Protokoll der Sitzung vom 23.01.2009

Jetzt haben wir leider die Situation, dass wir oft erst jetzt in die Planungen gehen können. Diese werden ziemlich lange dauern. Das heißt, das Konjunkturprogramm greift vielleicht in zwei oder drei Jahren. Ich hoffe, dass dann der Aufschwung schon längst wieder da ist. So etwas ist nicht zielführend, es ist falsch, es bringt uns nicht weiter.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Das war die erste Runde, meine Damen und Herren. Ich biete der einreichenden Fraktion, den GRÜNEN, an, die zweite Runde zu eröffnen. Frau Hermenau, bitte.

(Unruhe)

Meine Herrschaften, alle Fraktionen haben noch Redezeit. Machen wir das nachher hier vorn! – Herr Zastrow, danke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Dieses Konjunkturpaket, egal wofür wir das Geld ausgeben, wird schuldenfinanziert sein. Dass es schuldenfinanziert ist, heißt, dass es zukünftigen Generationen aufgebürdet wird, die das dann abstottern müssen. Ich finde, das macht es uns zur Pflicht, dass wir dieses Geld zukunftsorientiert ausgeben und nicht einfach nur etwas auf die sächsische Förderkulisse draufsatteln und wie bisher weitermachen, sondern wir müssen gezielt etwas für die Zukunft tun; denn in der Zukunft wird das abgestottert.

Deswegen wollen wir eine sächsische Sanierungsstrategie. Ich habe vorhin begonnen, darüber zu sprechen, warum das nötig ist. Wir brauchen eine Prioritätenliste, eine Übersicht über die öffentlichen Gebäude der Kommunen und des Landes. Wir müssen sehen, dass wir unser Land Sachsen, unsere Dörfer, unsere Städte wetterfest machen gegen die globalen Energiestürme, die in wenigen Jahren wieder herrschen werden. Sobald die Chinesen wieder bei Kasse sind, werden sie weltweit die Energiemärkte leerkaufen. Wir müssen uns darauf vorbereiten. Das ist, finde ich, eine ganz wichtige Zukunftsorientierung.

Wir haben das Problem, dass wir immer noch sehr viele Fehlsteuerungen im System haben. Die sächsische Förderkulisse zum Beispiel hat sehr unterschiedliche Eigenmittelanteile, also Anteile, die eine Kommune hinzugeben muss. Bei der Straße sind es 10 %, bei der energetischen Gebäudesanierung 30 %. Da kratzt sich der arme Bürgermeister am Kopf und sagt: Ja, ich habe kein Geld für die energetische Gebäudesanierung, also muss ich Straßen bauen, auch wenn wir gar keine brauchen.

Das ist, finde ich, völlig falsch. Deswegen müssen die Eigenmittelanteile harmonisiert werden, unabhängig von der Maßnahme. Das ist der eine Schritt.

Der zweite Schritt ist, dass die Eigenmittelanteile wahrscheinlich sehr gering gehalten werden müssen, damit auch arme Kommunen zugreifen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dabei kann man natürlich überlegen, dass man die Ausschreibungsbedingungen ein wenig anpasst, zum Beispiel die begrenzten Ausschreibungen im Volumen vergrößert, sodass man mehr in der Region ausschreiben kann, damit es schneller geht und das Geld in der Region bleibt. Ich bin gern bereit, darüber zu diskutieren.

Aber ich bin nicht mehr bereit, hinzunehmen, dass die Straße privilegiert wird. Ich habe nichts dagegen, dass wir Straßen, die in diesem harten Winter marode geworden sind, mit einer neuen Schwarzdecke überziehen. Damit kann ich etwas anfangen, dass verstehe ich auch. Ich bin gegen den Neubau von Straßen, aber das scheint auch in der Diskussion so zu laufen. Ich bin dagegen, dass die

Bürgermeister am billigsten mit ihrem Eigenanteil Straßen einkaufen können und die anderen Sachen ausnahmslos teurer sind. Das darf nicht sein. Man darf die Straße nicht privilegieren.

