Die Übereinkunft zur Exzellenzinitiative besagt, dass dem deutschen Hochschulsystem in den kommenden sechs Jahren zusätzlich 1,9 Milliarden Euro von Bund und Ländern zur Verfügung gestellt werden. Das ist eine Chance für das deutsche Hochschulsystem und natürlich auch für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Aber es ist uns allen klar, dass nicht allein diese 1,9 Milliarden Euro von Bund und Ländern das Wissenschaftssystem in unserem Land nach vorn bringen können.
Konkret geht es bei der Bund-Länder-Vereinbarung um drei projektorientierte Förderlinien, nämlich um erstens den Exzellenzcluster.
Hiermit soll die Forschung von Universitäten und Wissenschaftsorganisationen nachhaltig durch die Förderung herausragender Zentren in bestimmten Forschungsdisziplinen gestärkt werden. Universitäten sollen dabei mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft als Partner zusammenarbeiten. Das ist gerade für uns in Sachsen ein ganz wesentlicher Punkt. Für jedes dieser etwa 30 geförderten Netzwerke stehen pro Jahr durchschnittlich 6,5 Millionen Euro zur Verfügung. In Summe sind das insgesamt 195 Millionen Euro.
Mit diesem Programmteil soll das Forschungsprofil von bis zu zehn ausgewählten Universitäten weiter gestärkt werden. Für diesen Bereich sind insgesamt 210 Millionen Euro pro Jahr eingeplant. Der Umfang jedes Fördervorhabens soll im Durchschnitt bei 21 Millionen Euro liegen.
Junge Menschen, die sich für eine wissenschaftliche Laufbahn entscheiden, sollen hier die besten Voraussetzungen dafür finden.
Nach meiner Kenntnis wollen sich alle vier antragsberechtigten sächsischen Universitäten an diesem Exzellenzwettbewerb beteiligen. Es sollen voraussichtlich Antragsskizzen für zehn Exzellenzcluster und zehn Graduiertenschulen eingereicht werden. Die Technische Universität Dresden und die Universität Leipzig werden zusätzlich Antragsskizzen für den Wettbewerb um diese Zukunftskonzepte einbringen.
Das erste von sechs durch den Bund geförderten „Zentren für Innovationskompetenz“ in den neuen Ländern wurde im Juni dieses Jahres in Dresden eröffnet.
Ich habe nur festgestellt, dass hier weitestgehend verkündet wurde, was schon bekannt ist, bzw. darauf eingegangen wird – natürlich nur am Rande –, dass in Sachsen weitere Großforschungseinrichtungen angesiedelt werden. Oftmals – wahrscheinlich kommt das dann noch – wird darauf verwiesen, dass Sachsen Spitze bei den Großforschungseinrichtungen ist, zumindest, wenn man sich mit anderen ostdeutschen Ländern vergleicht. Aber ich sage Ihnen, die Anzahl und der Konzentrationsgrad von Großforschungseinrichtungen ist nicht entscheidend. Ein einfaches Beispiel: In Alaska gibt es wesentlich mehr Forschungseinrichtungen, aber niemand wird sagen, Alaska ist in der Forschung Spitze.
Was können wir feststellen? Die Rednerinnen und Redner der Koalitionsfraktionen SPD und CDU sind auf die Forschung eingegangen. Vergessen wurden die Forscherinnen und Forscher in den Unternehmen. Vergessen wurden die Studierenden, die in Sachsen auch Forschung und Entwicklung betreiben. Dazu gibt es keine Aussagen und die Trends in den letzten Jahren werden auch nicht beschrieben.
Ein Trend von Forschung und Entwicklung ist die klare Konzentration vieler Mittel auf Dresden. Seit der Existenz des Freistaates Sachsen fließen zirka ein Drittel aller Technologiefördermittel in die Region in und um Dresden. In Dresden ist die Mehrzahl der Großforschungseinrichtungen konzentriert: drei von sechs Max-Planck-Instituten, neun von zehn Fraunhofer-Instituten, vier von sieben Leibniz-Instituten. Natürlich kann man dann darauf verweisen, dass Dresden Spitze in den Technologieregionen ist. Im Forschungsranking der EU ist man auf dem 9. Platz, international also vergleichbar.
