Meine Damen und Herren! Die Wahlen finden nach den Bestimmungen unserer Geschäftsordnung geheim statt. Wir können allerdings auch offen wählen.
Wir haben alle noch ein bisschen Einarbeitungsbedarf. Mir ist der Wahlvorschlag der NPD-Fraktion abgegeben worden, und ich muss natürlich über die Zulässigkeit abstimmen lassen. Ich bitte um Entschuldigung.
Von der NPD-Fraktion wurden für die G 10-Kommission MdL Jürgen Gansel und MdL Jürgen Schön vorgeschlagen. Mir wurde eben gesagt, dass der zweite Name für den Vertreter vorgeschlagen wurde. Das war hier nicht so zu erkennen.
Ich lasse jetzt über die Zulässigkeit dieser Wahlvorschläge abstimmen. Wer möchte der Zulässigkeit die Stimme geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Hier wieder gleiches Abstimmungsverhalten. Dieser Antrag über die Zulässigkeit ist mehrheitlich abgelehnt worden.
Jetzt können wir zur eigentlichen Wahl kommen. Sie wissen, dass wir geheim abstimmen können, aber auch offen. Ich frage, ob jemand einer offenen Wahl widerspricht? – Das ist der Fall. Es soll geheim abgestimmt werden. Ich berufe nun die Wahlkommission und schlage Ihnen vor, wie in der vorigen Besetzung zu verfahren.
Meine Damen und Herren! Die Abgeordneten werden wiederum in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen und erhalten einen Stimmschein, auf dem entsprechend den angegebenen Drucksachen die Kandidaten für das genannte Gremium angeführt sind. Jeder Abgeordnete hat drei Stimmen für Mitglieder und drei für Stellvertreter, wobei eine Kumulierung nicht zulässig ist. Bei der Wahl der Mitglieder und Stellvertreter der G 10-Kommission ist gewählt, wer 63 oder mehr Stimmen erhält. Wir beginnen mit der Wahl.
Meine Damen und Herren! Im Interesse der Zeit schlage ich Ihnen vor, dass wir jetzt mit den 1. Lesungen beginnen und das Ergebnis der Wahl nachher verkünden.
Ich bitte Sie daher, sehr schnell die Plätze wieder einzunehmen, damit ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufen kann.
1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Sicherung des Rechtsanspruches von Kindern auf eine ganztägige Förderung in Kindertageseinrichtungen im Freistaat Sachsen
Das Präsidium empfiehlt Ihnen gemäß § 42 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine allgemeine Aussprache. Die Reihenfolge in der ersten Runde: die PDS-Fraktion als Einreicherin, CDU, SPD, NPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und die Staatsregierung, wenn gewünscht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema „Frühkindliche Bildung“ und damit das Thema „Kindertageseinrichtungen“ hat zumindest in der öffentlichen Diskussion in Deutschland endlich den Platz erreicht, der ihm gebührt. Es ist zum Schlüsselthema geworden, das dringend bearbeitet werden muss, wenn es zu einer grundlegenden Trendwende in puncto Bildung nach dem Pisa-Frust kommen soll. Natürlich wird es auch in Sachsen weiterhin ein zentrales Thema sein. Das konnten wir an den vielen Diskussionen im Vorfeld der Landtagswahl sehen. Wir konnten es in den Wahlprogrammen anderer Parteien nachlesen und mit Interesse verfolgen, dass in den Koalitionsverhandlungen Kindertagesstätten an prominenter Stelle diskutiert wurden. Nicht zuletzt können wir es heute sehen. Als ersten Gesetzentwurf bringen wir als PDS-Fraktion eine Novelle des Kindertagesstättengesetzes hier im Landtag ein. Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zur Einbringung des Kita-Gesetzes etwas weiter ausholen. Vor zwei Jahren hat der Landtag mit der damaligen CDUMehrheit ein neues Kita-Gesetz verabschiedet. Dieses Gesetz war von Anfang an umstritten. Es war das Resultat der massiven Kürzungen im Doppelhaushalt 2001/2002 und der Debatten, die wir hier dazu geführt haben. Es war der höchst zweifelhafte Versuch der CDU und der Staatsregierung, sowohl Geld zu sparen als auch die Qualität der Kindertageseinrichtungen zu erhalten oder gar zu erhöhen, ein Versuch, der scheitern musste. Aber aus dem bloßen Versuch resultiert eine Reihe von Mängeln des Gesetzes. Ich möchte hier auf den nicht ausrei
chenden Personalschlüssel verweisen, auf den Wegfall der zwingend erforderlichen Fort- und Weiterbildung der Erzieherinnen aus dem Gesetz, auf die höchst zweifelhafte Gleichsetzung von Kindertagesstätten und Tagespflege, auf die fehlende jährliche Anpassung der Landeszuschüsse, die die Gemeinden erhalten, oder auf die nicht gesetzlich verankerte Landeselternvertretung.
