Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen druckte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ einen Leserbrief des ehemaligen Thüringer Landtagsdirektors Prof. Dr. Joachim Linck ab, der dem Parlamentsbetrieb auf Länderebene ein denkbar kritisches Zeugnis ausstellte.
Joachim Linck schrieb: „Wir müssen die Landesparlamente revitalisieren. Der Landesparlamentarismus leidet im Wesentlichen an folgenden gravierenden Krankheitssymptomen: den – trotz Föderalismusreform – immer noch fehlenden Gesetzgebungskompetenzen der Landesparlamente, der Dominanz der Regierungen unter anderem durch die Vereinbarung von Staatsverträgen oder Mustergesetzentwürfen, die von den Parlamenten nur noch ‚abgenickt’ werden können, dem Verlust von Kompetenzen an die Europäische Union, der nur durch Einflussmöglichkeiten der Regierungen, aber nicht der Landtage geringfügig kompensiert wird (...), sowie dem fehlenden selbstbewussten Willen von Abgeordneten zu eigenständiger kreativer Politikgestaltung.“
Der ehemalige Landtagsdirektor könnte bei seiner Kritik der Selbstentmündigung der Landesparlamente auch an das vorliegende Gesetz zum Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung des Sächsischen Privatrundfunkgesetzes gedacht haben. Es geht heute nämlich genau um einen der von ihm kritisierten Staatsverträge, die in Fachrunden ausgekungelt und dann durch die Landtage geprügelt werden und nichts anderes als Fremddiktate der Europäischen Union sind, wie CDURedner Fritz Hähle unverblümt zugab.
Der am 18. Dezember 2008 von den Ministerpräsidenten unterzeichnete Staatsvertrag soll den Bedürfnissen der privaten Fernsehanbieter und Zeitungsverleger Rechnung tragen, nachdem diese die EU-Kommission eingeschaltet haben, um die Online-Dienste der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einzudämmen.
Staatskanzleichef Beermann räumte bei der 1. Lesung des Gesetzentwurfes am 21. Januar offen ein, dass es nur darum gehe, den sogenannten Beihilfekompromiss mit der Europäischen Union in Landesrecht umzusetzen. Dahinter steht die blanke Furcht, dass die Bundesrepublik wegen der indirekten Förderung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von der Europäischen Union zu beihilferechtlichen Strafzahlungen verdonnert wird.
Man versucht sich hier also an einem Spagat zwischen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und den Brüsseler Wettbewerbsbestimmungen und kapituliert wieder einmal vor dem Brüsseler Fremdbestimmungsregime.
Die NPD beteiligt sich an dieser Pseudodebatte nicht mehr als nötig, weil hier und heute selbst mit den besten Argumenten gar nichts mehr zu verändern oder zu bewegen ist. Die Großkoalitionäre von CDU und SPD winken den Vertrag durchs Parlament und bejubeln anschließend noch ihre politische Gestaltungsimpotenz, die eine Folge der systematischen Kompetenzabtretung an Brüssel ist.
Die NPD-Fraktion wird aus ganz grundsätzlichen Erwägungen gegen das vorliegende Gesetz stimmen, weil es nichts anderes als die politische Kastration der deutschen Legislative deutlich macht.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den letzten vier Jahren haben wir, glaube ich, über fünf Rundfunkänderungsstaatsverträge hier im Plenum gesprochen. Meist ging es besonders dann hoch her, wenn es sich um Rundfunkgebührenerhöhungen handelte.
Um Gebühren geht es diesmal auf den ersten Blick nicht, sondern im Wesentlichen um die Frage, welche digitalen und welche Online-Angebote der öffentlich-rechtliche Rundfunk unterbreiten darf. Doch das ist eben nicht nur eine Frage des Wettbewerbs, sondern auch eine Frage der Kosten und damit der Belastung für die Gebührenzahler.
Wir als FDP-Fraktion sagen ganz klar: Der Gebührenzahler darf nicht für alles zur Kasse gebeten werden, was heute technisch möglich und machbar ist.
Die Erwartungen an diesen Rundfunkänderungsstaatsvertrag waren im Vorfeld zweifellos groß. Er sollte für eine klare Definition des Programmauftrages des öffentlichrechtlichen Rundfunks sorgen, insbesondere im Internet. Er sollte eine Trennlinie zwischen privaten und öffentlichrechtlichen Angeboten ziehen und nicht zuletzt den Rundfunkbegriff an die Entwicklungen in der Rundfunktechnik und neue Übertragungsformen anpassen.
Doch was liegt uns heute vor? Dieser Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist kein Quantensprung, er ist ein kleiner Hüpfer. Der Staatsvertrag definiert die öffentlichrechtlichen Aktivitäten im Internet nur halbherzig. Die Konsequenzen dieser Halbherzigkeit liegen auf der Hand: Die Kosten werden weiter für den Gebührenzahler steigen und der Druck auf private Anbieter nimmt zu.
Keine Frage, auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollen an den Möglichkeiten des Internets partizipieren können. Sie sollen das Internet als Verbreitungsweg nutzen können. Doch die Gretchenfrage ist: Wie weit soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk dabei gehen dürfen? Ein öffentlich-rechtliches Youtube mit staatlicher Finanzierungsgarantie lehnen wir als Fraktion klar ab.
Und ich ergänze: Es wäre eine ganz klare Wettbewerbsverzerrung, wenn öffentlich-rechtliche Sender mit festen Gebühreneinnahmen funktionierende und privat finanzierte Angebote vom Markt verdrängen. Herr Hatzsch, da sind wir unterschiedlicher Auffassung.