Es heißt, es soll in Bildung investiert werden. Wir müssen, so löblich das ist, auch einmal ein Klo in einer Schule reparieren. Wir brauchen aber auch Geld für Lehrer und Erzieher. Dafür wird im Paket zu Recht nichts drin sein. Das ist völlig in Ordnung. Aber wenn wir es schaffen, energetisch zu sanieren und damit die Betriebskosten, die jedes Jahr anfallen, zu senken und Heizkosten einzusparen, dann bleibt in Sachsen Geld übrig, das wir zum Beispiel für die Qualifizierung der Lehrer verwenden können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Flath meinte, man solle die sparsamen Kommunen nicht bestrafen. Er meinte damit, dass alle den gleichen Eigenanteil leisten sollen, dass also niemand vom Eigenanteil ausgenommen wird. Es gibt aber viele Kommunen – ich habe das gerade beschrieben –, die sich die Eigenanteile bis zu 30 % nicht leisten können. Manche Eigenanteile gehen sogar bis 50 %. Weil aber die armen Kommunen die sind, bei denen sich die Investitionen am meisten rechnen würden, weil der Grenzertrag am größten ist, sollte man überlegen, wie man das macht. Wir könnten uns vorstellen, den Eigenanteil aller Kommunen auf 1 bis 3 % zu begrenzen und die Differenz vom Freistaat tragen zu lassen. Und noch einmal: Harmonisieren Sie die Eigenanteilsätze!

Sie meinten auch, Herr Flath, die Kommunen sollten selbst entscheiden, wofür sie das Geld ausgeben. Solange aber diese unterschiedlichen Eigenmittelanteile bestehen, entscheiden die Kommunen nicht wirklich nach Bedarf, sondern sie entscheiden danach, was sie am billigsten bekommen können. Das ist ein Fehler.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Wir sind der Meinung, dass es zwei Leitideen für die Verausgabung dieses Geldes geben muss. Die eine Leitidee ist, Energie- und Heizungskosten auf Dauer zu senken und den Kommunen finanziellen Spielraum auf Dauer zu schaffen. Die zweite ist, die demografische Entwicklung zu bedenken und die Infrastruktur zurückzubauen, damit die Folgekosten in den nächsten Jahren nicht ansteigen und das gesparte Geld den Kommunen nicht wieder „weggefressen“ wird. Das sind die zwei wichtigen Leitlinien.

Ein Wort noch zum Thema Nachtragshaushalt: Herr Sarrazin tut es, Herr Steinbrück tut es. Zieren Sie sich nicht, Herr Finanzminister! Also, der Finanzsenator von Berlin wird es tun, der Bundesfinanzminister wird es tun, alle werden einen Nachtragshaushalt einrichten. Ich bin immer noch der Meinung, dass das Budgetbewilligungsrecht des Parlaments über das Notbewilligungsrecht des Finanzministers geht.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Danke schön. – Das war die Eröffnung der zweiten Runde. Herr Dr. Rößler spricht für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Zukunftsinvestitionen hebe ich mir bei unserem Redezeitkontingent bis zum Schluss auf und frage noch einmal: Helfen schuldenfinanzierter Konsum und staatssubventionierte Kurzarbeit gegen den Abschwung? Mit neuen Schulden soll die Binnenkonjunktur stabilisiert werden. Staatssubventionierte Kurzarbeit soll und kann Massenentlassungen verhindern. Einige Bemerkungen dazu sind angebracht.

Kollege Scheel, die Bürgerinnen und Bürger sind eigentlich viel ruhiger als mancher flügelschlagende Politiker, der sich im Land auf jeder Ebene jeden Tag etwas Neues einfallen lässt, wie man noch Geld ausgeben könnte, und zwar Geld des Steuerzahlers. Der Erlass der Kfz-Steuer und diese groteske Abwrackprämie für Altautos sind für mich keine Konjunkturmaßnahmen, sondern eigentlich der Verzicht auf zukunftsgestaltende Politik. Wie groß muss der Druck der blechernen Ladenhüter in Autohäusern sein, dass man so undifferenzierte Kaufanreize schafft, auch für Spritfresser und Importautos?