Wir als PDS-Fraktion hatten dem damals einen eigenen Gesetzentwurf mit völlig anderen politischen Schwerpunkten entgegengesetzt, Schwerpunkten, die sich an den Interessen der Kinder orientieren. Fast unnötig zu erwähnen, dass unser Gesetz von der CDU abgelehnt und natürlich auch unsere Änderungsanträge zum Gesetzentwurf der Staatsregierung abgelehnt wurden. Für die neuen Kollegen tue ich es dennoch.
Sehr geehrte Damen und Herren! Auf eine Diskussion zu diesen Änderungsanträgen möchte ich schon noch einmal eingehen, weil diese auch in der aktuellen KitaGesetznovelle integriert ist. Wir hatten damals den Antrag gestellt, dass der Rechtsanspruch auf eine ganztägige Bildung, Erziehung und Betreuung von null bis zehn Jahren – um es genauer zu sagen: bis zum Übergang in die 5. Klasse – erweitert wird. Im Moment besteht nur ein bundesgesetzlicher Rechtsanspruch vom dritten Lebensjahr an bis zum Schuleintritt.
Der damalige Staatsminister Dr. Geisler hat sich gegen diesen Vorschlag mit folgender Begründung ausgesprochen: In Sachsen erhalte jedes Kind, wenn es die Eltern wollten, eine ganztägige Betreuung sowohl in der Kinderkrippe als auch im Kindergarten und Hort. Aus diesem Grunde brauche der Rechtsanspruch nicht ausgeweitet zu werden.
Herr Geisler hatte damals vollkommen Recht. Jedes Kind konnte zu dieser Zeit in Sachsen ganztägig eine Kita besuchen. Doch ein neues Gesetz wird neu ausgelegt und Herr Geisler war nach einiger Zeit auch kein Minister mehr. Seine Nachfolgerin – ich möchte es freundlich formulieren –, die etwas unglücklich agierende Staatsminis
terin Weber, hat einen völlig neuen Kurs eingeschlagen und den Kommunen unter der Hand zugestanden, dass sie nach der Kassenlage selbst definieren können, wann welches Kind welchen Bedarf für welche Betreuungszeit hat. Diesen offensichtlichen Richtungswechsel hat übrigens der Abg. Geisler daraufhin öffentlich kritisiert.
Frau Orosz hat diesen Kurs als neue Ministerin beibehalten und ein Landkreis nach dem anderen – auch die Kreisfreien Städte – versuchte, seinen kommunalen Haushalt auf Kosten der Kinder zu sanieren. So wurden über Bedarfsdefinitionen Kinder erwerbsloser Eltern in unterschiedlichem Maße im Zugang zu Kindertageseinrichtungen beschränkt. Das trieb mitunter sehr obskure Blüten. Ich erspare mir an dieser Stelle die Beispiele.
Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Zugangsbeschränkungen zu Kindertagesstätten wurden im Landtag von der PDS und der SPD immer wieder heftig kritisiert.
Darüber hinaus machten sich Gewerkschaften, Elternvertretungen oder der „Runde Tisch ‚Kindertagesstätten‘ “ immer wieder gegen solche Zugangsbeschränkungen stark.
Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ja auch ziemlich absurd, wenn einerseits eine Aufwertung der frühkindlichen Bildung auf der Tagesordnung steht, aber andererseits in Sachsen Kinder nicht erwerbstätiger Eltern durch Zugangsbeschränkungen ganz oder teilweise aus Kinderkrippen, Kindergärten und Horten ausgeschlossen werden. Denn warum soll ein Kind, dessen Mutter arbeitslos ist, weniger Anspruch oder Bedarf an frühkindlicher Bildung haben als ein anderes Kind? Über die Vorstellungen, dass Kitas nur auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf reduziert werden, müssten wir eigentlich seit einigen Jahren hinaus sein. Die Vereinbarkeit ist wichtig für die Eltern, der Bildungsaspekt aber ist entscheidend für das Kind.
Aus diesem Grunde bin ich froh, dass im Koalitionsvertrag verankert ist, dass Zugangsbeschränkungen in Kitas ausgeschlossen sind. Bisher hat sich die CDU an dieser Stelle ja immer sehr nebulös ausgedrückt: Zugangsbeschränkungen waren vom Gesetzgeber zwar nicht gewollt – man will es ja immer noch nicht –, aber man unternimmt auch nichts dagegen; so die CDU immer hier im Landtag.
Vor diesem Hintergrund ist unser Gesetzentwurf ein Angebot der PDS-Fraktion zur praktischen Umsetzung des Koalitionsvertrages. Das dürfte Ihnen sicherlich auch entgegenkommen, da wir Ihnen damit durch unsere Vorarbeit etwas von der zu leistenden Arbeit abgenommen haben. Mit der Formulierung in unserem Gesetzentwurf hat jedes Kind von null bis zehn Jahren einen ganztägigen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte.
Gleichzeitig wollen wir, den Koalitionsvertrag wortgenau erfüllend, die jährliche Finanzierungspauschale für Kindertagesstätten per 1.1.2005 auf 1 800 Euro erhöhen. Ich hoffe, dass wir damit ganz in Ihrem Sinne handeln. Sehen Sie uns bitte das Tempo nach. Der Gesetzentwurf war ja schon eingebracht, bevor der Koalitionsvertrag fertig war.
Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind die ersten Schritte, denen in den nächsten Jahren noch einiges folgen muss. Wir stehen vor der Aufgabe, die formalen Rahmenbedingungen zu verbessern, zum Beispiel die Absenkung des Personalschlüssels, den Abbau des Investitionsstaus in Kitas und das Schaffen einer ausreichenden Anzahl an Plätzen insbesondere in den Großstädten. Diese sehr formalen Rahmenbedingungen sind nach Untersuchungen ein wesentlicher Grundstein für eine weitere Qualitätsentwicklung.
Darüber hinaus gilt es, die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass auch die pädagogische Qualität der Kinderbetreuung westeuropäisches Niveau erreicht. Ich denke da zum Beispiel perspektivisch an die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern auf Fachhochschulniveau, an eine gesetzliche Verankerung der Fort- und Weiterbildung von Erzieherinnen oder die Fertigstellung des Bildungsplanes bzw. Bildungsleitfadens mit konkreten Entwicklungszielen und an einen Bildungsplan, der eine höhere Verbindlichkeit hat und den Erzieherinnen eine Hilfe in ihrer Arbeit ist und nicht im Schrank der Leiterin verstaut wird.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen kurzen Einschub. Für mich ist – das habe ich schon in der letzten Legislaturperiode gesagt – der Streit um die Begriffe „Bildungsleitfaden“ oder „Bildungsplan“ ein ideologischer. Entscheidend ist, wie konkret, wie verbindlich und wie praxisorientiert wir ihn gestalten und wen wir damit erreichen wollen. Das aber nur am Rande, da es ja für etwas Unruhe im Ministerium gesorgt hat, dass im Koalitionsvertrag nun „Bildungsplan“ steht.
