Protokoll der Sitzung vom 19.04.2005

Die CO2-Emissionen aus der Braunkohle machen nicht weniger als 60 % der sächsischen Gesamtemissionen aus. Der Verkehrsbereich, Ihr zweiter Bereich, trägt zu weiteren 25 % der Emissionen bei. Eine Klimaschutzpolitik, die diesen Namen verdient, muss sich also zwingend die Minderung der Emissionen im Energie- und Verkehrssektor zum Ziel setzen.

Aber Klimaschutz kommt in Ihrem Etat, Herr Jurk, nicht vor. Das so genannte Klimaschutzprogramm im Umweltetat nimmt sich nur zum Ziel, Minderungen aus den restlichen 15 % der sächsischen Emissionen zu erzielen.

(Andreas Lämmel, CDU: Wir sind aber beim Wirtschaftshaushalt, Herr Lichdi, nicht beim Umwelthaushalt!)

Herr Lämmel, ich habe gerade begründet, warum das an dieser Stelle zu sagen ist. Für Energie und Verkehr ist Herr Jurk verantwortlich.

Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Herr Hähle, hat gestern eine große Grundsatzrede über Moral und Religion in der Politik gehalten. Dann nehme ich mir heraus, eine

Grundsatzrede zum Klimaschutz in der Beratung zum Wirtschaftsetat zu halten.

(Volker Bandmann, CDU: Aber nicht so viel heiße Luft!)

Auch das Energieprogramm 2004 hält sich beide Augen ganz fest zu. Nur weiter so mit der Braunkohle! Am besten bis in alle Ewigkeit! Dabei ist die Braunkohle der Energieträger, der je erzeugter Kilowattstunde die höchsten CO2-Emissionen verursacht. Die Verbrennung von Braunkohle emittiert 403 Gramm CO2 je Kilowattstunde, beim Erdgas sind es nur 198 Gramm. Zudem wissen wir, dass der Wirkungsgrad moderner Gaskraftwerke mit ausgekoppelter Prozesswärme fast doppelt so hoch ist wie der der Braunkohle. Das heißt, durch einen modernen Kraftwerkspark könnten wir die CO2-Emissionen in Sachsen um den Faktor vier reduzieren.

An dieser Stelle möchte ich mit dem Märchen von der subventionsfreien Braunkohle aufräumen. Eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes führt als Subvention den Verzicht auf die Besteuerung des Primärenergieträgers Braunkohle und die Kosten der unentgeltlichen oder verbilligten Ressourcennutzung an. Dies sind rund 960 Millionen Euro jährlich. Hinzu kommen die so genannten externen Kosten wie Umwelt- und Gesundheitsschäden in Höhe von mindestens dreieinhalb Milliarden Euro. In der Summe ergeben sich daher jährliche Subventionen von nicht weniger als viereinhalb Milliarden Euro. Diese riesigen Kosten werden der Braunkohle nicht angelastet.

Wir haben uns im Wahlkampf für den Ausstieg aus der Braunkohle ausgesprochen. Das bedeutet, jetzt eine Energiepolitik einzuschlagen, die nicht auf den Weiterbetrieb der Braunkohle angewiesen ist. Eine Ausstiegspolitik erfordert – erstens – die klare Aussage, dass die Braunkohle nicht die Zukunft der sächsischen Energieversorgung ist. Dies bedeutet den Verzicht auf die Abbaggerung von Heuersdorf und den Verzicht auf neue Tagebaue. Zweitens ist eine möglichst schnelle Umsteuerung auf effiziente GuD-Kraftwerke einzuleiten.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Welche Kraftwerke?)

Gas- und Turbinenkraftwerke.

Drittens ist ein Ende der Verteufelung der Förderung erneuerbarer Energien dringend notwendig. Das EEG ist eine notwendige, befristete und degressiv – wo gibt es das heute noch? – ausgestaltete Förderung zur Markteinführung von innovativen Technologien, die wir jetzt und in Zukunft für unsere Umwelt, für künftige Generationen, aber auch für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft brauchen.

