Protokoll der Sitzung vom 22.04.2005

etwa aus Gründen des Alters, der Religion, der Weltanschauung oder der sexuellen Orientierung. In einer aufgeklärten, toleranten Gesellschaft hat die Benachteiligung aus solchen Gründen keinen Platz. Aber damit ist schon das Entscheidende gesagt.

Die Gesellschaft und nicht der Gesetzgeber sind aufgerufen für ein offenes, tolerantes Miteinander mit anderen

zu sorgen. Die GRÜNEN hingegen möchten die Welt verbessern, indem sie moralischen Anstand per Gesetz verordnen. Das wollte Robespierre auch schon einmal. Das Ende ist bekannt.

Deutschland aber hat kein vordringliches Diskriminierungsproblem. Deutschland hat über fünf Millionen Arbeitslose, denen das Antidiskriminierungsgesetz keineswegs hilft, sondern nur schadet; denn dieses Gesetz, meine Damen und Herren, schreckt Investoren und Unternehmer ab, neue Arbeitsplätze zu schaffen.

In seiner viel beachteten Rede hat Bundespräsident Köhler im März dieses Jahres angesichts der katastrophalen Lage auf dem Arbeitsmarkt eine politische Vorfahrtsregel für Arbeit gefordert. „Was der Schaffung von Arbeitsplätzen dient, muss getan werden“, sagte Bundespräsident Köhler. Das ist ein klarer politischer Handlungsauftrag, dem sich Rot-Grün endlich stellen sollte.

Früher hatte Deutschland in Europa eine Spitzenposition beim Wirtschaftswachstum. Mit Rot-Grün sind wir Spitzenreiter bei wachstumshemmenden Gesetzen geworden. Der Gesetzentwurf zum Antidiskriminierungsgesetz ist das beste Beispiel dafür.

Wenn fast jedes Auswahlverfahren und die damit verbundene Personalentscheidung durch das Antidiskriminierungsgesetz in Zukunft anfechtbar sind, werden Unternehmer nur noch zögerlicher entscheiden und einstellen bzw. ganz darauf verzichten.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Das hat man in Amerika bei der Abschaffung der Sklaverei auch gesagt!)

Anstatt das Auswahl- und Entscheidungsverfahren zu vereinfachen, baut das Gesetz zusätzliche Hürden auf.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für „grüne“ Rechtsanwälte,

(Beifall bei der CDU)

die mit ihren sicheren Einnahmen längst den Bezug zur Realität unseres Landes verloren haben.

Die folgenden zwei Beispiele sollen die Absurdität dieses Gesetzvorhabens zeigen.

Beispiel Nummer eins: Der Vermieter, der mehrere Wohnungen vermietet, hat zwei Interessenten für eine Wohnung, einen Asiaten und einen Italiener. Er entscheidet sich für den Italiener. Der asiatische Interessent kann den Vermieter nach dem Willen von Rot-Grün zukünftig mit der bloßen Behauptung auf Schadenersatz verklagen, er sei wegen seiner Herkunft benachteiligt worden.

(Lachen bei der PDS)

Der Vermieter muss dann im Prozess beweisen, dass die behauptete Benachteiligung nicht zutrifft.

(Beifall bei der CDU – Karl Nolle, SPD: Unglaubliche Dummheit! – Beifall bei der SPD und der PDS)

Ich bitte um Aufmerksamkeit!

Zweites Beispiel: Ein Arbeitgeber kann nach dem Willen von Rot-Grün zukünftig von den abgelehnten Bewerbern auf Schadenersatz verklagt werden, von allen Älteren, weil er sich für einen Dreißigjährigen entschieden hat, von allen ausländischen Bewerbern, weil er sich für einen Deutschen entschieden hat, von denen mit weißer Hautfarbe, weil er sich für einen Farbigen entschieden hat, und schließlich von den Homosexuellen, weil er einen Heterosexuellen eingestellt hat. Unser Ministerpräsident hat es auf den Punkt gebracht, nämlich dass mit diesem Bürokratiemonster alle möglichen Gruppen vor vermeintlicher Benachteiligung geschützt werden sollen, nicht aber die Familien. Wörtlich heißt es in der Presseerklärung vom 7. März 2005: „Ich frage mich, warum man einen Homosexuellen vor Diskriminierung schützt, nicht aber eine allein erziehende Mutter. Dabei bedürfen gerade die Familien unseres besonderen Schutzes und unserer Fürsorge.“ Das ist eines unserer echten Probleme.

(Beifall bei der CDU)

Übrigens, Herr Nolle, auch die Bundesminister Eichel, Clement, Schily und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Steinbrück haben angesichts dieses Gesetzentwurfes Bauchschmerzen. Die wachsende Regelungswut in Berlin und Brüssel muss ein Ende haben.

(Zurufe von der SPD und der PDS)

Deutschland muss sich bei der Umsetzung von EU-Vorgaben strikt auf das notwendige Maß beschränken. Unser Land braucht Wachstum und Beschäftigung statt weiterer bürokratischer Hemmnisse, die sich grüne Weltverbesserer immer wieder ausdenken.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Herr Schowtka, bei der NPD ist noch ein Platz frei. Dort hinsetzen!)

Ich erteile der SPD-Fraktion das Wort. Herr Bräunig, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir können uns wieder etwas beruhigen. Herr Schowtka, ich war leicht irritiert, aber es war abzusehen, dass die CDU-Fraktion gegen das Antidiskriminierungsgesetz argumentiert.

