Protokoll der Sitzung vom 19.05.2005

Drittens. Schließlich wollen wir Alternativen zu den Förderschulzentren. Statt die Förderschüler zu konzentrieren, wollen wir die Angliederung von Förderklassen und -gruppen an Regelschulen. Das erhält Förderangebote wohnortnah. Wir vergessen zu schnell die Förderschüler, die keine so große Lobby haben.

Alles das, was ich aufgeführt habe, ist im Rahmen des gültigen Schulgesetzes möglich. Alles das, was ich aufgeführt habe, ist im Rahmen des beschlossenen Stellenplanes möglich. Alles das, was ich aufgeführt habe, wird aber bei weitem nicht jede von Schließung bedrohte Schule retten.

Alles das, was ich aufgeführt habe, verlangt freilich, dass wir unsere Schulen vom Ergebnis her betrachten und nicht von ihrer Größe. Es verlangt ein entsprechendes Personalkonzept, welches es den Schulen ermöglicht, sehr viel flexibler zu arbeiten. Denn vieles von dem, was ich ausgeführt habe, ist nicht machbar mit dem herkömmlichen 45-Minuten-Takt und dem fröhlichen Wechsel der Unterrichtsfächer.

Aber das ist ja auch kein Wert, den es zu erhalten gilt; genauso wenig wie etwa jede Schule um jeden Preis. Zu erhalten und zu entwickeln gilt es ein wohnortnahes, individuell differenziertes und qualitativ hoch stehendes Bildungsangebot.

Bitte zum Ende kommen, Herr Dulig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die NPD-Fraktion. Frau Abg. Schüßler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist wirklich ein Trauerspiel, was in den

letzten Monaten seitens der Staatsregierung in der Bildungspolitik inszeniert wurde. Wir erleben dieses Drama um die geplanten Schulschließungen nun schon wochenlang. Herr Flath, Sie halten Schulschließungen anscheinend für unvermeidlich.

(Staatsminister Steffen Flath: Richtig!)

Meine Fraktion folgt Ihnen in dieser Sache nicht. Wir wollen die wohnortnahe Schule, auch die kleine Schule mit kleineren Klassen als heute. Das Beispiel Finnland kann als überzeugendes Beispiel dienen. 80 % der Schulen sind Kleinsteinheiten mit fünf oder weniger Lehrern. Allein dieses zeigt deutlich, dass die kleine Einheit, wenn man ihr eine Chance gibt, zu hervorragenden Ergebnissen fähig ist.

Wir halten wohnortnahe Schulen aus verschiedenen Gründen für wichtig. Die für die Qualität entscheidende Identifikation mit den Lern- und Bildungsprozessen ist umso höher, je mehr sie mit der eigenen Lebenswirklichkeit verwurzelt ist. Die Identifikation mit der fernen Schule ist geringer als mit der näheren. Mit dem räumlichen Abstand wächst sehr rasch auch der mentale Abstand und es wächst die Gleichgültigkeit. Die Gleichgültigkeit ist aber das gefährlichste Gift für das Lernen und damit für die Bildung schlechthin. Wir brauchen eine wirkliche Bildungsreform. Wir brauchen eine zukunftsweisende Schulpolitik und wir müssen dafür die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen.

Eines steht fest: Noch so wohl begründete Veränderungen werden nur dann erfolgreich sein, wenn wir uns bewusst machen, dass wir das mit den Betroffenen gemeinsam umsetzen müssen. Sie werden mit Maßnahmen keinen Erfolg haben, wenn Sie diese gegen den massiven Widerstand der Betroffenen durchpeitschen wollen. Voraussetzung für jede Maßnahme im Bildungsbereich ist doch, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Wir hätten eigentlich erwartet, dass nach „Pisa“ mit dem Haushalt nun endlich die Konsequenzen gezogen werden. Wir dachten dabei aber nicht an Schulschließungen und an Personalabbau.

Vor dem Hintergrund der bekannten demografischen Entwicklung, also der Stabilisierung und dem leichten Anstieg der Geburtenzahlen bis zum Jahre 2010, sollten zumindest bis dahin Ausnahmeregelungen zugelassen werden. Es müsste möglich sein, an bestandssicheren Mittelschulen und Gymnasien auf den Mitwirkungsentzug zu verzichten.

