Protokoll der Sitzung vom 19.03.2009

Ich bin weiß Gott – das markiert auch gewisse Auffassungsunterschiede zur Linken – kein Fan von Staatsbetrieben. Das weiß jeder, der mich kennt. Aber ich bin auch kein Fan einer handlungsunfähigen Regierung.

Wenn inzwischen auch der Letzte nachlesen konnte, dass das Geschäft in der IT-Branche in Wellen verläuft und alle paar Jahre neue Technologien einen neuen Zyklus auslösen und damit natürlich auch dafür Sorge tragen, dass die Gewinne in manchen Jahren richtig nach oben gehen, wenn der Technologiesprung dran ist, und dann wieder ein paar flaue Jahre kommen, bis eine neue Technologie entwickelt ist, dann muss man unabhängig von den Managementfehlern, die passiert sind und nicht entschuldbar sind, dennoch einmal darauf schauen, wie der Geschäftsverlauf in dieser Branche ist. Da hat der Freistaat meines Erachtens ein größeres Interesse zu haben. Eine zeitlich befristete Übergangslösung erscheint mir möglich. Man kann dann im Aufschwung das Geld für den Freistaat Sachsen wieder zurückholen.

25,1 % sind ein interessanter Vorschlag. Das müsste natürlich EU-konform sein. Dafür haben Sie versucht, Sorge zu tragen, wenn ich es letzte Woche richtig beobachtet habe. Das müsste auch beinhalten, dass der Firmensitz in Dresden ist. Aber Dresden muss anfangen, selbst zu bestimmen, wie und was passiert, und darf nicht darauf warten, dass irgendjemand von außen irgendwelche Vorschläge macht. Wir müssen das selbst entscheiden. Wir haben die Wahl zwischen Hammer und Amboss. Jeder darf einmal in sich gehen und überlegen, welche Situation er bevorzugt.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Wir können nicht riskieren, dass mit der drohenden Qimonda-Pleite das gesamte Cluster Mikroelektronik ins Rutschen kommt. Dieses Cluster hat – geschätzt – 20 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und 200 Firmen. Die übergroße Zahl dieser Menschen arbeitet in kleinen und mittelständischen Unternehmen, die wiederum mit den großen wie AMD oder ZMD zusammenarbeiten und ebenso in universitäre und außeruniversitäre Forschungsnetzwerke eingebunden sind. Wir haben vorhin vom Wirtschaftsminister ein paar Ausführungen dazu gehört.

Wenn es ein solches Netzwerk ist und Qimonda eine solch starke Stellung darin hat, muss man davon ausgehen – um mit den Worten der Kanzlerin zu sprechen –, dass diese Firma „systemrelevant“ ist.

(Beifall der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Ich kann kurz erklären, was ich in diesem Zusammenhang mit „systemrelevant“ meine, damit nicht immer so gerätselt wird. Mikroelektronik finden Sie in jedem modernen Auto, aber nicht jedes Auto ist ein Opel. Das ist der Unterschied zwischen „systemrelevant“ und „nicht systemrelevant“.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und des Abg. Steffen Flath, CDU)

Wenn wir also Klarheit darüber haben, dass das systemrelevant ist, dann muss die sächsische Union jetzt überlegen, was klugerweise getan werden kann. Ihre Oberbürgermeisterin von Dresden, Frau Orosz, hat sich vor wenigen Tagen zu diesem Thema geäußert; sie möchte eine Zukunft von Qimonda sehen.

Ihr Bundestagsabgeordneter Arnold Vaatz – er lebt noch – ist aufgewacht und hat sich zugunsten von Qimonda ausgesprochen. Er meinte – ich zitiere ihn –: „Die Maßstäbe, die für die Autoindustrie gelten, gelten zu Gunsten von Qimonda und der Dresdner Chipindustrie dreimal, wenn nicht zehnmal.“ Eine typische Vaatzsche Übertreibung, aber in der Sache zutreffend!

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Wenn die EU-Kommission und die Bundesregierung ihrer Verantwortung für diese Schlüsseltechnologie nicht nachkommen, weil sie zurzeit die Opel-Bretter vor dem

Gesicht haben, dann müssen Sie das eben tun und versuchen, es in die Reihe zu bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Ich weiß, dass das für Sachsen ein enormer Kraftakt ist. Ich kenne mich mit den Zahlen so weit aus, dass ich genügend finanzpolitische Fantasie habe, um mir vorstellen zu können, wie gewagt der Sprung wäre. Aber wir reden hier nicht mehr nur darüber, sondern auch über die Frage, wer in einer Krisensituation in der Lage ist, sein Schicksal in den eigenen Händen zu behalten, und wer sich zum Spielball auf den Wellen macht.

