Protokoll der Sitzung vom 21.09.2005

umgesetzt. Der Schritt vom Wissenschaftler zum Unternehmer wird noch zu wenig gegangen. Grund dafür ist vor allem, aber nicht nur, fehlender Unternehmergeist, sondern auch die häufig zu akademisch angelegte Projektförderung, bei der ein komplexes wissenschaftliches Werk mehr zählt als ein entwickelter Prototyp, auf dessen Basis eine Unternehmensgründung erfolgen kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Abschließend möchte ich feststellen, dass Sachsen mit den bestehenden Forschungseinrichtungen, Universitäten und engagierten mittelständischen Unternehmen eine gute Basis für innovative Forschung und Entwicklung aufweist. Die bessere Verzahnung von Forschung und Wirtschaft insbesondere durch den Abbau von bürokratischen Hürden – wer einmal einen Forschungsantrag gestellt hat, der weiß, dass der Aufwand enorm ist – und durch neue, verbesserte Finanzierungsbedingungen ist jedoch unabdingbar. Wir müssen die Finanzierung bereitstellen, um wissenschaftliche Spitzenleistungen in den Markt hineinzutragen; denn Forschung ist kein Selbstzweck.

Wir brauchen Innovation im Freistaat Sachsen und ich glaube, da ist der Freistaat auf einem guten Weg. Wir können erfolgreicher sein und die Dinge, die ich angesprochen habe, können dazu beitragen, dass wir zum Innovationsstandort Nummer eins in Europa werden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort. Herr Dr. Gerstenberg.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich wundere mich über das, was Herr Schmalfuß gerade vorgetragen hat. Ich kenne ihn eigentlich als einen sehr sachlichen Kollegen. Ich weiß auch, dass er nicht im Dresdner Wahlkreis 160 um ein Bundestagsmandat kämpft. Dass er dann unter der Überschrift „Forschungslandschaft Sachsen“ den Wahlkampf gegen Rot-Grün fortsetzt, ist schwer zu verstehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Werfen wir wieder einen Blick nach Sachsen und schauen wir auf das, was unter dem, was heute in Sachsen an Forschung grünt und blüht, als Urgestein liegt. Ich möchte es wirklich noch einmal nennen. Sachsen war von jeher ein Land, in dem die Menschen auf Neues aus waren, ein Land der Tüftler und der Erfinder. Die sächsischen Erfindungen – Sie kennen sie – reichen vom ersten europäischen Porzellan über die erste deutsche Dampflokomotive, über den ersten BH, damals noch „Frauenleibchen als Brustträger“ genannt, und den Kaffeefilter bis zur Spiegelreflexkamera.

Dieser Erfindungsgeist und dieser Tüftlerwille sind auch in der DDR erhalten geblieben. Ich glaube, trotz schwieriger ideologischer und materieller Bedingungen ist es sowohl in kleinen Forschungseinrichtungen als auch in den Großforschungszentren der Kombinate gelungen, Beachtliches zu leisten. Ich will nur ein Bespiel nennen. Ich bin überzeugt: Sachsen hat als Zentrum der Mikroelektronik und als Grundlage für Silicon Saxony, für die Ansiedlung von Infineon und AMD seinen Ausgangspunkt auch im Kristallisationskern Zentrum Mikroelektronik Dresden. Ich glaube, diese Entwicklung gilt es festzuhalten, wenn wir heute über angewandte Forschung und Grundlagenforschung sprechen.

Meine Vorredner haben viel an universitärer und außeruniversitärer Forschung genannt. Das kann ich mir sparen. Frau Raatz hat richtigerweise gesagt, dass wir noch nicht dort angekommen sind, wo wir hinkommen möchten. Ich glaube auch, dass es für uns in Sachsen keinen Grund für selbstzufriedenes Schulterklopfen in dieser Frage gibt. Wir sollten unseren Blick weiten und die sächsische Forschungslandschaft in einen europäischen Zusammenhang stellen. Dann werden wir sehen, dass der fortschreitende Strukturwandel hin zu einer Wissenswirtschaft, in dem wir uns befinden, die Forderung nach immer mehr Innovationsfähigkeit, nach neuen Technologien immer wichtiger erscheinen lässt.

Die EU-Kommission hat dem bereits im Jahre 2002 Rechnung getragen. Sie hat eine klare Forderung nach Steigerung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben aufgestellt. Die so genannte Forschungsintensität, das heißt der Anteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, soll auf 3 % gesteigert werden. Sachsen hat derzeit 2,5 % Forschungsintensität. Mit guten historischen Grundlagen, wie gerade kurz angerissen, sind wir damit im Osten Spitze, aber in Deutschland Durchschnitt.