Der Vorschlag, dass die Ausnahmeregelung überall dort greift, wo an Mittelschulen mehr als 20 Schülerinnen und Schüler und an Gymnasien mehr als 50 Schülerinnen und Schüler angemeldet sind, ist vernünftig und unterstützungswürdig. Wir sollten angesichts der demografischen Entwicklung keine Schnellschüsse auf dem Bildungssektor abgeben, die wir später vielleicht bereuen. Das Ziel einer vernünftigen Familienpolitik muss doch die Trendwende in der demografischen Entwicklung sein. Darauf sollten wir uns verständigen. Danach sollten wir auch unsere Bildungspolitik ausrichten.

Meine Damen und Herren! Wir werden dem Antrag der FDP-Fraktion zustimmen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Für die Fraktion der GRÜNEN hat die Abg. Frau Günther-Schmidt das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hat einen Antrag eingebracht, den wir als Teilmoratorium verstehen, quasi als einen Aufguss dessen, was wir letztes Mal schon für gut befunden haben: eine Aussetzung der Schulschließungsorgie im Land. Das ist grundsätzlich begrüßenswert, doch wir fragen uns, warum die FDP-Fraktion eigentlich immer so zögerlich ist. Es gab von Ihnen mehrere Vorschläge zur Reform des Schulwesens. Zum einen ging es um die Dauer des Schulweges, zum anderen geht es jetzt um die Frage, ob wir die Schulnetzplanung aussetzen sollten. Ich halte das für relativ problematisch. Ich finde es auch befremdlich, wenn sich die SPD-Fraktion in diesem Antrag wiederfindet und sagt, sie habe Anknüpfungspunkte. Will die SPD-Fraktion das zurzeit bestehende Schulsystem, das sie unterstützt, zum Implodieren bringen, oder wie kann ich die Äußerung von Herrn Dulig verstehen? Ein Schulsystem, das Sie unterstützen, das mit einem Kahlschlag einhergeht, kann sich nicht selbst reformieren.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Schulen, die heute geschlossen werden, werden niemals wieder eröffnet. Das hat sich erledigt.

(Beifall bei den GRÜNEN, der PDS und der FDP)

Ich glaube, Herr Colditz hat vorhin gesagt, dass Schulwege auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren seien. Was ist denn vernünftig? Die Schüler fahren mit dem Bus. Ich nenne ein Beispiel aus meinem Landkreis Löbau-Zittau. Wenn auf der Strecke Görlitz–Zittau der Standort Ostritz geschlossen wird – der Mitwirkungsentzug einer 7. Klasse steht an –, haben wir auf einer Strecke von 40 Kilometern keine Mittelschule mehr. Ich denke, wir sind keine Ausnahme. Im ländlichen Raum ist es eine Notwendigkeit, wohnortnahe Mittelschulen oder Schulen überhaupt zu erhalten. Was ist wohnortnah? 40 Kilometer Entfernung kann ich für schulpflichtige Kinder beim besten Willen nicht als wohnortnah empfinden. Deshalb meine Forderung an die FDP-Fraktion: Sagen Sie doch einfach klipp und klar, dass Sie die Schulstandortpolitik der Staatsregierung ablehnen,

(Beifall bei den GRÜNEN – Torsten Herbst, FDP: Das haben wir schon gesagt!)

weil diese Politik rein finanziell motiviert ist. Wir können keinerlei pädagogische Konzepte erkennen. Es werden UNESCO-Modellprojekt-Schulen geschlossen. Es werden Schulen geschlossen, die das Prädikat „Schule ohne Rassismus, Schule ohne Gewalt“ tragen. Es werden Schulen geschlossen, die jahrelang dafür bereitgehalten wurden – vorhin kam das Stichwort von Herrn Dulig –, Förderschulen in Mittelschulen zu integrieren. Diese Mit

telschule wird jetzt geschlossen. Die Förderschule bleibt erhalten. Welches pädagogische Konzept darf man dahinter vermuten?

Das Problem dieses Antrages besteht darin, dass es um Ausnahmereglungen geht. Besser wäre es, wenn wir verbindliche, langfristige Regelungen hätten und ein flächendeckendes Moratorium, einen Landesbeirat, der unterstützend wirkt, und natürlich eine Schulgesetznovelle. Die Frage, die sich dabei stellt, ist die Frage nach der Schülerzahl. Welche Schülerzahl soll berechtigen, einen Standort zu erhalten? Wir haben festgestellt, dass die Schülerzahlen im Steigen begriffen sind. Natürlich werden wir die Höhe Anfang der neunziger Jahre nicht erreichen können, aber wir haben seit zwei Jahren ein Plus von 10 % in den Grundschulen zu verzeichnen. Diese Grundschüler werden nach der 4. Klasse auf Mittelschulen und Gymnasien gehen. Für diese Schüler müssen wir Schulplätze bereithalten.

