Zu den Geburtenzahlen, die eben von Frau GüntherSchmidt angesprochen worden sind: Sie sind doch permanent dabei, hier im Landtag die Unwahrheit zu sagen. Wir hatten 1994 22 000 Geburten in Sachsen.
Natürlich müssen wir die Zahlen heranziehen! – Im Jahr 2004, zehn Jahre später, hatten wir 33 000 Geburten. Das ist ein Anstieg von 50 % – nicht die Vor-Wende-Zahlen, das ist überhaupt keine Frage. Nur: Die Kinder, die
im Jahr 2004 geboren werden, müssen auch im Jahr 2010 noch eine Schule vorfinden, wenn sie eingeschult werden sollen,
und genau darin liegt die Verantwortung der Regierung. Ich finde es schon bemerkenswert, wie der Ministerpräsident dieses Landes hier im Saal sitzt und schweigt, während draußen das Schulnetz zerschlagen wird. Er duldet ja diese Politik offenbar und trägt sie aktiv mit. Alles, was Sie, Herr Ministerpräsident, in der Regierungserklärung zur Verbesserung der Bildung im Land gesagt haben, ist inzwischen Makulatur.
(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN – Gottfried Teubner, CDU: Das ist doch Quatsch, was Sie erzählen!)
Nicht einmal die inhaltliche Debatte findet statt. Wir hatten eine Schulausschusssitzung, und auch in mehreren Sitzungen zuvor hat sich die Staatsregierung, aber auch insbesondere die CDU, geweigert, über die Frage der Gemeinschaftsschulen auch nur zu reden. Was dort stattfinden soll, wie es beantragt wird, wie es gefördert wird, wie viel wir haben wollen – nichts, kein Wort, Schweigen im Walde. Der Staatsminister sagt, er habe davon keine Ahnung, er wisse es nicht, es gebe ein paar Anträge. Mehr könne er dazu nicht sagen. Das ist ein Armutszeugnis, Herr Flath! Wenn es diese Schulen tatsächlich jemals geben sollte – die SPD wollte das ja, wir halten es für richtig –, dann führen sie natürlich auch zu einer Veränderung der Schülerströme und zur Veränderung im Schulnetz. Auch deshalb brauchen wir eine Aussetzung, bis klar ist, wie sich die Schülerströme tatsächlich gestalten, und ich bin wirklich gespannt, wie lange sich die SPD das noch bieten lässt. Sachsen droht im Schulbereich wirklich absolutes Schlusslicht zu werden. Ich muss einmal sagen: Das Gestammel des Kultusministers gestern Abend in den „Tagesthemen“ war beschämend und blamabel zugleich.
Sie verschließen die Augen vor den Realitäten und tun dramatische Entwicklungen – und es wurde in der Sendung ja ein Beispiel gezeigt – als absolute Einzelfälle ab. Dies habe mit Ihrer Politik nichts zu tun. Es gibt halt Härten, die Kinder müssen sehen, wo sie bleiben. Das, Herr Minister, ist keine verantwortungsvolle Bildungspolitik! (Beifall bei der PDS, der FDP und den GRÜNEN)
Lassen Sie mich hinzufügen: Nicht die Schülerzahlen in diesem Land sind das Problem. Gegenwärtig ist das
Herr Colditz, Sie haben gesagt – das ist das Letzte, das ich ansprechen möchte –, die Kommunen hätten doch noch Zeit, sich zu bewegen, aufeinander zuzugehen, und sie haben, ich habe es mitgeschrieben, dafür Sorge zu tragen, dass die Sollvorgaben umgesetzt werden.
und sie lassen keinen Spielraum für regionale Lösungen, auch im Interesse zumutbarer Schulwege. Deshalb ist der Antrag der FDP-Fraktion vernünftig, richtig und notwendig, und die PDS-Fraktion wird ihm zustimmen, auch wenn wir noch weiter gehende Lösungen für notwendig halten.
Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall; dann bitte ich jetzt Herrn Staatsminister Flath, das Wort zu nehmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist jetzt ausgesprochen schwierig, nach Ihnen zu sprechen, Herr Dr. Hahn; denn ich weiß nicht, wie ich das bezeichnen soll, was Sie hier vom Stapel gelassen haben.
Lügen könnte man es nennen, man könnte es auch Schauspielereien nennen; denn wie ich Sie kenne, Herr Dr. Hahn, können Sie selbst nicht wirklich daran glauben, was Sie hier gesagt haben.
Zunächst ein Wort zur Demografie; denn das ist, glaube ich, ein ganz zentraler Punkt. Ich möchte auch die Opposition bitten, nicht weiter die Illusion zu verbreiten, weil sie dazu führen würde, dass irgendwelche Anpassungen nun unnötig wären. Das ist eine Illusion. Schauen Sie doch einmal, wann die Frauen jetzt die Kinder bekommen. Denn diese beiden Zahlen, Herr Dr. Hahn, die Sie von 1995 nannten, haben ja gestimmt. Im Jahr 2000 hatten wir 33 000 Geburten in Sachsen, und wir haben gegenwärtig tatsächlich eine stabile Geburtenentwicklung. Heute bekommen die Frauen im Durchschnitt mit 28, 29, 30 Jahren die Kinder. Dann sehen Sie sich die Geburtenrate zu Zeiten der DDR an. Dort hatten wir in Sachsen Geburtenzahlen, die oberhalb von 70 000 lagen. Das heißt, die damals Geborenen bekommen jetzt Kinder;
und dann schauen Sie doch einmal, was passiert, wenn die Frauen ihre Kinder bekommen, die in den Jahren 1990 bis 1993 geboren sind. Der Rückgang begann ja schon zu DDR-Zeiten. Seit 1980 hatten wir bereits einen Rückgang, aber 1990 war er dramatisch: mehr als eine Halbierung.
