Logischerweise stellte dann die Kommission fest, dass die Gesamtkosten für die Umstrukturierung nicht bekannt waren, Fristverlängerungen beantragt und nicht eingehalten wurden, Informationen sich widersprachen, Unterlagen nicht weitergereicht wurden, mal von Überkapazitäten gesprochen wurde, was vier Wochen später wieder dementiert wurde, im Jahr 1998 Tabellen aus dem Jahr 1992 mit angeblich aktuellen Werten eingereicht wurden usw. usf.
Und die Konkurrenz schläft auch nicht, nicht die britische und auch nicht die altbundesdeutsche, die im Jahr 1997 unaufgefordert die LAUTEX bei der EU eines Verdrängungswettbewerbs bezichtigte und dafür noch im Jahr 2002 Unterstützung von einem CDU-Bundestagsabgeordneten erhielt, der in seiner Wahlkreiszeitung versprach, sich dafür stark zu machen, dass die EU das gegen die NEU ERBA LAUTEX eingeleitete Verfahren auch konsequent vollstreckt.
Ich möchte nicht wissen, was sich da noch alles hinter den Kulissen und im Geflecht persönlicher Beziehungen abgespielt hat.
Zurück in das Jahr 1999! Der erfolgreiche Investor warf das Handtuch – ausschließlich wegen der ungeklärten Eigentumsverhältnisse –, die Aufträge gingen zurück, die Kapazitäten wurden geringer ausgelastet, Kurzarbeit war angesagt. Das Dilemma verschärfte sich wieder und weiter. Konkurs wurde angemeldet, die Firma zweimal weltweit ausgeschrieben. Die Belegschaft entschloss sich zum Management-buy-out. Das Konzept fand keine Unterstützung bei Banken und ebenso wenig beim Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit. Aber auch die weltweiten Ausschreibungen brachten keinen Retter von außen. Die Liquidierung des Unternehmens wäre damit absehbar.
Nun liegt dem Wirtschaftsministerium seit Donnerstag der vergangenen Woche ein neues Konzept vor. Es geht wieder um Management-buy-out, aber unter deutlich verbesserten Vorzeichen: mit signalisierter Unterstützung der Hausbank, in eigener Regie, mit über 80 Kunden und Export in 32 Länder, mit einem hochmodischen Sortiment in Spitzenqualität und innovativen Textilien für die Berufsbekleidung. Denn trotz all der Ereignisse in der Vergangenheit – und das ist für mich ein Wunder – wird in dem Betrieb produziert und noch dazu erfolgreich.
Mit einem Insolvenzverwalter als Gesellschafter ist es gelungen, das Vertrauen der Kunden zu wahren, die NEU ERBA LAUTEX am Markt zu halten, die Kundenperformance gewaltig zu verbessern, das Exportgeschäft zu erweitern. Diese Oberlausitzer Granitschädel mit ihrem altbundesdeutschen Geschäftsführer verdienen für ihre Tapferkeit alle nur mögliche Unterstützung.
Wenn Sie, meine sehr geehrten Mitglieder der Sächsischen Staatsregierung, sich auch nur mit einem Hauch der Anstrengungen, die Sie im Jahr 2003 bei AMD in Dresden für 1 000 Arbeitsplätze aufbrachten, nun auch für über 200 Arbeitsplätze in der Oberlausitz einsetzen, dann wird auch dies ein Erfolg. Bei AMD, Porsche und BMW, DHL und anderen Ansiedlungen haben Sie bewiesen, dass Sie inzwischen gelernt haben, mit der EU umzugehen,
wobei das vielleicht nicht einmal mehr das Problem ist. Denn Sie schreiben selber unter Punkt 6 Ihrer Stellungnahme, dass die Gefahr der Konfrontation eines neuen Investors mit den Rückzahlungsforderungen wegen der Beihilfen an die alte ERBA LAUTEX insbesondere nicht für einen möglichen Erwerber der NEU ERBA LAUTEX besteht, sofern er das Unternehmen im Rahmen eines ordnungsgemäßen, das heißt eines offenen, transparenten und bedingungsfreien Ausschreibungsverfahrens erwirbt.
Da müsste doch etwas zu machen sein, noch dazu, da nur eine finanzielle Unterstützung in fast schon bescheidenem Umfang nötig ist! Der erste Einsatz des Mittelstandsfonds der Koalition könnte erfolgen – keine stille Beteiligung, keine Bürgschaften wie bei AMD, nur GAMittel, und bei weitem nicht in der Millionenhöhe wie bei AMD.
Diese Unterstützung käme auch für die Region gerade zur rechten Zeit. Könnten diese mehr als 200 Arbeitsplätze in der Textilindustrie gerettet werden, ließen sich damit vielleicht die derzeitigen Schwierigkeiten bei den Automobilzulieferern abfedern. Außerdem war ein Branchenmix schon immer ein Garant für Erfolg in guten und manchmal auch in schlechten Zeiten.
