Protokoll der Sitzung vom 23.01.2009

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Dr. Rößler, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Drei Fragen, die für dieses Konjunkturpaket wichtig sind, möchte ich in dieser Debatte behandeln:

Erstens. Bankenschirm und Konjunkturpaket – ist Neuverschuldung dafür wirklich generationengerecht?

Zweitens. Helfen schuldenfinanzierter Konsum und staatssubventionierte Kurzarbeit auch wirklich gegen den Abschwung?

Die dritte und wichtigste Frage lautet: Wie nutzen wir in Sachsen das Konjunkturpaket für kreditfinanzierte Zukunftsinvestitionen für Sachsen und seine Kommunen?

Meine Damen und Herren! Konrad Adenauer war ein Mann der einfachen Sprache: „Die Lage ist ernst, sehr ernst“, sagte er immer wieder in wirklichen oder vermeintlichen Krisensituationen.

Die Lage ist ernst, zumindest für das globale Finanzsystem und die Weltwirtschaft. Es ist vielleicht wirklich die schwerste Krise seit 1929. Sie trifft die Firmen der Exportnationen mit voller Wucht. Deutschland mit seinem schwachen Binnenmarkt erbringt fast die Hälfte seiner Wirtschaftsleistung auf den Weltmärkten und muss mit einem Minuswachstum von über 2 % rechnen.

Deshalb rufen alle nach dem Staat, am lautesten Bankmanager und Wirtschaftsbosse. Zuerst wurden Rettungsschirme von Hunderten Milliarden an Bürgschaften und Krediten für notleidende Banken aufgespannt, um den Geldkreislauf und die Kreditvergabe im Fluss zu halten – mit wenig Erfolg bisher, möchte man konstatieren. Denn es geht dabei nicht nur um Geld; die Banken verspielten ihr wichtigstes Kapital: das Vertrauen von Anlegern, Sparern, Unternehmern und Öffentlichkeit. Mit dem Bunkern von Staatsknete und immer neuen Hiobsbotschaften werden sie es auch nicht so schnell zurückgewinnen. Und dass ausgerechnet eine CDU-Kanzlerin bzw. eine CDU-geführte Bundesregierung über die Verstaatlichung von Banken – vielleicht auch bald von Großunternehmen – nachdenken muss, das ist schon ein Witz der Wirtschaftsgeschichte.

Aber, meine Damen und Herren, bevor der Staat bei Banken einsteigt, sollte für den Steuerzahler deutlicher werden, was man dort mit den 480 Milliarden Euro aus

dem „Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung“ macht oder gemacht hat.

Herr Hahn, der Staat ist keine Bank, der Staat ist auch kein Chipwerk mehr. Der Staat kann Rahmenbedingungen setzen und hier schnell Hilfe leisten.

Monatelang haben sich die Bundeskanzlerin und ihr knochenharter Finanzminister dem Drängen nach milliardenschweren Konjunkturprogrammen widersetzt. Nun sollen dafür über 80 Milliarden Euro ausgegeben werden. Der Widerstand von Angela Merkel und Peer Steinbrück war für jeden Haushaltspolitiker gerechtfertigt. Die Bundesregierung muss sich nun nämlich von ihrer nachhaltigen Haushaltspolitik verabschieden, nachdem sie nicht einmal in Zeiten sprudelnder Steuerquellen einen Ausgleich des Bundeshaushalts geschafft hat.

Bei über 1 500 Milliarden Euro Schulden würde sich eigentlich jede weitere Belastung der nachwachsenden Generationen verbieten. Deshalb soll noch in dieser Legislaturperiode eine Schuldenbremse in das Grundgesetz aufgenommen werden, die dann die Neuverschuldung begrenzt und gleichzeitig einen Tilgungsplan zum Abbau der Schulden für das Investitionsprogramm beinhaltet. Manchmal erinnert mich die Schuldenbremse an das wunderbare Bild eines Säufers, der den wirklich allerletzten Schluck aus der Pulle nimmt und dann alles anders machen will. Aber, meine Damen und Herren, eigentlich muss man mit dem Saufen gleich aufhören, mit einem Verschuldungsverbot.

