Protokoll der Sitzung vom 11.03.2009

Punkt 1 ist besonders absurd. Sie haben gerade beschlossen, dass es diesen § 19b geben soll, in dem das Lebens

zeitprinzip anders als von der geltenden höchstrichterlichen Verfassungsrechtssprechung ausgelegt wird. Im Punkt 1, den Sie uns hier vorlegen, sagen Sie aber, dass dieses Lebenszeitprinzip zwingend zu beachten sei. Das ist ein irgendwie total untauglicher Versuch, diese verfassungswidrige Regelung, die Sie gerade beschlossen haben, zu heilen. Er ist also unnötig. Das ist hilflos und zeigt diese schwarz-rote Gesetzgebungskunst, die sich hier in den letzten fünf Jahren leider breitmachen konnte.

Zum Punkt 2. Fakt ist, dass es diese Staatsregierung in der 5. Legislaturperiode nicht mehr geben wird. Die Regierungsseite kann sich durch diese Verschiebung daher in der 4. Legislaturperiode nicht entlasten. Es kann doch nicht sein, dass hier der 4. Sächsische Landtag den 5. Sächsischen Landtag auffordert, doch endlich diese Dienstrechtsreform vorzunehmen. Vielleicht ist Ihnen auch bekannt, dass es den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Diskontinuität gibt. Das heißt, dass der eine Landtag mit dem anderen Landtag nichts zu tun hat, ihm auch keine Aufträge erteilen kann, weil natürlich der Wähler dazwischen das Wort hat. Das sollten vielleicht auch Sie beachten.

Im Übrigen sehen wir, dass die von mir angesprochenen Punkte der Antidiskriminierung eben auch nicht Schwerpunkt der Arbeit an dieser Dienstrechtsreform in der nächsten Legislaturperiode sein sollen. Das ist uns zu wenig. Daher werden wir dem Antrag nicht zustimmen und die Staatsregierung um die Begrenzung ihrer gestellten Aufgaben bitten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt keinen weiteren Redebedarf zu diesem Entschließungsantrag. Darum lasse ich jetzt über diesen abstimmen und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte. – Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen und einer Anzahl von Stimmen dagegen wurde dem Entschließungsantrag mit Mehrheit zugestimmt.

Ich kann diesen Tagesordnungspunkt jetzt schließen und rufe auf

Tagesordnungspunkt 9

2. Lesung des Entwurfs Gesetz über Versammlungen und Demonstrationen (Versammlungsgesetz – SächsVersG)

Drucksache 4/11381, Gesetzentwurf der Fraktion der NPD

Drucksache 4/14772, Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses

Es ist eine allgemeine Aussprache vorgesehen. Es beginnt die NPD, es folgen CDU, Linksfraktion, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Ich bitte jetzt die NPDFraktion; Herr Abg. Apfel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute einen Gesetzentwurf, den die NPD-Fraktion mit einem lachenden und einem weinenden Auge in den Geschäftsgang eingebracht hat. Mit einem lachenden Auge deshalb, weil das in Sachsen nach wie vor gültige Bundesversammlungsgesetz dramatisch überholt ist und dringend einer Reform bedarf; aber gleichzeitig eben mit einem weinenden Auge, weil die NPD eine unterschiedliche Handhabung des Versammlungsrechts in den verschiedenen Bundesländern für grundsätzlich falsch hält.

Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 unterliegt das Versammlungsrecht der Gesetzgebung der Länder und nicht mehr der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Damit kann jedes Land sein eigenes Versammlungsgesetz beschließen. Bayern ist vorgeprescht und hat dies schon getan – mit einem katastrophalen Ergebnis, weswegen das Bundesverfassungsgericht inzwischen das Gesetz teilweise wieder außer Kraft gesetzt hat. In übrigen Ländern, die noch kein eigenes Versammlungsgesetz beschlossen haben, gilt das bisherige Bundesversammlungsgesetz vorerst weiter, bis ein Landesgesetz verabschiedet wird. Damit wurde der Weg zu einem unterschiedlichen Versammlungsrecht in den verschiedenen Bundesländern zumindest vorläufig beschritten. Dies muss man zur Kenntnis nehmen, Bundesverfassungsgericht hin oder her. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann andere Länder dem Beispiel Bayerns folgen werden.

