Protokoll der Sitzung vom 19.05.2005

(Horst Rasch, CDU: Erzähl doch nicht so ein Zeug!)

Bis heute verweigert der Innenminister die öffentliche Rehabilitierung seiner eigenen Mitarbeiter. Was Sie jetzt am Hals haben, ist juristischer Kleinkram, den Sie sich hätten ersparen können und den Sie sich praktisch selbst organisiert haben.

Die peinlichste Niederlage hat sich aber der Innenminister im skandalösen öffentlichen Umgang mit den Betroffenen selbst organisiert. Das war ein Umgang, den der Sächsische Datenschutzbeauftragte völlig zu Recht als einen gravierenden Verstoß gegen das Datenschutzgesetz geahndet und beanstandet hat. Darüber reden wir heute wieder.

„Sage mir, mit wem du umgehst – und ich sage dir, wer du bist.“ „Wenn ein Polizist und eine Mitarbeiterin des SMI in der Poststelle mit einem Herrn aus dem Rotlichtmilieu zusammenleben, müssen sie damit rechnen, dass sie von der Polizei Besuch bekommen.“ „Frau K. müsse auf jeden Fall ihren Posten in der Poststelle verlieren. Wenn sie sich nicht versetzen lasse, würde sie entlassen

werden.“ Das war Ihr O-Ton. Dann kam die Krönung: Es ginge ja um die Sauberkeit des öffentlichen Dienstes. Sehr geehrter Herr Staatsminister! Wenn Sie schon den öffentlichen Dienst rein halten wollen, dann sollten Sie mit einem rechtsstaatlichen und – wenn es sich einrichten lässt – auch menschenwürdigen Umgang mit Ihren eigenen Bediensteten erst einmal anfangen. Bei Leuten wie Ihnen bin ich, ehrlich gesagt, froh, dass es den Rechtsstaat gibt. Das stellt man immer wieder neu fest. Meine Damen und Herren! Die vorliegende Beanstandung des Datenschutzbeauftragten geht davon aus, dass der Innenminister die vorgenannten Äußerungen hätte nicht tätigen dürfen. Der Datenschutzbeauftragte stellt klar, dass es sich bei den vom Minister vorgetragenen Daten eindeutig um personenbezogene Daten handelt. Es sind personenbezogene Daten, weil sie die Betroffenen aufgrund ihres beruflichen und persönlichen Umfeldes identifizierbar machen. Er hat außerdem klargestellt – und das war weder in den Debatten im Innen- noch im Verfassungsausschuss klar –, dass auch Werturteile und Bewertungen dazu gehören. Das betrifft gerade die des Ministers, die negativ auf die Bediensteten abzielten. Eine Abwägung der schutzwürdigen Belange der Betroffenen gab es nie. Das muss ich Ihnen anlasten. Statt wenigstens einen einzigen Schritt nach vorn zu tun, haben Sie diese Beanstandungen de facto vom Tisch gewischt. Der Minister beziehe seine Veröffentlichungsbefugnis auf den § 37 des Datenschutzgesetzes und begründe sie aus dem verfassungsrechtlichen Demokratieprinzip. Das heißt doch dreierlei: Erstens, die Öffentlichkeit habe einen Anspruch gehabt, ein wahres Bild über die Betätigung des Staates zu erhalten. Ich frage mich und frage Sie, welchen Anspruch die Öffentlichkeit darauf hatte, über dienstliche Belange der nicht Beschuldigten informiert zu werden. Das können Sie mir nicht erklären. Jegliche Äußerungen über Versetzungen, Entlassungen und darüber, was Sie sonst noch mit Ihren Bediensteten tun wollen, gehörten im Zusammenhang mit dem SEK-Einsatz nicht in die Öffentlichkeit. Das lohnt es zu beanstanden.

(Beifall bei der PDS und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Zweitens heißt das, man müsse unwahren Tatsachenbehauptungen der nicht Beschuldigten entgegenwirken. Sie haben nicht eine einzige unwahre Tatsachenbehauptung im Zusammenhang mit dem SEK-Einsatz, den die nicht Beschuldigten geäußert hätten, hier genannt. Wir haben das mehrfach nachgefragt. Drittens – und das ist das Abstruse – beziehen Sie sich auf die Formulierung, man müsse informelle Waffengleichheit herstellen.

(Staatsminister Dr. Thomas de Maizière: … informationelle!)