(Holger Zastrow, FDP: Ja!)

Aber wenn man schon den Weg einer Verschuldung geht, muss diese wirklich für Zukunftsinvestitionen sein. Darüber möchte in der nächsten und übernächsten Runde sprechen.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Linksfraktion das Wort. Herr Scheel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, so langsam, aber sicher bekommen wir eine Ahnung von dem, was uns bevorsteht. Die Finanzkrise wandelt sich zur Wirtschaftskrise. Die Auswirkungen des weltweiten Rückgangs der Nachfrage nach Gütern aller Art machen auch vor Sachsen nicht halt.

Noch in den letzten Monaten waren die Koalitionsfraktionen überzeugt, dass ihr Doppelhaushalt das beste Konjunkturprogramm für Sachsen sei.

(Dr. Matthias Rößler, CDU: Ist es auch!)

Ich sage das jetzt ohne jede Häme, aber die Ignoranz und Arroganz der Regierungsparteien in Land und Bund haben uns wichtige Monate gekostet.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die ersten Ausläufer des Bebens spüren die sächsischen Unternehmen, ja, spüren die sächsischen Beschäftigten. Die Zeitungsschau der letzten Tage verspricht ja auch nicht viel Gutes. Nur ein paar Auszüge: „Chipkrise AMD, 2 700 Mitarbeiter, prüft Kurzarbeit an seinem Dresdner Standort“; „Limbacher ELTRIC entlässt Mitarbeiter“; „Der Autohersteller VW verzichtet weitestgehend auf Leiharbeiter“; „Zeitarbeitskräfte mussten bei BMW das Werk mittlerweile fast komplett verlassen“. Ich kann den Verbandspräsidenten der sächsischen Wirtschaft Bodo Finger nicht verstehen, der der Krise mit Gelassenheit entgegensieht. Die Flexibilität der sächsischen Wirtschaft, von der er und auch Sie, Herr Wirtschaftsminister Jurk, fabulieren, heißt doch im realen Leben Absenken von Löhnen, Entlassungen von Beschäftigten, Verzicht und dann folgend Entlassung von Leiharbeitern. Dahinter stehen in jedem Fall Menschen mit ihren Familien, die wenig Verständnis für diese Art von Zynismus haben.

Um den Einbruch bei den Aufträgen nicht zu einem Wegbrechen der Unternehmen und Arbeitsplätze werden zu lassen, sind sich die Regierungen allerorten einig. Es ist jetzt die Aufgabe für den Staat, die Folgen durch Konjunkturprogramme abzumildern. Auch die Bundesregierung hat sich nach sträflich langem Zögern dazu durchgerungen, ein Konjunkturprogramm Teil II auf den Weg zu bringen. Das Urteil allerdings des Internationalen Währungsfonds ist bereits gesprochen: Gewogen und für zu leicht befunden. Meine Kollegin Monika Runge wird in einem zweiten Beitrag darauf eingehen.

Der Rückgang der Wirtschaft für dieses Jahr wird auf 2,5 % taxiert. Eine Arabeske am Rande: Die Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages im letzten Jahr ging noch von einem leichten Plus der Wirtschaftsleistung aus, und dies mit Hinweis auf die Wirksamkeit des Konjunkturprogramms I.

Die hohe Abhängigkeit der deutschen Wirtschaftsleistung von Exporten war vor Kurzem noch der Grund, mit Recht stolz zu sein. Wir nannten uns Exportweltmeister. Damit verbunden ist allerdings eine große Abhängigkeit eben der Deutschen und auch der sächsischen Wirtschaft von den Weltmärkten. So kommt der IWF immerhin eben auch zu dem Ergebnis: „Ein sich abschwächender Welthandel und Belastung für die Unternehmen verstärken sich gegenseitig. Deutschland als Exportland ist in dieser Abwärtsspirale gefangen.“

Dieses Paket, meine Damen und Herren, kommt zu spät und ist zu klein. Diese Gefangenschaft, von der der IWF spricht, mit lediglich 1,25 % der jährlichen Wirtschaftsleistung zu entkommen, ist gewagt. Ich wünschte, ich hätte Ihren Optimismus, meine Damen und Herren von der CDU und der SPD.

