Protokoll der Sitzung vom 11.03.2009

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist selten genug der Fall!)

In dem Moment, da Demonstrationen unfriedlich verlaufen, sind sie nicht mehr vom Versammlungsrecht gedeckt. Unfriedlich sind nicht nur Versammlungen, sondern auch in ihrem Umfeld begangene Straftaten, die den Veranstaltern zugerechnet werden können. Man kann sich nicht hier herstellen und sagen, wir machen ein Demonstrationsrecht geltend, aber lassen es auf der Hin- und auf der Rückfahrt anständig krachen. So wird das nicht gehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Sie haben recht, in der Begründung des BrokdorfUrteilsbeschlusses wird das Recht auf friedliche Gegendemonstrationen betont, und genau das möchten Sie hier

ausschalten. Sie möchten sich mit § 4 Ihres Gesetzentwurfes weitgehend unliebsame Gegendemonstrationen fernhalten, und Sie möchten die Möglichkeiten der Versammlungsbehörden einschränken, gegen einschüchternde Versammlungen vorzugehen, und dieses wiederum wäre selbst verfassungswidrig.

Der Entwurf ist unausgewogen und einseitig, meine Damen und Herren. Eine Demokratie muss vieles aushalten – bisweilen auch Aufmärsche von Ihnen und Ihren Kameradschaften –; aber was wir nicht hinnehmen werden und was wir als Demokraten nicht akzeptieren können, ist, dass Sie ausgerechnet für diesen Gesetzentwurf im 20. Jahr nach dem Mauerfall die Montagsdemonstrationen in der ehemaligen DDR als Rechtfertigung heranziehen. Das ist zynisch und das weise ich in aller Form zurück. Ihr Gesetzentwurf und Ihre Absichten haben mit dem, was die Menschen damals auf die Straßen getrieben hat, nicht das Mindeste zu tun.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Das Versammlungsgesetz, meine Damen und Herren, setzt Ihnen heute bereits Grenzen im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Übrigens, diesen Begriff der öffentlichen Ordnung wollen Sie in Ihrem Gesetzentwurf vollständig abschaffen. Wenn man Sie ließe, wie Sie wollten – das haben verschiedene Versammlungen in der Vergangenheit gezeigt –, dann wären das recht eindeutige Veranstaltungen mit Marschblöcken in einheitlicher Kleidung, Springerstiefeln,

(Lachen bei der NPD – Gitta Schüßler, NPD: Bleiben Sie realistisch!)

Reichskriegsflaggen, auch an eisernen Fahnenstangen, und Sprechchöre, die bisweilen auch mal munter zu offener Gewalt aufrufen.

Das hat es in der Vergangenheit alles bereits gegeben und musste bei Veranstaltungen von Rechtsextremisten verboten werden, und wenn Sie das heute unterlassen und es nicht tun, sondern sich friedlich geben, dann tun Sie das nicht aus eigener Überzeugung oder aus freiem Willen; sondern das tun Sie nur, um der Auflösung Ihrer Veranstaltung zu entgehen, und geprügelt wird dann auf dem Heimweg.

Sie nutzen das vorhandene Versammlungsrecht bis zum Exzess aus, bisweilen auch über die Schmerzgrenze. Das wird aber nicht Grund sein, das Versammlungsrecht selbst zu beschädigen.

Eines kann ich Ihnen sagen: Sie genießen das Demonstrationsrecht, mehr aber auch nicht, und ein Versammlungsrecht nach dem Wunsch der NPD wird es hier in Sachsen mit Sicherheit nicht geben.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Danke. – Meine Damen und Herren! Das waren die Fraktionen. Ich frage

die Staatsregierung, ob Redewunsch besteht. – Nein. Meine Damen und Herren, damit kommen wir – –

(Holger Apfel, NPD: Wir haben einen zweiten Redebeitrag! – Zuruf von der CDU: Muss das sein? – Holger Apfel, NPD: Ja, und es kommt noch ein dritter!)

Alles in Ordnung, bitte.

Holger, Apfel, NPD: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war nicht anders zu erwarten, mit welcher Primitivität Sie sich mit unserem Gesetzentwurf auseinandersetzen würden. Frau Weihnert, das war nun ganz schlechtes Kino, wenn man keine Argumente hat, einfach in Bausch und Bogen zu behaupten, dass alles schlecht sei, was der andere niedergeschrieben hat, ohne sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen.