Also informationelle Waffengleichheit. Dabei haben Sie verkannt, dass es sich zum einen um Bedienstete und Sie als Dienstherrn handelt – aber lassen wir das beiseite. Sie haben andererseits vergessen, dass es diese Waffengleichheit zwischen Bürger und Staat

nicht gibt. Das hat der Datenschutzbeauftragte noch einmal deutlich gemacht. Sie wissen genau wie er, dass der Staat sich an den Gesetzesrahmen zu halten hat, während die Bürger das tun können, was nicht ausdrücklich verboten ist. Nur so oder gar nicht funktioniert Rechtsstaatlichkeit.

Was ich Ihnen am meisten vorwerfe, ist Ihre autokratische Ignoranz gegenüber solchen rechtsstaatlichen Prinzipien, auch weil Sie Ihre Antwort auf die Beanstandungen des Datenschutzbeauftragten in diesem Stil verfasst haben. Sie stellen darin fest, dass Sie überhaupt nicht daran denken oder es nötig haben, aus dieser Beanstandung Konsequenzen in Bezug auf diesen SEK-Einsatz zu ziehen. Im nachfolgenden Absatz – das war für mich besonders pikant – schreiben Sie mit dem Humor eines preußischen Militärs, dass Sie auch in Zukunft den persönlichkeitsschützenden Vorschriften des Datenschutzgesetzes die angemessene Beachtung zukommen lassen wollen.

(Dr. Matthias Rößler, CDU: Die angemessene!)

Meine Damen und Herren! Was soll man dazu eigentlich sagen? Mir fällt dazu nichts ein.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kann schon passieren, dass ein SEK-Einsatz in die Hose geht. Das ist nicht schön, aber so ist das Leben. Was Sie, Herr Staatsminister, aber tun, ist auf gemachten Fehlern stur zu beharren, so lange, bis sie ein Kardinalfehler werden. Sie wollten auf Elitepolizisten keine Schmutzkübel ausschütten lassen und haben selbst und zu Unrecht kübelweise Schmutz auf Ihre eigenen Bediensteten geschüttet. Sie haben der Öffentlichkeit vermittelt, dass Ihnen arbeitsrechtliche und persönliche Daten nicht sonderlich viel wert sind, es sei denn, damit wird Ihre private Rechtsposition gestützt.

Herr Staatsminister! Sie gelten gewissermaßen, wenn man das aus Ihrer Fraktion so heraushört, als ein Hoffnungsträger der hiesigen CDU, was ich übrigens nachvollziehen kann. Ich sage Ihnen aber auch: So wird das nichts!

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Das liegt am desolaten Zustand der CDU!)

Ihr Hauptfehler ist, immer Recht haben zu wollen. Der Erfolg von Politik hängt aber nicht davon ab, ob einer immer Recht hat. Wer immer Recht hat, ist nicht fähig zu einer Politik auf Augenhöhe.

Meine Damen und Herren! Glauben Sie mir, würde in diesem Haus weniger eine Politik der Rechthaberei stattfinden, dann könnten wir hier viele vernünftige Dinge tun.

(Beifall bei der PDS und der FDP)

Wir hätten vielleicht weniger Untersuchungsausschüsse und könnten uns die Zeit für die Behandlung verpatzter SEK-Einsätze unter Umständen komplett sparen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind nicht zufrieden mit der Reaktion des Staatsministers – er weiß

das gut genug –, können daher auch der Beschlussempfehlung nicht folgen und haben deshalb einen Änderungsantrag eingebracht. Wir bitten Sie, diesem Änderungsantrag zu folgen, in dem wir dem Staatsminister mit der von mir genannten Begründung eine Missbilligung aussprechen.

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Abg. Weihnert vom Außenmikrofon.

