Protokoll der Sitzung vom 21.01.2009

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält das Wort, Frau Herrmann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche, ein wenig rechtliche Transparenz in die Debatte zu bringen. Herr Günther hat versucht, uns zu erklären, dass die FDP mit

dem Gesetzentwurf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes bzw. des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes eins zu eins umsetzen würde. Was hat das Bundesverfassungsgericht bzw. der Sächsische Verfassungsgerichtshof wirklich geurteilt? Sie haben mehreren Klagen, die die Betreiber von Einraumgaststätten und Diskotheken angestrengt haben, stattgegeben und geurteilt, dass die bestehende Regelung die Freiheit der Berufsausübung gemäß Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt, da der Gesetzgeber die besonderen Belastungen, die sich für eine Gruppe, wie zum Beispiel die Betreiber von Gaststätten mit weniger als 75 Quadratmetern und ohne Nebenräume, ergeben, nicht entsprechend berücksichtigt habe. Das ist das eine.

Er hat aber auch sehr deutlich gesagt, dass der Gesetzgeber nicht daran gehindert sei, dem Gesundheitsschutz gegenüber den damit beeinträchtigten Freiheitsrechten, insbesondere der Berufsfreiheit der Gastwirte und der Verhaltensfreiheit der Raucher, den Vorrang einzuräumen und ein striktes Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen. – Das ist das, worauf mein Kollege Gerlach schon eingegangen ist.

Der Sächsische Verfassungsgerichtshof lässt also mehrere Möglichkeiten zu, und wir müssen uns überlegen, welche der Möglichkeiten wir angehen wollen. Wir haben uns in der Debatte, die zu diesem Thema seit mindestens einem Jahr geführt wird, immer wieder über die Gesundheitsgefahren des Rauchens ausgetauscht, und zwar des Passivrauchens derjenigen, die mit in der Gaststätte sind, aber genauso der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nicht berücksichtigt, jedenfalls habe ich dazu nichts gefunden. Vielleicht habe ich es auch übersehen. Es ist ja nicht gesagt, dass in einer Gaststätte, die weniger als 75 Quadratmeter hat, nur der Inhaber bedient.

Aufgrund der erheblichen Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen, die ich im Einzelnen nicht noch einmal aufzählen will, gibt es verschiedene Möglichkeiten, das mit dem Gesetz angerichtete Dilemma, nämlich die Ungleichbehandlung, die durch die Ausnahmen entstanden ist, zu regeln, indem die Ausnahmen abgeschafft werden. Das ist der andere Weg, den Sie nicht vorgeschlagen haben. Das wäre aber der Weg, der eine Wettbewerbsverzerrung zuverlässig verhindert, da es keine Ausnahmen mehr gibt und damit keine Möglichkeit für eventuell Benachteiligte, eine erneute Klage anzustrengen.

Wir müssen entscheiden, wie wir die Freiheit des Einzelnen und den Gesundheitsschutz der Allgemeinheit bewerten. Das Ergebnis unserer Überlegungen wird dann sein zu entscheiden, ob wir aufgrund der erheblichen Gesundheitsgefährdung die Einschränkung der Freiheitsrechte hinnehmen wollen. Ihr Gesetzesvorschlag ist nach meiner Auffassung nicht praktikabel. Die Diskotheken sind bereits angesprochen worden. Jugendliche unter 16 Jahren haben nach Ihrem Gesetzentwurf zu Diskotheken über

haupt keinen Zutritt mehr. Sie schreiben in Ihrem Gesetzentwurf, dass es in den Raucherräumen von Diskotheken keine Tanzmöglichkeit mehr gibt. Wer geht denn dann dorthin und kontrolliert, ob jemand dort das Tanzbein schwingt? – Das sind nur die kleinen Sachen am Rande.

