Protokoll der Sitzung vom 14.05.2009

chen Gespräche hier im Haus wie bei so vielen Themen ohne Wirkung bleiben. Dies sollte uns doch eigentlich zu denken geben.

Da stellt sich mir bei der vorliegenden Großen Anfrage für die NPD-Fraktion die Frage, ob angesichts einer verheerenden demografischen Entwicklung und einer Weltwirtschaftskrise von Jahrhundertausmaß die Debatte in die richtige Richtung angestoßen wird, um nennenswerte Verbesserungen in Gang zu setzen.

Im Falle eines branchenübergreifenden Implodierens der Wirtschaftstätigkeit, wie wir es derzeit erleben, meine Damen und Herren, dürfen wir nicht glauben, die Ausbildungssituation durch das Aufzählen weiterer Benachteiligungsmerkmale, einer Veränderung des Lehrer-SchülerSchlüssels an berufsbildenden Schulen oder eine gesondert geschlechtsneutrale Berufsberatung nachhaltig zu verbessern.

Machen wir uns und machen wir vor allem den sächsischen Bürgerinnen und Bürgern nichts vor: Scheindebatten über die statistische Interpretationshoheit von BAAuswertungen lösen keine Probleme im Grundsätzlichen.

Wer sich weigert, von einer sich mittlerweile nachweisbar als falsch erweisenden globalistischen Wirtschaftsdoktrin im Allgemeinen Abstand zu nehmen, der wird bei der Berufsausbildung im Speziellen keine Wunder bewirken. Diese Erkenntnis wird auch durch die vorliegende Große Anfrage eindeutig bestätigt.

Sobald die Situation gegeben ist, in der seitens der Betriebe weniger ausgebildet wird, kommen auch die sogenannten Benachteiligungsmerkmale potenzieller Auszubildender stärker im Lehrstellenwettbewerb zum Tragen. So sinnvoll und wichtig die Behebung solcher Benachteiligungsmerkmale natürlich ist, ändert dies nur wenig, solange das Lehrstellenangebot insgesamt knapp ist. Mit Chancengerechtigkeit im schlechten Umfeld ist aber kaum jemandem wirklich geholfen.

Natürlich sind dem Fragenkatalog und den dazugehörigen Antworten seitens der Staatsregierung auch vielfach interessante Informationen zu entnehmen. Nur – und darum geht es der NPD-Fraktion bei dieser Debatte – darf uns dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine aktive Wirtschaftspolitik als Krisenmanagement seitens des Staates und eine Abkehr von der globalistischen Exporteinseitigkeit mittelfristig die entscheidenden Faktoren für eine nachhaltige Sicherung und Verbesserung der sächsischen Lehrstellensituation darstellen.

Dennoch, meine Damen und Herren, stechen einige Aspekte in der Großen Anfrage besonders ins Auge, die als Problemkreise seitens der NPD-Fraktion hier schon öfter angesprochen wurden. Ich denke im Speziellen an eines der sogenannten Benachteiligungsmerkmale, und zwar das der fehlenden Mobilität. Hierfür werden auch in der Antwort der Staatsregierung einige Gründe angeführt. Unter anderem wird die Problematik des Wohnsitzes in abgelegenen Regionen genannt. Gerade in diesem Zusammenhang wundert es mich schon sehr, wenn die

politische Herangehensweise an dieses Problem aus der Perspektive der vermeintlichen mangelnden Mobilität gesehen wird und eben nicht aus der Perspektive des Ausbildungsplatzmangels in den betreffenden sächsischen Regionen.

Dies betrifft sogar einen Verfassungsauftrag, und zwar den, flächendeckend gleiche Lebensverhältnisse zu schaffen. So scheint die Staatsregierung diesen Auftrag nicht mehr wahrnehmen zu wollen.

Aber, meine Damen und Herren, volkswirtschaftliche, bevölkerungs- und raumordnungspolitische Fehler der letzten Jahre lassen sich eben nicht durch Girls’ Days oder Boys’ Days, Berufsberatungen und Schüler-LehrerRelationen allein kompensieren. Solange diese Erkenntnis hier verweigert wird, werden wir bis zum SanktNimmerleins-Tag Statistiken debattieren, ohne wirklich erfolgreich etwas zu verändern.

Noch ein paar kurze aktuelle Zahlen, meine Damen und Herren. 2006 meldete die sächsische Industrie- und Handelskammer noch 18 186 Betriebe, die ausbilden. Ende 2008 waren es nur noch 16 603 aktive Ausbildungsbetriebe. Das ist ein Rückgang von mehr als 9 % in nur zwei Jahren. Wir können leider davon ausgehen, dass sich die Situation in den Krisenjahren 2009 und 2010 bestimmt nicht besser darstellen wird; leider ganz im Gegenteil.

