches und der Evaluation der Förderrichtlinie. Sie diskutierten Möglichkeiten zur Steigerung der Qualität von Ganztagsangeboten und legten Mindestanforderungen für Ganztagsangebote fest. Seit Anfang dieses Jahres werden die Mindestanforderungen allen Schulen übermittelt. Sie können auch gemeinsam mit den Ergebnissen der wissenschaftlichen Begleitung des Modellversuches im Netz nachgelesen werden.
Ich möchte den erfolgreich begonnenen Weg fortsetzen und die Qualität der jetzt schon nahezu flächendeckend eingeführten Ganztagsangebote weiter verbessern. Allerdings sehe ich keinen Handlungsbedarf, Schulen über die Regelförderung hinaus zu fördern. Daher empfehle ich auch, den Antrag der Linksfraktion abzulehnen.
Meine Damen und Herren! Gibt es nach den Darlegungen des Ministers noch den Wunsch, die Aussprache weiterzuführen? – Dann kommen wir zum Schlusswort; Frau Falken für die einreichende Linksfraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist äußerst schwer, Ihnen, Herr Wöller und Herr Colditz, in dem Bewusstsein zuzuhören, dass es hier um Kinder und Jugendliche im Freistaat Sachsen geht, die ein gewisses Niveau erlebt haben und das jetzt nicht mehr erleben dürfen.
Herr Colditz, ich weiß nicht, ob Sie schon einmal an den Schulen waren. Sie haben mir vorgeworfen, ich würde die Förderrichtlinie nicht kennen. Ich kenne die Förderrichtlinie, aber ich war auch an den Schulen, sowohl an den zehn Modellschulen als auch an anderen Schulen, die ein Ganztagsangebot führen. Ich habe mit Eltern in Markkleeberg gesprochen, als dieser Schulversuch eingeführt wurde. Damals waren es unter 50 % der Eltern, die gesagt haben, dass sie das wollen. Fragen Sie die heute einmal. In dem Projekt gibt es übrigens dazu Untersuchungen; ich weiß nicht, ob Sie sich die angeschaut haben. Mir ist es lieber, ich gehe vor Ort. Über 90 % der Eltern, deren Kinder an diese zehn Schulen gehen, sagen: Wir wollen die gebundene Form,
Herr Colditz, wenn Sie jemanden fragen, der etwas gar nicht kennt, ob er das haben will oder nicht, ist es immer eine schwierigere Position, als wenn er es erlebt hat.
Hören Sie sich doch an, was ich zu Markkleeberg gesagt habe. Damals haben die Eltern gesagt: Das wollen wir nicht. Heute wollen sie es unbedingt, weil sie genau sehen, welche Vorteile die Schülerinnen und Schüler haben.
Herr Wöller, es geht um Schülerinnen und Schüler, es geht um Kinder und Jugendliche, die etwas erlebt haben, was sie jetzt nicht mehr erleben. Wenn Sie uns hier erzählen, dass die Angebote nicht zurückgegangen sind, dann mag das möglicherweise an einzelnen Schulen sogar stimmen, das habe ich nicht überprüft. Aber ich weiß genau, dass zum Beispiel die Fördergruppen viel größer sind. Sie sind zum Teil doppelt so groß wie vorher. Es ist doch wohl klar, dass mit diesem Potenzial nicht die Ergebnisse erreicht werden können, die bisher erreicht wurden. Dass es an den Schulen Streichungen gibt und sogar die Hausaufgabenhilfe wegfällt, ist doch nun wirklich bekannt. Da müssen Sie uns doch nicht erzählen, wie toll alles ist!
Herr Wöller, ich würde Sie wirklich sehr bitten, in diesem Bereich nicht abzuheben: Wir sind die Größten, die Besten, die Schönsten, Sie stehen ganz vorn und Sie haben alles flächendeckend. Man muss auch einmal schauen, was im Ergebnis wirklich vor Ort passiert, welche Möglichkeiten tatsächlich existieren, wie viel Personal zur Verfügung steht und wie das die Lehrer sogar zusätzlich in ihrer Freizeit und natürlich die Personen von außen realisieren.
Flächendeckend – Sie sind in den letzten zwei Jahren massiv mit Vertretern der Regionalstellen an die Schulen in die Dienstberatungen gegangen, zum Teil mehrfach, um die Lehrerinnen und Lehrer davon zu überzeugen, an dem Projekt teilzunehmen. Das ist ja positiv.
Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zur Abstimmung. Ich lasse jetzt abstimmen über die Drucksache 4/14362, Antrag der Linksfraktion, und bitte bei Zustimmung um Ihre Handmeldung. – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Enthaltungen und einer großen Anzahl von Jastimmen wurde der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt.
Wir beginnen die Aussprache mit der einreichenden Fraktion. Danach gibt es die gewohnte Reihenfolge. Herr Delle, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion bittet Sie um Zustimmung zum folgenden sinngemäßen Inhalt unseres Antrages: Die Staatsregierung wird ersucht, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu ergreifen, für deutsche Produkte und Dienstleistungen befristet bis zum 31.12.2010 einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 % einzuführen und den Mehrwertsteuersatz für Grundnahrungsmittel, die im Inland hergestellt wurden, auf null Prozent zu senken.
Meine Damen und Herren! Schon vor beinahe drei Jahren, nämlich im April 2006, hat meine Fraktion einen Antrag auf Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 7 % auf arbeitsintensive und konsumnahe Dienstleistungen gestellt. In diesem Zusammenhang erhielten wir von der Staatsregierung eine schriftliche Stellungnahme, in der im Wesentlichen festgestellt wurde, dass das Umsatzsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland an die Vorgabe der 6. EG-Richtlinie gebunden sei. Dementsprechend fiel auch die Debatte hier im Plenum über den damaligen Antrag aus. Neben Hinweisen auf die vermeintliche Wirkungslosigkeit von ermäßigten Mehrwertsteuersätzen wurde hauptsächlich auf diese Bindung an das sogenannte EU-Recht verwiesen.