Meine Damen und Herren von der Staatsregierung, Sie sollten für das EEG dankbar sein; denn es hat uns in Sachsen mindestens so viele Arbeitsplätze wie die Braunkohle gebracht. In der Produktion, bei den Ingenieurdienstleistungen und im Handwerk profitieren wir von der Bundesgesetzgebung.

Wie es in der Energiepolitik weitergehen kann, zeigt die Investition in das Solarstromkraftwerk Espenhain. Die

weltgrößte Fotovoltaik-Anlage trat dort an die Stelle des Kohleabbaus.

Herr Ministerpräsident, Sie haben gestern gesagt – in Ihren programmatischen Aussagen ist es mittlerweile ein Running Gag –, dass die Umweltpolitik namens der EU, aber auch die der Bundesregierung unseren wirtschaftlichen Aufbau behindern würden. Wir glauben nicht, dass Sachsen mittel- und langfristig wirtschaftlichen Erfolg haben kann, wenn wir bei unserer wirtschaftlichen Entwicklung nicht die ökologischen Leitplanken unseres Handels beachten. Eine wirtschaftliche Entwicklung ist heute und in Zukunft nur noch im Rahmen der Tragfähigkeit der natürlichen Lebensgrundlagen der Erde möglich. Wer diese verdrängt, der wird es teuer bezahlen müssen.

(Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt: Und deswegen die Grundrechenarten!)

Herr Milbradt, ich habe im vergangenen Herbst mit großem Interesse einen Artikel Ihres Amtsvorgängers, Herrn Biedenkopf, gelesen, der das bestätigt hat. Leider hat er diesen Grundsatz in seiner Amtszeit nicht beherzigt. Jetzt ist er im Ruhestand, jetzt erzählt er diese Dinge wieder. Vielleicht nehmen Sie sich auch daran ein Beispiel.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS – Staatsminister Thomas Jurk: Herr Lichdi, wollen Sie es wieder einheften? – Johannes Lichdi, GRÜNE: Gern!)

Ich erteile der Fraktion der PDS das Wort. Frau Lay, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lichdi, ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass ich angesichts Ihrer doch sehr umfangreichen und im Grundsatz sicherlich richtigen Ausführungen zum Bereich Verkehr und Umwelt die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses noch einmal auf einen anderen Punkt lenken möchte, nämlich auf das Kapitel 07 07 – Aktive Arbeitsmarktpolitik. Es ist schlimm genug, dass die Bundesregierung mit ihrer Arbeitsmarktreform – im Volksmund besser bekannt unter dem Namen „Hartz IV“ – die falschen Weichen gestellt hat. Sie betreibt die Abwicklung der ABM und der beruflichen Weiterbildung. Sie hat nach dem Motto „Last Exit Ich-AG“ Tür und Tor für perspektivlose Scheinselbständigkeit geöffnet und mit den „Ein-EuroJobs“ ein ebenso sinnloses wie für die Betroffenen demütigendes Instrument geschaffen.

Noch schlimmer ist, dass Sachsen dies mitmacht. Verantwortungsvoll wäre es gewesen, angesichts dieser Situation ein neues arbeitsmarktpolitisches Konzept vorzulegen und dies natürlich im Haushalt entsprechend zu untersetzen. Ein Konzept, ein Haushalt, der versucht, diese Reform mit sinnvollen Maßnahmen zu flankieren, der darauf zielen würde, ein Höchstmaß an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung herzustellen – und das selbstverständlich auch auf dem zweiten Arbeitsmarkt –,

und der versuchen würde, auch für Langzeitarbeitslose das Beste herauszuholen.

