Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch auf einige Äußerungen meiner Kollegen reagieren.
Herr Colditz ist nun leider nicht anwesend. Ich hoffe, er hört mich im Haus. Für mich ist nicht ganz klar, wie Herr Colditz lediglich mit der Schulbuchfreiheit – das auch noch eingeschränkt – eine verfassungsgerechte Umsetzung erkennen kann. In der Verfassung steht, dass es unentgeltliche Lehrmittel geben muss. Ich kann auch nicht nachvollziehen, wieso Herr Colditz uns erklärt, dass wir nicht noch einmal in diesen entsprechenden Bereich hineingehen können. Es gibt keinen Grund, das nicht zu tun. Ich denke, dass es gesetzlich klar und eindeutig geregelt ist, dass man so verfahren kann.
Ich hatte Herrn Colditz vorhin so verstanden, dass wir in dieses Gesetz nicht mehr hineingehen dürfen, weil es vor der Verfassung verabschiedet worden ist. Geben Sie mir darin recht, dass das völlig rechtsirrig ist, wenn man einmal in Artikel 120 Abs. 1 hineinschaut? Dieser lautet: „Im Gebiet des Freistaates Sachsen als Landesrecht geltendes Recht bleibt in Kraft, soweit es dieser Verfassung nicht widerspricht.“ Das bedeutet, dass der Verfassungsbefehl dahin geht, vorkonstitutionelles Recht, welches widersprüchlich ist, aufzuheben bzw. dieses ohnehin außer Kraft tritt. Deshalb muss es ausgestaltet werden. Teilen Sie diese Auffassung?
Ja, ich teile Ihre Auffassung. Ich finde es ganz toll, dass Sie als Jurist das noch einmal klar und deutlich benannt haben. Das kann ein Jurist einfach besser als ein Pädagoge.
Herr Dulig, für eine kostenfreie Schule mit kostenfreien Lernmitteln ist Voraussetzung, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Nur davon zu reden und ein Budget auszuteilen hat noch lange keinen Rechtsanspruch für die Schulen. Deshalb benötigen wir eine gesetzliche Grundlage für die Lernmittelfreiheit.
Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Herr Minister Prof. Wöller, bitte.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nochmals unterstreichen, dass wir die Frage der Kostenbelastung der Eltern sehr ernst nehmen. Der Freistaat unterstützt die Lernmittelbeschaffung seitens der kommunalen Schulträger bereits zusätzlich mit einem Betrag von 10 Millionen Euro im Doppelhaushalt 2009/2010. Dieses Geld dient in erster Linie der finanziellen Entlastung der Eltern. Die Schulen entscheiden selbst über die konkrete Verwendung der Mittel. Auf diese Weise werden die individuellen Bedürfnisse vor Ort am besten berücksichtigt. Darüber hinaus scheinen die Schulträger vor Ort die Lernmittelfreiheit grundsätzlich im Sinne der Schüler zu gewähren. Nur so ist zu erklären, dass es bisher keine Elternklagen gegeben hat.
Natürlich bin ich mir dessen bewusst, dass die Thematik für die Eltern von erheblicher Relevanz ist. Ich bin allerdings nicht der Ansicht, dass ein Gesetzentwurf, der besagt, der Freistaat zahlt alles und jedes, ein verantwortungsbewusster Beitrag zur Lösung des Problems ist. Mein Kollege Colditz hat im Rahmen seiner Ausführungen bereits darauf hingewiesen, dass es immer wieder auch Punkte gibt, an denen man das exemplarisch deutlich machen kann, wie beispielsweise anhand des besagten Taschenrechners. Es gibt Alternativen, Sonderprogramme und kostenlos zur Verfügung gestellte Software, auch vonseiten der Hersteller selbst kostengünstigere oder kostenfreie Geräte. Das möchte ich noch einmal unterstreichen.
Gemäß Gesetz zur Förderung von familien- und haushaltsnahen Dienstleistungen erhalten Schülerinnen und Schüler ab dem kommenden Schuljahr jeweils zum Schuljahresbeginn durch den Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende oder Träger der Sozialhilfe eine zusätzliche Leistung für die Schule in Höhe von
100 Euro. Sie wird beim Besuch allgemeinbildender Schulen bis zur Jahrgangsstufe 10 und bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres zweckgebunden gewährt.
Dies sind nur einige Beispiele, die schon einen guten Schritt in die richtige Richtung bedeuten können. Auch die jetzige Regelung für Schülerbeförderung bewährt sich. Die zuständigen Landkreise und kreisfreien Städte erhalten einen angemessenen finanziellen Ausgleich zur Gewährleistung dieser Aufgabe.
Meine Damen und Herren! Nicht die Forderung, der Staat müsse für ausnahmslos alles aufkommen, ist geboten, sondern alle Beteiligten müssen zukunftsfähige und zukunftsweisende Lösungen anstreben, wie das beispielsweise bei unserem zusätzlichen Betrag, den wir im Doppelhaushalt eingestellt haben, der Fall ist. Ich verweise noch einmal darauf, dass dieses Geld als Budget an die Schulen selbst gegeben wird, natürlich zur Kostenentlastung. Aber Lernmittelfreiheit heißt nach meinem Befinden auch, dass die Schulen, die Pädagogen selbst Einfluss darauf haben sollen, welche Lernmittel sie verwenden. Das ist auch ein Gebot der Kosteneffizienz, das sich hier widerspiegelt.