Herr Dr. Martens scheint nicht zugehört zu haben, wenn er behauptet, dass wir uns hier nicht mit unserem eigenen Gesetzentwurf auseinandergesetzt hätten, sondern nur mit dem absurden, von der Staatsregierung vorgelegten; denn ich habe unter anderem Punkte wie die Versammlungsfreundlichkeit der Behörden, das Kooperationsgebot und spontane Eildemonstrationen angesprochen.

Eines sei auch noch gesagt, Herr Dr. Martens: Selbstverständlich akzeptiert die NPD, dass gegen ihre Veranstaltungen friedliche Poteste stattfinden. Diese sind herzlich willkommen und Ausdruck einer lebendigen Demokratie, gar keine Frage. Aber indem Sie sich mit rechtswidrigen Demonstrationen solidarisieren, indem sich sogenannte Politiker dieses vermeintlich Hohen Hauses mit kriminellen Straftätern gemein machen, akzeptieren Sie damit die Herrschaft des Pöbels, und das, meine Damen und Herren, werden wir Ihnen das nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der NPD)

Nach Artikel 8 Grundgesetz heißt es, alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung und Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durchgesetzt oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden. Dieses Recht gilt vor allem für Menschen, die sich versammeln, um einem eigenen politischen Anliegen öffentlich Gehör zu verschaffen. Aber es gilt eben nicht für Personen, die sich nur versammeln, um andere an der Ausübung ihrer Rechte zu behindern. Kein Grundrecht darf dazu missbraucht werden, andere an der Ausübung ihrer Grundrechte zu behindern.

Genau das geschieht aber heute im sogenannten Kampf gegen Rechts – beschämenderweise sogar mithilfe staatlicher Subventionen und unter Duldung der Justiz, obwohl es sich eigentlich um Straftaten handelt. Diese Straftaten sind aber zum Beispiel im Bereich des Versammlungsrechts nach unserer Auffassung eben heute nicht klar genug definiert. Deswegen findet die politisch gesteuerte Justiz immer wieder Möglichkeiten, ein Auge zuzudrücken, wenn es sich um Straftaten gegen rechte Veranstaltungen handelt.

In unserem Gesetzentwurf haben wir uns bemüht, durch eine genauere Definition von Störungen und Störversammlungen diese Möglichkeiten auszuschließen. Es spricht Bände über die Rechtsverachtung der BRDBlockparteien, wenn sie nun versuchen, ausgerechnet gegenüber diesen Bemühungen irgendwelche verfassungsrechtlichen Bedenken vorzutäuschen, wie es in der Vergangenheit geschehen ist. Wer rechtsstaatlich denkt und intellektuell redlich ist, kann keine derartigen Bedenken haben.

Ich will sie anhand der Aktion gegen den Trauermarsch der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland am 14. Februar kurz erläutern. Vertreter der sogenannten Aktion „Geh denken“ erklärten immer wieder in der Öffentlichkeit, ihr Ziel sei, den Trauermarsch zu verhindern, nicht zum Laufen kommen zu lassen. Sie riefen öffentlich dazu auf, dieses Ansinnen zu unterstützen. Schon auf ihrer offiziellen Internetseite hieß es: „Europas größten Naziaufmarsch stoppen!“ – Etwas, was Ihnen ja nicht gelungen ist.

(Zurufe der Abg. Stefan Brangs, SPD, und Johannes Lichdi, GRÜNE – Unruhe)

Nun macht sich zwar nach Artikel 21 Versammlungsgesetz strafbar, wer in der Absicht, nicht verbotene Versammlungen oder Aufzüge zu verhindern oder zu sprengen oder sonst ihre Durchführung zu vereiteln, Gewalttätigkeiten vornimmt oder androht oder grobe Störungen verursacht.

Herr Lichdi, ich habe nur Ihren Gossenjargon übernommen. Ihnen ist es eben nicht gelungen, die größte nationale Demonstration in Europa zu verhindern.

(Starke Unruhe und Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Aber als die Veranstalter des Trauermarsches gegen die Verantwortlichen von „Geh denken“ Strafanzeige wegen Aufforderung zu Straftaten erstatteten, erklärte die Staatsanwaltschaft Dresden sinngemäß:

Voraussetzung für eine strafbare öffentliche Aufforderung zu Straftaten im Sinne von § 111 ist, dass der Täter zu einer bestimmten, nach ihrer Art hinreichend konkretisierten Straftat auffordert. Aus den angegebenen Zitaten ergäben sich aber keine konkreten Aufforderungen oder Anweisungen zu Handlungen, die grobe Störungen darstellen würden. Grobe Störungen in diesem Sinne wären solche Einwirkungen aus dem Ablauf eines Aufzuges, die als besonders schwere Beeinträchtigung des Veranstaltungs- und Leitungsrechtes empfunden würden. Eine solch grobe Störung wäre zum Beispiel die Verhinderung des Weitermarsches des Aufzugs durch eine Sitzblockade.

