Protokoll der Sitzung vom 23.09.2005

Nichts dergleichen geschieht. Deshalb empfinde ich das Schwingen der Nazi-Keule in diesem Fall als zutiefst verlogen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Drittens und Letztens noch einmal Äußerungen zur Arbeit des Bewertungsausschusses: Die Linksfraktion.PDS war mit den Kollegen Hahn und Bartl erstmals vertreten und sie haben es gestern in der nichtöffentlichen Sitzung zugestanden: Sie haben dieses Gremium erlebt als kein Gremium, in dem Rache und Vorverurteilung geherrscht hätten, sondern wir haben versucht, sachlich abzuwägen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist nichtöffentlich!)

Politische Abrechnung,

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Die finden wir eben!)

wie André Hahn vorgeworfen hat, ist ein Vorwurf, der wider besseres Wissen erfolgte.

(Heinz Eggert, CDU: Richtig!)

Der beste Beweis dafür ist, dass der einzige Einzelfall, den wir heute behandeln, Prof. Porsch ist.

Wir haben gestern in der Diskussion in der Nichtöffentlichkeit

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Exemplarisch!)

eine Fülle von Details und Sachvorwürfen aus dem Munde des Sprechers des Bewertungsausschusses gehört. Ich wiederhole es noch einmal: Ich bin offen in den Bewertungsausschuss und seine Sitzungen gegangen. Ich bin jetzt nach Studium der Akten und nach Abwägung der Überzeugung, Prof. Porsch war IM Christoph. Ich bin der Überzeugung, Prof. Porsch ist nicht etwa 14 Jahre lang einer Legende aufgesessen, sondern er hat wissentlich und – wie die Akten zeigen – mit übergroßer Bereitschaft für das MfS gearbeitet.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Was denn?)

Wir haben gestern Abend, als Gelegenheit gewesen wäre, keine Stellungnahme zur Sache erhalten. Von allen Rednern der Linksfraktion.PDS wurde nur zu Verfahrensfragen diskutiert.

Kollege Prof. Porsch, Sie haben heute erstmals einen Redebeitrag geleistet. Erstmals sprach nicht die Meinung

von Prof. Porsch aus dem Mund von Rechtsanwalt Diestel. Ich kann Ihnen nur ganz persönlich sagen: Ich fand diese Mischung aus Witzigkeit und Selbstmitleid dem Thema unangemessen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Ich finde es deswegen unangemessen, weil bei den erdrückenden Schlussfolgerungen aus der Aktenlage, selbst für den Fall, dass Sie Ihre Legende aufrechterhalten wollen, Sie wären der Kriminalpolizei aufgesessen, eine Entschuldigung erforderlich gewesen wäre bei denen, die durch Ihre Äußerungen leiden mussten.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Gegen wen ging es denn? Machen Sie doch Aussagen!)

Die Verfahrensdebatte, die heute fortgeführt wurde, wird der Sache nicht gerecht. Ich sage Ihnen auch noch einmal: Wir – Kollege Lichdi und ich – werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass der eidesstattliche Zeuge, der ehemalige Führungsoffizier, im Geschäftsordnungsausschuss gehört wird. Ich werde mich vor allem deshalb dafür einsetzen, weil ich den Widerspruch zwischen der entkräftenden Aussage des ehemaligen Führungsoffiziers und der Aktenlage aufklären möchte.

Der Wahrheitsgehalt der IM-Akten, der heute wieder infrage gestellt wurde, ist sehr hoch. Das MfS war auf diese Akten angewiesen und auf die ständige Überprüfung ihres Wahrheitsgehaltes, da sie die Grundlage für das politisch operative Geschäft des MfS waren.

Ich zitiere den ehemaligen Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Gauck: „Das Leugnen und Täuschen und die selektive Erinnerung, typisch. Aber die Staatssicherheit war kein Apparat, wo frei schaffende Künstler sich was aus den Fingern saugen konnten, denn diese Kontakte, wenn sie denn dokumentiert sind, die hat es gegeben.“

Nach meiner Überzeugung ist die IM-Tätigkeit festgestellt und die Frage, die sich jetzt anschließen muss, ist: Gibt es Gründe, die für eine Entlastung und für die Zumutbarkeit der Weiterführung des Mandats sprechen?

Ich habe weder in den Akten Begründungen gefunden noch von Ihnen gehört, die Zwang zu einer solchen Tätigkeit gewesen wären, wie Erpressung. Ich habe auch nichts, was eine Spur von Absage an das MfS gewesen wäre, gefunden oder zumindest den Versuch, sich von diesem Unterdrückungsapparat zu lösen.

Die Entwicklung in den vergangenen Jahren, die ich wahrnehmen musste, zeigte mir gerade in den vergangenen zwölf Monaten, dass Sie nach wie vor keinen offenen Umgang mit der Stasi-Verstrickung pflegen. Bis heute ist dieser Eindruck geblieben: Prof. Peter Porsch ist ein MfS-IM, der leugnet, der verdrängt und der mit selektiver Erinnerung lebt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie wissen alles besser!)

Deshalb haben sich alle Abgeordneten unserer Fraktion entschieden, die Abgeordnetenanklage zu unterzeichnen. Sie sagten vorhin, wir wollten Sie loswerden. Dieser Vorwurf ist völlig absurd. Sie haben es selbst erlebt, dass unsere Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Reihe von gemeinsamen parlamentarischen Initiativen mit Ihnen eingebracht hat. Die Unterschrift unserer Fraktionsvorsitzenden Antje Hermenau steht neben der von Prof. Peter Porsch.

