Protokoll der Sitzung vom 07.09.2005

Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Was will uns Herr Hähle damit sagen? Er hält es also für möglich, dass eine sächsische Staatsanwaltschaft nicht ihrem gesetzlichen Aufklärungsauftrag, wie es Herr Mackenroth vorhin wortreich beschrieben hat, nachkommt, sondern „eine politische Hexenjagd“ veranstaltet. Er übersieht dabei geflissentlich, dass die Anordnung zu einer Durchsuchung bei Herrn Schommer nach Prüfung der Verdachtslage von einem unabhängigen Gericht und nicht von INES getroffen wurde. Entschuldigung – was soll der Hinweis auf einen angeblich respektlosen Umgang mit einer verdienstvollen Persönlichkeit? Soll ein Ministeramt in Sachsen vor staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen schützen? Kommt es etwa einer Majestätsbeleidigung im ehemaligen Reiche König Kurts gleich, wenn eine Hausdurchsuchung bei einem Ex-Minister stattfindet? Ich sage Ihnen: Mit dieser öffentlichen Presseerklärung war der Ton angeschlagen, in dem dann die flächendeckende Jagd auf die INES-Mitarbeiter durch die konkurrierende Staatsanwaltschaft Chemnitz eröffnet werden konnte. Wenige Tage später schickt die Staatsanwaltschaft jedenfalls dem Justizministerium die Entwürfe für die Anträge. War die Anordnung, die Telekommunikationsverbindungsdaten zu erheben, rechtmäßig? Bisher hat die Staatsregierung den Anordnungsbeschluss in dieser Sache nicht zur Verfügung gestellt. Dies wäre durchaus in anonymisierter Form möglich gewesen und wurde im Fall SEKEinsatz Loschwitz auch so gehandhabt. Wir wissen bis heute nicht genau, gegen wen die Anordnung ergangen ist. Gegen Herrn Ball oder erst nach einem gewissen Zeitverlauf gegen Herrn Ball oder gegen den Journalisten? Wir wissen auch nicht, von welcher Erkenntnisgrundlage gegen Herrn Ball die Staatsanwaltschaft ausging. Offenbar wird er des Geheimnisverrates und der Bestechlichkeit verdächtigt, weil er den Durchsuchungstermin bei Herrn Schommer gegen Geld an die „Morgenpost“ verraten haben soll. Es ist dringend aufklärungsbedürftig, wieso ein solch schwerwiegender Verdacht auf Herrn Ball lasten soll. Immerhin fällt auf, dass zwischen der Anordnung der Durchsuchung bei Herrn Schommer durch das Gericht und dem Vollzug der Durchsuchung mehrere Wochen lagen.

(Zurufe von der SPD)

Damit steigt natürlich die mögliche Anzahl der Mitwisser und damit auch der Presseinformanten. Auch Staatsminister Mackenroth wurde vor der Durchsuchung bei Herrn Schommer unterrichtet, wie wir mittlerweile wissen. Jedenfalls stand es so in der „Morgenpost“. Wieso verfestigt sich dann der Verdacht auf Herrn Ball, obwohl dieser offenbar selbst Kontakte zur Presse angegeben hatte? Sollte hier etwa der Bearbeiter wichtigerer Verfahren, die der CDU nicht passen, ausgeschaltet werden?

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Weil er unbequem ist! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: So was gibt es nicht!)

