Frau Bonk, ich habe einmal eine Frage. Wir hören sehr viel in Ihren Ausführungen über das, was die Polizei nicht genügend gegenüber den
Rechten getan hat. Werden Sie auch irgendetwas über die echte Gewalt, die tatsächliche Gewalt, die gegen die Polizei von Ihren Demonstranten ging, sagen oder wollen Sie das verschweigen?
Herr Gillo, ich bin gerade vor allem auf die Stadtgesellschaft, die Oberbürgermeisterin und das Verhalten der CDU eingegangen. Ich kann auch gern zu den Ereignissen der Demonstration sprechen. Ich war dabei. Diese Demonstration war stark und friedlich geordnet
den TeilnehmerInnen den Zugang zum Theaterplatz verwehrte. Auch darauf werde ich noch zu sprechen kommen.
Warum läuft die friedliche und starke Demonstration von Anfang an im Polizeikessel, während mehrere Tausend gewaltbereite Nazis mit offensichtlichen Verstößen gegen die Auflagen, wie Vermummungsverbot oder die Straftaten, die schon angesprochen worden sind, in ihrem Zug nahezu frei und ohne die polizeiliche Beauflagung laufen können? Ist das die Linie, die Sachsens Polizei gegenüber rechten Straftätern fährt?
Dann muss man sich doch über die Ausbreitung rechter Gewalt – so geschehen wieder am Montag, als ein Prozessbeobachter auf offener Straße zusammengeschlagen wurde – oder über die Verbreitung rechter Ideologien und Strukturen nicht wundern.
Dann ist es vielleicht kein Zufall – ich gehe so weit –, dass der bundesweit größte Aufmarsch gerade in Sachsen noch immer nicht vertrieben worden ist. Denn es braucht auch das verantwortliche Handeln der Verantwortlichen in den Behörden, und schon die Idee der Gleichbehandlung und räumlichen Trennung der Demonstrationen ist falsch. Protest muss sichtbar und hörbar sein können. Die Bürgerinnen und Bürger müssen gegenüber den Nazis ihre Ablehnung auch ausdrücken können, und die darf man nicht einige Kilometer entfernt unbehelligt durch die Stadt laufen lassen.
Hier muss es ein Umdenken beim Polizei- und Versammlungskonzept geben. Von Gleichbehandlung konnte keine
Rede sein, denn die Polizei hat der Anmelderin der antifaschistischen Kundgebung am Freitag nicht einmal einen Kooperationstermin eingeräumt.
Der Innenminister wird auch Stellung dazu nehmen müssen, warum den Teilnehmern dieser bis kurz vor Schluss geordneten und friedlichen Demonstration der Zugang zum Theaterplatz verwehrt und dadurch eine unübersichtliche Situation provoziert wurde, in der es nicht mehr möglich war, den Zug wie geplant bis zum Ende fortzusetzen. Wenn das etwas damit zu tun hat, ein bestimmtes Ergebnis zu provozieren, um die Maßnahmen für das nächste Jahr treffen zu können, dann wäre das bedauerlich und kein verantwortungsvolles Handeln der Verantwortlichen.
Als einige Landtagskollegen und ich sich am Freitag einen Überblick über die Lage bei der Kundgebung verschaffen wollten, war kein Ansprechpartner der Polizei vorhanden. Aber wir fanden heraus, dass ein Kontrollbereich eingerichtet worden war, über den die Anmelder gar nicht informiert worden waren und der das Versammlungsrecht außer Kraft setzt. Ihre Polizeilinie beschneidet die demokratischen Demonstrationsrechte gerade der Demonstranten gegen Rechts, und das ist nicht hinnehmbar.
Die systematische Beobachtung, Verfolgung und Begrenzung antifaschistischen Engagements muss im Interesse der demokratischen Breite ein Ende haben. Wir wenden uns gegen eine vermeintliche Lösung des Problems durch eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes, wie sie in den Redebeiträgen heute hier auch schon vorbereitet worden ist. Dies brächte nur eine Verschiebung und gleichzeitig die weitere Beschneidung der demokratischen Rechte mit sich.
Zu dem stillen Gedenken, von dem sicherlich auch gleich Herr Rohwer sprechen wird: Man kann nicht schweigen angesichts der Opfer in der Vergangenheit
das ist etwas zum Thema Inhalt, Herr Martens –, wenn in der Gegenwart Nazis das Gedenken und die Demokratie für ihre menschenverachtende Ideologie zu vereinnahmen versuchen. Man kann nicht schweigen und still gedenken, denn sonst wird das immer größer angesichts der aktuellen Naziaufmärsche. Für Dresden muss ein deutliches, von allen getragenes „Nie wieder!“ gelten.
Eine Diskussion über die Gedenkkultur in der Landeshauptstadt ist in Gang gekommen, über eine Gedenkkultur, die der eigenen Bombardierung mit Aufmerksamkeit gedenkt und für den Protest gegen Nazis heute nicht ausreichend geschlossen auftritt. Diese Diskussion muss fortgeführt werden. Auch die bundesweit entstandene Aufmerksamkeit für dieses Thema verpflichtet uns dazu, und sie verpflichtet uns zu Geschlossenheit.
