Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Auch wenn es Ihnen in der FDP-Fraktion mit Ihrem autozentriertem Denken schwerfällt und Sie es vielleicht nicht glauben mögen: Zum Radiohören gehören zwei Ohren und nicht unbedingt vier Räder.

Welche Wege gibt es nun, um diese Akzeptanz zu verbessern? Hierzu ist die Politik gefragt, eine Orientierung in der verwirrenden Vielzahl der technisch angebotenen Übertragungsstandards zu schaffen. Hierzu sind die Hersteller gefragt, endlich bezahlbare Geräte anzubieten, die im Übergangszeitraum sowohl den analogen als auch den digitalen technischen Anforderungen gerecht werden. Es sind nicht zuletzt die Rundfunkveranstalter gefragt, die neuen Möglichkeiten mit den Zusatzangeboten und der Programmvielfalt zu nutzen. Eine einfache digitale Übertragung der analogen Programme wird dabei nicht ausreichen.

Die Umstellung auf digitalen Rundfunk würde es zum Beispiel ermöglichen, endlich Frequenzen für ein terrestrisch empfangbares, qualitativ hochwertiges Jugendradio bereitzustellen, für das sich unsere Fraktion einsetzt.

(Holger Zastrow, FDP: Na super!)

Ich finde es bedauerlich, dass ich weder im Gesetzestext noch der Begründung gelesen bzw. in der Diskussion im Ausschuss eine Antwort vonseiten der Einbringer gehört habe, wie sie diese Aufgaben lösen wollen. Denn in einem, hoffe ich, sind wir uns doch einig: Digital abhängen lassen wollen wir uns in Sachsen doch nicht.

Der einzige Vorteil dieses Gesetzentwurfs ist möglicherweise, dass Sie auf ein Problem hinweisen und eine Diskussion anstoßen. Das finde ich richtig und gut. Ich sehe das Problem aber nicht gelöst, indem wir uns von einem Termin verabschieden, der noch in mittlerer Entfernung liegt. So kommen wir in der Frage der Digitalisierung nicht weiter.

Es ist wichtig und richtig, dass wir in Sachsen zu einer bundeseinheitlichen, möglichst auch einer europaweit abgestimmten Vorgehensweise kommen. Darin gebe ich Kollegen Hilker völlig recht. Ich teile aber die Bedenken der Staatsregierung, denn manchmal hat auch die Staatsregierung recht, die ein falsches Streichen dieser zeitlichen Zielvereinbarung für ein Signal zum falschen Zeitpunkt hält. Ich bin gespannt auf den neuen Kanal, den das Deutschlandradio künftig ausschließlich digital verbreiten wird. Dies ist sicherlich ein guter Schritt in Richtung Digitalisierung, aber er darf nicht der einzige Anreiz bleiben.

Kollege Herbst, Sie haben unrecht, wenn Sie sagen, dass uns nichts zwingen würde. Es gibt eine Regelung im Telekommunikationsgesetz des Bundes, die eine Rücknahme der Frequenzen zum Jahre 2015 als Sollvorschrift enthält. Es bleiben nicht allzu viele Handlungsmöglichkeiten auf sächsischer Ebene, dem auszuweichen,

(Zurufe der Abg. Holger Zastrow und Torsten Herbst, FDP)

Es gibt auch – jetzt neu – die Bedarfsanmeldung der Länder. Ich wage die Prognose, dass wir spätestens im Jahr 2010 einen Neustart des Digitalradios erleben werden, sicherlich mit der Technologie DAB +, die eine erhebliche Verbesserung der Codecs bringt und neue Frequenzen im Band III nutzen kann. Das Tempo, das dann entstehen kann, kann ein ganz neues sein. Ich bitte Sie, denken Sie mal fünf Jahre zurück. Damals hätte wahrscheinlich niemand gesagt, dass sich DVB-T beim Fernsehen so rasant in der terrestrischen Verbreitung durchsetzt.

Uns geht es nicht nur um die Radiohörer. Beim Umschalten auf digitale Übertragung geht es auch darum, die sogenannte digitale Dividende einzustreichen, also die dann frei werdenden Frequenzen neu zu nutzen. Kollege Herbst, Sie haben dieses Gegenargument als leicht lächerlich hingestellt. Ich glaube, diese Frequenzen sind dringend nötig, um nicht nur Radiosender, sondern auch das Internet mit Breitbandangeboten in alle Gegenden unseres Landes zu bringen. Breitband für alle ließe sich mit diesen Frequenzen besser und schneller auch in schwierigen Gebieten realisieren. Deshalb müssen wir abwägen, ob wir die Menschen von einem schnellen Internetzugang nur träumen lassen wollen, nur weil sie im ländlichen Raum wohnen. Sie von der FDP-Fraktion müssen sich bitte überlegen, was Sie den Menschen im Erzgebirge sagen wollen, wenn diese UKW-Frequenzen für eine Internetversorgung nicht freigeschaltet werden. Möglicherweise leben Sie auch mit diesem Widerspruch in Ihrer Politik ganz locker, bringen dies möglicherweise auf zwei Plakate und hängen diese nebeneinander; das haben wir ja alles schon erlebt.

(Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Umschaltdatum in vier Jahren werden wir nicht aus dem Blick verlieren. Wenn alle Stränge reißen und das neue System und die

neuen Bedarfsanmeldungen nicht zum Erfolg führen würden, ließe sich das auch noch kurzfristig aufgeben. Aber diese Zielstellung jetzt schon aufzugeben finde ich falsch. In einer solchen Zwangsumschaltung sehe ich aber nicht das alleinige Mittel. Ich sehe die politische Fantasie und Kreativität gefragt. Wir sollten auf jeden Fall Anregungen aus unseren Nachbarländern aufnehmen. Großbritannien ist da schon viel weiter. Frankreich bietet interessante Lösungsmöglichkeiten. All das fehlt im Gesetzentwurf der FDP. Wir werden ihn ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war die Runde der Fraktionen. Ich frage die Staatsregierung, ob sie dazu Stellung nehmen möchte. – Herr Staatsminister Beermann, bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem sich hier eine fast größtmögliche Koalition gegen den Gesetzesvorschlag abzeichnet, gibt es kaum noch etwas zu sagen.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass so, wie der Übergang von der analogen in die digitale Welt jetzt vorgesehen ist, sehr lange Übergangsfristen vorhanden sind, die den tatsächlichen Lebenszeiten von jetzigen UKW-Radios entsprechen,

(Torsten Herbst, FDP: Fünf Jahre!)

die eine Perspektive aufweisen, dass niemand Angst haben muss, dass von heute auf morgen riesige Kosten anfallen. Herr Zastrow, setzen Sie doch etwas mehr Mut in den Tüftlergeist der Sachsen!

(Heiterkeit bei der FDP)

Das ist ein Wirtschaftsförderprogramm. Wenn ich mir überlege, dass damit die Chance besteht – wie beim digitalen Fernsehen auch –, dass man unter Umständen mit kleinen Boxen, die kaum etwas oder gar nichts kosten, sogar noch diese Hürde nehmen kann, denke ich mir, sollte man gegen dieses Wirtschaftsförderprogramm nicht angehen.

Erlauben Sie mir einen rechtstechnischen Hinweis. Wenn Ihr Gesetz tatsächlich verabschiedet würde – was Gott sei Dank nicht droht –, dann würde Folgendes passieren: Sie hätten den Analogbetrieb nicht nur für den Hörfunkbereich auf Dauer festgelegt, sondern auch für den Fernsehbereich.

(Staatsminister Thomas Jurk: Richtig!)

Die Digitalisierung ist abgeschlossen. Das heißt, dort sind wir schon in der digitalen Welt. Damit hätten Sie gleichzeitig das digitale Kind vollständig mit dem Bade ausgeschüttet.

(Holger Zastrow, FDP: Das ist ein Unterschied!)

Deshalb bitte ich das Hohe Haus, den Gesetzentwurf abzulehnen. Den Rest meiner Rede gebe ich zu Protokoll.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Vielen Dank. – Vor der Einzelberatung kann der Berichterstatter des Ausschusses noch einmal das Wort ergreifen. – Das ist nicht notwendig. Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Einzelberatung.

Entsprechend § 44 Abs. 5 Satz 3 der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über den Gesetzentwurf artikelweise zu beraten und abzustimmen. Aufgerufen ist das Gesetz zum Übergang von analogem zu digitalem Hörfunk, Drucksache 4/14867, Gesetzentwurf der FDP-Fraktion.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf der FDPFraktion, zunächst über die Überschrift. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzei

chen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist die Überschrift mehrheitlich abgelehnt.

Ich rufe Artikel 1 auf. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist Artikel 1 nicht bestätigt.

Ich rufe Artikel 2 auf. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Analoges Stimmverhalten. Artikel 2 ist mehrheitlich abgelehnt.

Erklärungen zu Protokoll

Hörfunk, so wie wir ihn kennen, gibt es seit ungefähr 90 Jahren. In den Sechzigerjahren begann die Ausstrahlung von Stereosendungen. Seither hat sich im Prinzip nichts am technischen Standard bei Rundfunkübertragungen geändert.

Ein entscheidendes Problem allerdings gibt es mit UKW: Der analoge Übertragungsstandard lässt nur eine eingeschränkte Bandbreite und damit eine begrenzte Anzahl von Programmen zu. Dieses Problem verschärfte sich mit der Einführung des privaten Hörfunks in Deutschland 1987 zur buchstäblichen „Frequenzknappheit“.