Für die Koalition hatte Herr Lehmann gesprochen, also spricht die SPD nicht. – Dann bitte ich die FDP, das Wort zu nehmen. – Nein, kein Redebedarf? – Sie haben noch Zeit.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN? – Kein Redebedarf. Dann ist die Staatsregierung an der Reihe. Herr Staatsminister Jurk.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn ich die Gäste auf der Tribüne nicht begrüßen kann, möchte ich doch den Mitarbeitern der NEU ERBA LAUTEX meine Hochachtung zollen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der ursprüngliche Antrag der NPD-Fraktion zur Lage der Textilunternehmens NEU ERBA LAUTEX GmbH enthält sachliche Fehler und ist mit falschen Informationen gespickt. Um eine sachgerechte Diskussion über das Unternehmen zu ermöglichen, ist eine kurze, korrekte Darstellung des Sachverhalts notwendig.
Im Jahr 1999 entschied die Europäische Kommission, dass von der BvS gewährte Beihilfen an die ERBA LAUTEX (alt) in Höhe von zirka 61 Millionen Euro nicht mit den Regeln des Gemeinsamen Marktes vereinbar sind. Die Beihilfen mussten zurückgefordert werden. Daraufhin meldete die ERBA LAUTEX Gesamtvollstreckung an. Die von der Kommission vorgetragenen Gründe, die zu dieser Entscheidung geführt haben, sind leider stichhaltig.
Die Kommission bezweifelte, dass die in Angriff genommenen Umstrukturierungsmaßnahmen geeignet waren, die langfristige Rentabilität des Unternehmens herzustellen. Sie kam vielmehr zu dem Schluss, dass die gewährten Beihilfen das Unternehmen nur künstlich am Leben erhielten. Beleg dafür ist zum Beispiel, dass die Investoren nur 3,2 % der benötigten finanziellen Mittel zur Verfügung stellten und dass das Unternehmen auch noch Jahre nach begonnener Umstrukturierung jährlich Verluste von 15 Millionen DM machte.
Bei der Prüfung dieser Gründe stellten die Bundesregierung und die Staatsregierung fest, dass keine ausreichenden Argumente für eine Klage gegen die Negativentscheidung vorgetragen werden könnten. Deshalb wurde keine Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof angestrengt. Stattdessen suchte die Staatsregierung nach Alternativen, wie das Unternehmen fortgeführt werden kann. Gemeinsam mit der BvS wurde im Dezember 1999 die Gründung der Auffanggesellschaft NEL, NEU ERBA LAUTEX GmbH, durch eine Rettungsbeihilfe in Höhe von insgesamt zirka 4,6 Millionen Euro aus einem von Brüssel genehmigten Programm unterstützt. Die Rettungsbeihilfe sollte dazu dienen, innerhalb eines überschaubaren Zeitraums einen Investor für die Standorte Neugersdorf und Leutersdorf zu finden. Die Beihilfe wurde bei der EU notifiziert.
Im Jahr 2002 entschied die Kommission dann, dass auch die Rettungsbeihilfe nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei, und forderte die deutschen Behörden auf,
die Beihilfe zurückzufordern. Hauptargument der Kommission war, dass die NEL und die ERBA LAUTEX in Gesamtvollstreckung juristisch eine Person und die Rettungsbeihilfe an die NEL somit eine wiederholte Beihilfe an die ERBA LAUTEX sei. Das sei mit den Regeln des Gemeinsamen Marktes nicht vereinbar.
Das Unternehmen, die Sächsische Staatsregierung und die Bundesregierung folgten dieser Argumentation der Kommission nicht und klagten gegen diese Entscheidung. Die Klage in der Hauptsache, zu der noch keine Entscheidung getroffen wurde, hat jedoch keine aufschiebende Wirkung. Die Klage auf einstweiligen Rechtsschutz wurde vom Europäischen Gericht in 1. Instanz abgewiesen und auf nationale Gerichte verwiesen. Deutsche Gerichte haben inzwischen in erster Instanz die Rechtsmäßigkeit dieser Beihilferückforderungen bestätigt. Das führte dazu, dass die BvS und die Staatsregierung gerichtlich gegen die NEL vorgehen mussten, um die Rückführung der Beihilfe durchzusetzen.