Wir fordern Sie auf, für die Bewältigung dieser Krise dieselbe Energie aufzubringen, mit der Sie sich an ihrer Schaffung beteiligt haben, dieselbe Energie, mit der Sie alle Chancen niedergerissen haben, um dem Kapital ungehinderte Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten, dieselbe Energie, die Sie in das Kasino nach Dublin investiert

haben, dieselbe Energie, mit der Sie eine Klasse von rechtlosen Leiharbeitern geschaffen haben, und dieselbe Energie, mit der Sie dem Irrglauben des Marktradikalismus aufgesessen sind.

(Beifall bei der Linksfraktion und der NPD)

Die großen Nationen dieser Welt haben alle Pakete von mehreren hundert Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Die USA nehmen umgerechnet 600 Milliarden Euro, China 460 Milliarden Euro und Japan 80 Milliarden Euro in die Hand. Das sind Anteile an ihrem jeweiligen Bruttoinlandsprodukt von 6 %, 20 % und 10 %. Dieses Programm ist, meine Damen und Herren, zu klein, um dieser Krise zu begegnen.

So mancher Spaßvogel aus den Koalitionsfraktionen sollte sich inzwischen fragen, ob sich die Stärke einer Volkswirtschaft allen Ernstes an der Zahl der Mitbürger misst.

In Zeiten wie diesen ist Zuversicht und Überzeugung gefragt. Die Bürgerinnen und Bürger sind zutiefst verunsichert. Es reicht aber nicht aus, ihnen nur mehr Geld zukommen zu lassen. Aufgabe der Politik und von Politikern ist es, klare Signale zu setzen: Wir stehen das durch, wir wissen, was zu tun ist, habt Vertrauen!

Die Kakofonie der Vorschläge und Debattenbeiträge von CDU und SPD in Bund und Land in diesen Tagen, die über uns hereinbricht, ist alles andere als ermunternd. Es ist wenig hilfreich, wenn der Beitrag unseres Ministerpräsidenten darin besteht, darauf hinzuweisen: Übrigens, das Schuldentilgen bitte nicht vergessen! Mein Kollege von der CDU hat sich ja auch dazu hinreißen lassen.

Eine Debatte über den Abbau der jetzt notwendigen Schulden ist in der Tat kontraproduktiv. Bitte handeln Sie jetzt in dieser Krise einmal für die Generationen, die hier und heute leben.

Bitte zum Schluss kommen.

Mein letzter Satz: Konnten Sie die Dimension dieser Krise nicht begreifen, so können Sie wenigstens jetzt beweisen, ob Sie in der Lage sind, die zur Verfügung stehenden Gelder schnell und sinnvoll einzusetzen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile das Wort der Fraktion der SPD; Herr Dulig, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erinnern wir uns an den Wahlkampf 2005. Da gab es Themen wie Kopfpauschale, Steuerreform, Steuererklärung auf den Bierdeckel, Steuersenkungen für Spitzenverdiener.

(Zuruf von der FDP: Mehrwertsteuer!)

Da gab es die Vertreter, die die Ideologie hatten – hier sitzen sie auch: von der FDP und CDU.