Weiter verzeichnet der Freistaat Sachsen traditionell in der Metall- und Elektrobranche überdurchschnittlich hohe Ausbildungszahlen. Doch es ist gerade dieser Sektor, der aufgrund seiner enorm hohen Exportabhängigkeit am schwersten von der weltweiten Wirtschaftskrise betroffen ist. Wir brauchen uns nicht einzubilden, dass davon der Ausbildungsmarkt in Sachsen unberührt bleiben wird.

Die „DNN“ berichteten erst in der letzten Woche, dass beispielsweise in Chemnitz und Leipzig die Unternehmen 12 bis 13 % weniger Lehrstellen melden. In Pirna ging das Angebot sogar um 21 % zurück. Landesweit ist es ein Minus von 1,8 %. Die BA-Vizechefin Cordula HartrampfHirschberg wird zitiert, dass vor allem die kleinen und mittleren Firmen die gegenwärtige Wirtschaftsentwicklung erst einmal abwarten wollen.

Der Umstand, dass sich die Situation bei den sogenannten Altbewerbern entschärft hat, ist keineswegs in erster Linie – wie die Staatsregierung glauben machen möchte – den Anstrengungen der Bündnisse für Arbeit geschuldet, sondern vielmehr auf die demografische Entwicklung zurückzuführen.

Im Wesentlichen ist also zu erkennen, dass auch beim Thema Berufsausbildung im Hamsterrad der Globalisierung kein Richtungswechsel möglich sein wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion; Herr Morlok, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der demografischen Entwicklung könnte man, wenn man das Problem relativ global betrachtet, zu dem Ergebnis kommen, dass wir von einem Mangel an Ausbildungsplätzen zu einem Mangel an Auszubildenden kommen.

Aber leider stellt sich die Situation bei genauer Betrachtung etwas differenzierter dar. Zum einen werfen die Antworten erhebliche Fragen nach der Ausbildungsfähigkeit der jungen Menschen in Sachsen auf. Wenn 50 % der Firmen beklagen, dass es Defizite beim Addieren und beim Subtrahieren gibt, dann, meine ich, ist irgendetwas in der schulischen Ausbildung nicht richtig.

Herr Staatsminister Jurk, Sie haben gestern in Ihrer Regierungserklärung von einer modernen Bildungspolitik gesprochen. Eine Bildungspolitik ist nicht modern, wenn sie das Ergebnis hat, dass 50 % der Firmen die Leistungen der Schüler im Addieren und Subtrahieren bemängeln. Ich glaube, modern ist das mit Sicherheit nicht.

(Beifall der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Mir ist bei der Großen Anfrage aufgefallen, dass die Staatsregierung 103 Fragen beantwortet hat, obwohl doch nur 97 Fragen gestellt wurden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Tja!)

Die Ursache ist, dass DIE LINKE, die Antragstellerin, beim Zählen etwas durcheinander gekommen ist.

Liebe Kollegen von den Linken, Zählen ist auch nur eine besondere Form des Addierens, nämlich das Vermehren einer Zahl um die Zahl 1. Auch hier gibt es offensichtlich Defizite.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das haben wir davon, wenn wir jeden Euro zweimal umdrehen müssen!)

Aber es gibt auch weitere Defizite, nicht nur bei den Linken, sondern bei unseren Jugendlichen, nämlich im Bereich Leistungsbereitschaft, im Bereich Motivation, im Bereich Disziplin.

Wenn wir feststellen, dass 24 % der Teilnehmer der GISA angebotene Einstellungsgespräche nicht wahrgenommen haben, stimmt das bedenklich. Wenn man sieht, dass 18 % der Bewerber angebotene Ausbildungsplätze nicht angenommen haben, stimmt das noch viel bedenklicher. Ausbildung setzt eben neben der Ausbildungsbereitschaft einen Ausbildungswillen voraus.

Das Thema Altbewerber ist angesprochen worden. Wir haben das im Beirat der ARGE in Leipzig des Öfteren schon intensiv diskutiert. Die erfreuliche Nachricht ist, dass wir eigentlich im Bereich des Arbeitslosengeldes II keinen nennenswerten Zugang mehr aus dem Arbeitslosengeld I haben. Das heißt, in der Regel finden die Menschen im Rahmen der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I wieder einen neuen Arbeitsplatz. Das ist sehr positiv. Aber es gibt trotzdem Zugänge im Bereich des

Arbeitslosengeldes II. Diese kommen – das ist sehr bedauerlich – aus dem Bereich der Schule.

Da müssen wir uns schon die Frage stellen, ob wir in Sachsen alles richtig machen. Damit bin ich wieder bei der Frage nach einer modernen Bildungspolitik, die Sie, Herr Staatsminister Jurk, gestern beschrieben haben. Ich glaube, hier sind ganz große Defizite vorhanden.

Ich hatte gestern in der Debatte das Thema Landeserziehungsgeld angesprochen, weil ich meine, dass die Defizite früher anfangen, nämlich nicht erst in der Schule, sondern bereits in der vorschulischen Betreuung.