Das gab jedoch noch nicht den Ausschlag für unsere Entscheidung, einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen, sondern vielmehr die Ankündigung eines Sächsischen Versammlungsgesetzes durch die Staatsregierung und dann die Einbringung des entsprechenden Gesetzes im Februar 2008, also vor nunmehr über einem Jahr. Dieser Entwurf richtet sich selektiv und willkürlich gegen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und zeigt exemplarisch, worum es den herrschenden Parteien und ihren Einflüsterern eigentlich ging, als sie bei der Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht auf die Länder abschoben: einzig und allein um die Möglichkeit für die Landesregierungen, das Grundrecht der Versammlungsfreiheit zulasten der nationalen Opposition verfassungswidrig einzuschränken. Es

ist zwar offensichtlich, wird aber trotzdem formell geleugnet, obwohl es gleichzeitig augenzwinkernd wieder zugegeben wird. Es geht ja schließlich um die Bekämpfung des sogenannten Rechtsextremismus. Da zählt dann für Sie weder Demokratie noch menschlicher Anstand. Dafür nehmen Sie die endgültige Aufgabe der Rechtseinheit Deutschlands in Kauf, indem Sie nämlich auf die bundesweit einheitliche Gewährung jenes Grundrechts verzichten, das laut Bundesverfassungsgericht zu den wichtigsten Menschenrechten überhaupt gehört und gleichwertig sei mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit und dem der Versammlungsfreiheit.

Ausgerechnet dieses Recht soll nun in Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg und anderswo unterschiedlich gewährt werden dürfen, damit die jeweiligen Landespolitiker alle von den gleichen pseudodemokratischen Blockparteien ihre verfassungswidrigen Klimmzüge einbauen können, mit deren Hilfe sie dann das Demonstrationsrecht deutscher Patrioten beliebig mit Füßen treten können.

(Oh! bei der Linksfraktion)

Eine feine Demokratie, meine Damen und Herren von der Regierungsbank! Aber da Ihr Gesetzentwurf nicht nur krass verfassungswidrig, sondern kaum noch an Primitivität zu überbieten ist, wundert es nicht, dass Sie vorerst kalte Füße bekommen haben und ihn vorläufig wieder aus dem Verkehr ziehen mussten. Das hindert uns nicht daran, unseren Entwurf für ein wahrhaft freiheitliches Versammlungsgesetz hier in der 2. Lesung einzubringen; denn im Gegensatz zu Ihrem, Herr Mackenroth, mit dem Sie missbräuchlich die Versammlungsfreiheit aus Fragen der politischen Willkür an bestimmten Orten einschränken oder das Selbstbestimmungsrecht eines Veranstalters einschränken wollen, ist unser Gesetz nicht verfassungswidrig, sondern will vielmehr aufzeigen, wie das heutige Bundesversammlungsgesetz ergänzt werden müsste, um im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsgemäß zu werden.

Denn dieses bereits von 1953 stammende Gesetz ist in höchstem Maße überholungsbedürftig. Das, meine Damen und Herren, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Während einige verfassungswidrige Sonderbestimmungen aufgenommen wurden, die gezielt nationale Veranstaltungen behindern sollen, wurde die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes seit Jahrzehnten nicht in das Gesetz eingearbeitet mit der Folge, dass es heute völlig neben der Wirklichkeit liegt, während sich die versammlungsrechtliche Praxis immer mehr durch eine Art politi

scher Narrenfreiheit für Behörden, die Innenministerien und ihre unter dem Namen Antifa bekannte Fünfte Kolonne auszeichnet, von einer gleichgeschalteten Presse eifrig nachapplaudiert.