Im Ausschuss haben Sie, Herr Petzold, argumentiert, das würde Hartz IV tun. Soll Sachsen jetzt die Hände in den Schoß legen? Wollen Sie die Gelegenheit nutzen, sich klammheimlich aus der öffentlichen Beschäftigungsförderung für Langzeitarbeitslose zu verabschieden? Diesen Gefallen will Ihnen die PDS nicht tun. Wir werden es wahrscheinlich nicht verhindern können, aber ich will es doch wenigstens gesagt haben.

Im Haushaltstitel „Zuschüsse für die verstärkte Förderung bei ABM und weiteren arbeitspolitischen Maßnahmen“ im Haushaltsentwurf für das Jahr 2006 sind exakt null Euro vorgesehen.

Es ist zwar richtig: Weiterhin sind Gelder für die Umsetzung der ESF-Richtlinie vorgesehen. Zur Wahrheit würde es aber auch gehören, dass dort wesentlich weniger Gelder vorgesehen sind als in den Vorjahren, im Jahr 2006 zum Beispiel 50 Millionen Euro weniger. Das Entscheidende ist aber, dass Langzeitarbeitslose davon nicht profitieren werden. „Der Förderausschluss wird um den Wirkungsbereich des SGB II erweitert.“ So steht es im Beamtendeutsch in den Antworten auf die Fragen, die im Ausschuss gestellt wurden. Diese Konzentration der Arbeitsmarktpolitik auf ALG-I-Empfänger können wir so nicht mittragen. Sie betreiben auch im Haushaltsentwurf eine Spaltung der Arbeitsmarktpolitik in das Gewinn versprechende „Humankapital“ und in die hoffnungslosen Langzeitarbeitslosen, die abgehängt werden sollen und für die der „Ein-Euro-Job“ und Alimentierung übrig bleiben. Wo bleibt Ihr arbeitsmarktpolitisches Konzept, Herr Jurk? Ich zumindest kann keines erkennen. Sie glauben doch nicht wirklich, dass die Förderung der Wirtschaft automatisch Arbeitsplätze schafft? Das ist eine Ideologie, die der FDP selbstverständlich gefallen mag, der SPD hätte ich sie so nicht zugetraut.

Im Übrigen sei an der Stelle erwähnt, dass es nicht nur einen Antragsstau bei der Wirtschaftsförderung, sondern auch bei der ESF-Förderung gibt.

Bei aller Kritik an sinnlosen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die nur dazu dienen, Arbeitslose aus der Statistik zu löschen – das müssen Sie uns nicht erklären, Prof. Porsch hat gestern alles Wesentliche zu diesem Thema gesagt. Aber die Konsequenz daraus kann doch nicht lauten, alle marktersetzenden Maßnahmen für Langzeitarbeitslose komplett zu streichen. Das ist bei über 440 000 Arbeitslosen einfach absurd.

Sachsen braucht öffentlich geförderte Beschäftigung. Daran geht aus meiner Sicht kein Weg vorbei. Gerade noch 2 000 ABM-Stellen für Arbeitslose wollen Sie kofinanzieren. Derzeit haben wir noch 17 000. Damit werden nicht nur deutlich weniger Menschen sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben, sondern es entsteht die Frage: Was passiert auch mit all den Projekten im NonProfit-Bereich, die sich genau mit diesen ABM-Stellen über Wasser halten? Diese Arbeit sollen dann die Ein-Euro-Jobber leisten. Das ist keine Unterstellung der PDS. Das hat eine Sprecherin des Ministeriums auf eine Erklärung von mir gesagt.

Das von Ihnen benannte Erfolgskriterium für eine Maßnahme, nämlich die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, ist angesichts von über 20 % Arbeitslosen doch

eine Illusion – und noch dazu halten Sie sich selbst nicht daran. Glauben Sie im Ernst, dass ein „Ein-Euro-Job“ eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt ermöglicht? Herr Petzold, eine Antwort auf diese Frage sind Sie mir im Ausschuss schuldig geblieben.