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion)

Wenn dazu extra noch die Kreditanstalten der Automobilkonzerne unter unseren Bankenschirm schlüpfen, dann ist das schon schwer zu erläutern. Die CDU feiert ihre Einkommensteuersenkungen in Grundfreibetrag, Eingangssteuersatz und kalter Progression. Die Experten streiten noch, ob nun 7,70 Euro oder 11,80 Euro oder doch mehr pro Familie und Monat zusätzlich da sind. Meine Damen und Herren, mit Ministeuersenkungen werden wir aber beim Steuerbürger eher für Enttäuschung sorgen.

(Beifall bei der FDP)

Aber dafür fehlen dem armen Staatsminister der Finanzen mit dem traurigen Gesicht

(Heiterkeit)

eben dann in Sachsen 200 Millionen Euro im Doppelhaushalt. Der einmalige Kinderbonus von 100 Euro pro Sprössling kommt sicherlich denen zugute, die das Geld am nötigsten brauchen: den Familien mit unteren und mittleren Einkommen. Damit hat nun auch die SPD ihre Konsumgutscheine, wenigstens ein bisschen. Die Regelung bei den Krankenversicherungsbeiträgen wird durch die kürzlich erfolgten Beitragserhöhungen wieder einkassiert.

Beschäftigungssichernd – und das ist positiv – wirkt der Beschluss über den Umbau der Kurzarbeit. Das war für viele Firmen bisher keine Option, weil die Betriebe während einer Flaute zwar Arbeitszeiten und Gehälter kürzen konnten, die Sozialbeiträge aber voll weiter zahlen

mussten. Diese Sozialbeiträge übernimmt der Staat nun bis zu 100 %. Das wird gerade die so wichtigen Facharbeiter in Beschäftigung und Qualifizierung halten.

Mit einem Wirtschaftsvolumen von 100 Milliarden Euro will die öffentliche Hand notwendige Investitionen ermöglichen, da sich die Banken trotz der 480 Milliarden Euro Staatsschutzschirm mit der Kreditvergabe zurückhalten. Wie wir heute Morgen gelernt haben, brauchen viele Unternehmen eher Liquiditätshilfen, um die vor ihnen liegende Durststrecke zu überwinden. Es ist eine Frage, ob dieser Schutzschirm in dieser schwierigen Situation nur für Investitionen genutzt werden sollte.

Es bleibt zu hoffen, dass einige dieser Maßnahmen im eher konsumtiven Bereich den Wirtschaftsabschwung dämpfen. Aber, meine Damen und Herren, die Zeche zahlt auf jeden Fall der Steuerzahler, und die Zeche zahlt – darüber wurde noch nicht gesprochen – bei ansteigender Inflation der Sparer in diesem Land; und gerade mit Inflation haben wir in unserer Geschichte ja traumatische Erfahrungen gemacht. Deshalb warne ich vor einer expansiven Vermehrung des Geldumlaufs. Und die Zeche zahlt immer die nachwachsende Generation. Sie zahlt morgen, was beim Bankenschutzschirm und bei Konjunkturprogrammen heute vielleicht verbraten wird. Daher sind diese Zukunftsinvestitionen, auf die ich später noch zu sprechen komme, so notwendig.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Danke schön. – Es folgt die Linksfraktion – in anderer Reihenfolge als angekündigt. Frau Dr. Runge, bitte.