Man kann aber auch andere Zahlen vergleichen, wenn man sich Sachsen ansieht und sagt, wie sieht es denn im Forschungs- und Entwicklungssektor aus. Die Ausgaben je Einwohner liegen in Sachsen bei zirka 214 Euro, in den alten Bundesländern bei zirka 500 Euro und in Bayern – damit vergleicht man sich gern – liegt man bei 700 Euro. Das Personal je 1 000 Einwohner liegt in Sachsen bei 25, bundesweit im Durchschnitt bei 41 und in Bayern bei 62.
Wir haben viele kleine und mittelständische Unternehmen, die sich keine Forscher und Entwickler und keinen Forschungsvorlauf leisten können. Sie können damit im Wettbewerb natürlich nicht mithalten. Festzustellen ist – das wurde von Ihnen nicht angesprochen –, dass wir eine doppelte Schere haben: die Schere zwischen Ost und West und die Schere zwischen Dresden und dem Rest des Landes. Nun können Sie ja darauf verweisen, dass wir trotzdem Spitze sind. Aber dann, Herr Wirtschaftsminister Jurk und Frau Wissen
schaftsministerin Ludwig, erklären Sie mir bitte, warum die Zahl der Patentanmeldungen seit 1998 beständig zurückgeht. Hat dies vielleicht doch damit zu tun, dass Stellen an den Hochschulen gestrichen worden sind, der Hochschulkonsens nicht für Forschung und Entwicklung förderlich ist? Hat es damit zu tun, dass Absolventen weiterhin abwandern, obwohl wir 600 Millionen Euro oder sogar mehr jährlich an den Hochschulen investieren?
Wir hatten im Haushalt die Debatte um die Landesstipendien, um die Leute, die exzellente Forschung betreiben. Sie haben versprochen, die Stipendien werden fortgeführt. Die 13 Betroffenen haben Angebote bekommen oder haben sich um entsprechende Stipendien beworben. Vier Stipendien sind entsprechend fortgeführt worden, das heißt, wir haben neun Leute einfach so ziehen lassen und aufgegeben.
Gehen wir noch einen Schritt weiter. Wie sieht es in der Forschung aus? Wie sieht es mit dem von Ihnen gelobten Wiedereinstiegsprogramm und der Wirkung des Wiedereinstiegsprogramms aus?
Auf zwei Männer, die promovieren, kommt eine Frau. Auf fünf Männer, die habilitieren, kommt eine Frau. Auf zehn Lehrstühle, die Männer innehaben, kommt eine Frau. Die Relationen sind also eindeutig. Ja, ganze Teile der Bevölkerung in Sachsen sind ausgeschlossen.
Herr Wöller, es gibt auch noch andere Bereiche der Forschung, zum Beispiel die geisteswissenschaftliche. Manchmal wünschte ich mir, dass Ihre Kollegen und Sie sich selbst mehr damit beschäftigen, weil ich glaube, wie Sie die Entwicklung von Forschung und Entwicklung darstellen, heißt, dass das, was wir in Sachsen erreicht haben, der Höhepunkt und der Endpunkt der Geschichte ist. Das heißt, es gibt keine Alternativen mehr.
Die Politik der Sächsischen Staatsregierung, so wird oftmals gesagt, läuft darauf hinaus, die Starken zu stärken. Aber was machen wir mit dem Rest des Landes? Ist es nicht unsere Aufgabe, auch die anderen Regionen zu unterstützen und hatten wir nicht dafür sogar Instrumente? Ich erinnere an die Technologiezentren, an die Technologiegründerzentren in den strukturschwachen Regionen und an die ForschungsGmbHs. Die Mittel sind unter der CDU-Regierung zusammengestrichen worden und ich erwarte, dass sie in Zukunft aufgestockt werden. Welche Perspektiven bieten wir denn den Forscherinnen und Forschern im Lande?
Und noch eines: Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren einen Bundesforschungsbericht herausgegeben. Ich hoffe, dass der Freistaat Sachsen in Zukunft auch einen solchen herausgibt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Internetpräsentation des sächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst ist zu lesen, dass leistungsfähige Wissenschaftler und Ingenieure zu den Wegbereitern von Deutschlands Aufstieg zur großen Industrienation gehörten. Das ist sicherlich korrekt. Deutschland wurde einmal anerkennend in der Welt als Land der Dichter und Denker bezeichnet. Die deutsche Wissenschaft und Technik setzte weltweit Maßstäbe. Doch wie ist das heute?