Wir brauchen in Zukunft Kindertagesstätten, die stärker im Gemeinwesen verankert sind, die eine Bereicherung für das gesellschaftliche Umfeld sind. Wir brauchen Kitas, die Eltern stärker in die Arbeit einbeziehen und die zum Beispiel auch Familienbildung integrieren, so wie es im Modellprojekt „Familienbildung in Kooperation mit Kindertageseinrichtungen“ schon geschehen ist und diese Ansätze nun vor der Herausforderung der Implementierung stehen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das war ein kurzer Ausblick, was aus Sicht der PDS-Fraktion in den nächsten Jahren auf der Tagesordnung stehen muss. Es ist unserer Meinung nach notwendig, zum einen die frühkindliche Bildung qualitativ weiterzuentwickeln und zum anderen Familien ein attraktives und familienfreundliches Umfeld zu schaffen. Sie sehen, dass mit unserem Gesetzentwurf nicht alle Probleme in der Kinderbetreuung sofort gelöst sind. Wir werden viel gemeinsamen Stoff für die nächsten fünf Jahre haben. Heute könnten wir einen ersten gemeinsamen Schritt gehen. In diesem Sinne hoffen wir auf Ihre Zustimmung in den Ausschüssen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Neubert, Sie haben tief blicken lassen in Ihr Lesenkönnen bzw. Nichtlesen
können. Deshalb sind wir immer gut miteinander ausgekommen. Sie hätten ja schon einmal einen Blick in das Koalitionspapier werfen können. Das eine oder andere haben Sie ja auch gestreift, aber Sie scheinen den Inhalt doch nicht ganz mitbekommen zu haben. Man muss sortieren, was Bildung und Erziehung betrifft. Sie haben von Bildungsleitfaden gesprochen. Aber in dem Koalitionspapier steht Bildungsplan. Das ist meiner Meinung nach ganz signifikant, auch für das, was wir jetzt in Gänze in den nächsten Jahren vorhaben, aufbauend auf dem, was wir bisher erreicht haben. Das sollten wir uns auch nicht wegdiskutieren lassen. Wir haben einen Bildungs- und Erziehungsauftrag und wir haben ein flächendeckendes Angebot. Dieses Angebot kann sich sehen lassen. Wir werden noch ausbauen und verfestigen, was die Vorschule betrifft, und wir werden in dem letzten, dem Vorschuljahr, in der Perspektive, meiner Meinung nach deutschlandweit, gemeinsam in der Koalition beispielgebend Dinge voranbringen, um die uns andere Länder beneiden werden. Wir haben damit bereits begonnen. Wir wollen dies aber verfestigen und zum Wohle unserer Kinder dementsprechend etablieren – natürlich mit unseren Kindergärtnerinnen, Erzieherinnen und den Grundschullehrern hier gemeinsam. Auch das gehört zu dieser Diskussion. Wichtig ist uns auch, dass Kinder, unabhängig von ihrem Status – da meine ich, ob ihre Eltern berufstätig sind oder die Finanzlage diffizil ist –, betreut werden können. Deswegen haben wir verankert, dass es keine Zugangskriterien geben wird. Wir haben auch keine in unserem Gesetz, das will ich hier noch einmal betonen. Andere Bundesländer haben Zugangskriterien im Landesgesetz, dass Kinder nicht betreut werden können. Sie machen dann ihre Landesförderung davon abhängig, ob die Kommune diese erhält oder nicht. Ich denke, hier sind wir schon wie bei der Vorschule und beim Bildungsauftrag auch beispielgebend.
Frau Nicolaus, im Koalitionsvertrag steht, Zugangsbeschränkungen lehnen wir ab. Heißt das, dass es keine geben soll? Was ist, wenn Träger es anders sehen? Oder heißt es tatsächlich, dass Sie dafür sorgen werden, dass es nirgends Zugangsbeschränkungen geben wird?
Es ist wichtig und dazu haben wir uns bekannt, dass es keine Zugangskriterien gibt. Wir hatten bisher keine und wir werden auch keine haben. Man muss differenzieren zwischen Zugangskriterien und Bedarfskriterien. Das könnten wir vielleicht am Rande noch diskutieren.