Der Fall wirft die Frage auf, ob neue rechtliche Regelungen zum Schutz der Pressefreiheit erforderlich sind. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 12. März 2003 steht fest, dass die Erhebung von Verbindungsdaten bei einem Journalisten ein Eingriff in die Pressefreiheit nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes bedeutet, der aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann, wenn es sich um eine Straftat von erheblichem Gewicht handelt. Es ist fraglich, ob das hier der Fall ist. Herr Kollege Martens hat dazu auch Ausführungen gemacht. Allerdings kann ich ihm dabei nicht ganz folgen. Zwar ist in § 100a diese Tat nicht im Straftatenkatalog enthalten, es ist aber ein „Insbesondere“Tatbestand, öffnet also diese Vorschrift. Hier können wir durchaus die neuere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Großen Lauschangriff aus dem Jahre 2004 heranziehen, die das Höchststrafenkriterium von fünf Jahren einführt. Wenn ich von einer Anordnung gegen den Journalisten ausgehe, dann steht wohl der Straftatbestand der Bestechung im Raume. Dieser sieht durchaus eine Höchststrafe von fünf Jahren vor. Ich möchte damit nur sagen: Es ist durchaus möglich, dass es rein gesetzestechnisch argumentierbar ist und dass das von der Staatsanwaltschaft so gehandhabt wurde. Worin ich Ihnen aber zustimmen möchte – darauf hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2003 ausdrücklich hingewiesen – ist, dass bei Anordnungen gegen Journalisten die Ausstrahlungswirkung der Pressefreiheit in jedem Fall zu beachten ist.

(Der Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP, lächelt.)

Herr Martens, Sie lächeln. Da bin ich aber froh, wenn wir darin einer Meinung sind. Ich habe den Eindruck, dass diese Ausstrahlungswirkung nicht in erforderlicher Art und Weise gewürdigt worden ist. Herr Staatsminister hat gesagt, er habe diese Frage durchaus bedacht und abgewogen, ist aber zu einem anderen Ergebnis gekommen. Ich glaube, genau an dieser Stelle muss unsere Kritik ansetzen. So leichtfertig kann man mit dem hohen Gut der Pressefreiheit nicht umgehen. Dennoch wird meine Fraktion Punkt 1 des Antrages der PDS-Fraktion nicht zustimmen. Der Landtag hat im Augenblick weder die Kenntnis – das ist das Versäumnis der Staatsregierung – noch die Befugnis festzustellen, ob Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwalt Chemnitz ein Eingriff in die Pressefreiheit bedeuten. Dies steht allein den Gerichten zu. Der Landtag als Legislative sollte sich dabei heraushalten. Dies gilt, Herr Bartl, trotz Ihrer vielen wortreichen Ausführungen. Was muss zur Neuregelung getan werden? Nach Ansicht meiner Fraktion müssen Journalisten in den Schutz des § 100h einbezogen werden. Ich möchte aber auch vor einem Missverständnis warnen. Sollte die Anordnung gegen den Journalisten unmittelbar wegen des Verdachts der Bestechung ergangen sein, wäre eine schützende Neu

regelung kaum möglich. Nach bisherigem Recht sind Zeugnisverweigerungsberechtigte nicht geschützt, wenn sie selbst einer Straftat verdächtig sind. Das Zeugnisverweigerungsrecht stellt sie nicht von der Pflicht zur Einhaltung der Gesetze frei. Es ist aber in der Tat nicht einzusehen, warum Geistliche, Verteidiger oder Abgeordnete geschützt sind, Journalisten aber nicht. Daher unterstützen wir den Punkt 2 des Antrages und werden diesem zustimmen. In den letzten Tagen haben sowohl die Staatsregierung als auch die PDS-Fraktion und auch Kollege Martens versucht, die Verantwortung für die schlechte Gesetzgebung der rot-grünen Bundesregierung zuzuschieben. Dazu sage ich Ihnen kurz zwei Dinge: Seit dem 1. Juli 2005 gilt nach § 100c Abs. 6 der Strafprozessordnung ein lückenloser Schutz aller Zeugnisverweigerungsberechtigten, also auch von Journalisten, beim Abhören von Telefongesprächen. Wer Herrn Schily kennt, den Bruder im Geiste von Herrn Beckstein, weiß, an wem eine weitergehende Regelung in dieser Frage gescheitert ist. Ich denke, nicht an den GRÜNEN. Das Wichtigste ist, dass INES aus dieser Affäre unbeschädigt hervorgeht. Wir danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von INES für ihre geleistete Arbeit.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Prof. Dr. Georg Milbradt)

Die CDU hat auch zugestimmt.

(Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt: Wenn sie nicht zugestimmt hätte, wäre das Gesetz nicht verabschiedet worden!)

Wir danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von INES trotz des Zwischenrufs des Herrn Ministerpräsidenten für ihre geleistete Arbeit und rufen sie auf, diese ohne Ansehen der Person mutig fortzusetzen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird sie dabei unterstützen. Dennoch werden wir Punkt 3 Ihres Antrages ablehnen. Wir stehen zwar der Abschaffung des Weisungsrechts der Staatsanwaltschaft durchaus offen gegenüber, aber bitte nicht als Sonderrecht für INES-Staatsanwälte. Eine richterliche Unabhängigkeit für Polizeibeamte ist ein absurdes Versehen, was wahrscheinlich nur im Eifer des Gefechts, schnell einen Antrag schreiben zu müssen, unterlaufen sein kann. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Damit ist die erste Runde der Diskussion beendet. Ich frage, ob es weiteren Redebedarf gibt. – Für die CDU-Fraktion hat Prof. Schneider das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Sitzung dieses Hohen Hauses geht auf einen Antrag zurück, den die PDS-Fraktion vor einigen Tagen gestellt hat. Er bezieht sich auf einen Sachverhalt, den mein Kollege Schiemann eben dargestellt hat und auf den auch ich mich beziehe.

Tatsache ist, dass die Staatsanwaltschaft Chemnitz im Rahmen eines gegen einen Angehörigen der Integrierten Ermittlungseinheit Sachsen, also INES, gerichteten Ermittlungsverfahrens bei dem Betroffenen und bei einem Journalisten unter anderem Telekommunikationsdaten erhoben hat. Herr Kollege Lichdi, soweit Sie auf eine Sondersitzung des Ausschusses, die neben dieser heutigen Sitzung stattfindet, Bezug nehmen, hätte ich mir doch sehr gewünscht, dass Sie bei der Ausschusssitzung am vergangenen Montag anwesend gewesen wären, in der Herr Staatsminister umfassend Rede und Antwort zum Sachverhalt gestanden hat, soweit er bis dahin aufgeklärt war. Nun brauchen Sie offensichtlich diese Sondersitzung. Ich hätte mir Ihre Anwesenheit eher im Ausschuss gewünscht.

Prof. Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Lichdi?

Frau Präsidentin, ich möchte meinen Gedankengang zu Ende bringen. Ich werde keine Zwischenfrage zulassen. Meine Damen und Herren! Es geht einerseits um die Frage des Verhältnisses zwischen der Freiheit der Berichterstattung der Presse einschließlich des Informantenschutzes und andererseits darum, wie das Interesse zu gewichten und wie die Aufklärung von Straftaten – hierbei geht es immerhin um einen möglichen Geheimnisverrat auf behördlicher Seite – zu werten ist. Meine Damen und Herren! Deutlich ist, dass die Pressefreiheit unbestritten ein überragendes Gut in unserer Verfassung darstellt. Vereinzelt ist hier bereits auf Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes hingewiesen worden. Sie ist, wie dies Roman Herzog in seinem Kommentar zum Grundgesetz ausführt – ich zitiere – „für das Funktionieren eines demokratischen Staates und einer demokratischen Gesellschaft schlechterdings ein unverzichtbares Grundrecht." Durch die grundrechtliche Gewährleistung unterscheidet sich der freiheitlich-demokratisch verfasste Rechtsstaat deutlich von totalitären Systemen. Die Ausübung staatlicher Repressionen im SEDRegime gegenüber Versuchen der freien Berichterstattung bleibt als warnendes Beispiel, meine Damen und Herren. Die Pressefreiheit schützt unbestritten auch die Freiheit der Berichterstattung. Im Grunde erstreckt sie sich auf die Arbeit und die gesamte Arbeitsfähigkeit der Presse schlechthin. Meine Damen und Herren! Auch der Journalist – das soll hinzugefügt werden – ist Grundrechtsträger des Grundrechts auf Pressefreiheit. Das wird in diesem Hohen Hause niemand in Zweifel ziehen. Wenn man die Pressefreiheit zum einen grundgesetzlich verankert und auf Journalisten erstreckt, dann muss dieses gerade in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren seinen Ausdruck finden. Seit mehr als 30 Jahren ist in der Bundesrepublik Deutschland gesetzlich sichergestellt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Presse und Rundfunk ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht in Strafverfahren haben: § 53 Abs. 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung.