Ich nenne hier einige schwerwiegende Beispiele für in das Gesetz nicht eingearbeitete Entscheidungen des Gerichts, meine Damen und Herren.

Beispiel 1: Die Versammlungsfreundlichkeit der Behörden. Die zuständigen Behörden sind durch das richtungweisende Brokdorf-Urteil vom 14. Mai 1985 vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich gehalten, sich auch bei möglichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit immer noch vom Willen leiten zu lassen, dem friedlichen Veranstalter die Durchführung der Versammlung zu ermöglichen, und zwar indem die Gefahren beseitigt werden. Dieses Gebot der Versammlungsfreundlichkeit hat bis jetzt im Gesetz gefehlt. Wir haben es aufgenommen. Das ist auch unbedingt notwendig, denn es wird bis heute von den Versammlungsbehörden krass missachtet.

Beispiel 2: Das Kooperationsgebot. Dieses ist zur Durchsetzung der Versammlungsfreundlichkeit notwendig und deswegen ebenfalls vom Bundesverfassungsgericht dringend vorgeschrieben, zumindest dann, wenn die Versammlungsbehörde ein Verbot erwägt. Es ist aber nicht im Versammlungsgesetz geregelt und wird deswegen bis heute uneinheitlich und oft sehr versammlungsunfreundlich, um nicht zu sagen missbräuchlich, praktiziert. Deswegen haben wir erstens in unserem Gesetzentwurf erstmalig die Kooperation für alle Fälle verbindlich vorgeschrieben, in denen die Versammlungsbehörde Verbot oder Auflagen erwägt, und zweitens die Pflichten beider Seiten – Veranstalter und Behörden – bei der Kooperation verbindlich definiert. Dadurch werden willkürliche Verfügungen erschwert, weil die Behörde Gründe nennen muss und der Veranstalter durch seine Kooperationsbereitschaft versuchen kann, diese zu beseitigen. Genauso, meine Damen und Herren, meint es eben auch das Bundesverfassungsgericht.

Beispiel 3: Spontan- und Eilversammlungen unter freiem Himmel. Das Bundesverfassungsgericht hat festgelegt, dass die Anmeldepflicht nicht ausnahmslos vorgeschrieben sein darf. Wenn situationsbedingt keine Anmeldung möglich ist, ist vielmehr eine Spontandemonstration zulässig. Diese darf nicht rein schematisch von der Polizei aufgelöst werden. Dagegen spricht der Wortlaut von Artikel 8 Grundgesetz. Wenn die vorgeschriebene Frist für eine Anmeldung situationsbedingt nicht zumutbar ist, ist eine Eilversammlung mit verkürzter Anmeldefrist durchaus zulässig. Dies darf ebenfalls nicht rein schematisch mit Hinweis auf die Anmeldefrist abgelehnt werden. Obwohl auch diese Rechtslage schon seit Jahrzehnten eigentlich theoretisch gegeben ist, wird sie von Behörden und Polizei regelmäßig missachtet, zumindest im Zusammenhang mit nationalen Demonstrationen. Durch unseren Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, wird nun auch dieser Missstand behoben.

Deshalb bitte ich Sie herzlich um Ihre Zustimmung zu einem wahrhaft freiheitlichen Gesetzentwurf, mit dem wir Nationaldemokraten die Versammlungsfreiheit verteidigen und wahrhaft ausbauen wollen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, das war die einreichende Fraktion. Mir ist angezeigt worden, dass für die Koalition eine Abgeordnete der SPD spricht. Frau Abg. Weihnert, bitte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unlängst las ich in der Zeitung, dass irgendeine Partei oder Gruppierung krampfhaft Versammlungsräume sucht. Wenn dem so ist und man diesen Gesetzentwurf liest, dann kann man natürlich nachvollziehen, dass das Wasser bis zum Hals steht und man sonst etwas herbeizaubern möchte, um Versammlungen durchzuführen.