Wenn Sie aufmerksam die Studien verfolgen, wird Ihnen nicht entgangen sein, dass wir in Sachsen noch ein besonderes Problem haben. Es ist eigentlich ein Vorteil, dass unsere jungen Sächsinnen sehr begehrt sind; es wird aber für Sachsen zum Nachteil, dass sie auch in anderen Ländern der Bundesrepublik gern geheiratet werden.
Das hat auch etwas mit Arbeitsplätzen zu tun, natürlich. Nur müssen Sie doch schauen, was realistisch ist.
Ich möchte kurz auf das von Frau Schüßler von der Trendwende in der demografischen Entwicklung Gesagte eingehen: Wenn es eine Möglichkeit gäbe, dann könnten sich dem alle anschließen. Natürlich
aber es ist unrealistisch. Nach meinen Rechnungen müssten die Geburtenraten der Frauen im Durchschnitt bei oberhalb von fünf Kindern liegen. Wir haben gegenwärtig 1,24 bis 1,25 Kinder je gebärfähige Frau. Was Sie als Opposition in den Raum stellen, ist nach der demografischen Entwicklung völlig unrealistisch.
Ein zweiter Punkt: Sie stellen auch die Situation an unseren Schulen völlig falsch dar. Ich kann Ihnen nur noch einmal den Rat geben: Gehen Sie ins Internet, www.sachsen-macht-schule.de. Dort gehen Sie auf „Schulportrait“, dann sehen Sie zwei Listen: alle Mittelschulen in Sachsen und alle Gymnasien in Sachsen. Davon suchen Sie sich eine heraus. Dann erscheint die Schule. Danach gehen Sie auf „Zusammensetzung der Schülerschaft“. So können Sie in jede Schule in Sachsen hineinschauen, und Sie werden sehen, wie sich die Schulen dramatisch entleeren. Was Sie hier immer wieder an die Wand malen: Wenn es denn Rückkehrer gibt, was ich nicht ausschließen kann; was es auch schon immer gegeben hat, dann ist in den Schulen aber so viel Platz zur Aufnahme, dass sich jede Schule über zusätzliche Anmeldungen freut.
Nun aber zum FDP-Antrag. Sie werfen mir vor, dass es auch Mitwirkungsentzüge gibt, was Schulen betrifft, die vor über zehn Jahren saniert wurden. Nun sollen wir beide nicht die Gescheiten spielen. Vor zehn Jahren, 1995, haben wir manches hoffnungsvoller eingeschätzt und Investitionsentscheidungen getroffen, die wir heute vielleicht nicht mehr treffen würden. Wir sollten jedoch so ehrlich sein, dass dies überall im Lande sichtbar ist. Dazu müssen wir stehen. Wo dies vor fünf Jahren geschehen ist, das sind, denke ich, weit weniger Fälle, und dort ist es bedauerlich. Wir stehen dort vor der Frage, ob es tatsächlich eine realistische Möglichkeit gibt, dass sich die Schule wieder fängt, oder ob wir einen anderen Weg für sinnvoll erachten und die Schulen nicht nur deshalb offen halten, weil wir dort investiert haben, sondern ob
Herr Minister, ich habe eine Frage. Stimmen Sie mir zu, dass Mitwirkungsentzüge und Schließungen von Schulen auch bei solchen Schulen anstehen, die noch im Jahr 2003
für 15 Jahre per Bescheid Bestandsgarantie von der Staatsregierung bekommen haben? Ich denke zum Beispiel an die Herder-Schule in Hohenstein-Ernstthal.
Da erkenne ich keinen Widerspruch. Ich habe doch eingeräumt, dass es wenige Fälle gibt, wo es zu einem Mitwirkungsentzug eine Anhörung gegeben hat, dieser aber noch nicht erteilt wurde. Wir sind ja in der Anhörungs- und Abwägungsphase.
Als Nächstes werfen Sie mir vor, dass ich Schulen gratuliert habe, die ein besonders vorbildliches Konzept verfolgen.
Ich stehe als Minister dazu, dort Gratulationen auszusprechen. Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass die Mittelschule in Boxberg gute Erfolge in der Verbindung von Mittelschule und Wirtschaft erzielt hat. Glauben Sie etwa, dass es mir da leicht fällt, nach dem Schulgesetz dort eine Anhörung zu veranlassen? Glauben Sie wirklich, dass mir das leicht fällt?
Sie wollen mich mit Ihrem Antrag verleiten, die Entscheidungen noch ein paar Jahre hinauszuschieben. Wenn Sie logisch nachdenken, dann würden Sie genau das damit verstärken, was Sie mir jetzt vorwerfen: Wenn nämlich keine Entscheidungen getroffen werden, dann ist die Folge, dass es immer häufiger solche Fälle geben wird.