bereit wären, durch eigenen Verzicht andere ein Stück weiter nach oben kommen zu lassen. Das ist das große Problem, das wir in der gesamtdeutschen Diskussion haben; und es ist äußerst diffizil zu handhaben.
Summa summarum: Wir – und auch ich als Vertreter der SPD-Fraktion – sehen deutlich mehr positive als negative Beispiele in dem, was sich im Gesundheitswesen zurzeit geändert hat.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie verheerend die Ergebnisse der so genannten Gesundheitsreform vor dem Hintergrund der demografischen und finanziellen Katastrophe sind, zeigt der Umstand, dass nach all dem Reformgetöse eine durchschnittliche Absenkung der Krankenkassenbeiträge von gerade einmal 0,2 % zustande gekommen ist, und das, obwohl die gesetzlichen Krankenkassen zuletzt einen Gewinn von mehreren Milliarden Euro gemacht haben. Diese werden jedoch nicht an die Versicherten weitergegeben, da „natürlich“ weiterhin gigantische Verwaltungsapparate und Vorstandsgehälter finanziert werden müssen. Auf die Frage, warum die Beiträge nicht stärker gesenkt werden können, ist stets zu hören, dass zunächst Schulden abgetragen werden müssen. Niemand hat jedoch bis heute die Frage beantwortet, wie die Schulden der gesetzlichen Krankenkassen überhaupt zustande kommen konnten. Dies spricht Bände über die Glieder der „etablierten“ Politik.
Woraus resultieren die aktuellen Überschüsse der Krankenkassen? Sie sind das Ergebnis einer so genannten Reform, die auf der einen Seite – bei den Bürgern nämlich – Preiserhöhungen durchdrückt, da die Leistungen bei gleicher Vergütung massiv reduziert werden. Auf der anderen Seite werden ständig neue Gewinne für Konzerne erwirtschaftet, da in Deutschland zuallererst noch immer Rücksicht auf die Profitinteressen der Pharmaindustrie genommen wird.
Noch immer werden eine einheitliche Namensgebung und verbindliche Preise für gleiche Medikamente auf der Basis staatlich genehmigter Kalkulation verweigert, ebenso die Erstellung einer längst überfälligen Positivliste kostengünstiger, medizinisch sinnvoller Arzneimittel.
Auf der anderen Seite werden jedoch Maßnahmen bei den Bürgern ergriffen, die zu einem immer stärkeren Rückgang der Arztbesuche führen. Aus Furcht, den Arbeitsplatz zu verlieren, wird der Arztbesuch so lange wie möglich zurückgestellt – ganz zu schweigen von jenen Menschen, die sich nicht einmal mehr den Eintritt beim Arztbesuch leisten können. Das wird zwar von der Staatsregierung so nicht zugegeben, aber die von ihr bestätigten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. So verzeichnen die Hausärzte in Sachsen einen Rückgang der Arztbesuche um immerhin 5,5 %. Bei Hautärzten ist ein Rückgang von 16,9 % festzustellen, bei Augenärzten von 12,8 % und bei Gynäkologen von 14,9 %.
Fast möchte man annehmen, dass es in Sachsen keine Kranken mehr geben würde. Auch die Zähne und Gebisse der Sachsen müssen wohl über Nacht von den Heinzelmännchen repariert worden sein; denn Sachsens Zahnärzte müssen seit dem 01.01.2004 einen Rückgang von 830 000 Arztbesuchen im Vergleich zum Vorjahr feststellen.
An diesen Zahlen zeigt sich, wie absurd es ist, von einer Gesundheitsreform zu sprechen. Das System verjagt gesetzlich krankenversicherte Patienten mit fragwürdigsten Methoden aus den Praxen, damit es zulasten der Gesundheit der Patienten Geld einsparen kann – Geld, das dann für die horrenden Gehälter der Kassenfunktionäre verwandt werden kann.
Auch und selbst die vordergründige Senkung der Kassenbeiträge um sagenhafte 0,2 % stellt sich auf den zweiten Blick angesichts der tatsächlichen Auswirkungen der so genannten Gesundheitsreform für den Versicherten als üble Mogelpackung heraus. Jeder Versicherte bezahlt pro Quartal einmal zehn Euro Praxisgebühr, die jeweils an die Krankenkassen weiterzuleiten sind. Gleichzeitig wurden nicht verschreibungspflichtige Medikamente aus der Verordnungsfähigkeit herausgenommen, das heißt, viele Medikamente müssen nun von Patienten direkt bezahlt werden.