Wir werden auch weiterhin Gemeinsamkeiten in der Sache suchen. Wir wollen Sie nicht loswerden, aber wir drängen darauf, dass in dieser Frage der Zumutbarkeit der Weiterführung des Abgeordnetenmandats der Verfassungsgerichtshof eine Entscheidung treffen kann. Das ist für uns eine Frage der politischen und rechtlichen Konsequenzen, und das sind wir der Menschlichkeit und der historischen Gerechtigkeit schuldig.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Ich erteile das Wort dem Abg. Gerlach.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich als Sprecher des Bewertungsausschusses unter Einhaltung dessen, was uns als Bewertungsausschuss zur Verschwiegenheit auferlegt wurde, einige Fakten nennen werde, möchte ich auf die drei Redebeiträge von Herrn Prof. Porsch, Herrn Bartl und Herrn Dr. Hahn eingehen.

Herr Prof. Porsch, Sie sind an dieses Pult gekommen und haben gesagt: Ihr Eifer gibt mir Ruhe und Kraft.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ja!)

Wenn ich die Debatte nicht ganz falsch verfolgt habe, war der Einzige, der hier geeifert hat, Ihr Kollege Bartl.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Dann haben Sie gesagt, „Sie“ – und da war nicht richtig klar, wen Sie gemeint haben, uns als Plenum oder uns als Bewertungsausschuss – „probieren es mit hochnotpeinlicher Befragung.“ So haben Sie das wörtlich gesagt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie sollten es mal probieren!)

Wir können gern hinterher ins Protokoll sehen. Ich habe nicht gesagt, dass ich alles so schnell mitschreiben kann. Aber es ging um „hochnotpeinliche Befragung“.

Ich hätte mir vorgestellt – und Sie haben im Bewertungsausschuss gesessen –, dass Sie sich diese hochnotpeinliche Befragung, wie Sie selber sagen, hätten ersparen können, indem Sie dort auf Fragen geantwortet hätten. Das war nicht der Fall.

(Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Ich hätte weiterhin von Ihnen erwartet, dass Sie einmal Stellung zu Dingen genommen hätten, wie: Was habe ich damals gedacht, als ich 15 Jahre mit einem Institut, das ich nie sah, kommunizierte? Es wäre interessant gewesen, wenn Sie so etwas gesagt hätten. Oder: Habe ich je Zweifel gehabt, als mir ein Kripobeamter mit einem Kennwort in einem Hotelzimmer gegenübertrat?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Es gab kein Kennwort!)

Das sagen Sie. Ich möchte es schon gern hören.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie wissen schon vorher, wie es ist!)

Nein, ich weiß nicht vorher, wie es ist, sondern ich habe mir, wie mein Vorredner auch, das alles sehr genau durchgelesen. Natürlich habe ich auch vorher Zeitungsberichte gelesen, aber Zeitungsberichte sind für mich kein Kriterium einer Bewertung.

Damit das relativiert wird, möchte ich Ihnen ein Beispiel nennen – und damit bin ich bei Herrn Hahn –, der der CDU- und SPD-Fraktion vorgeworfen hat, indem er, wenn ich richtig mitgeschrieben habe, so etwa formuliert hat: CDU und SPD waren nie zu einer differenzierten Betrachtung bereit. Es ging um die Stasi-Geschichte.

Eine PDS-Abgeordnete hat mich in der 1. Legislaturperiode in einem Vieraugengespräch, nachdem der ganze Bewertungsablauf vorbei war, zur Seite genommen und gesagt: „Herr Gerlach, ich möchte mich für die faire Bewertung im Bewertungsausschuss bedanken.“ Ich habe nicht das Recht, Ihnen zu sagen, wer das war und schon gar nicht, worum es ging, aber ich kann Ihnen diesen Fakt nennen. Daran sehen Sie, dass der Bewertungsausschuss auch andere Bewertungen in dieser Legislaturperiode durchgeführt hat, die nicht danach in den Landtag gekommen sind. Das lässt zumindest diese Geschichte, dass CDU- und SPD-Fraktion – Sie haben nur die beiden benannt – nie zu einer differenzierten Betrachtung bereit wären, ins Leere laufen.

Dann machen Sie Folgendes, Herr Hahn: Sie sagen, wir sind es gewohnt, kollektiv in Haftung genommen zu werden, weil wir die Wuschelkinder sind – Wuschelkinder haben Sie nicht gesagt –, wenn es um die Vergangenheit geht. Dann sagten Sie noch: Parteitaktisch und wahlpolitisch wird das gegen uns eingesetzt. – Das Einzige, was Sie damit erreichen und auch erreichen wollen, ist eine Solidarisierung in Ihrer eigenen Gruppe. Mich treffen Sie damit überhaupt nicht, denn ich nehme mir das gar nicht erst an. Ich sage auch gleich noch, warum. Ich werde dann sehr persönlich. Die anderen sind alle böse zu uns, deshalb haltet schön zusammen! Das haben Sie in Ihrer Rede im Wesentlichen gesagt.

Damit bin ich bei dem, was Herr Bartl gesagt hat. Ich lasse mich nicht auf juristische Details ein, weil ich überhaupt keine Chance habe, gegen Sie zu bestehen. Das habe ich Ihnen gestern auch schon gesagt. Aber, Herr Bartl, ich habe den Eindruck, dass das für Sie im Wesent

lichen ein juristisches Ereignis ist und nicht, wie es der Auftrag des Bewertungsausschusses ist, eine Bewertung über einen Abgeordneten in seiner Gesamtheit.

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: Das ist eine Rechtsfrage!)