Wir müssen uns auch einmal die Frage stellen, ob wir mit den Grundschullehrern richtig umgehen. Die Grundschullehrer legen doch eigentlich in den ersten Jahren die Basis für die schulische Entwicklung der jungen Menschen. Sie werden aber, wenn man sich einmal die Lehrerhierarchie anschaut, am schlechtesten von allen bezahlt.

(Zuruf des Staatsministers Thomas Jurk)

Die Frage ist natürlich auch, warum so viele männliche Schüler Probleme im Laufe des Schulalltags haben. Ob es vielleicht daran liegt, dass wir so wenige männliche Grundschullehrer haben und den Schülern das Vorbild des Ansprechpartners fehlt? Oder ob es vielleicht auch daran liegt, dass die Bezahlung im Grundschullehrerbereich so gering ist, dass der Normalverdiener dort eben als Alleinverdiener eine Familie nicht oder nur schwer ernähren kann?

Ich glaube, das sind Dinge, über die wir uns Gedanken machen und bei denen wir umsteuern müssen im Bereich der schulischen Ausbildung, aber auch schon davor.

Das zweite Thema ist: Wir müssen uns um die Altbewerber kümmern. Diese darf man nicht einfach links liegen lassen, sondern um sie muss man sich intensiv kümmern. Hier geht es aber nicht um die Frage der Qualifizierung, wie sie klassischerweise von der ARGE gemacht wird. Es sind ganz andere Maßnahmen gefordert. Es geht darum, wenigstens überhaupt wieder an einen regelmäßigen Tagesablauf, an das Arbeitsleben heranzuführen.

Das Problem ist aber, dass die ARGE, weil es eben nicht um Qualifizierung geht, genau für diese Dinge keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellt. Die werden aus Nürnberg nicht bereitgestellt, weil man sagt: Das ist nicht Aufgabe der ARGE.

Die Kommunen können es auch nicht bezahlen. Hier ist jetzt die Frage zu stellen, ob die Dinge, die in Nürnberg weit weg entschieden werden, nicht viel zu lebensfremd für die Kommunen vor Ort sind und ob es nicht sinnvoller ist, diese Kompetenz von Nürnberg auf die Kommunen zu verlagern.

(Beifall bei der FDP)

Wir sprechen uns ganz klar für den Vorrang der dualen Ausbildung aus. Das ist auch in der Entwicklung deutlich geworden. Wir haben ein stärkeres Zurückfahren der staatlichen Angebote als der Angebote in der dualen

Ausbildung. Das ist angesichts der geringer werdenden Zahl der Bewerber richtig. Wir müssen darauf achten, dass wir das weiter so machen. In dem Maße, wie das Bewerberangebot sinkt, müssen wir zeitgleich das staatliche Angebot zurückfahren. Es ist deutlich geworden, dass diejenigen, die eine Ausbildung im dualen System genießen, nach der Ausbildung viel eher einen Ausbildungsplatz finden. Deswegen müssen wir dort den Schwerpunkt setzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion GRÜNE, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Schlüsselsatz, der die Probleme in der Lehrstellen- und Ausbildungssituation treffend beschreibt, findet sich bereits am Anfang der Beantwortung der Großen Anfrage der Linksfraktion, nämlich: „Mögliche konjunkturelle Einflüsse können vorübergehend zu abweichenden Entwicklungen führen.“

Dieser Satz ist Zustandsbeschreibung und Herausforderung zugleich. Der Zustand ist, dass es in Sachsen vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung im Augenblick kleinere Probleme als in den letzten Jahren gibt, junge Menschen in die berufliche Ausbildung zu vermitteln. Dieser Zustand ist jedoch keine sichere Bank, da die wirtschaftliche Entwicklung bekanntermaßen eine schwierige Phase durchläuft. Die Herausforderung ist deshalb, jungen Menschen eine Ausbildung zu ermöglichen, und zwar jenseits von konjunkturellen Schwankungen.

Diesem Anspruch wird das gegenwärtige Ausbildungssystem nicht nur in Sachsen, sondern in der gesamten Bundesrepublik nicht mehr gerecht. Derzeit hoffen viele, dass die sogenannte Wirtschaftskrise bald überwunden sein wird und man weitermachen kann wie bisher. Ich jedenfalls kann keine ernsthaften Bemühungen erkennen, die auf ein Umsteuern hindeuten.

Aus den Antworten der Staatsregierung geht hervor, dass es immer noch einen aus unserer Sicht nicht hinnehmbaren Anteil von Jugendlichen in sogenannten Warteschleifen gibt, aus denen in der Regel kein wirklicher Weg in eine anerkannte Ausbildung oder in einen auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Berufsabschluss führt. Wir leisten uns damit ein Übergangssystem, das selbst in wirtschaftlich besseren Zeiten bundesweit 500 000 Jugendliche umfasst und jährlich 3 bis 4 Milliarden Euro kostet. Auf diese Summe kann man nicht stolz sein, vielmehr ist es ökonomisch wie moralisch verwerflich, so viel Geld für ineffektive Maßnahmen zu verschwenden.