Ich glaube, Mittelmaß ist für Zukunftsfähigkeit nicht genug. Was können wir also tun, um europäische Dimensionen zu erreichen? Gestatten Sie mir, dass ich in der Kürze der Zeit nur drei Schlaglichter auf die sächsische Forschungslandschaft werfe.

Zum Ersten meine ich, wir brauchen eine Prioritätenänderung in der Förderpolitik. Wir haben Ihnen das im Antrag unserer Fraktion „Aufbau Ost – Umsteuern in Sachsen“ bereits vorgeschlagen. Das hat noch keine Mehrheit gefunden, aber ich setze auf den steten Tropfen, der den Stein höhlt. Notwendig ist eine Umschichtung aus der Förderung von Straßeninfrastruktur hin zu Forschungs- und Technologieförderung.

Nun werfen Sie mir bitte nicht gleich wieder grüne Straßenfeindlichkeit vor. Wir stützen uns mit dieser Forderung auf Unternehmerumfragen, auf die große Studie des Prognos-Instituts zu Standortbedingungen in Sachsen – ganz aktuell! – und auch auf die Ergebnisse der Dohnanyi-Kommission – alles hoch gelobte Dinge,

die ständig zitiert werden. Die Schlussfolgerung daraus ist: Es gibt keinen Nachholbedarf mehr im Straßenbau, aber Sachsen hat zu wenig forschungsintensive Industrie. Um voranzukommen, ist es hier in Sachsen entscheidend, dass wir den Anteil der forschungsintensiven Industrie steigern. Wir haben, gemessen an der gesamten Beschäftigung unseres Landes, einen Anteil von 6,7 % Beschäftigten in diesem Bereich. Damit liegen wir hinter dem Saarland. Das heißt also, dass Fortschritte dort am ehesten zu erreichen sind. Eine eingeschränkte Nutzung öffentlich finanzierter Forschungsergebnisse ist auch auf die geringe Entwicklung der forschungsintensiven Industrie zurückzuführen.

Herr Hilker, festzustellen ist ein enger Zusammenhang zwischen der Zahl der Patentanmeldungen und den Ausgaben in der forschungsintensiven Industrie. Wir müssen also umsteuern. Wir müssen Sachsen zu einem Land mit hoher Forschungsintensität machen, nicht zum Land mit der größten Straßendichte.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS und der SPD)

Der zweite Punkt: Forschen heißt an morgen und übermorgen denken. Der Gedanke der Nachhaltigkeit sollte in der sächsischen Forschung eine besondere Rolle spielen. Wir schätzen deshalb das Umweltforschungszentrum Halle/Leipzig der HelmholtzGemeinschaft, wir erwarten aber auch, Frau Ministerin Ludwig und Herr Minister Tillich, dass das Forschungszentrum Bioenergie in Leipzig endlich vorankommt. Die Verzögerungen sind schwer zu verstehen.

Ebenso notwendig ist auch eine Umorientierung an den traditionellen Hochschulen. Frau Raatz hat die Exzellenzcluster ins Spiel gebracht. Ich nenne ein Beispiel: Die Bergakademie Freiberg hat ein Exzellenzcenter Energie gegründet. Der Schwerpunkt dieses Exzellenzcenters werden fossile Energieträger sein. Ich glaube, das steht in der Tradition dieser ältesten montanwissenschaftlichen Hochschule der Welt, wird aber in keiner Weise dem Ruf der Solarcity Freiberg und dem Übergang zum Solarzeitalter gerecht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich denke, Umsteuerungen in diesen Punkten sind Beiträge, um auch in Sachsen mit der Forschungslandschaft voranzukommen und den Zukunftsaufgaben gerecht werden zu können.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS und der SPD)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Lämmel, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den letzten 15 Jahren hat sich hier in Sachsen eine Infrastruktur im Bereich von Forschung und Entwicklung entwickelt, die im Osten Deutschlands ihresgleichen sucht und die auch über die ostdeutschen Grenzen hinaus als hervorragend zu beschreiben ist.