Ihr Gesetzentwurf ist, wie bereits gesagt, nicht praktikabel. Ich wünsche den Ordnungskräften, falls der Gesetzentwurf beschlossen werden sollte, sehr viel Zeit für die Kontrollen, die dann notwendig werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Haben die Fraktionen noch weiteren Aussprachebedarf? – Das kann ich nicht erkennen. Dann frage ich die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Clauß, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Vor fast genau einem Jahr trat das Nichtraucherschutzgesetz im Freistaat Sachsen in Kraft. Aus gesundheitspolitischer Sicht waren die Rauchverbote in allen öffentlichen Bereichen und in vielen privaten Einrichtungen ein bedeutender Schritt zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor den Gefahren des Passivrauchens.

Öffentliche Diskussionen gab es im letzten Jahr vor allem hinsichtlich der Gaststätten und Diskotheken. Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen macht es jetzt notwendig, das Gesetz zu novellieren. Der Verfassungsgerichtshof hat in mehreren Beschlüssen festgestellt, dass einzelne Regelungen zu Gaststätten, Diskotheken und Spielhallen nicht mit der grundrechtlich geschützten Berufsausübungsfreiheit der Gewerbetreibenden zu vereinbaren sind.

Für die Zeit bis zum Erlass eines Änderungsgesetzes durch den Sächsischen Landtag hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen folgende Maßnahmen festgelegt:

Erstens. Es wird eine Ausnahme vom allgemeinen Rauchverbot für Einraumgaststätten bis 75 Quadratmeter normiert, die als Rauchergaststätte gekennzeichnet sind und in denen ein Zutrittsverbot für Minderjährige besteht. In Diskotheken kann in einem abgetrennten Nebenraum ein Raucherraum eingerichtet werden, in dem nicht getanzt werden darf und der entsprechend gekennzeichnet ist. In abgetrennten Nebenräumen von Spielhallen gilt das allgemeine Rauchverbot nicht, sofern diese Räume als Räume gekennzeichnet sind, in denen das Rauchen zugelassen ist.

Der Gesetzentwurf der FDP-Fraktion setzt die Maßgaben des Verfassungsgerichtshofes des Freistaates Sachsen lediglich hinsichtlich der Gaststätten und Diskotheken um, nicht jedoch die zeitlich später ergangenen Maßgaben hinsichtlich der Spielhallen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich darf daher auf den Gesetzentwurf der Staatsregierung verweisen, der bereits in den Landtag eingebracht wurde.

Dieser Gesetzentwurf regelt die Ausnahmen im Gaststättenbereich und bei Diskotheken neu und streicht die Spielbanken und Spielhallen aus dem Katalog der Einrichtungen, die unter das allgemeine Rauchverbot fallen. Er enthält außerdem eine Weiterregelung. Aus Gründen des Jugendschutzes und der Gleichbehandlung legt er ein Zutrittsverbot für Minderjährige auch in den abgetrennten Nebenräumen von Gaststätten fest.

Der Gesetzentwurf der Staatsregierung stellt die Verfassungsmäßigkeit des Sächsischen Nichtraucherschutzgesetzes im vollen Umfang wieder her. Ein weiterer Novellierungsbedarf, wie er beim Entwurf der FDP-Fraktion gegeben wäre, kann also vermieden werden.

Ich bitte Sie deshalb, den von der FDP-Fraktion vorgelegten Gesetzentwurf abzulehnen, und danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die FDP-Fraktion wünscht noch einmal das Wort. Herr Günther, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein kurzes Eingehen auf die Diskussion sollte schon sein. Was haben wir heute hier gehört? „Genau prüfen“, „in den Koalitionsverhandlungen noch einmal bereden“, „langsam“, „ja nicht zu schnell“, „nichts überstürzen“, „noch einmal im Ausschuss darüber reden“, „wir haben Zeit bis zum 31.12.“, „wir müssen noch einmal nachschauen“.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Großen Koalition! Langsamkeit hat einen Namen hier in Sachsen, das ist die große CDU/SPD-Koalition.