(Zuruf von der CDU)

Die Stadt-Land-Entwicklung ist sehr unterschiedlich. Während die Stadt Dresden einen Zuwachs zu verzeichnen hat, gibt es in einigen ländlichen Regionen nach wie vor einen Rückgang der Schülerzahlen zu beklagen. Die Frage ist, ob man es so machen kann, dass Schüler zwei Stunden am Tag unterwegs sind, um mit dem Schulbus den Schulort zu erreichen, den sie verpflichtenderweise aufsuchen müssen.

Zur Frage der kommunalen Selbstverwaltung. Das ist der zweite Aspekt Ihres Antrages. Es ist schade, dass diese Selbstverwaltung nicht institutionell gestärkt wird. Die Kommunen sollen letztlich befähigt und berechtigt werden, über ihre Schulnetzplanung selbst zu entscheiden. Zurzeit ist es so, dass sie so viele Schulstandorte beschließen können, wie sie wollen, denn der Mitwirkungsentzug ist das eigentliche Problem, mit dem wir zu kämpfen haben. Der Mitwirkungsentzug ist ein Eingriff in die Schulnetzplanung der verantwortlichen Kommunen und Landkreise. Die Staatsregierung schränkt die Kompetenzen der Kommunen ein. Das ist verwerflich und abzulehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der PDS und der FDP)

Da wir im vergangenen Plenum bereits dem Moratoriumsantrag zugestimmt haben, werden wir uns dem Teilmoratorium natürlich jetzt nicht verschließen. Wir warten aber darauf, dass es irgendwann Zustimmung von der FDP zu einer Gesetzesnovelle gibt, die die entsprechenden Forderungen aufgreift, die ich gerade genannt habe.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Herr Dr. Hahn, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dulig, es fällt mir nach Ihrem Beitrag einigermaßen schwer, ruhig zu bleiben

und ruhig zu reagieren. Was Sie hier in vielen Punkten erklärt haben, glauben Sie doch nicht wirklich selbst. Es ist blauäugig, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, dass der Mitwirkungsentzug für eine 5. Klasse nicht das Aus für eine Schule bedeutet. Sie wissen ganz genau, wenn dieser Mitwirkungsentzug ausgesprochen wird,

(Martin Dulig, SPD: Zuhören!)

ja, wenn dieser Mitwirkungsentzug ausgesprochen wird, dann melden die Eltern aus Sorge, dass die Schule bald nicht mehr besteht, ihre Kinder woanders an. Die Schule ist damit über kurz oder lang tot. Also muss der Mitwirkungsentzug verhindert werden, und zwar noch in dieser Woche. Das ist die einzige Möglichkeit, Schulen zu erhalten.

(Beifall bei der PDS, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Sie regen sich so auf, Herr Dulig – damit spreche ich auch die anderen Kolleginnen und Kollegen der SPDFraktion an –, zeigen Sie doch endlich einmal Rückgrat in dieser Koalition!

(Zurufe der Abg. Martin Dulig und Stefan Brangs, SPD)

Setzen Sie ein ernsthaftes Zeichen, ein wirklich ernsthaftes Zeichen für den Erhalt von Schulen in diesem Land! Sie haben es in der Hand und nicht wir als Opposition. Hören Sie auf zu lamentieren. Machen Sie die Schulnetzfrage zur Koalitionsfrage. Dann muss sich und dann wird sich auch die CDU bewegen. Das ist der einzige Weg, auf dem Sie etwas erreichen können.

(Stefan Brangs, SPD: Auf diese Ratschläge haben wir gewartet! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ich gebe Ihnen noch mehr Ratschläge, warten Sie ab!

(Zuruf von der PDS: Es hilft bloß nichts!)

Es ist mir unbegreiflich, wie es sich eine Koalitionsfraktion bieten lassen kann, dass ein Minister hunderte Bescheide an Schulen im Land verschickt, ohne dass es zuvor darüber eine Kabinettsbefassung oder einen Kabinettsbeschluss gegeben hat.

Wie lassen Sie sich denn von der CDU an der Nase herumführen?

(Martin Dulig, SPD: Es gibt ein Schulgesetz!)