Wir haben bei der Anhörung das Gerangel um die Professorenbesoldung erlebt und wissen, was daraus geworden ist. Das ist ein Punkt, der einem Angst und Bange macht. Wir sollten hier nicht nur darüber jubeln, was in der Forschungslandschaft in Ordnung ist, sondern auch den Finger in die Wunde legen. Sie haben sich der so genannten globalen Wissensgesellschaft verschrieben. Das ist auch auf der Internetseite nachzulesen. Was das im Endeffekt bedeutet, kann jeder nachvollziehen, der sich die Zahlen ansieht, wie viele Wissenschaftler jedes Jahr Deutschland den Rücken kehren, sei es aus finanziellen Gründen oder weil Gesetze den Forscherdrang hemmen.
Große Forscher und Erfinder, Wissenschaftler, Ingenieure und andere Geistesgrößen lebten in Sachsen. Es gab zahllose Erfindungen und Patente. Ich denke, jeder weiß, was alles in Sachsen erfunden wurde und welche Patente erworben wurden. Das waren in der Geschichte solche Dinge wie Webstuhl, Herrenarmbanduhr, Bildtelegraf, die erste deutsche Lokomotive usw. Das sollen nur Beispiele dafür sein, wie breit gefächert die Forschungslandschaft in Sachsen war.
Ein deutscher Wissenschaftler, der ausgewandert ist, sagte einmal: „Seit dem Krieg hatten wir nicht mehr die finanziellen Möglichkeiten, um Grundlagenforschung auf längere Zeit zu machen. Diese Art von ernsthaftem Geld haben nur die Amerikaner. In Deutschland und auch in Japan machen wir angewandte und neutrale Forschung zur unmittelbaren Anwendung, aber das Geld und die Positionen, um an der Spitze zu stehen, gibt es nur in Amerika. Also müssen wir dorthin gehen.“ Das ist das Schlimme, weil es aus meiner Sicht der Wahrheit entspricht. Das ist ein untragbarer Zustand für unser Land, so meine ich.
Der Journalist und Volkswirt Uwe Müller hat in seinem Buch „Supergau Deutsche Einheit – Zeitbombe Ost“ die wirtschaftliche Lage der so genannten neuen Bundesländer schonungslos analysiert. Nach seiner Auffassung hat sich die ökonomische Entwicklung in Mitteldeutschland nach der Wiedervereinigung als Desaster erwiesen. Das hat natürlich Einfluss auf die Forschungslandschaft. Die Zahl der Forscher und Entwickler in den neuen Bundesländern ist viel gerin
Nach transfergestützter Scheinblüte und industriellem Zusammenbruch, Massenarbeitslosigkeit und massiver Abwanderung aus Sachsen, Staatsverschuldung, schwächelndem Mittelstand fehlt es in Sachsen noch immer an einer marktfähigen Innovationskraft. Ich möchte an dieser Stelle ein Gespräch wiedergeben, das ich mit jemandem geführt habe, der zu DDR-Zeiten ein anerkannter Fachdirektor eines Forschungsinstituts in Dresden war. Er ist später in den geschäftsführenden Vorstand der IG Metall gewählt worden. Er hat mir sehr eindringlich erklärt, wie 1989/90 gut ausgerüstete und mit gut ausgebildeten Fachkräften besetzte Betriebe platt gemacht wurden. Ich meine nicht die Firmen, die verschlissen waren und am Weltmarkt keine Chance hatten, sondern hier geht es um wirklich innovative Firmen, unter anderem aus dem Bereich Mikroelektronik. Hier hat die Politik zugelassen, dass man sich unliebsamer Konkurrenz entledigen konnte.
Meine Damen und Herren! Sicherlich gibt es in Sachsen noch immer ernst zu nehmende Forschungsstandorte – Dresden ist angesprochen worden, das ist ganz klar und niemand wird es bestreiten –, aber so rosig, wie die Sache hier gemalt wird, sieht es doch nicht aus. Es ist notwendig, dass sich Forschungseinrichtungen und -labore für kleine Firmen öffnen. Mein Vorredner hat gerade angesprochen, dass es sich kleine Firmen nicht leisten können, teure Labore zu unterhalten und selber Forschung zu betreiben. Deswegen muss eine Öffnung stattfinden. Wir sollten nicht nur die Leuchttürme fördern, sondern auch den Kleinen eine Chance geben.