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine kleine Anmerkung zum Letztgesagten von Herrn Rößler: Wenn die zentralen Notenbanken aller großen Industrieländer ihre Leitzinsen senken und wir es faktisch in den USA mit einer Nullzinspolitik zu tun haben, dann ist natürlich auch die EZB gezwungen, sich diesem Trend in gewisser Weise anzupassen, und sie hat richtigerweise die Leitzinsen gesenkt, um genügend Liquidität in Umlauf zu bringen, weil die Banken eben nicht genügend Liquidität zur Verfügung stellen. Zu dieser Maßnahme gibt es in dieser Situation keine Alternative, obwohl klar ist, dass die Billiggeldpolitik von Alan Greenspan über 20 Jahre – über 20 Jahre! – eine auslösende Ursache für die Spekulationsblase war. Insofern müssen wir schon, sobald es wieder einen konjunkturellen Aufschwung gibt, darauf achten, mit welcher Geldpolitik dann hantiert wird.

Nun aber zum Konjunkturpaket. Es ist, wie immer in der großen Politik, eine Ansammlung von verschiedenen Maßnahmen, die bestimmten Interessenlagen und Wünschen der Parteien, die in der Großen Koalition in Berlin vertreten sind, in gewisser Weise gerecht werden, und eines ist klar: Die 18 Milliarden Euro öffentlicher Investi

tionen in die Infrastruktur sind der beste Teil dieses Konjunkturpaketes – das möchte ich ganz deutlich sagen –, weil der Investitionsstau, der sich bundesweit in den letzten zehn Jahren aufgebaut hat, damit in gewisser Weise ein klein wenig abgetragen werden kann.

Das Geld, das in Energiesparmaßnahmen, in die Gebäudesanierung fließen soll, ist für meine Begriffe ebenfalls eine zukunftsträchtige Investition und kein rausgeworfenes Geld, weil es langfristig zu Geldeinsparungen bei Heiz- und Betriebskosten führen wird. Wenn nun Sachsen aus diesem Konjunkturpaket 600 Millionen Euro für Investitionen erhalten soll und 25 % an Eigenmitteln draufgesattelt werden, dann haben wir es tatsächlich mit einer sehr stattlichen Summe zu tun, die natürlich vernünftig verteilt werden muss, damit das Ziel, Investitionen in die Zukunft zu bringen und einen Modernisierungsschub zu befördern, erreicht wird.

Wenn ich bereits die „Wunschliste“ aus den verschiedenen Ressorts in den Medien lesen kann, dann erwarte ich von der Staatsregierung, dass den Abgeordneten bis spätestens März/April eine ganz klare Projektliste mit Prioritäten vorgelegt werden muss; denn ich bestehe schon, wie Frau Hermenau, darauf, dass die Abgeordneten, wenn es um die Verteilung einer solchen Summe geht, natürlich ein gehöriges Wort mitsprechen müssen, und das geht in diesem Falle nicht ohne Nachtragshaushalt.

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Antje Hermenau und Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Zum problematischen Teil des Konjunkturpaketes gehört tatsächlich die kleine Steuerentlastung durch die Anhebung des Grundfreibetrages und durch die Absenkung des Eingangssteuersatzes, die hier benannt worden ist – ein Wahlgeschenk für die bayerische CSU für den Bundestagswahlkampf –, und es ist ein klarer Wortbruch der Bundeskanzlerin, die monatelang nur eine Platte aufgelegt hat, nämlich dass es keine Steuersenkung auf Pump geben kann und darf. Aber genau das passiert mit dieser Steuerentlastung; denn die Steuerzahler werden insgesamt mit 9 Milliarden Euro entlastet, und das auf Pump. Auch hier haben wir es mit einem klaren Wortbruch der CDUBundeskanzlerin zu tun.

Frau Dr. Runge, schauen Sie einmal auf die Uhr.

– Ich komme zum Schluss. – Was ich an diesem Konjunkturpaket ebenfalls sehr kritisch sehe, ist, dass mit dem Kinderbonus vor allem die Kinder der Mittelschicht gestärkt und die Kinder der Einkommensschwächsten mit Brosamen abgespeist werden, wobei man jedoch genau weiß, dass dort das Geld auch sofort umgesetzt würde und nicht gespart und auf der hohen Kante liegen bleibt.

Ein Satz noch, Frau Dr. Runge.

Das halte ich für fatal.