Freiheit und Verantwortung lautet also die Antwort und nicht Bevormundung. Deswegen lehnen wir den vorgelegten Gesetzentwurf ab.
Aufgerufen ist das Gesetz zur Umsetzung des verfassungsrechtlichen Anspruches auf Lernmittelfreiheit in Sachsen. Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf der Linksfraktion.
Ich beginne mit der Überschrift. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Die Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist dennoch die Überschrift mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf Artikel 1 Änderung des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Auch hier gab es wieder eine ganze Reihe von Stimmen dafür. Dennoch ist Artikel 1 mit Mehrheit abgelehnt worden.
Ich rufe auf Artikel 2 Änderung des Gesetzes über die Gewährung einer Infrastrukturpauschale und einer Pauschale zur Ergänzung der Lernmittel an die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörigen Gemeinden. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Auch hier gab es wieder eine ganze Reihe von Stimmen dafür. Dennoch wurde Artikel 2 mit Mehrheit abgelehnt.
Wer gibt Artikel 3 Inkrafttreten die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? –Stimmenthaltungen? – Wieder gleiches Abstimmungsverhalten.
2. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Gleichstellung von Schülerinnen und Schülern mit Teilleistungsstörungen beim Lesen und Rechtschreiben (Legasthenie) oder Rechnen (Dyskalkulie) in Sachsen (Sächsisches Legasthenie- und Dyskalkuliegesetz – SächsLegaDysG)
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Es beginnt die Fraktion der GRÜNEN. Frau Günther-Schmidt, bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende grüne Gesetzentwurf stärkt die Position von Schülerinnen und Schülern, die von Legasthenie und Dyskalkulie betroffen sind, indem ein einfachrechtlicher Anspruch auf schulische Fördermaßnahmen, Nachteilsausgleich und Notenschutz gewährt wird.
Verfassungsrechtlich folgt aus dem Grundsatz der Chancengleichheit gemäß Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz, dass Betroffenen, die mit besonderen Nachteilen zu kämpfen haben, Prüfungsbedingungen einzuräumen sind, damit sie die gleichen Chancen haben, den Prüfungsanforderungen zu genügen. Ein Anspruch auf Nachteilsausgleich besteht daher von Verfassungs wegen bereits jetzt.
Legasthenie und Dyskalkulie sind Behinderungen. Das Grundgesetz verbietet Benachteiligungen aufgrund von Behinderungen, und zwar über die gesamte Schulzeit. Deshalb genügt es einfach nicht, sich hinter einer Verwaltungsvorschrift zu verstecken, die allenfalls empfehlenden Charakter hat und mit der in der Praxis sehr unterschiedlich umgegangen wird. Diese Wahrnehmung wird in Schilderungen Betroffener und deren Interessenvertretungen bestätigt. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir die betroffenen Kinder, deren Eltern und Großeltern unterstützen, die derzeit noch viel zu oft einen langen Leidensweg durchstehen müssen, bis ihnen vielleicht einmal geholfen wird.
Uns ist im Ausschuss für Schule und Sport auch von der CDU bestätigt worden, dass es einen Handlungsbedarf hinsichtlich der inhaltlichen Umsetzung der bestehenden Richtlinie gebe, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung. Denken Sie bitte auch in der Koalition darüber noch einmal nach. Offenbar erkennen Sie ja ebenso wie wir, dass der derzeitige Zustand unhaltbar ist. Wir haben aber leider nicht die Zeit, noch mehrere Jahre ins Land gehen zu lassen, bis vielleicht einmal die letzte Schulbehörde die bestehenden Richtlinien im Interesse der betroffenen Kinder und nicht im Interesse des Schulsystems auslegt.
Wir brauchen eine gesetzliche Regelung nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der im Dezember 2008 auch von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten UNKonvention zu den Rechten von Menschen mit Behinderungen.
Integration darf nicht als einseitiger Prozess der Anpassung des Menschen mit besonderem Förderbedarf an die bestehenden Verhältnisse verstanden werden. Immer ist vom einzelnen Kind auszugehen. Maßgebend ist allein der individuelle Förderbedarf. Befremdlich mutet es deshalb an, dass als Argument gegen unseren Gesetzentwurf vorgebracht wird, bezüglich der Dyskalkulie gebe es noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, woher diese Behinderung kommt. Das ist ebenso falsch wie unerheblich. Es gibt verschiedene Erklärungsansätze für die Entstehung dieser Behinderung. Allen gemeinsam ist, dass sie eine Teilleistungsstörung anerkennen und eben nicht nur eine vorübergehende Schwäche, die möglicherweise in der aktuellen Situation, den familiären Verhältnissen oder dem Leistungswillen des Kindes begründet ist.
Der Umgang mit Behinderungen kann nach meiner festen Überzeugung nicht davon abhängig gemacht werden, welche Ursache diese haben. Wenn man dies täte, käme man dann zu der Frage, ob an der Behinderung irgendjemand oder irgendetwas schuld sei. In letzter Konsequenz ist dann die krude und menschenverachtende Position nicht mehr weit, wonach ein gesunder Geist in einem gesunden Körper wohnt, welche uns hier in einer Fachregierungserklärung vom derzeitigen Kultusminister vorgetragen wurde.