Während alle diese rechtlichen Auseinandersetzungen in den letzten Jahren liefen, versuchte die Staatsregierung gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter mit zwei weltweiten Ausschreibungsverfahren sowie in unzähligen Gesprächen mit potenziellen Investoren eine Lösung zu finden, die dem Unternehmen mit seinen Arbeitskräften eine Zukunft gibt. Das Unternehmen NEL arbeitete weiter und bediente den Markt. Das konnte das Unternehmen jedoch nur aufgrund der gewährten Beihilfe, die dem Unternehmen als liquide Mittel für den Geschäftsbetrieb zur Verfügung stand. Die Staatsregierung nutzte gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter die Zeit für Gespräche auf verschiedenen Ebenen mit potenziellen Investoren, mit Banken und mit Beteiligungsgesellschaften. Manche Investoren waren nur daran interessiert, sich günstig Maschinen zu besorgen, andere wiederum stellten seriöse Anfragen.
Trotz aller von der Staatsregierung angebotenen Hilfe war kein Investor zu finden, der ein tragfähiges privatwirtschaftliches Konzept präsentieren konnte. Am Schluss blieb nur ein MBO übrig. Das große Manko dieses Modells ist, dass keine Bank von der langfristigen Tragfähigkeit überzeugt werden konnte. Deshalb ist keine Bank bereit gewesen, die Rolle der Hausbank zu übernehmen. Aus demselben Grund lehnten es auch die Beteiligungsgesellschaften ab, eine Beteiligung einzugehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin jederzeit bereit, ein Fortführungsmodell in Brüssel vorzutragen und eventuelle Bedenken dort auszuräumen. Es muss aber eine Bedingung erfüllt sein: Eine Bank erklärt sich klar bereit, das Konzept zu begleiten und die Rolle der Hausbank zu übernehmen.
Ein Konzept, dass zum überwiegenden Teil auf staatlichen Fördermitteln beruht und kein klares privatwirtschaftliches Engagement erkennen lässt, hat auf Dauer am Markt keine Chancen. Die Gründe dafür, dass es keine dauerhafte Fortführungslösung gibt, liegen also im betriebswirtschaftlichen Modell und nicht in EU-beihilferechtlichen Fragen. Die Erfahrungen der letzten 15 Jahre zeigen, dass Privatisierungen nur dann gelingen, wenn
Sehr geehrte Frau Simon, so sehr ich glauben möchte, dass eine Hausbank gefunden ist, die die wichtigste Voraussetzung für ein künftiges Fortführungskonzept darstellt – aber das klare Bekenntnis der Bank, deren Namen ich jetzt nicht nennen will, fehlt.
Ein positives Beispiel, wo es mit Hilfe einer Bank gelungen ist, erfolgreich zu sein, ist das Unternehmen Gröditzer Stahl. Auch hier führte eine Beihilferückforderung der Kommission zur Insolvenz des Unternehmens. Es gelang aber einem Investor mit einem überzeugenden Konzept und einer Hausbank das Unternehmen erfolgreich aus der Insolvenz zu führen.
Herr Staatsminister, geben Sie mir Recht, dass sich im Fall der Firma Gröditzer Stahl Ministerpräsident Prof. Biedenkopf aber auch mit aller Macht dahintergestellt hat, damit das funktioniert? Das war der Schlüssel zum Erfolg bei Gröditz.
Herr Abg. Müller, der Ministerpräsident im Jahre 1999, als die NEU ERBA LAUTEX in Konkurs ging, hieß damals aber auch Kurt Biedenkopf. Insofern glaube ich, dass es egal ist, welcher Ministerpräsident amtiert. Es muss darum gehen, Arbeitsplätze und Unternehmen in einem Land zu erhalten. Gehen Sie einmal grundsätzlich davon aus: Gleich welcher Partei man angehört, engagiert man sich, in welcher Funktion auch immer, für ein Unternehmen.
Herr Staatsminister, habe ich Sie richtig verstanden: Wenn die verbindliche Zusage einer Bank vorliegt und Verhandlungen aufgenommen werden können, sehen Sie als Minister und damit als fachlich Zuständiger aus der Sicht der Sächsischen Staatsregierung Chancen für den Erhalt dieses Betriebes?
Bei allem Verständnis, meine Damen und Herren auf der Tribüne, bitte keine Freuden- und auch keine Missfallensäußerungen!
Die Kommission hatte seinerzeit – ich komme auf den Fall Gröditzer Stahl zurück – diese Übernahme geprüft und hatte dann keine Beanstandungen vorzubringen.
In einem ausführlichen Gespräch mit dem Geschäftsführer der NEL, Herrn Matt, habe ich mich in der letzten Woche eingehend über die Situation des Unternehmens und die Hintergründe informiert. Ich musste dabei zu der Erkenntnis gelangen, dass nach mehr als fünfjähriger Unterstützung und Fortführung nicht mehr viel Zeit bleibt, eine privatwirtschaftliche Lösung zu suchen, und das, meine sehr verehrte Damen und Herren, ist der einzig mögliche Lösungsweg.