Meine Fraktion hat in Vorbereitung der Ereignisse zu einer Diskussion über die Gedenkkultur und im Nachhinein zu einer auswertenden Anhörung eingeladen, an der Vertreter der Bündnisse „Geh Denken“, „No pasarán“ und „Venceremos“ ebenso wie Bündnispartner von SPD, GRÜNEN und anderen teilgenommen haben. Ich denke, es ist nötig, diese Auswertung und Diskussion jetzt fortzusetzen, um für das nächste Jahr einen Strategiewechsel in Stadt und Land erreichen zu können, um den Nazis entgegentreten zu können. Dass sie hier nicht mehr laufen können – das muss das Ziel sein. Dafür stellen wir an die Verantwortlichen klare Anforderungen und bringen sie in die öffentliche Diskussion ein.
Es muss eine gemeinsame Veranstaltung der Demokraten geben. Die Nazis dürfen keine Innenstadtrouten mehr bekommen. Das Polizeikonzept muss den direkten Protest gegen Nazis ermöglichen, und für Dresden muss klar sein: Eine offizielle Gedenkveranstaltung muss ohne Nazis stattfinden können.
Die Rede der Oberbürgermeisterin war eine Überraschung für viele, aber die Teilnahme von Nazis ist immer noch nicht hinnehmbar. In diesem Jahr haben Naziorganisationen ihre Kränze auf die der Jüdischen Gemeinde gelegt. Das ist beschämend. Die Oberbürgermeisterin kann und muss dafür sorgen, dass das Gedenken nicht weiter unterhöhlt und umgedeutet wird.
Die Bündnisse haben – das hat auch die auswertende Anhörung gezeigt – jeweils ihren Beitrag geleistet: bei der Mobilisierung der Bürgerinnen und Bürger, bei einer starken antifaschistischen Mobilisierung bundesweit und bei der anregenden Diskussion über die Geschichtspolitik der Stadt. Nun ist es Zeit für die weitere kritische Auswertung und für ein anschließendes noch engeres Zusammenrücken der Demokraten. Wir werden weiterhin unser Möglichstes für ein starkes Auftreten und eine Verbindung der Kräfte tun. Im Kampf gegen Rechts muss das Angebot und Verpflichtung zugleich sein.
Das war die Eröffnung der zweiten Runde. Als nächste Fraktion ist die CDU-Fraktion an der Reihe; Herr Abg. Rohwer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Apfel, Ihren Respekt braucht weder die CDU noch Herr Bandmann. Darauf verzichten wir. Ich sage Ihnen klar und direkt auch in diesem Hohen Haus noch einmal das, was wir Ihnen im vorigen Jahr zu Ihrer Abschlusskundgebung vom Zwinger als Spruch entgegengehalten
Nun zu dem Antrag. Es ist natürlich schwer – das können Sie sich vorstellen –, dazu zu sprechen als jemand, der in dieser Stadt aufgewachsen ist, dessen Vater als drei Monate altes Baby in Dresden gewesen ist. Daran kann er sich natürlich nicht erinnern, aber Sie können sich vorstellen, wie in meiner Familie die Geschehnisse dieser beiden Tage im Februar 1945 immer weitererzählt werden. So hat jeder Dresdner seine einprägsamen Familiengeschichten und überlieferten Erinnerungen.
Aber wenn Sie, Frau Bonk, sagen, Sie seien am 13. und am 14. Februar 2009 in der Stadt unterwegs gewesen, dann möchte ich Ihnen dringend empfehlen, bevor Sie wieder eine „No pasarán“-Demo anmelden, sich mit Personen zu unterhalten, die den 13./14. Februar 1945 erlebt haben. Wir haben hier im Hohen Haus meines Wissens einen Kollegen, mit dem Sie sich gut unterhalten können. Sie brauchen nur in die Reihen der CDUFraktion zu Herrn Prof. Mannsfeld zu gehen. Er hat den vernichtenden Luftangriff auf Dresden bewusst erleben müssen.
Ich finde den Antrag der LINKEN in mehreren Dimensionen zynisch. Er ist widersprüchlich und aus meiner Sicht auch eindimensional, wenn Frau Bonk eben hier am Pult davon gesprochen hat, dass alle Demokratinnen und Demokraten zusammenstehen müssen, und danach sagt, es gibt nur gute und schlechte Antifaschisten –
es gibt keine schlechten und nur gute Antifaschisten oder so etwas –, dann hat Frau Bonk doch schon signalisiert, dass sie Unterschiede zwischen Antifaschisten und Demokraten sieht.
Vom Antifaschismus in der DDR habe ich bis zu meinem 17. Lebensjahr in der DDR genug erlebt, und ich habe auch erlebt, wie Pastor Niemöller vereinnahmt wurde, obwohl er mit dem Antifaschismus der DDR wenig zu tun hatte. Er war im christlichen Widerstand.
Man könnte vieles zu diesem Thema sagen. Ich möchte Herrn Dr. Martens ganz ausdrücklich danken; denn er hat das Wichtigste zum Antrag der Linken gesagt. Dem ist nichts hinzuzufügen. Herr Dr. Martens, mein Respekt; ich will gar nicht versuchen, dies zu toppen.
Aber etwas möchte ich hier in dieser Stunde noch einmal deutlich machen: In dieser Stadt brauchen wir keine „Trauermärsche“ von Rechtsextremisten. Wir brauchen auch keine anderen Protestzüge oder Demonstrationen. Das Bild unserer Stadt ist maßgeblich vom Datum des 13. Februar 1945 mitgeprägt. Der Anblick und der Zu
stand der damaligen Zerstörungen sind zum bekannten und wirksamen Symbol geworden. Der Stadtname Dresden steht exemplarisch für militärische Gewalt gegen Zivilisten und für die Zerstörung kultureller Werte, meine Damen und Herren.