Es ist schon kaum erträglich, dass das jetzige Versammlungsgesetz von bestimmten Leuten bis an die Grenzen ausgenutzt wird.

(Jürgen Gansel, NPD: Das Recht gilt für alle!)

Natürlich wollen Sie sich mit diesem Gesetz einiges zuschustern. Schauen Sie doch einmal in Ihre eigene Begründung hinein: Das Vokabular ist doch kaum mehr als Stammtischvokabular, und ich wehre mich und ich weigere mich, dies hier zu wiederholen. Was Sie da vorgelegt haben, ist eines Parlamentes unwürdig.

Es ist mitnichten so, dass Sie ein freiheitlich-demokratisches Versammlungsgesetz wollen, sondern Sie wollen es für Ihre Zwecke missbrauchen. Das konnte man in jedem Teil, in jedem Absatz Ihrer Begründung wiederfinden.

Dieses Gesetz gehört einfach abgelehnt.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Jürgen Gansel, NPD: Ganz „starke“ Argumentation!)

Meine Damen und Herren! Für die Opposition spricht die FDP; Herr Dr. Martens, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat war es schon absurdes Theater, was hier geboten wurde. Ausgerechnet die NPD macht sich auf den Weg, um ein Grund- und Menschenrecht zu retten – und das nicht nur eingeschränkt für Deutsche, sondern als jedermanns Recht für alle anderen mit.

(Holger Apfel, NPD: Selbstverständlich!)

Der Zweck ist relativ schnell klar geworden: Es geht hier um den Schutz der Freiheitsrechte deutscher Patrioten – das sind in Ihrem Sprachgebrauch Rechtsextremisten bei ihren Aufmärschen. Sie haben sich nicht mit Ihrem

eigenen Gesetzentwurf beschäftigt, Herr Apfel, sondern allein mit dem hier gar nicht zur Diskussion stehenden und wohl auch überholten Gesetzentwurf der Staatsregierung.

Aber bleiben wir bei Ihrem Gesetzentwurf, der ist nämlich reichlich schlecht. Das hat schon die Sachverständigenanhörung am 2. Juni gezeigt. Dieser Gesetzentwurf ist bereits rechtlich bedenklich und inhaltlich unausgewogen. Herr Prof. Badura stellt fest: Dieser Gesetzentwurf strebt eine vollständige Ersetzung des geltenden Versammlungsrechtes an und zielt auf eine möglichst weitgehende Sicherung der Versammlungsfreiheit durch die Abschirmung gegen Beschränkungen zur Sicherung der öffentlichen Ordnung durch gesetzlich festgelegte Schutzpflichten gegen sogenannte Gegenveranstaltungen. Das ist der Kern Ihres Gesetzentwurfes.

Es geht nicht darum, die Freiheitsrechte von Demonstranten zu sichern, sondern Ihre Aufmärsche vor sogenannten Gegendemonstrationen zu schützen.

(Jürgen Gansel, NPD: Ja, vor Steinewerfern!)

Einfach gesagt, der Gesetzentwurf soll vor unliebsamen Gegendemonstrationen schützen. Aber so leicht werden Sie es nicht haben, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einzuschränken.

(Holger Apfel, NPD: Sie wollen Gewalt legitimieren!)

Versammlungsrecht ist kein Gesinnungs-TÜV, der unliebsame Meinungen ausschließt oder Versammlungen dieser Art verhindern will. Grundrechte sind, wie ich schon sagte, jedermanns Rechte.

(René Despang, NPD: Solange es gewaltfrei ist!)

Aber solange keine besonderen Gefährdungen hochrangiger Rechtsgüter vorliegen, ist die Versammlungsfreiheit uneingeschränkt zu gewähren, und das bleibt auch so. Das gilt sowohl für die unliebsamen rechten Aufzüge wie auch für die Aufzüge radikaler Linker, solange diese friedlich verlaufen; das will ich hier ausdrücklich betonen.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist selten genug der Fall!)