Im Rahmen des Arzneimittelausgabenbegrenzungsgesetzes wurde die Zuzahlung für Medikamente erhöht. Viele Leistungen werden von den Kassen nun überhaupt nicht mehr übernommen. Hinzu kommt natürlich die Ausgliederung des Zahnersatzes mit einer Zahnzusatzversicherung, die die Patienten mit weiteren 0,9 Prozentpunkten belastet. Dies bedeutet, dass die Pflichtversicherten nicht etwa entlastet, sondern in einem noch viel stärkeren Ausmaß zur Kasse gebeten werden. Das, meine Damen und Herren, hätte man natürlich mit einer Beitragserhöhung viel einfacher haben können.
Ganz offensichtlich gehört es aber zum Wesen etablierter Politik, den Bürger zu beschwindeln, wo immer es geht. Außerdem werden dann die Schlagzeilen für die Reformmacher, zu deren Zustandekommen die Bundesratsmehrheit der CDU ihren Beitrag geleistet hat, nicht so besonders ausfallen.
Es muss also festgestellt werden, dass die so genannte Gesundheitsreform nichts anderes als eine einseitige, verdeckte Erhöhung der Krankenkassenbeiträge zulasten der Versicherten darstellt. Gleichzeitig leistet die vermeintliche Reform der Etablierten einer Zwei-KlassenMedizin weiteren Vorschub, und genau das ist beabsichtigt.
Die so genannte Gesundheitsreform folgte von Beginn an dem unsozialen Ansatz, nicht etwa die medizinische Versorgung der Bevölkerung zu verbessern, sondern den gesamten Gesundheitssektor nach marktwirtschaftlichen Profitgesichtspunkten auszurichten. Daraus wird zum Beispiel bei der Krankenhausfinanzierung überhaupt kein Hehl mehr gemacht. Dort sollen nur noch das Kostendeckungsprinzip und marktwirtschaftliche Anreizsysteme gelten.
Was das bedeuten kann, meine Damen und Herren, sagte am 19. Februar 2005 der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Er kritisierte, dass die so
genannte Gesundheitsreform die medizinische Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten verschlechtere. Zitat: „Wir müssen befürchten, dass diese von der Gesundheitspolitik ausgelösten Entwicklungen in absehbarer Zeit negative Auswirkungen auf Lebensqualität und Lebenserwartung unserer Bürger haben werden.“ Was er damit meint, ist in Sachsen und anderswo schon mit Händen zu greifen. Der Ärztemangel ist überall sichtbar. Gerade hier wird diese Reform der etablierten Nichtskönner eine weitere Ausdünnung der medizinischen Versorgung bewirken.
Beim Bettenbestand der Krankenhäuser wird dies ebenfalls deutlich. Schon in der ersten Stufe der Gesundheitsreform wurden bundesweit 30 000 Krankenhausbetten wegrationalisiert. Zum 1. Februar 2005 sollten noch einmal sage und schreibe 135 000 Betten wegfallen. Was das für die medizinische Versorgung auch in Sachsen bedeutet, meine Damen und Herren, lässt sich an zehn Fingern abzählen.
Das, was die Gesundheitsreform bisher ausgerichtet hat, drückt sich in einer ernüchternden, einer unsozialen Bilanz aus. Wir Nationaldemokraten lehnen diese so genannte Reform nach wie vor ab, weil sie nicht nur die medizinische Versorgung der Menschen verschlechtert hat, sondern den Patienten auch noch steigende Kosten auferlegt. Das, meine Damen und Herren, ist aber zutiefst unsozial.
Unsere Fraktion plädiert zum Beispiel dafür, dass die so genannte Bürgerversicherung unverzüglich einzuführen ist. Die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung muss unabhängig von der Einkommenshöhe für alle Bürgerinnen und Bürger, also auch für Beamte, Selbstständige und besser verdienende Arbeitnehmer, zur Pflicht werden. Das Solidaritätsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung, also die paritätische Finanzierung von Versicherungsleistungen durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ist wiederherzustellen, so zum Beispiel beim Zahnersatz oder beim Krankengeld.
Die Absenkung der Arbeitslosenbeiträge zur Verschleierung der Defizite der Bundesagentur für Arbeit und die Aufweichung der Arzneimittelfestbetragsregelung müssen rückgängig gemacht werden.
Darüber hinaus geht es auch um die Mehrwertsteuer. Darüber haben wir bereits gestern diskutiert. Bei einer voraussichtlichen Regierungsübernahme durch die Union muss es eine Selbstverständlichkeit sein, dass die mehrwertsteuerpflichtigen Ausgaben im Krankenversicherungssektor nur dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegen, um die Kosten im Gesundheitssektor nicht noch weiter in die Höhe zu treiben.