Nun haben die für die Aktionen „Geh denken“ und „No pasaràn“ Verantwortlichen zwar nicht ausdrücklich zu Sitzblockaden aufgerufen. Aber man muss ja nicht bei einem öffentlichen Aufruf zur Nötigung explizit die genaue Gewaltform nennen, durch die die Nötigung zu erfolgen habe.

Dass eine Demonstration nur dadurch gestoppt werden kann, dass grobe Störungen, wie eben Sitzblockaden, verübt werden, ist so offensichtlich, dass es wirklich müßig ist, darüber zu debattieren. Außerdem wurden ja bereits vor dem 14. Februar Sitzblockaden in Dresden sogar öffentlich geübt, und das alles unter den Augen der Polizei, ohne dass diese eingegriffen und die Verantwortlichen wegen Vorbereitung von Straftaten zur Verantwortung gezogen hätte.

(Stefan Brangs, SPD: Zum Thema!)

Es ist klar, dass Ihnen dieses Thema höchst unangenehm ist, weil ja Ihre Abgeordneten, allen voran Herr Dulig, Herr Lichdi und Frau Köditz – nein, Letztere wohl kaum, weil sie nicht wieder hochgekommen wäre –,

(Heiterkeit und Beifall bei der NPD)

weil Ihre sauberen Herrschaften gar nicht gewillt wären, sich an friedlichen Protesten zu beteiligen. Sie machen sich mitverantwortlich dafür, dass dieser kriminelle Pöbel heute immer wieder fröhliche Urständ feiern darf.

Diese Tatsachen sind nicht nur geeignet, die Frage nach dem Rechtsstaat in Deutschland allgemein zu stellen, sondern vor allem auch, sich über den Schutz des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit ernsthafte Gedanken zu machen. Genau dies haben wir in unserem Gesetzentwurf getan. Wenn Sie deswegen verfassungsrechtliche Bedenken haben, können Sie einem leid tun; vor allem aber kann es einem um den Rechtsstaat leid tun!

Wer es mit diesem gut meint, der stimmt unserem Gesetzentwurf zu. Denn dieser trägt eine wahrhaft freiheitliche Handschrift und steht in wohltuendem Gegensatz zu dem Gesetzentwurf der Staatsregierung, mit dem CDU und SPD in ihrem fanatischen Kampf gegen Rechts das hohe Gut der Versammlungsfreiheit weiter einschränken wollen.

Ich wiederhole abschließend, dass unser Gesetzentwurf im Kern vor allem die Rechtsprechung und Fachliteratur der letzten Jahrzehnte berücksichtigt, die sich im alten Versammlungsgesetz des Bundes nicht widerspiegelt, das die Staatsregierung einfach weiter gelten lassen will. Wir Nationaldemokraten wollen die Versammlungsfreiheit verteidigen. Der Gesetzentwurf der NPD bringt das Versammlungsrecht in Sachsen auf den neuesten Stand und bildet deshalb im Gegensatz zu dem Machwerk der Staatsregierung eine ernsthafte Diskussionsgrundlage für die Ausgestaltung dieser wichtigen Rechtsmaterie.

Dass Sie, meine Damen und Herren, sich wieder einmal einer seriösen Debatte darüber entzogen haben, zeigt deutlich, welche Gefahr Sie und Ihresgleichen für die Wahrung der Grundrechte in unserem Lande darstellen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Herr Abg. Apfel, ich habe eine Nachfrage als Präsident. Herr Apfel, hören Sie mich?

Ja, bitte.

Sie verwandten den Begriff „krimineller Pöbel“. Meinten Sie damit unter anderem einen Abgeordneten dieses Hauses?

Ich meinte die Herrschaften, die sich an kriminellen Übergriffen am Rande von Demonstrationen beteiligen.

Da haben Sie aber die Kurve noch mal gekriegt!

Möchte jemand von den Abgeordneten reagieren? – Bitte, Herr Lichdi.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, spricht vom Saalmikrofon aus.)