(Proteste von CDU und SPD – Rita Henke, CDU: Na, na! – Zuruf des Abg. Klaus Tischendorf, Linksfraktion)

So wie Sie arbeiten, können wir das für die betroffenen Gaststättenbetreiber nicht durchgehen lassen. Sie sollten schnell handeln, entschlossen handeln, für die Sachsen handeln. Das tun Sie aber mit Ihrer Langsamkeit nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Bevor wir in die Einzelberatung des Gesetzentwurfes gehen, frage ich, ob die Berichterstatterin des Ausschusses, Frau Herrmann, noch einmal das Wort wünscht. – Nein, das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Dann schlage ich Ihnen vor, entsprechend § 44 Abs. 5 Satz 3 der Geschäftsordnung über den Gesetzentwurf artikelweise zu beraten und abzustimmen. – Ich sehe keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Aufgerufen ist das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz von Nichtrauchern im Freistaat Sachsen (Sächsisches Nichtraucherschutzgesetz) , Drucksache 4/13699, Gesetzentwurf der FDP-Fraktion.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf der FDPFraktion, zunächst über die Überschrift. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Stimmen dafür ist die Überschrift mehrheitlich nicht bestätigt.

Ich rufe auf Artikel 1, Änderung des Gesetzes zum Schutz von Nichtrauchern im Freistaat Sachsen. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Analoges Stimmverhalten zur vorherigen Abstimmung. Der Artikel 1 ist demnach nicht bestätigt.

Ich rufe auf Artikel 2, Inkrafttreten. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Bei keinen Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist Artikel 2 mehrheitlich abgelehnt worden.

Nachdem somit sämtliche Bestimmungen des Gesetzentwurfes abgelehnt wurden, findet über diesen Entwurf keine weitere Beratung und Abstimmung mehr statt. Damit ist die 2. Beratung abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

2. Lesung des Entwurfs Zweites Gesetz zur Änderung des Sächsischen Meldegesetzes

Drucksache 4/13115, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 4/13714, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Wir beginnen mit der Fraktion der GRÜNEN, danach CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung. Herr Dr. Gerstenberg, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als

die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diesen Gesetzentwurf im September letzten Jahres in den Landtag einbrachte, hofften wir auf eine sachorientierte und positive Debatte im Sinne des Datenschutzes. Leider wurde diese Erwartung mehr als enttäuscht.

Mein Kollege Johannes Lichdi, den ich hier vertrete, musste im Ausschuss eine Debatte erleben, an der sich die Staatsregierung vor allem durch Nebelkerzen, falsche

Aussagen und unvertretbare Rechtsmeinungen beteiligt hat, während die Koalitionsfraktionen von vornherein auf jedes Argument verzichtet haben.

Wir schlagen in unserem Gesetzentwurf zur Änderung des Sächsischen Meldegesetzes vor, die Übermittlung personenbezogener Daten durch die Kommunen an private Dritte nur zuzulassen, wenn die betroffenen Bürgerinnen und Bürger zuvor in die Übermittlung eingewilligt haben. Liegt keine Einwilligung vor, dann ist die Übermittlung unzulässig. Für uns GRÜNE ist diese Einwilligungslösung eine pure Selbstverständlichkeit, denn nach den elementaren Grundsätzen des Datenschutzes kann es nur heißen: Meine Daten gehören mir – und nicht dem Staat oder irgendwelchen Dritten!

(Einzelbeifall bei der Linksfraktion)

Leider haben sich die Koalitionsfraktionen dieser Einsicht verschlossen. Meine Damen und Herren von der Koalition, Ihnen war es offensichtlich wichtiger, den Kommunen eine einträgliche Geldquelle zu erhalten, als die Daten der sächsischen Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Diese Einnahmen sind erheblich. Nach den sehr lückenhaften Auskünften der Staatsregierung müssen wir davon ausgehen, dass die sächsischen Kommunen jährlich weit über 1 Million Euro am Datenhandel verdienen.

Ich glaube, die Koalitionsfraktionen haben die Brisanz dieser Angelegenheit bis heute nicht erkannt.