Meine Damen und Herren! Dies erstreckt sich auch auf das Verhältnis zwischen der Vertraulichkeit der Presse und des Journalisten zum Informanten. Dies ist im Grunde die gesicherte Rechtsprechung seit dem Jahre 1965; eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im 20. Band. Ohne die Zubilligung eines Aussageverweigerungsrechtes wäre es mit der Pressefreiheit des Journalisten nicht weit her. Dies wird und will niemand hier in Zweifel ziehen: nicht in diesem Hohen Hause, nicht auf der Seite der Staatsregierung und nicht auf der Seite der Justiz. Dies gilt nach unserer Überzeugung auch für die im Zuge des Ermittlungsverfahrens gegen einen Angehörigen der Ermittlungseinheit INES befassten Personen. Meine Damen und Herren! Es muss aber auch deutlich gemacht werden – dieses will ich herausstellen –, dass zwischen Pressefreiheit und dem öffentlichen Interesse an der Aufklärung von Straftaten ein Spannungsverhältnis besteht, das nach der gegenwärtig bestehenden Rechtslage nicht ohne weiteres lösbar ist. Dies wird an dem Sachverhalt INES, wie er sich heute darstellt, in besonderer Weise deutlich. Die gegenwärtige gesetzliche Regelung muss im Einzelfall, weil sie inkonsistent ist, im Blick auf die straffreie Ausübung und Ausgestaltung der strafprozessualen Ermittlungsbefugnisse geradezu Konflikte auslösen. Der Grund liegt in Artikel 5 Abs. 2 des Grundgesetzes. Danach sind Pressefreiheit und Rundfunkfreiheit in den Schranken der Vorschriften der allgemeinen Gesetze zu bewerten. Damit geht es auch um die Frage des Verhältnisses der Pressefreiheit zu Regelungen in der Strafprozessordnung, hier der §§ 100g und h, die die Anordnung der Auskunft über Telekommunikationsverbindungsdaten auch im Bereich der Presse zulassen. Ich sage es noch einmal: Es muss notwendigerweise zu Konflikten und Kollisionen kommen, weil das Normengeflecht derzeit nicht konsistent aufgelöst ist. Herr Kollege Lichdi, soweit Sie auf das In-KraftTreten der §§ 100g und h der Strafprozessordnung hingewiesen haben – wobei ich mir gewünscht hätte, dass Kollege Lichdi die Debatte, bei der er selbst beteiligt war, hier verfolgen würde –: Diese Regelungen der §§ 100g und h sind am 1. Januar 2002 in Kraft getreten. Dem Gesetzentwurf der rot-grünen Bundesregierung lag die Erwägung zugrunde, es werde „auf der Grundlage gegenwärtig erstellter Gutachten bis dahin insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung von Zeugnisverweigerungsrechten ein den Besonderheiten aller Ermittlungsmaßnahmen gerecht werdendes Gesamtkonzept erarbeitet und umgesetzt werden.“ Dazu ist es nicht gekommen. Die rotgrüne Bundesregierung hat dieses Konzept bis heute nicht geschaffen, sondern im Grunde genommen bis Ende 2007 vertagt. Dieser völlig unbefriedigende Regelungszustand hat die folgenden Auswirkungen. Das ist die tatsächliche Ursache der heutigen Sitzung. Paragraf 100h Abs. 2 der Strafprozessordnung in der heutigen Fassung geht auf die Empfehlung des Rechtsausschusses im Bundestag zurück. Sie begründet unter anderem im Umfang des Zeugnisverweigerungsrechtes für bestimmte Gruppen ein Beweiserhebungsverbot bzw. Beweisverwertungs