Der Einzelplan 07 unter der Federführung von Herrn Jurk verzichtet also auf die Förderung von ABM für Landzeitarbeitslose mit dem Argument, Hartz IV sei jetzt das eigentliche Instrument. Aber Hartz IV ist ja kein arbeitsmarktpolitisches Instrument; zumindest kein wirkungsvolles. Das hat nicht die PDS gesagt.

(Beifall bei der PDS)

Das hat in der letzten Debatte Frau Orosz gesagt. Heißt das jetzt also, wir finanzieren kein arbeitsmarktpolitisches Instrument für Langzeitarbeitslose in Sachsen? Sie sparen auf Kosten der Arbeitslosen. Sie verschenken Steuergelder zugunsten von Straßenbau und Großinvestitionen.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen dringend eine Kurskorrektur in diesem Haushaltsplan, denn: „Nötig ist der Blick auf die Menschen. Der droht zu kurz zu kommen.“ Das hat nicht die PDS gesagt, das haben Sie gesagt. Wie Recht Sie haben, Herr Jurk! Lassen Sie Ihrer vollmundigen Kapitalismuskritik in Anlehnung an Herrn Müntefering auch Taten folgen und stimmen Sie unseren Vorschlägen für eine öffentlich geförderte Beschäftigung zu!

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht?

Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zur Abstimmung über die einzelnen Kapitel. Wir stimmen über den Bericht zum Einzelplan 07 in der Drucksache 4/1250 ab. Zu den Kapiteln 07 01 und 07 02 liegen keine Änderungsanträge vor. Wir stimmen deshalb gemeinsam über diese Kapitel ab. Wer diesen Kapiteln in der Fassung des Ausschusses die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen ist den Kapiteln mehrheitlich zugestimmt.

Wir kommen zum Kapitel 07 03. Hier gibt es sechs Änderungsanträge: drei von der Fraktion der NPD, zwei von der Fraktion der FDP und einen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Delle von der NPD, wollen Sie die Änderungsanträge einbringen?

(Alexander Delle, NPD: Das macht Herr Leichsenring!)

Herr Leichsenring, dann bitte ich Sie um Einbringung der Änderungsanträge.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Delle ist in der Tat schon auf die Änderungsanträge eingegangen. Trotzdem will ich sie kurz einbringen.

In der Drucksache 4/1302 geht es um die Rettung zur Umstrukturierung sächsischer Unternehmen. Wenn man sich die Insolvenzen im Freistaat vergegenwärtigt, dann kommt man nicht umhin, hier höhere Fördermaßnahmen einzuplanen. Es geht bei diesem Punkt nicht nur indirekt, sondern direkt um Arbeitsplätze. Deswegen sind wir schon der Meinung, dass diese Fördermaßnahmen etwas aufgestockt werden sollten.

In der Drucksache 4/1300 geht es um den Titel 862 03. Auch hier geht es um eine weitere Förderung, und zwar zur Existenzgründung und zur Existenzaufbauförderung. Wir wissen, dass es also gerade nach Basel II unheimlich schwer ist, überhaupt den Aufbau eines Betriebes zu finanzieren. Das könnte dann schon aus diesem Titel mit gefördert werden.

In der Drucksache 4/1301 geht es um die Zuschüsse für Investitionen an private Unternehmen. Hier ist es so, dass es uns wichtig ist, eine Zweckbestimmung und eine gezielte Förderung von KMUs in der Fläche zu ermöglichen, Arbeitsmöglichkeiten in strukturschwachen Gebieten zu schaffen. Dieser Titel soll eine Kompensation für den erschwerten Zugang zum Investitionskapital darstellen.

Wird zu diesen Änderungsanträgen das Wort gewünscht? – Herr Petzold, bitte.

Die Koalitionsfraktionen werden alle drei Anträge ablehnen. Grund dafür sind die so genannten Deckungsvorschläge, die grotesk und auch ungesetzlich sind.