Nun kann man sagen: Das ist eine abstrakte Diskussion. Machen wir es doch einmal konkret. Schauen wir uns das Online-Portal des WDR-Studios Köln an. Was findet man dort? Sie werden es kaum glauben – Restauranttipps; Rubrik Kneipenzeit. Öffentlich-rechtlicher Rundfunkauftrag?
Da erfährt der geneigte Gebührenzahler – bestimmt zu seiner großen Freude –, dass es in den „Rheinterrassen“ jetzt ein wunderschön präsentiertes, reichhaltiges Büfett für nur 19 Euro gibt. Wenn er weiter liest, erfährt er, es gibt „Lillis Hundeimbiss“. In „Lillis Hundeimbiss“ gibt es immerhin Wasser umsonst für die Vierbeiner, und das Kilo Pferdefleisch kostet 5,90 Euro.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das wirklich der öffentlich-rechtliche Programmauftrag? Wir meinen: nein. Ich sage klar: Solche Aktivitäten gehören gestoppt.
Um nun einen Verdrängungswettbewerb zulasten der Privatwirtschaft zu vermeiden, wird der sogenannte DreiStufen-Test eingeführt. Einige meine Vorredner sind bereits darauf eingegangen. Doch die letztliche Entscheidungshoheit für die Angebote, was sie kosten, welchen Mehrwert sie bringen, haben die Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten selbst. Das heißt, die Anstalten kontrollieren ihr eigenes Handeln. Das ist, wenn man es auf den Sport bezieht, eine ganz tolle Situation. Stellen Sie sich vor, Sie spielen Fußball und haben die Chance, aus Ihrer Mannschaft den Schiedsrichter zu benennen. Sie können sich vorstellen, wie das ausgehen würde; ziemlich absurd.
Aus der Sicht der FDP wäre es deshalb besser gewesen, Herr Brangs, den Drei-Stufen-Test für Online-Angebote durch neutrale Dritte kontrollieren zu lassen. Dies wäre
Der grundsätzliche Konstruktionsfehler, der dem zugrunde liegt, ist nicht das einzige Problem: Es gibt schwammige Begriffe und unscharfe Definitionen. Die Sender dürfen beispielsweise programmbegleitende OnlineAngebote mit programmbezogenen Inhalten anbieten. Nun kann man sich die Frage stellen: Gehört das Online-Forum „Plauderecke“ des MDR-Portals www.my.sputnik.de dazu? Das darf bezweifelt werden. Jeder kann sich gern selbst informieren, welche Themen auf dieser Plattform diskutiert werden – übrigens bezahlt von Gebührenzahlern.
Meine Damen und Herren! Mit diesem Staatsvertrag wurde wieder einmal die Chance vertan, eine klare Grenze zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Online-Angeboten zu ziehen. Der Vertrag bringt deutlich mehr Bürokratie für die Rundfunkanstalten, aber nur wenig zusätzliche Klarheit für die privaten Anbieter. Es ist ein Kompromiss auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Wir wissen: Gerichtliche Auseinandersetzungen sind vorprogrammiert. Nach der Verabschiedung dieses Staatsvertrages – es wird wahrscheinlich wieder so kommen – ist aus unserer Sicht eines sicher: Die Gebühren werden weiter steigen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag steht heute zur Abstimmung. Wie kaum einer seiner Vorgängerverträge hat er auch rein inhaltlich die Medienpolitik beschäftigt – zu Recht. Es ging und geht um wichtige medienpolitische Weichenstellungen. Ich behaupte sogar: Es geht um nichts Geringeres als die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Eines ist klar: Wenn sich ARD, ZDF und das Deutschlandradio nicht im Internet weiterentwickeln können, haben die Sender keine ernsthafte Perspektive in der künftigen Medienwelt.
Meine Fraktion hatte bereits im vergangenen Jahr einen Antrag eingebracht, um darauf hinzuweisen, dass Rundfunkpolitik nicht gleich Wettbewerbspolitik ist. Wettbewerbspolitik im dualen Rundfunksystem kann nicht heißen, den Öffentlich-Rechtlichen im Internet enge Fesseln anzulegen, damit die Privaten sich frei entfalten können.
Von der CDU-Fraktion wurde im Ausschuss die Meinung geäußert, man müsse sich dem mit Brüssel ausgehandelten Kompromiss fügen. Herr Dr. Hähle hatte das mit anderen Worten heute noch einmal wiederholt. Das Problem dieses Staatsvertrages liegt aber gerade darin, dass er auf Druck der privaten Rundfunkveranstalter und
Zeitungsverleger in wichtigen Punkten weit über die Forderung der Brüsseler Wettbewerbshüter hinausgeht.
Das betrifft die Begrenzung von Online-Angeboten auf 24 Stunden oder sieben Tage, die Verpflichtung, bereits vorhandene Inhalte einem Drei-Stufen-Test zu unterziehen sowie die Frage der Sendungsbezogenheit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CDU, die Sie sich gerade so aufregen! Fragen Sie doch bitte einmal die Nutzerinnen und Nutzer des Internets: Was halten sie davon, dass Online-Angebote bereits nach wenigen Tagen aus dem Netz verschwinden müssen? Sie werden pures Unverständnis ernten.
Herr Dr. Gerstenberg, ich weiß nicht, wie Sie zu der Behauptung kommen, dass es weit über den in Brüssel ausgehandelten Kompromiss hinausgeht. Haben Sie einmal Gelegenheit gehabt, mit Verantwortlichen für diesen Bereich in Brüssel zu reden?
Ich hatte keine Gelegenheit, mit Verantwortlichen aus diesem Bereich zu reden. Ich kenne aber den Kompromiss, der zwischen Deutschland und der Brüsseler EU-Kommission geschlossen wurde. Was ich Schwarz auf Weiß nach Hause tragen kann, muss ich nicht durch Debatten untermauern.