Meine Damen und Herren! Ich möchte für die SPD-Fraktion noch einmal feststellen, dass Herr Schiemann insgesamt für die Koalition gesprochen hat und dass wir das, was er gesagt hat, ausdrücklich unterstreichen. Ich möchte auch noch unterstreichen, dass der Innenminister klar gemacht hat, dass er sich bei zukünftigen Sachverhalten vorher mit dem Datenschutzbeauftragten abstimmen wird, dass es dort vorher Gespräche geben wird, so dass es für uns überhaupt keine Frage ist, den Antrag der PDS, wie er eben gestellt worden ist, abzulehnen und dem Antrag und Votum des Innenausschusses zu folgen. – Danke.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Die NPD-Fraktion hat signalisiert, dass sie verzichtet. Die FDP-Fraktion, Herr Dr. Martens, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einmal kurz die Position der FDP zu der hier vorliegenden Drucksache, der Beschlussempfehlung des Innenausschusses darstellen. Es geht um die Beanstandung des Datenschutzbeauftragten zu Äußerungen, die der Staatsminister des Innern bei Pressekonferenzen zu Beteiligten abgegeben hat, die in den SEK-Einsatz vom 17.12.2004 in Dresden verwickelt waren. Anders als die Staatsregierung und das Innenministerium sehen wir diese Äußerungen gemeinsam mit dem Datenschutzbeauftragten als nicht gerechtfertigt an. Die zitierte Rechtsgrundlage, § 37 Abs. 2 Datenschutzgesetz, war hier nicht einschlägig, denn nach unserer Auffassung war die Erörterung der Dienststellung nicht geboten, um einem Informationsbedürfnis, das dringend und unabweisbar gewesen wäre, nachzukommen. Dies gilt erst recht für die Bewertung, die der Minister in Bezug auf bedienstete Mitarbeiter seines Ministeriumsbereiches vorgenommen hat, insbesondere mit der Aussage: „Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist.“ Das war nicht notwendig, das war erst recht nicht geboten. Das war eine Äußerung, die politisch begründet war, die aber gleichwohl aus unserer Sicht gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen hat. Herr Kollege Schiemann, wenn Sie sagen, es handelte sich hierbei um die Reaktion auf Veröffentlichungen im Zusammenhang mit dem SEK-Einsatz, so muss ich sagen, diese hier beanstandeten Äußerungen betrafen den SEK-Einsatz und die Veröffentlichung dort im Eigentlichen nicht, sondern es betraf die Erörterung privater

Umstände von Bediensteten, die unschuldig Betroffene eines, wie wir heute wissen, rechtswidrigen Polizeieinsatzes waren.

Die Erörterung selbst wird von uns in Inhalt und Stil kritisiert. Hier war die notwendige und gebotene Sensibilität im Umgang mit den Daten der Betroffenen nicht ausreichend beachtet. Angriff – Herr Staatsminister, ich habe es bereits gesagt – ist nicht immer die beste Verteidigung. Auch auf die Beanstandung des Datenschutzbeauftragten hin hätten wir uns eine etwas andere Reaktion, als hier gekommen ist, gewünscht. Das hartnäckige Festhalten an begangenen Fehlern macht die Sache nicht besser. Auch die kurze und prägnante Formulierung auf die Beanstandung des Datenschutzbeauftragten hin, man werde dem Datenschutz auch in Zukunft die angemessene Beachtung schenken, lässt sich wohl eher als grobe Unhöflichkeit im diplomatischen Sprachsinne einordnen, denn als ein ausreichendes Entgegenkommen im Hinblick auf die Anliegen, die der Datenschutzbeauftragte geäußert hat.

(Beifall bei der FDP)

Herr Staatsminister! Der Staat oder ein Staatsminister kann Fehler machen, er kann sie begehen. Aber er sollte es dann wenigstens einräumen, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passiert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der PDS und den GRÜNEN)

Herr Kollege Lichdi spricht für die GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Vorgang, den wir heute zu besprechen haben, verdient eigentlich etwas mehr Aufmerksamkeit, denn es handelt sich hier immerhin um einen Hinweis, den uns der Datenschutzbeauftragte gibt. Es zeigt auch, wie wichtig diese Institution des Datenschutzbeauftragten ist. Ich möchte den ausdrücklichen Dank unserer Fraktion an Herrn Schurig und seine Mitarbeiter ausrichten, dass er diese Arbeit leistet. Ich glaube, sie ist nicht zu ersetzen. Zum Vorgang selbst; meine Vorredner sind darauf eingegangen. Es ging um den missglückten SEK-Einsatz in Loschwitz. Herr Kollege Martens hat gesagt, er war rechtswidrig. Wer das Urteil des Landgerichtes Dresden gelesen hat, der weiß, dass die Rechtswidrigkeit deswegen erklärt wurde, weil der Einsatz zur Nachtzeit stattgefunden hat. Mich hat noch ein Detail, das in der Öffentlichkeit meines Wissens nicht so beachtet worden ist, besonders erregt, möchte ich fast sagen. Es war nämlich so, dass die Staatsanwältin, während der SEK-Einsatz stattgefunden hat, vor Ort an der Feuerwache in Loschwitz praktisch bereitgestanden hat, um mit der Polizei den Einsatz durchzuführen. Aber die Polizei sah keine Veranlassung, die Staatsanwaltschaft davon zu informieren, dass sie jetzt zugreifen wollte. Das zeigt auch einen gewissen Geist in der Polizei, den wir im Innenausschuss schon öfter zu kritisieren hatten.