gebot. Diese Gruppen sind erstens Geistliche, zweitens Verteidiger des Beschuldigten und drittens Parlamentarier. Das Problem ist, dass Journalisten ebenso wenig in § 100h Abs. 2 der Strafprozessordnung genannt sind wie beispielsweise Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder auch Ärzte. Dies bedeutet, meine Damen und Herren, dass für diese genannten Berufsgruppen ein Normenkonflikt programmiert ist. Einerseits ist beispielsweise der Journalist mit einem Zeugnisverweigerungsrecht ausgestattet. Unabhängig davon und dennoch dürfen bei ihm Telekommunikationsverbindungsdaten nach Maßgabe von § 100g StPO abgerufen werden. Jeder Ermittler – das war das Problem, vor dem die Staatsanwälte gestanden haben – sieht sich in einem Fall wie dem vorliegenden mit anderen Worten geradezu in den Regen gestellt. Dem schließen Sie sich an, Herr Bartl; denn klar ist, dass es sich natürlich bei dem Vorgang nach § 100g StPO um einen Eingriff in die Pressefreiheit handelt. Allerdings ist dieser Eingriff gesetzlich legitimiert. Wenn wir zu dieser Regelungslage einmal die rechtspolitische Landschaft anschauen, die sich hier darstellt, stellen wir Folgendes fest: Manche drücken die „Verwunderung darüber aus, dass Journalisten nicht in den Schutz einbezogen sind“. Manche kritisieren mit Recht die Widersprüchlichkeit des Katalogs, den ich eben genannt habe, und weisen insbesondere darauf hin, dass es inkonsequent sei, Parlamentarier beispielsweise, aber nicht Journalisten auszunehmen. Auch wird die dazu abgegebene „dürftige Begründung“ gerügt, die die rot-grüne Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren dazu abgegeben hat. Man mag die Rechtslage in der Tat für unbefriedigend halten. Es fehlt bis heute ein klares gesetzliches Konzept, das die Regelungen der strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrechte einerseits mit den Regelungen über die Telekommunikationsüberwachung andererseits in Einklang bringt. Wir, die CDU-Fraktion, meine Damen und Herren, hätten uns eine geeignete gesetzliche Regelung seit geraumer Zeit gewünscht, und wir stützen uns auf die Ausführungen, die dazu im Anhörungsverfahren vor dem Deutschen Bundestag, insbesondere vom Bundesrichter Nack, abgegeben worden sind. Auch wir sehen die Erhebung von Verbindungsdaten bei Journalisten jedenfalls insoweit problematisch an, als der Journalist selbst als Nachrichtenmittler betroffen ist – kein Zweifel, Herr Dr. Martens. Aber: Entscheidend ist, dass eine Problemlösung ausschließlich durch den Bundesgesetzgeber erfolgen kann. Hier besteht Handlungsbedarf und diesen rügen wir seit geraumer Zeit. Die Bundesregierung ist hier allerdings untätig geblieben. Bis auf die Absicht, bis Ende 2004 ein Gesamtkonzept umzusetzen, ist nichts weiter geschehen. Soweit Sie, Herr Lichdi, auf die Regelungen des § 100c StPO hinweisen, ist nur hinzuzufügen: Dort geht es um Telefonüberwachung – hier gerade nicht! Im Zusammenhang mit der Abfrage von Telekommunikationsverbindungsdaten ist eine – vorsichtig ausgedrückt – gewisse Verärgerung der Presse festzustellen. Das ist nachvollziehbar. Zweifellos handelt es sich um einen Eingriff in die Pressefreiheit. Allerdings ist die Ursache nicht im Handeln