Ich möchte mit dem Zitat des Präsidenten des Vereins Deutscher Ingenieure schließen. Er sagte am 9. Mai 2005: „Erste Tendenzen zeigen heute, dass sich 2004 die Studienanfängerzahlen in den Ingenieurwissenschaften deutschlandweit erstmals wieder rückläufig entwickelt haben. Auch im Vergleich zu den OECDStaaten liegt Deutschland nur auf dem zehnten Platz von zwölf Nationen, wenn es um die Absolventen der ingenieur- und naturwissenschaftlichen Studiengänge pro 100 000 Erwerbspersonen im Alter von 25 bis 34 Jahren geht.“ Das ist eine Aussage, die uns nicht gerade jubeln lassen sollte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im internationalen Wettbewerb werden Sachsen und Deutschland in Zukunft nur durch eine starke Ausprägung forschungsintensiver Technologien bestehen. Im weltweiten Vergleich jedoch investiert Deutschland zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu wenig in Forschung und Entwicklung. Im Jahr 2003 wurden nur 2,5 % des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Wenn wir nach Japan schauen, sind es 3,15 %; Schweden und Finnland liegen bei 4,3 % bzw. 3,5 %. Gleichzeitig hat sich in Deutschland der Anteil der staatlich finanzierten Aufwendungen für Forschung und Entwicklung von 1995 bis zum Jahr 2003 dramatisch von 38 % auf 31 % verringert.
Nicht nur durch die zu geringen Ausgaben für Forschung und Entwicklung, sondern auch die rot-grüne „Antiforschungspolitik“ der vergangenen sieben Jahre wurde ein innovationsfeindliches Klima in unserem Land geschaffen. Restriktive Regelungen zu Gentechnik und Biotechnologien lassen Sachsen und Deutschland weltweit ins Hintertreffen geraten. Von der „Apotheke der Welt“ zum Trittbrettfahrer in der Pharmaforschung – tiefer kann ein Abstieg kaum sein.
Die Geschichte hat mehrfach gezeigt, dass die Forschung immer eigene Wege sucht und findet. Staatliche Einschränkungen können Forschung nicht bremsen, nur aufhalten. Wenn wir es daher nicht schaffen, den Forschern und dabei besonders den jungen Wissenschaftlern in Sachsen eine Perspektive zu bieten, dann gehen sie ihren eigenen Weg. Der führt sie aus unserer Region weg. So entwickeln diese gut ausgebildeten jungen Wissenschaftler in den USA oder in Asien die Medikamente, die wir in wenigen Jahren teuer im Ausland einkaufen werden. Zum heutigen Zeitpunkt sind im Freistaat Sachsen 173 Professorenstellen, davon 75 seit mehr als drei Semestern, nicht besetzt – vergleiche Landtagsdrucksache 4/2537. Hier haben wir die Möglichkeit, junge, talentierte Wissenschaftler in Sachsen zu halten oder vielleicht sogar nach Sachsen zu holen.
Sehr geehrte Damen und Herren, schon heute ist absehbar, dass wir durch die von Rot-Grün bewusst – das betone ich ausdrücklich – ausgeführte Unterdrückung von Technologien in einigen Forschungsbereichen, in denen wir heute zur Weltspitze gehören, stark zurückfallen werden.
Nehmen wir zum Beispiel die Bereiche Kern- und Strahlenschutztechnik. Jedes Röntgen- oder Bestrahlungsgerät in Krankenhäusern, jede Mobilfunkanlage erfordert sicherheitstechnische Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen.
Zur Verbesserung der Forschungslandschaft in Sachsen müssen die Probleme bei der Umsetzung der Forschungsergebnisse gelöst werden. Zahlreiche exzellente Arbeiten sächsischer Wissenschaftler werden noch ungenügend oder gar nicht in marktfähige Produkte
umgesetzt. Der Schritt vom Wissenschaftler zum Unternehmer wird noch zu wenig gegangen. Grund dafür ist vor allem, aber nicht nur, fehlender Unternehmergeist, sondern auch die häufig zu akademisch angelegte Projektförderung, bei der ein komplexes wissenschaftliches Werk mehr zählt als ein entwickelter Prototyp, auf dessen Basis eine Unternehmensgründung erfolgen kann.