Eine einheitliche Namensgebung und verbindliche Preise für gleiche Medikamente auf der Grundlage staatlich genehmigter Kalkulationen sind einzuführen. Eine Positivliste kostengünstiger Arzneimittel ist aufzustellen. Mit der Rücksichtnahme auf die Profitinteressen der Pharmaindustrie muss endlich Schluss sein!
Deutschland braucht ein Versicherungssystem, das das Ausbrechen von Krankheiten verhindern hilft. Deshalb muss ein wichtiger Schwerpunkt in der Beratung und Gesundheitsprävention liegen, die schon in der Schule vermittelt werden müssen.
Schlussendlich fordern wir Nationaldemokraten ein Gesundheitswesen, das endlich wieder die Interessen der Deutschen in den Vordergrund stellt.
Wussten Sie, meine Damen und Herren, dass zum Beispiel in Deutschland Gesundheitsabkommen mit der Türkei, mit Ungarn, Tschechien, Marokko, Tunesien und vielen anderen Ländern der Welt bestehen? Deutschland muss jährlich Transferleistungen in zweistelliger Millionenhöhe für ausländische Familienangehörige aufwenden.
Selbst im Ausland lebende Angehörige bei uns versicherter Ausländer erhalten dort Versicherungsschutz deutscher Krankenkassen.
Meine Damen und Herren! Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit festzustellen: Die Sozialabkommen mit der Türkei und allen anderen Ländern sind unverzüglich aufzukündigen.
(Beifall bei der NPD – Dr. Jürgen Martens, FDP: So ein Schwachsinn! – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)
Herr Prof. Porsch, ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen oder warum Ihr Kollege Wehner und andere aus Ihrer Fraktion sich ständig verrenken mit dem Namenskürzel Die Linkspartei.PDS. Äußern Sie sich doch einfach so, wie es den Tatsachen am ehesten entspricht. Benennen Sie sich doch um, wie Sie einst hießen: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands!
Meine Damen und Herren! Es wird Zeit, dass in Deutschland nicht länger die Interessen der Pharmaindustrie und anderer Lobbyverbände im Vordergrund stehen. Im deutschen Gesundheitswesen müssen endlich wieder die Interessen der deutschen Patienten im Vordergrund stehen.
(Dr. Johannes Müller, NPD: Jetzt kommt ein Plädoyer für die Klassenmedizin! – Interne Wortwechsel zwischen Abgeordneten der PDS, der FDP und der NPD)
Ich glaube, das tut nur noch weh. Herr Apfel, gehen Sie doch mal zum Arzt! Vielleicht hilft es. (Beifall bei der FDP und der PDS – Holger Apfel, NPD: Wenn das alles ist, was Sie als Argumente vorzubringen haben, können Sie sich gleich wieder setzen! – Dr. Johannes Müller, NPD: Tolles Argument!)
Ich möchte zuerst der PDS für die Mühe danken, die sie sich mit der Großen Anfrage gemacht hat. Sie haben immerhin 89 Fragen in vier Komplexe aufgeteilt und offenbar dabei genau die richtigen Fragen gestellt, denn einige Antworten der Staatsregierung werfen sofort wieder neue Fragen auf.
Die Gesundheitsreform, entstanden aus einer kurzfristigen großen Koalition von CDU und SPD auf Bundesebene, kürzt lediglich Leistungen und bringt nur kleine organisatorische Verbesserungen, von deren Effizienz die Staatsregierung selbst nicht überzeugt ist.
Dies ist keine Reform, sondern nur der Reparaturversuch an einem kranken Gesundheitssystem ohne Veränderung der Struktur innerhalb des Systems. Ich finde es richtig, dass die FDP-Bundestagsfraktion dieses „Reförmchen“ nicht mitgetragen hat.
Die Eigenverantwortung, die Sie, Frau Strempel, von den Bürgern unseres Landes verlangen, hätten Sie vor zwei Tagen zeigen können, als es um die Versorgung der Bürger ging, die hier als Abgeordnete des Landtages sitzen.
Die Anfrage zeigt, dass das Gesundheitsmodernisierungsgesetz zahlreiche Einschnitte für die Patienten gebracht hat. So sind jedem die zehn Euro Praxisgebühr und die erhöhten Zuzahlungen bekannt. Außerdem wurden Zahnersatz und Sehhilfen fast vollständig aus dem Bereich der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen verbannt. In diesem Zusammenhang – diese Zahl ist heute schon einmal genannt worden – sank der Umsatz der Optiker um 48 % im Jahr 2004. Ob das das normale Maß ist, wie Sie sagen, Frau Strempel, stelle ich dabei allerdings infrage.