Wie steht nun die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag zu diesem Gesetz? Ich will es kurz und schmerzlos machen: Wir brauchen dringend ein Antidiskriminierungsgesetz und wir brauchen es genau in der Form,

(Beifall bei der SPD und der PDS)

wie es die Fraktionen der Regierungskoalition im Deutschen Bundestag vorgeschlagen haben.

(Beifall bei der SPD und PDS)

Wir nehmen hier explizit auch eine andere Meinung ein als unser Koalitionspartner, aber das ist ja legitim.

(Beifall bei der SPD)

Es handelt sich hier nicht um landesspezifische Regelungen, sondern um ein Bundesgesetz.

Ich will etwas zu der Kritik sagen, die gegen dieses Gesetz vorgebracht wird, vielfach auch aus Unkenntnis über die tatsächlichen Gegebenheiten. Es wird im Wesentlichen damit argumentiert – das haben wir auch schon gehört –, das Antidiskriminierungsgesetz schaffe zusätzliche Bürokratie, es würde zu einer Klageflut kommen, das Gesetz gehe über die Vorgaben der EU weit hinaus. Meine Damen und Herren! Das ist schlicht und einfach falsch.

Wir sollten zunächst zwischen Intensität und Umfang der Gesetzesnormen unterscheiden. Tatsache ist, dass die Eingriffsintensität, also die Frage, welche konkreten Regelungen für einen bestimmten Diskriminierungstatbestand gelten, sich haarscharf an den Vorgaben der EU orientiert. Tatsache ist auch, dass die Frage, welche konkreten Diskriminierungsmerkmale von den Regelungen erfasst werden, die Frage des Umfangs im Bereich des Arbeitsrechts, alle Merkmale, die eine Diskriminierung hervorrufen könnten, in den Schutzbereich einbezieht. Das sind im Einzelnen ethnische Herkunft, Geschlecht, sexuelle Identität, Behinderung, Weltanschauung und Religion. Das ist insoweit die EU-Vorgabe und das ist auch angestrebtes Bundesrecht.

Im Bereich des Privatrechts geht der Gesetzentwurf der rot-grünen Regierungskoalition – wohl wahr – über die Vorgaben der EU hinaus. Warum aber gerade im Zivilrecht eine Beschränkung auf die Schutzbereiche ethnische Herkunft und Geschlecht und sonst nichts weiter sachgerecht sein soll, das entzieht sich unserer Kenntnis. So sieht es nämlich die europäische Richtlinie vor, und das ist nach unserer Ansicht nicht sachgerecht und lässt sich auch mit nichts begründen.

(Beifall bei der SPD und der PDS)

Insoweit ist die Erweiterung des Eingriffsumfanges hier im Bereich des Privatrechts auf denselben Schutzbereich wie im Arbeitsrecht durchaus sachgerecht.

Im Übrigen gilt das Benachteiligungsverbot nur im Bereich des Zivilrechts – das will ich noch einmal betonen – nur für Massengeschäfte, also in der Regel für Rechtsbeziehungen zwischen Unternehmen und Einzelpersonen. Ansprüche aus dem Gesetz müssen innerhalb von sechs Monaten geltend gemacht werden, meine Damen und Herren. Das ist bürokratiehemmend. Ich kann in diesem Gesetzentwurf auch keine Regelungen finden, die zu mehr Bürokratie führen sollen. Ich sehe erst recht keine Klagewellen, die über das Land rollen.

Im Übrigen ist die Beweiserleichterung, die von Kritikern oft zu Unrecht als Beweislastumkehr bezeichnet wird, keine Beweislastumkehr, sondern eine Beweiserleichterung. Diese finden wir seit 25 Jahren im deutschen Recht, nämlich im § 611a Bürgerliches Gesetzbuch – für diejenigen, denen diese Regelungen im Moment nicht unbedingt voll geläufig sind: Es geht dort um das Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts in einem Arbeitsverhältnis. Dort gibt es eine Beweiserleichterung. Genau diese Formulierung aus dem § 611a BGB findet sich Wort für Wort im neuen Antidiskriminierungsgesetz

wieder. Damit wird ein Höchstmaß an Rechtssicherheit gewährleistet.

Zum Thema Prozessflut: Zum § 611a BGB gab es seit 1980, also in 25 Jahren, bundesweit 119 Gerichtsverfahren,

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Sehr richtig!)

wobei in der Hälfte dieser Verfahren die Kläger Erfolg hatten. Im Jahr 2004 verzeichneten wir zwei Fälle. Eine wahre Klageflut, meine Damen und Herren – 119 Verfahren in 25 Jahren –, ist das nicht. Das erübrigt eine weitere Bewertung dieser Zahlen.

So weit zu einigen praktischen Erfahrungen. Meine Redezeit ist knapp.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Kollege Bräunig, anhand der von Ihnen soeben genannten Zahl von Verfahren nach § 611a BGB frage ich Sie: Stimmen Sie mir zu, dass diese seit 25 Jahren bestehende Regelung die Rechtswirklichkeit in Deutschland fundamental verändert hat?

Ich glaube, eine Beantwortung dieser Frage erübrigt sich. So weit zu einigen praktischen Argumenten. Ich komme noch einmal wieder.