Die Politik im Land muss den entsprechenden Impuls setzen; das ist völlig richtig. Vor dieser Frage stehen wir meiner Meinung nach. Wenn Sie mit Herrn Jaffé, mit den Gläubigern, mit Portugal und mit Inspur Partner haben, dann ist es ja nicht so, dass alles nur am Freistaat Sachsen hängen bliebe. Das ist ja nicht wahr.

In der Presse war zu lesen, dass der Insolvenzverwalter, Herr Jaffé, bereit sei, eigenes Geld in das Unternehmen zu stecken. Das ist in der Tat ein neuer Sachverhalt. So etwas habe ich selten gehört. Vielleicht sind Ihnen viele solcher Fälle bekannt – mir nicht. Wenn das stimmt, dann gehe ich davon aus, dass Qimonda eine große Chance hat, wieder auf die Füße zu kommen. Denn wer würde die Geschäftschancen von Qimonda besser einschätzen können als derjenige, der die Firma abwickeln soll?

Das heißt für mich: Das ganze Gerede über den Businessplan ist nicht sehr glaubhaft. In dem Moment, wo der Insolvenzverwalter selbst, obwohl er es nicht nötig hat, bereit ist, in den Rettungsplan einzusteigen, weil er das Geschäftsmodell interessant findet, würde ich lieber der Expertise dieses Mannes vertrauen. Es wäre doch interessant, nähere Ausführungen zum Thema „Businessplan“ zu hören.

Wie gesagt, es geht vielleicht um 25,1 % – einen Anteil, den ich persönlich als richtig empfinde, weil ich in solchen Fragestellungen, wenn Steuergeld verwendet wird, von Sperrminoritäten viel halte.

Es geht auch darum, das zeitlich befristet zu tun. Es kann keine Dauerbeteiligung des Freistaates geben.

Auf der einen Seite haben wir am Montag in der Presse bzw. im Bericht des Landesrechnungshofes nachlesen dürfen, dass insgesamt, wenn man alles zusammenrechnet und nicht nur die nach oben springenden Zahlen sieht, für Sachsen ein maximal möglicher Gesamtschaden von 4 Milliarden Euro aus der Schieflage der Sachsen LB resultiert. Dieser Schaden hat übrigens auch etwas damit zu tun, dass das Finanzministerium, die Staatsregierung insgesamt und Politiker von CDU, SPD und Linken ihren Verantwortlichkeiten nicht nachgekommen sind. Da reden wir über einen maximal möglichen Schaden von 4 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren. Hier reden wir über eine Schlüsseltechnologie und einen dreistelligen Millionenbetrag. Ich frage mich wirklich: Wo soll es eigentlich hingehen?

Wir sind der Meinung: Sachsen muss jetzt selbst aktiv werden und darf nicht warten, dass irgendein freundlicher Mann oder ein Godot vorbeikommt. Es geht darum, selbst Entschlossenheit an den Tag zu legen. Ich hoffe, meine Herren, Sie sind dazu in der Lage.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Die CDU-Fraktion ist aufgerufen. Herr Flath, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Hahn, Ihre Fraktion hat diese Sondersitzung beantragt. Das ist Ihr gutes Recht. Sie haben in Ihrem Redebeitrag – zusammengefasst formuliert – versucht, den Eindruck zu erwecken, als sei es ausgerechnet Ihre Fraktion gewesen, die dieses Land, diesen industriellen Kern, diesen Leuchtturm aufgebaut hätte.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Ich habe „Biedenkopf“ gesagt!)

Sie haben versucht, den Eindruck zu vermitteln, als müssten Sie jetzt alle Kraft zusammennehmen, um die CDU daran zu hindern, das Land zu zerstören. Eine völlige Umkehr der Realität!