Die Lösung des Problems sahen seinerzeit viele Experten und Medienmacher in der Digitalisierung der Rundfunkübertragung. Sie hofften, dass danach ein Vielfaches an Frequenzen zur Verfügung stehen würde.

Von 1993 an bis 1998 gab es deshalb Feldversuche und bundesweite Pilotprojekte zur Einführung von Digitalradio. Als Sendestandard diente das bereits 1985 entwickelte Digital Audio Broadcasting – kurz „DAB“. Es wurde ein bundesweites Testnetz eingerichtet. Dieser Übertragungsstandard konnte sich aber nie durchsetzen – weder bei den Verbrauchern, also den Radiohörern, noch bei der Industrie und auch nicht bei den Radiomachern. Der wesentliche Grund: Der Mehrwert für den Nutzer gegenüber UKW ist nicht wirklich erkennbar.

Trotzdem hielt die Politik lange an einer „von oben“ angeordneten Digitalisierung des Rundfunks via DAB fest.

Bis 2001 wurden so bundesweit rund 350 Millionen Euro öffentliche Gelder in DAB investiert. Sachsen investierte nach Angaben der Staatsregierung allein bis 2004 fast 4,8 Millionen Euro. Inzwischen gilt DAB auf der ganzen Linie als gescheitert.

Die privaten Anbieter haben sich fast vollständig zurückgezogen, in Sachsen senden lediglich die drei öffentlichrechtlichen Programme Deutschlandfunk, Deutschlandradio und MDR Klassik via DAB.

Zudem ist die technische Entwicklung längst weiter. Neben dem Internet und damit zahlreichen Webradios, die dank moderner Handys auch mobil empfangbar sind, werden verschiedene technische Standards als Nachfolger von UKW diskutiert.

DAB-plus, DMB, DVB-T, DRM, HD-Radio – der Überblick fällt sogar Fachleuten schwer. Trotzdem hält der Freistaat Sachsen an einer vollständigen Umstellung hin zu digitaler Übertragung per Stichtag fest.

Die aktuelle Gesetzeslage sieht grundsätzlich die Umstellung von analoger auf digitale Technik ab dem 1. Januar 2010 vor. Für die Übertragung von UKWHörfunkprogrammen gilt eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2014. Ab 1. Januar 2015 soll somit die derzeit vorherrschende Hörfunkübertragung zugunsten digitaler Übertragungstechnik eingestellt werden.

Da es momentan nach Angaben der Industrie durchschnittlich sieben UKW-Radios pro Haushalt gibt, wären mit dieser Stichtagsregelung über Nacht mehrere Millionen analoge Radios in Sachsen unbrauchbar, weil diese dann nicht mehr zum Empfang von Radioprogrammen geeignet wären.

In Anbetracht der beschriebenen Vielzahl von möglichen Übertragungsstandards haben die Verbraucher keine Möglichkeit, sich rechtzeitig und sinnvoll auf die neue Situation einzustellen und sich mit entsprechenden Endgeräten einzudecken – im Unterschied übrigens zum digitalen Antennenfernsehen. Hier war der Sendestandard klar definiert und die Endgeräte mussten nur um ein kleines, verhältnismäßig preiswertes Zusatzteil ergänzt werden.

Der Gesetzentwurf der FDP-Fraktion ist deshalb vernünftig, logisch, ja zwingend nötig und leicht umzusetzen. Die Stichtagsregelung in § 4 Abs. 6 des Sächsischen Privatrundfunkgesetzes wird lediglich ersatzlos gestrichen. Damit entfällt die Pflicht zur Umstellung auf digitalen Hörfunk per 31. Dezember 2014.

Schon im Jahr 2000 hat die Bundesregierung die Initiative „Digitaler Rundfunk“ gestartet, die eine Umstellung von TV bis 2010 und von UKW bis 2016 vorsah.

Die Ministerpräsidentenkonferenz hat bereits 1997 den Startschuss für die Digitalisierung des Rundfunks gegeben. Beim Fernsehen wird dies am 31. Dezember 2009 abgeschlossen sein, ohne dass sich bisher Widerspruch dagegen geregt hätte.

Für den Hörfunk sollte ursprünglich ebenfalls dieser Termin gelten. Da jedoch die technische Entwicklung eine zeitnahe ausschließlich digitale Hörfunk-Versorgung noch nicht erlaubt, ist die Digitalisierungsfrist schon einmal bis 31. Dezember 2014 verlängert worden. Statt des von der FDP suggerierten „Schweinsgalopps“ hat der Gesetzgeber also für eine ausreichende Übergangsfrist gesorgt.