der Justiz und nicht im Handeln des Justizministeriums zu sehen, sondern die Ursache für die ungeklärte Sach- und Rechtslage liegt ausschließlich im rechtspolitischen Untätigbleiben der Bundesregierung. Dort und nicht hier liegt die Ursache des Problems. Soweit Sie, Herr Dr. Martens, in Ihrem Beitrag die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme gerügt haben, möchte ich Ihnen sagen: Akzeptieren Sie, dass es hierbei um eine richterliche Handlung gegangen ist, auf die sich mein Kollege Marko Schiemann gestützt hat. Damit setzen Sie sich mit keinem Wort auseinander. Meine Damen und Herren! In dem Antrag, der zur heutigen Sondersitzung geführt hat, beanstandet die PDS-Fraktion oder Linkspartei die von der Staatsanwaltschaft veranlasste Erhebung von Telefonkontaktdaten – ich zitiere – „als einen in seiner Wirkung nicht hinnehmbaren Eingriff in die durch das Grundgesetz und die Verfassung des Freistaates Sachsen garantierte Pressefreiheit". Sie beruft sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Stimmt!)

In Anbetracht der von mir dargelegten differenzierten Rechtslage gibt es für die Beurteilung Ihres Antrages, Herr Dr. Hahn, den Sie unterschrieben haben, nur zwei Varianten für die Bewertung: Entweder betreiben Sie hier billigen politi- schen Klamauk – Klammer auf: Bartl-Wahlkampfgetöse –

(Beifall bei der CDU)

oder Sie sind einmal mehr verfassungsrechtlich unfähig und blind. Meines Erachtens trifft beides zu. Sie reden von einem – ich zitiere – „massiven Lauschangriff". Sind Sie denn nicht in der Lage, zwischen der Abfrage von Telekommunikationsverbindungsdaten einerseits, um die es hierbei geht, und dem inhaltlichen Abhören von Telefonaten andererseits, von dem hier keine Rede sein kann, zu unterscheiden? Sie berufen sich in Ihrer Begründung auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Februar 2005. Ist Ihnen nicht bekannt oder wollen Sie dies unterdrücken, dass die Entscheidung einen Fall betrifft, in dem ein Mobiltelefon – jetzt kommt der entscheidende Punkt – ohne richterliche Anordnung beschlagnahmt werden sollte? Ist Ihnen von der PDS-Fraktion nicht bekannt, dass das Bundesverfassungsgericht gerade in der von Ihnen Bezug genommenen Entscheidung ausgeführt hat, dass die §§ 100g und h StPO eine geeignete gesetzliche Grundlage sind? Sie nehmen ebenfalls nicht zur Kenntnis, dass das Bundesverfassungsgericht die Notwendigkeit der richterlichen Entscheidung gefordert hat.

(Zuruf des Staatsministers Geert Mackenroth)

Das ist aber gerade hier der Fall, ausweislich der Entscheidung des Amtsgerichts Chemnitz.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS)

Was Sie, Herr Bartl, betreiben und einige Vorredner gemacht haben, ist nichts anderes, als eine billige Richterschelte auf dem Rücken der sächsischen Justiz – mehr nicht.