Meine Damen und Herren, man muss schon manchmal staunen, wie die Innensicht aus Sachsen heraus auf diese Infrastruktur ist und wie die Außensicht auf Sachsen ist. Herr Hilker, wenn man Sie so hört, muss man manchmal denken, Sie kommen im Lande wenig herum und sprechen zu wenig mit Leuten, die von außen auf Sachsen schauen; denn gerade die Sicht auf Sachsen im Bereich Forschung und Entwicklung zeigt eben, dass Sachsen einen exzellenten Ruf hat und dass die Infrastruktur hier in Sachsen in den letzten 15 Jahren einen Stand erreicht hat, den andere Regionen erst erreichen müssen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Gunther Hatzsch, SPD)

Wissen Sie, wenn Sie das an der Zahl der Großforschungseinrichtungen messen: Nun gut, wir haben Mitte der neunziger Jahre auch sehr darum gekämpft, dass Großforschungseinrichtungen nach Sachsen kommen. Heute stellt sich aber die Frage, ob diese Großforschungseinrichtungen, diese Jumbos, die wir in den alten Bundesländern haben, wirklich die Zukunft sind. Aus meiner Sicht hat sich die Infrastruktur, die wir in Sachsen mit einer Vielzahl verschiedener Institute von überschaubarer und auch finanzierbarer Größe haben, sehr bewährt.

Meine Damen und Herren, Roman Herzog schrieb zum Thema Forschung – ich zitiere –: „Forschung und Entwicklung leben mehr als von allem anderen von zwei Ressourcen, nämlich von den Menschen und vom Geld.“ Das, meine Damen und Herren, ist genau der Kern der Sache. Bestens ausgebildete, motivierte Forscher und Ingenieure hatten und haben wir hier in Sachsen. Das ist unsere wichtigste Ressource. Diese müssen wir uns erhalten.

Letztendlich ist es den engagierten Forscherinnen und Forschern zu verdanken, dass unser Land einen so guten Ruf in der Welt hat.

Was fehlte, war in den letzten Jahren Geld. Trotzdem muss man deutlich machen: Die Europäische Union, die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Sachsen haben in den letzten 15 Jahren immens viel Geld in die Forschungsinfrastruktur hier in Sachsen gesteckt. Die Zahlen sind teilweise schon genannt worden – Herr Gerstenberg, die 2,5 % Forschungsintensität. Natürlich sind wir deutscher Durchschnitt. Aber wir müssen doch auch einmal sehen, wo wir herkommen. Wir müssen uns mit neuen Bundesländern vergleichen wie Mecklenburg oder Brandenburg, damit

man sehen kann, was sich in den letzten 15 Jahren unterschiedlich entwickelt hat.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Es kommen eben, Herr Porsch, 42 % aller ostdeutschen Patentanmeldungen aus Sachsen und nicht aus Mecklenburg.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Noch eine Zahl: Die Innovationsquote sächsischer Produkte – das ist, glaube ich, sehr wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes – liegt bei 5,3 % und damit nur geringfügig unter dem deutschen Durchschnitt.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Von anderen ostdeutschen Ländern, Herr Porsch, ist da überhaupt nichts zu sehen. Also kann man zusammenfassen: Sachsen hat eine sehr positive Entwicklung genommen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hier war auch schon etwas da!)

Es war etwas da, aber das war lange nicht so leistungsfähig und zukunftsorientiert, wie wir es brauchten.

Man muss doch einmal zwei Dinge klarstellen: Die Ansiedlung des neuen Bereichs der Deutschen Forschungsgesellschaft, das Institut für regenerative Therapien, ist hier in der öffentlichen Diskussion einfach untergegangen. Das ist ganz einfach untergegangen im Wahlkampf.

Meine Damen und Herren, offensichtlich wird völlig verkannt, was gerade die Ansiedlung dieses Forschungsbereichs der Deutschen Forschungsgesellschaft für enorme Auswirkungen auf die wissenschaftliche Reputation Sachsens hat.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Wir müssen diesen Weg weitergehen. Wir müssen die Verkoppelung von Wissenschaft und Wirtschaft weiter voranbringen. Das ist der Schlüssel für die weitere Entwicklung der Wissenschaft in Sachsen, und das ist der Schlüssel für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen.

Meine Damen und Herren! Das ist aus meiner Sicht die größte Aufgabe, denn Wissenschaftler und Wirtschaftler ticken nun einmal verschieden. Unsere Aufgabe muss es sein, mit zu helfen, die beiden zusammenzubringen, damit die Wissenschaft, die Forschungslandschaft in Sachsen, auch ihren Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen erbringt. Es ist das Ziel, meine Damen und Herren, beides parallel zu entwickeln. Dann brauchen wir hier diese Debatten über

verschiedene Punkte gar nicht mehr zu führen. Wenn man den erfolgreichen Weg fortsetzt, wird Sachsen seine Reputation innerhalb Europas in den nächsten Jahren deutlich ausbauen können. Mit uns können Sie dabei rechnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Gunther Hatzsch, SPD)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Frau Dr. Raatz, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich Herrn Lämmel, auch wenn er mein Koalitionspartner ist, kurz ein wenig widersprechen.