Die Töne haben sich natürlich verändert, wenn ich an die Krise denke. Im letzten Jahr hatten wir hier eine Debatte geführt, in der gesagt wurde: Die Verantwortung des Staates ist jetzt gefragt. Ich vermute, dass das bei der FDP noch nicht angekommen ist, denn Sie verfolgen ja immer noch das Motto: Hilf dir selbst, dann wird dir geholfen! Nach Hessen fühlen Sie sich besonders stark und fühlen sich an die seligen 18-%-Zeiten erinnert. Ich weiß nicht, ob sie schon wieder an Ihren Fußsohlen klebt. Sie können vor Kraft gerade nicht laufen und jede Menge Adrenalin pumpt in Ihren Adern. Aber ich bin ja gespannt, wie Sie in Berlin damit umgehen, nämlich mit Ihren großen Ankündigungen, die Sie gemacht haben, im Bundesrat das Paket noch einmal aufzuschnüren. Ich bin einmal gespannt, wie Sie aus der Nummer herauskommen. Sie haben im Bundestag das Paket am heftigsten bekämpft. Ich bin also deshalb sehr auf den kreativen Output gespannt, besonders auf Ihre sinnvollen Änderungsvorschläge. Ich bin gespannt, was dann wirklich im Bundesrat geschieht. Vielleicht hat ein Abendessen zwischen Guido und Angela einiges geregelt.

Ja, ich rufe den Staat, weil ich dem Staat vertraue, weil ich schon immer an den starken Staat geglaubt habe. Gerade in einer Situation, in der wir über die Krise reden müssen, ist der Staat der einzige, der die Sicherheit geben kann, Sicherheit für Menschen, für Arbeitsplätze, für Unternehmen, ja, für Banken. Das war auch die Maßgabe, als wir damals den Bankenrettungsschirm gemacht haben. Da ging es nicht um die Banken, sondern um die Menschen. Genau darum muss es auch bei einem Konjunkturpaket gehen: um Arbeitsplätze und Menschen.

Die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes ist zum Beispiel ein Instrument dafür. Wir reden jetzt in Sachsen über die Frage, wie wir die Mittel verteilen. Der Schwerpunkt liegt bei mir bei Kitas, Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Er liegt bei kommunalen Investitionen. Wir haben dort einen Nachholbedarf, obwohl wir auch viel unternommen haben. Wir wissen, dass wir trotz alledem, was wir in den letzten Jahren erreicht haben, immer noch einen ganz schönen Ballast mitschleppen. Das war in den letzten Jahren nicht alles abzuarbeiten, also müssen wir jetzt die Chance nutzen, dort kräftig zu investieren.

Es gibt viele Schulen, die haben bessere PCs als WCs. Es gibt immer noch Bildungseinrichtungen, die eher einen morbiden Charme ausstrahlen. Wir haben also einen großen Investitionsbedarf. Jetzt geht es darum, sich nicht zu zerstreiten, wie die Mittel auf die einzelnen Ressorts verteilt werden, sondern wie sie möglichst schnell dort ankommen und wie sie schnell umgesetzt werden. Darum muss es jetzt vor allem gehen.

Wenn wir sagen, bis zu 75 % müssen in die kommunalen Investitionen hinein, dann sage ich, vor allem müssen die Landkreise und kreisfreien Städte mit an den Tisch. Wenn wir zum Beispiel Schulen sanieren wollen, nützt eine kommunale Investpauschale nichts, weil nicht jede

Kommune eine Schule hat. Die Schulnetzplanung liegt aber in der Verantwortung der Landkreise. Also müssen die auch bei der Umsetzung des Konjunkturprogramms mit eine zentrale Rolle spielen. Das heißt, wir müssen bei der Umsetzung darauf achten, dass wir in ein gutes Management kommen. Wir haben in Sachsen ja positive Erfahrungen gemacht. Darauf würde ich auch setzen wollen.

Ich möchte auch, dass eine Botschaft beherzigt wird, die uns aus Berlin mitgegeben wurde: dass dieses Konjunkturprogramm wirklich zusätzliche Mittel sind, es also nicht darum geht, hier etwas zu kompensieren. Das gilt natürlich auch für den Freistaat, wenn wir jetzt darüber diskutieren, wie wir die Kofinanzierung sicherstellen. Auch hier geht es nicht darum, eine Sparbüchse aufzumachen. Das wäre das falscheste Signal zu dieser Zeit. Wir müssen hier wirklich zusätzliche Kofinanzierungsmittel zur Verfügung stellen.

Vielen Dank.