(Beifall bei der CDU)

Ist Ihnen denn nicht näher bekannt, was das Bundesverfassungsgericht in der von Ihnen benannten Entscheidung vom 12. März 2003 ausgeführt hat? Danach ist die Verfassungsmäßigkeit der Erhebung von Telekommunikationsverbindungsdaten ausdrücklich bejaht worden. In dieser Entscheidung führt das Bundesverfassungsgericht aus – ich zitiere –, „dass es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers ist, im Zuge einer Abwägung zu klären, wie weit das Strafverfolgungsinteresse gegenüber dem Interesse der Medien an der Geheimhaltung ihrer Recherchen zurücktreten soll." Das Entscheidende ist, dass das Bundesverfassungsgericht auch darauf hinweist, zwar läge insoweit ein Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Fernmeldegeheimnis vor – Artikel 10 Grundgesetz –, aber ein solcher Eingriff – so das Bundesverfassungsgericht – sei aufgrund des Gesetzes zulässig. Das ist der entscheidende Punkt.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! So schmerzlich es sein kann und so schmerzlich es für die betroffene Presse und den Journalisten ist, dem daher insofern schon ein gewisses Mitgefühl gebührt, führt aber das Bundesverfassungsgericht gleichwohl weiter aus: Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz gebietet es nicht, Journalisten generell von strafprozessualen Maßnahmen auszunehmen. Der Gesetzgeber ist weder gehalten noch steht es ihm frei, der Presse- und Rundfunkfreiheit absoluten Vorrang vor allen anderen wichtigen Gemeinschaftsgütern einzuräumen. Meine Damen und Herren! Das ist der entscheidende Ansatz. All dies ist nicht vom blauen Himmel geholt, sondern all dies ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auf die Sie sich doch berufen. Wir haben daher weder Anlass – –

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS, steht am Mikrofon.)

Herr Prof. Porsch, ich möchte meinen Gedanken erst zu Ende führen und bitte Sie Platz zu nehmen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ob ich dem nachkomme, liegt in meinem Ermessen! – Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat keinen Anlass, weder das Handeln des Justizministers noch das Handeln der Staatsanwaltschaft in Zweifel zu ziehen.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS – Weitere Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Geheimnisverrat durch staatliche Instanzen, wie es im Falle eines Mitgliedes von INES möglicherweise geschehen ist, ist kein Kavaliersdelikt. Gerade dem Vertrauen in die Integrität der mit Strafermittlungen befassten Organe des Staates kommt eine herausragende Bedeutung zu. Herr Kollege Dr. Martens, damit befassen Sie sich nicht. Geheimnisverrat ist kein Kavaliersdelikt. Wenn ich Ihre Ausführungen höre, scheint das doch anders zu sein. Das ist das Spannungsfeld, in dem sich die sächsische Justiz befunden hat und das aufgrund des Fehlens eines ausreichenden Regelungskonzeptes, für das die Bundesregierung, wie sie jetzt noch amtiert, verantwortlich ist. Ich komme nicht umhin, wenn ich mir Ihre Anträge anschaue, der PDS Doppelzüngigkeit und Maßlosigkeit vorzuwerfen.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Oh!)

Es nimmt schon Wunder – Sie wollen alles so verharmlosend darstellen, aber es nimmt schon Wunder, muss ich Ihnen sagen, Frau Dr. Ernst –, dass sich ausgerechnet die PDS als Hüter des Grundrechts auf Pressefreiheit in Szene zu setzen versucht. Liegt es denn schon so lange zurück? Es ist wohl erst ein Jahr her,

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Besser spät als nie! – Weitere Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

als der Fraktionsvorsitzende der PDS und seine Anwälte die Presselandschaft mit Klagen und Klagedrohungen überzogen haben.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Es ist exakt derselbe Punkt, im Grunde genommen der Versuch, die Presse in ihrer Wirkung zurückzudrängen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ich habe den Richter gefragt!)

Wären Sie Manns genug gewesen, Herr Prof. Porsch, dann wären Sie nicht vor das Landgericht Hamburg gezogen, sondern Sie hätten vor sächsischen Gerichten Ihr Recht zu erreichen versucht. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS – Weitere Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Ein zweiter Punkt: Hat die in dem Namen Linkspartei gehäutete frühere SED und heutige PDS,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie sind eins mit Herrn Leichsenring! – Weitere Zurufe von der Linksfraktion.PDS)