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Sie haben unseren Ministerpräsidenten einen „Provinzpolitiker“ genannt. Sie selbst treten dieses Jahr als Ministerpräsident an. Das sollte heute offensichtlich Ihre Bewerbungsrede sein. Das ist im Großen und Ganzen danebengegangen, Herr Hahn.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Mein Eindruck ist: Sie orientieren sich heute noch an Ihrem Vorbild Egon Krenz,

(Lachen bei der Linksfraktion)

der vor 20 Jahren den Begriff „Wende“ geprägt hat, den Sie bis heute verwenden. Wenn ich daran denke, dass Sie erst gestern – heute kann man das in der Zeitung nachlesen – auf einer Regionalkonferenz gegen die Leuchtturmpolitik der Staatsregierung gewettert haben,

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das stimmt nicht!)

aber heute hier einen ganz anderen Eindruck vermitteln, dann passt das nicht zusammen. Das wird Ihnen niemand abkaufen, Herr Hahn.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Diese Sitzung wird von einer Demonstration, einer Kundgebung besorgter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des insolventen Unternehmens Qimonda, begleitet. Dafür hat unsere oder meine Fraktion großes Verständnis. Wir haben in der letzten Woche ein außerordentlich gutes Gespräch geführt, initiiert vom Betriebsratsvorsitzenden. Er hatte viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit. Ich

möchte einmal sagen: In Anbetracht der schwierigen Situation, in Anbetracht der Unsicherheit, in der sich die Familien befinden, war es ein außerordentlich konstruktives Gespräch. Dafür will ich mich an dieser Stelle namens meiner Fraktion noch einmal herzlich bedanken.

(Beifall bei der CDU)

Wir sehen diese Sorgen. Aber, meine Damen und Herren, wir sehen auch die Sorgen an anderer Stelle in unserem Land. In unserer Fraktion haben wir bei so einer Abwägung, was jetzt zu tun ist, auch andere Mittelständler im Land, Handwerker im Blick, die sich auch Sorgen machen.

Nun mag es ja sein, dass man sagt: Das ist alles nicht vergleichbar. Wenn aber ein Mensch Angst und Sorge hat und nicht weiß, wie es morgen weitergeht, dann ist die Situation schon vergleichbar.

(Beifall bei der CDU)

Herr Hahn, da will ich heute schon einmal eins hier festhalten: Wer in all den Jahren, in denen der Mikroelektronikstandort in Sachsen entstanden ist, nicht nur dafür gesorgt hat, dass in ganz verschiedener Weise der Freistaat Sachsen – und das bestreiten Sie ja nun nicht mehr – sinnvollerweise in erheblichem Umfang hier am Standort in Dresden viel Geld in die Hand genommen hat, es dazu aber immer auch gehörte, beim Geld in die Hand nehmen den Menschen im Land und insbesondere anderen Selbstständigen das zu erklären. Das hat die CDU-Fraktion gemacht. Die CDU hat es den Menschen erklärt und immer wieder dafür gesorgt, dass zum Schluss eine Mehrheit dafür zustande kam. Ich will ganz deutlich sagen: In dieser Verantwortung befinden wir uns wiederum, aber auch abzuwägen. Ich rate uns, bei diesem Abwägen einen kühlen Kopf zu bewahren.

Was mit dieser Sondersitzung beabsichtigt wurde, haben Sie deutlich gemacht, Herr Hahn: Es ist für Sie Wahlkampf.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Ich will sagen: Das haben die Mitarbeiter von Qimonda nicht verdient, im Wahlkampf zerrieben zu werden. Deshalb brauchen wir einen kühlen Kopf. Und zu diesem kühlen Kopf gehört, dass man sich auch in einer schwierigen Zeit – das wird uns möglicherweise in diesem Jahr noch einige Male so gehen – erst einmal die Grundsätze anschaut.

Da will ich ganz bewusst am heutigen Tag den Grundsatz der CDU, der CDU-Fraktion, von dem wir uns leiten lassen, nennen. Es bleibt dabei: Für uns ist der Staat nicht der Unternehmer.

(Zuruf der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Um noch einmal eines deutlich zu machen, wie widersprüchlich Ihre Argumentation ist: Sie konnten es sich auch am heutigen Tag nicht verkneifen, auf die Landesbank hinzuweisen. Es mögen große Unterschiede zwischen unseren Fraktionen und Parteien darin bestehen,

wie man mit der Schuldfrage umgeht. Aber in einem, hatte ich gedacht, wären wir uns doch wohl einig, dass wir eine Lehre daraus zu ziehen haben. Diese Lehre ist: Der Staat ist nicht der Banker. Das sollte man der Wirtschaft überlassen.