Nun zum Vorgang. Herr Staatsminister de Maizière hat Ende Dezember mehrere Aussagen getroffen, die hier zu

beanstanden waren. Er hat einmal zur Kenntnis gegeben, es würden Konsequenzen gegen Frau K. geprüft, es ginge um eine Versetzung oder gar eine Entlassung, denn die Beschäftigte befinde sich im sicherheitsrelevanten Bereich.

Zweitens – völlig neben der Sache, das hat überhaupt nichts damit zu tun – interessiere ihn, wie viel Miete eigentlich Frau K. an ihren Bruder, den so genannten Rotlichtkönig, bezahle und

drittens – Zitat: „Wenn ein Polizist und ein Mitarbeiter des Innenministeriums mit einem Herren aus dem Rotlichtmilieu zusammen leben, müssen sie damit rechnen, dass sie Besuch von der Polizei bekommen.“

Schließlich der skandalöse Satz: „Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist.“

(Gottfried Teubner, CDU: Das stimmt!)

Der Datenschutzbeauftragte teilt in seiner Beanstandung mit, dass er seit Ende Dezember und über den gesamten Januar 2005 hinweg mehrmals telefonisch und mündlich um eine Korrektur gebeten habe. Dennoch bekräftigte der Minister seine Vorwürfe im Plenum am 21. Januar, auch als ihn mehrere Redner, unter anderem auch ich, darauf hingewiesen hatten. Der Datenschutzbeauftragte hat seiner Beanstandung eine ausführliche rechtliche Würdigung angefügt. Es ist darauf hinzuweisen:

1. Es handelt sich um eine Verarbeitung personenbezogener Daten, denn die Namen der Mitarbeiterin im SMI und des Polizeibeamten sind mit wenig Recherche ohne weiteres herauszubekommen.

2. Die öffentliche Ankündigung personalrechtlicher Maßnahmen, die Versetzung oder Entlassung der Mitarbeiter ist ebenfalls eine Datenverarbeitung.

3. Und am schlimmsten aus unserer Sicht: Der Minister hat zudem ein abschätziges Werturteil getroffen, als er die Mitarbeiter in das Licht krimineller Machenschaften – hier Drogenhandel und unerlaubter Waffenbesitz – gerückt hat. Ich zitiere den Datenschutzbeauftragten: „Die Wertung ‚Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist‘ stellt den Versuch dar, die Betroffenen moralisch zu diskreditieren.“ Genau das war Ihr Versuch, Herr Staatsminister, und genau damit haben wir das Problem.

Sie haben sich auf § 37 Datenschutzgesetz berufen. Der Datenschutzbeauftragte hat dazu treffend bemerkt, und ich möchte ihn wiederum zitieren: „Die Verbürgungen des Rechtsstaates werden nicht durch das Demokratieprinzip oder in einer Art übergesetzlichen Notstand, der zur Wiederherstellung der Ehre einer Polizeibehörde in Anspruch genommen werden kann, zurückgedrängt.“

Es ist ja auch schon öfter darauf hingewiesen worden, dass die gesamten Äußerungen des Staatsministers nichts mit dem SEK-Einsatz als solchem zu tun hatten. Insgesamt kommt der Datenschutzbeauftragte völlig zu Recht zu dem Ergebnis, dass es sich um eine gravierende Grundrechtsverletzung gehandelt hat. Besonders schlimm an dieser gravierenden Grundrechtsverletzung ist, dass der Minister nicht etwa im ersten Überschwang, im ersten Ärger – das sage ich ihm ganz offen, dafür habe ich auch einiges Verständnis –, sondern fortgesetzt über einen Monat hinweg immer wieder darauf beharrt

hat, ohne ein einschlägiges Zeichen des Bedauerns, ja, einer gewissen Elastizität oder auch des Willens überhaupt, die Situation der Betroffenen anzuerkennen, gegeben zu haben.

Sie haben, Herr Minister, in einem einseitigen, in einem Ein-Blatt-Schreiben geantwortet. Ich sage Ihnen, dieses Schreiben ist zwar vordergründig in einem höflichen Ton verfasst, aber wir wissen doch alle, was Sie damit eigentlich sagen wollen. Zwischen den Zeilen springt die Botschaft aus dem Text heraus – ich sage einmal: „Lass mich in Ruhe, ich weiß allein, was Recht und Gesetz ist, und wenn das SMI und die Polizei handeln, dann ist das immer richtig.“ – Das war Ihre Aussage zwischen den Zeilen.